Eignung der „Limited“ als Rechtsform für kleine und mittelständische Unternehmen


Diplomarbeit, 2007

59 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Definition von kleinen und mittleren Unternehmen
2.1 Kleine Unternehmen
2.2 Mittlere Unternehmen

3 Gesellschaftsrechtliche Aspekte
3.1 Einordnung der Limited in das britische Gesellschaftsrecht
3.2 Neuere Entwicklungen des europäischen Gesellschaftsrechts
3.2.1 Daily Mail und Centros
3.2.2 Überseering
3.2.3 Inspire Art
3.3 Gründung einer Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland
3.3.1 Anmeldung beim „Companies House“
3.3.2 Eintragung ins deutsche Handelsregister
3.3.3. Vergleich zur GmbH

4 Haftung
4.1 „Director“
4.1.1 Haftung vor Eintragung in das Handelsregister
4.1.2 Haftung im Innenverhältnis
4.1.3 Haftung im Außenverhältnis
4.2 „Secretary“
4.3 Gesellschafter

5 Finanzierung
5.1 Mindestkapital
5.2 Zusätzliche Gründungs- und Folgekosten

6 Steuerrechtliche Aspekte
6.1 Steuerpflicht in Großbritannien und in Deutschland
6.2 Gründungs-, Erklärungs- und Anzeigepflichten
6.3 Besteuerung der Gesellschaft
6.3.1 Körperschaftsteuer
6.3.2 Gewerbesteuer
6.3.3 Umsatzsteuer
6.4 Besteuerung der Gesellschafter
6.5 Steuerbelastungsvergleich mit einer deutschen Personengesellschaft

7 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Rechtsprechungsverzeichnis

1 Einleitung

Die Wahl einer geeigneten Rechtsform stellt für Existenzgründer eine der wichtigsten unternehmerischen Entscheidungen bei Gründung ihres Unternehmens dar. Jahrzehntelang war die GmbH für KMU eine beliebte Rechtsform.[1] Der größte Vorteil der GmbH liegt darin, dass sie als Kapitalgesellschaft mit einer Haftungsbeschränkung ausgestattet ist. Jedoch birgt sie auch Nachteile. Insbesondere die relativ hohe Kapitaleinlage in Höhe von momentan 25.000 € und ein großer bürokratischer Aufwand stellen oftmals Hürden dar.

Diverse Entscheidungen des EuGH seit 1999 haben dazu geführt, dass ausländische Gesellschaftsformen sowie natürliche Personen Niederlassungsfreiheit in Deutschland und allen anderen Mitgliedstaaten der EU haben. Somit wurde auch dem deutschen Unternehmer die Möglichkeit gegeben, unter der Vielzahl der verschiedenen Kapitalgesellschaftsformen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union auszuwählen.[2]

Auch wenn die GmbH „nach wie vor die mit Abstand beliebteste Gesellschaftsform in Deutschland“[3] bleibt, entdecken immer mehr deutsche Unternehmer im Zuge dieser Rechtsänderungen die britische Rechtsform der „private company limited by shares“, kurz nur Limited oder Ltd. genannt, als Alternative zur deutschen GmbH.[4] Sie gilt bei vielen Unternehmern als flexibler und weniger bürokratisch, was meist auf die Möglichkeit der schnellen und kostengünstigen Gründung quasi ohne Bereitstellung von Eigenkapital zurückgeführt wird.[5] In Deutschland wird bereits fast jede vierte Neugründung einer vergleichbaren Kapitalgesellschaft als Limited vorgenommen[6], das waren insgesamt von November 2002 bis Ende 2005 bereits mehr als 30.000 Firmen.[7] Pro Monat werden etwa 500 neue Limiteds registriert.[8]

Warum wird in Deutschland gerade die Rechtsform der Limited gern gewählt? Vielleicht liegt dies auch an den diversen am Markt vertretenen Limited-Gründungsagenturen, die sich speziell an Existenzgründer wenden. Sie versuchen insbesondere über Informationsveranstaltungen den potenziellen Kunden die Rechtsform und eine spätere Betreuung schmackhaft zu machen, indem sie mögliche Vorteile aufzählen und Nachteile größtenteils außer Acht lassen. Es wird hierbei mit einfachen Gründungsvoraussetzungen und niedrigen Gründungskosten bei gleichzeitiger Haftungsbeschränkung geworben. Die Limited wird dem Unternehmensgründer als „passgenaue Alternative gegenüber der GmbH“[9] verkauft. Weitere Gründe könnten darin liegen, dass neben einer sehr ausreiften englischen Gesetzgebung die englische Sprache als die Sprache des internationalen Geschäftsverkehrs den Rechtsformen aus anderen Ländern vorgezogen wird.[10]

Ziel dieser Diplomarbeit ist die kritische Ausarbeitung von gesellschaftsrechtlichen, finanziellen und steuerrechtlichen Aspekten, um damit dem Gründer einer kleinen oder mittleren Unternehmung eine Entscheidungshilfe in Form eines Überblicks der wichtigsten unternehmerischen Argumente zu geben, ob die Limited die geeignete Rechtsform für ihn ist. Hierbei soll zu allen Aspekten der Vergleich zum deutschen gegenstück, der GmbH, gezogen werden. Im Mittelpunkt soll hier einzig die ausschließlich in Deutschland tätige Limited stehen, die ihren Satzungssitz in England oder Wales und ihren Verwaltungssitz, dem Ort der Geschäftsführung, in Deutschland hat. Nach einer Definition der KMU wird die Limited in das englische Gesellschaftsrechtssystem eingeordnet, die wichtigsten Urteile zur Entstehung der so genannten Gründungstheorie werden erklärt und die formellen Gründungsvoraussetzungen kurz beschrieben. Besonders die Frage der Haftung spielt eine zentrale Rolle. Diese soll sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis ausführlich beschrieben werden. Es soll aufgezeigt werden, ob der Unternehmer in allen Fällen einzig beschränkt mit seiner Einlage haftet. Auch die Frage des Mindestkapitals soll erörtert werden. Ist es wirklich vorteilhaft, dass man die Limited bereits mit einem Stammkapital in Höhe von einem englischen Pfund errichten kann? Bei der Rechtsformwahl sind neben den Gründungskosten auch die jährlich auftretenden Folgekosten zu berücksichtigen. Die Gesamtkostenlage soll kritisch erörtert werden. Den ausführlichsten Teil dieser Diplomarbeit wird den steuerrechtlichen Aspekten gewidmet. Es soll festgestellt werden, warum in Deutschland die Limited der GmbH in aller Regel gleichgestellt wird. Dabei soll sowohl die Gesellschafts- als auch die Gesellschafterebene betrachtet werden. Anhand eines Steuerbelastungsvergleichs mit einer deutschen Personengesellschaft soll die Problematik der Besteuerung näher veranschaulicht werden. Grundlage des Steuerrechts soll der Stand des Jahres 01.01.2006 sein. Letztlich soll resümiert werden, wann sich die Rechtsform der Limited für eine Unternehmensgründung eignet. In diese Schlussbetrachtung soll auch der Regierungsentwurf der deutschen Bundesregierung über das neue MoMiG-Gesetz[11] kurz diskutiert werden, mit dem die Bundesregierung versucht, die GmbH attraktiver und wettbewerbsfähiger zu machen.

2 Definition von kleinen und mittleren Unternehmen

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) haben eine herausragende Stellung in der deutschen Wirtschaft. Sie stellen 99,6% aller deutschen Unternehmen, beschäftigen 68% aller Arbeitnehmer und tragen an der Wertschöpfung in Deutschland einen Anteil in Höhe von 44,1% bei.[12] Eine exakte Definition von KMU ist nicht eindeutig möglich. Im Allgemeinen dürfen sie bestimmte Größenmerkmale nicht überschreiten. Diese Kriterien werden jedoch nicht einheitlich definiert.[13][14] Jedoch werden in Deutschland nicht nur größenorientierte Kriterien einbezogen, denn auch qualitative Kriterien spielen oft zusätzlich eine ausschlaggebende Rolle. Diese zeichnen sich z.B. durch eine mangelnde Kapitalmarktorientierung aus.[15] Somit sind KMU als öffentlich nicht rechenschaftspflichtig anzusehen.[16]

Um die exakten Unterschiede zwischen kleinen und mittleren Unternehmen zu ermitteln, sollen unter 2.1 und 2.2 die quantitativen Unterschiede gemäß § 267 HGB ermittelt werden.

2.1 Kleine Unternehmen

Gemäß § 267 Abs. 1 HGB dürfen kleine Kapitalgesellschaften folgende Merkmale nicht überschreiten: Die Bilanzsumme darf nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrags[17] nicht mehr als 4.015.000 Euro betragen. Außerdem liegt die Grenze bei den Umsatzerlösen in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag bei maximal 8.030.000 Euro. Hinzu wird auferlegt, dass im Jahresdurchschnitt nicht mehr als 50 Arbeitnehmer beschäftigt sein dürfen. Können zwei der drei Kriterien eingehalten werden, so liegt hier der Status eines kleinen Unternehmens vor.

2.2 Mittlere Unternehmen

Mittelgroße Unternehmen überschreiten mindestens zwei der unter 2.1 genannten quantitativen Merkmale. Gemäß § 267 Abs. 2 HGB sind diese jedoch auch in der Höhe begrenzt. So liegt hier der maximale Wert der Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrags bei 16.060.000,00 Euro. Die Summe der Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschluss darf hier nicht höher als 32.120.000 Euro sein. Außerdem darf die Beschäftigtenanzahl im Jahresmittel maximal 250 betragen. Zwei der drei Merkmale dürfen auch hier nicht überschritten werden. Geschähe dies, so gehörte das Unternehmen gemäß § 267 Abs. 3 HGB zu den großen Unternehmen.

3 Gesellschaftsrechtliche Aspekte

Die „private company limited by shares“ ist eine bei Gründern beliebte Rechtsform, die unter dem Schutz der europäischen Niederlassungsfreiheit auch in Deutschland angewandt werden kann. Da es sich hierbei um eine britische Rechtsform handelt, soll sie zunächst in das britische Gesellschaftsrecht eingeordnet werden. Die Limited ist für Gründer bzw. Investoren besonders interessant, weil sie relativ einfach und schnell gegründet werden und in ihrer Haftung beschränkt sein soll. Somit wurde sie auch für Neugründer mit Verwaltungssitz in anderen EU-Staaten wie z.B. Deutschland attraktiv. Ferner soll aufgezeigt werden, wie der EuGH mit seinen Urteilen „Daily Mail“, „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ diese Niederlassungsfreiheit einer Auslandsgesellschaft zuließ. Anschließend sollen die für Gründer ausschlaggebenden Faktoren, also die Gründung und die Haftung näher untersucht werden. Wie wird die Limited gegründet? Ist die Gründung wirklich einfach und schnell abzuwickeln? Welche Regeln bezüglich der Haftung der einzelnen verantwortlichen Personen sind bei der Limited zu beachten? Geschieht dies nach deutschem Recht oder muss hier auf das Recht des Gründungsstaates, also hier England, zurückgegriffen werden? Gibt es spezielle Haftungsregelungen im Falle einer Insolvenz? All diese Fragestellungen werden im Abgleich zur deutschen GmbH beantwortet.

3.1 Einordnung der Limited in das britische Gesellschaftsrecht

Im Allgemeinen unterscheidet das britische Recht zwei klassische Typen von Gesellschaftsformen. Zum einen gibt es die „Partnerships“, die mit den deutschen Personengesellschaften vergleichbar sind. Sie besitzen keine eigene Rechtspersönlichkeit und sind nicht rechtsfähig.[18] Die andere klassische Gesellschaftsform ist die der „companies“. Hierbei handelt es sich um rechtsfähige Kapitalgesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit.[19]

Die Recht der Kapitalgesellschaften wird hauptsächlich im CA 1985 geregelt. Er enthält „allgemeine Vorschriften des englischen Gesellschaftsrechts“[20]. Änderungen und Ergänzungen des CA 1985 wurden durch den CA 1989 vorgenommen.[21] Zusätzlich gibt es eine Reihe von Spezialgesetzen, die das allgemeine Recht konkretisieren. Hierzu zählen z.B. der „Insolvency Act 1986“ und der „Company Directors Disqualification Act 1986“, in denen die Abwicklung von insolventen Kapitalgesellschaften bzw. das Betätigungsverbot für die Geschäftsführer geregelt wird.[22] Das CA 1985 unterscheidet drei Arten von „companies“. Hierzu gehören die „companies limited by shares“, „companies limited by guarantee“ und die “unlimited companies”. Hierbei geht der CA 1985 vom Prinzip einer einheitlichen Kapitalgesellschaftsform aus.[23] Somit handelt es sich hier anders als im deutschen Gesellschaftsrecht um unterschiedliche Ausprägungen von ein und derselben Kapitalgesellschaft und nicht um verschiedene Gesellschaftsarten.[24]

Die „companies limited by shares“ sind in Relation zu den „unlimited companies“ und den „companies limited by guarantee“ bei Weitem bedeutsamer. Sie kann entweder eine private limited company (Ltd.) oder eine public limited company (Plc.) sein.[25] Wird eine neue „company limite by shares“ bei Eintragung ins „companies register“, dem englichen Handelsregister, nicht ausdrücklich als Plc. registriert, so ist sie eine Ltd.[26] Beide Gesellschaftsformen sind Kapitalgesellschaften, bei denen die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen begrenzt ist. Jedoch unterscheiden sich beide nicht nur bei den Namenszusätzen. Die Plc. darf öffentlich, z.B. an einer Börse, gehandelt werden. Dies ist der Ltd. untersagt. Ferner schreibt das CA 1985 für eine Plc. ein Mindestkapital in Höhe von 50.000 Pfund vor, wobei mindestens ein Viertel des Nennbetrages und das Agio eingezahlt werden müssen. Dagegen wird bei der Ltd. kein Mindestkapital verlangt. Somit ähnelt die Plc. nach ihren gesellschaftsrechtlichen Grundprinzipien eher der deutschen Aktiengesellschaft und die Ltd. eher der deutschen GmbH.[27] Die Plc., die wegen ihres hohen Mindestkapitals nur für größere Unternehmen und Großunternehmen geeignet ist, hat einen Anteil an allen registrierten „companies“ in Höhe von nur einem Prozent, wobei ihre wirtschaftliche Bedeutung aber ungleich höher ist.[28] Dagegen ist die Ltd. flexibler und hat einen Anteil unter den Kapitalgesellschaften von 95%.[29]

3.2 Neuere Rechtsentwicklungen

Deutschlands Rechtsprechung ging viele Jahre bei der Bestimmung des maßgeblichen Gesellschaftsrechts von der so genannten Sitztheorie aus. Hiermit wurde das Ziel verfolgt, „den Zuzug von ausländischen, nach weniger strengen Vorschriften gegründeten Gesellschaften zu verhindern“[30]. Konkret wurde die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft nach dem Recht beurteilt, an dem sie ihren Verwaltungssitz hatte. Der Verwaltungssitz wird vom BGH als der Ort definiert, an dem grundlegende Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden.[31] Rechtliche Probleme entstanden bei Konstellationen, wo eine nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaft wie die Limited ihren Sitz nach Deutschland verlegen wollte. Die deutsche Rechtsprechung behandelte eine solche Gesellschaft grundsätzlich als rechtliches Nullum.[32] Ausländische Gesellschaften erfüllten nicht die Gründungserfordernisse des deutschen Rechts und wurden somit, je nachdem, ob ein Handelsgewerbe betrieben wurde, als offene Handelsgesellschaften oder Gesellschaften bürgerlichen Rechts betrachtet.[33] Sowohl die Anerkennung als juristische Person als auch die beschränkte Haftung wurden nicht akzeptiert.

Durch die Binnenmarktharmonisierung der EU werden gesellschaftsrechtliche Fragen mehr und mehr auf der europäischen Ebene geregelt. Der EuGH hat durch diverse Entscheidungen dafür gesorgt, dass in Deutschland als Mitgliedsstaat der EU eine Wende von der Sitz- zur Gründungstheorie vollzogen werden musste. Die Beurteilung des Gesellschaftsstatuts, d.h. die Anerkennung als rechtsfähige juristische Person und der gesellschaftsrechtlichen Organisation der Gesellschaft,[34] ist somit nach dem Recht des Gründungsstaates zu vollziehen, auch wenn der tatsächliche Verwaltungssitz in ein anderes Land verlegt wird. Diese Theorie wird gestützt vom Niederlassungsrecht laut Art. 43 und 48 des EG-Vertrages, wonach für Gesellschaften innerhalb Europas Niederlassungsfreiheit besteht.

3.2.1 Daily Mail und Centros

Mit der ersten einschlägigen „Daily Mail-Entscheidung“[35] des EuGH wurde zunächst festgestellt, dass beim damaligen Stand des Gemeinschaftsrechts die Modalitäten einer Sitzverlegung ungelöst seien und daher eine Lösung durch ihn bedürften.[36] Erst zehn Jahre später konkretisierte der EuGH im Zuge der „Centros-Entscheidung“[37], dass der Eintrag einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft ins Handelsregister in einem EU-Mitgliedstaat nicht verweigert werden dürfe, sofern die Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat, in dem sie ihren Sitz habe, wirksam und errichtet worden sei.[38] Offen blieb bei diesem Urteil, ob daraus auch Schlussfolgerungen auf solche Zuzugsstaaten zu ziehen waren, in denen es wie in Deutschland nach wie vor die Sitzplatztheorie galt.[39] Die Anerkennung in Deutschland konnte nur erreicht werden, indem die zentralen Gründungserfordernisse des deutschen Rechts, wie z.B. dem Mindestkapital und der Eintragung in Handelsregister, nachgekommen wären.[40]

3.2.2 Überseering

Einen weiteren Schritt ging der EuGH mit der „Überseering-Entscheidung“[41]. Sie besagt, dass die Aberkennung der Rechts- und Parteifähigkeit einer ausländischen EU-Gesellschaft in dem Mitgliedsstaat, in dem sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat, gemeinschaftsrechtswidrig ist.[42] Allerdings war der Zuzugsstaat nach „Überseering“ nur zur Achtung der Rechts- und Parteifähigkeit verpflichtet. Somit waren die EU-Mitgliedsstaaten im innergemeinschaftlichen Rechtsverkehr weiterhin frei darin, ob sie das auf gesellschaftsrechtliche Fragen anwendbare Recht anhand der Gründungs- oder der Sitzplatztheorie wählen.[43] Als Konsequenz aus der „Überseering-Entscheidung“ gab der BGH die Sitzplatztheorie für EU-Mitgliedstaaten auf[44], so dass eine ausländische Gesellschaft in Deutschland rechts- und parteifähig werden konnte.[45]

3.2.3 Inspire Art

Durch die „Inspire Art-Entscheidung“[46] entschied der EuGH, dass „die Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit auch dann möglich sei, wenn eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat mit dem alleinigen Ziel errichtet wurde, in einem anderen Mitgliedstaat operativ tätig zu sein, solange keine Anzeichen für betrügerische Absichten vorlägen“[47]. Hierbei ist oftmals auch von der so genannten Briefkasten- bzw. Scheinauslandsgesellschaft die Rede.[48] Außerdem verstößt es gegen europäisches Recht, wenn ein Mitgliedstaat die Errichtung einer Zweigniederlassung von national geschaffenen Voraussetzungen z.B. bezüglich des Mindestkapitals und der Geschäftsführerhaftung abhängig macht.[49] Das gesamte Gesellschaftsstatut richtete sich nun also grundsätzlich nach ihrem ausländischen Gründungsrecht.[50]

Nach „Inspire Art“ ist somit ein unbeschränkter Wettbewerb zwischen den verschiedenen europäischen Gesellschaftsformen zugelassen.[51] Jeder Gesellschaftsgründer hat nun die Möglichkeit, seine Gesellschaft in dem Staat zu errichten, in dem ihm die Rahmenbedingungen am attraktivsten erscheinen.[52] Folglich muss eine Limited in Deutschland gemäß der Gründungstheorie nach englischem Gesellschaftsrecht behandelt werden, auch wenn bis auf den Gründungsakt keine Verbindung nach Großbritannien besteht.

3.3 Gründung einer Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland

Die Gründung einer Limited erfolgt in der Regel einfach und schnell. Als englische Kapitalgesellschaft darf sie ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegen, indem sie dort ausschließlich unternehmerisch tätig wird. Sie ist aber verpflichtet, ihren Satzungssitz, dem so genannten „registered office“ weiterhin in Großbritannien zu unterhalten. Hier sind bestimmte Dokumente, wie z.B. das Anteilseignerverzeichnis, das Protokollbuch der Gesellschafterversammlungen und ein Verzeichnis der „directors“ und „secretaries“ zu hinterlegen.[53] Unter „directors“ sind Geschäftsführer zu verstehen, die die Gesellschaft gegenüber Dritten vertreten. Bei mehr als einem Geschäftsführer ist auch vom „Board of directors“ die Rede. Oftmals ist der „director“ auch gerade bei KMU gleichzeitig der Gesellschafter (engl. „Shareholder“) der Limited[54]. Der „secretary“ ist ein für das deutsche Recht unbekanntes Organ. Er ist für reine Verwaltungsaufgaben zuständig. Hierzu gehören z.B. interne Dokumentationsaufgaben, Führung der verschiedenen Register und Erfüllung der zahlreichen Publikationspflichten.[55] Oftmals übernehmen die Limited-Gründungsagenturen die Aufgabe bei KMU gegen ein Entgelt.[56] Die Limited entsteht, indem ein so genanntes „certificate of incorporation“ ausgestellt wird.[57] Somit müssen verschiedene Gründungsschritte sowohl in England bzw. Wales als auch in Deutschland vollzogen werden. Diese werden im Folgenden dargestellt.

3.3.1 Anmeldung beim „Companies House“

Da die Limited im Gegensatz zur deutschen GmbH keinen einheitlichen Gesellschaftsvertrag kennt, müssen zur Neugründung einer englischen Gesellschaft vier Dokumente[58] beim zuständigen Gesellschaftsregister, dem „Companies Registry“ im „Companies House“ in Cardiff, eingereicht werden.[59] Hierbei handelt es sich um die Satzung, die aus zwei separaten Dokumenten besteht, dem für das Außenverhältnis maßgeblichen „Memorandum“ und den „Articles“, in denen das Innenverhältnis bestimmt wird.[60] Das „Memorandum“ enthält den Namen und den Sitz der Gesellschaft, den Geschäftszweck, die Haftungsbeschränkung und Angaben über das Gesellschaftskapital.[61] Die „Articles“ enthalten alle Regeln des Innenverhältnisses, wie z.B. über die Ausgabe und Zuteilung von Gesellschaftsanteilen, die Übertragung von Gesellschaftsanteilen, Fragen der Gewinnverteilung oder die Ernennung und Abberufung von Geschäftsführern.[62] In der Praxis wird regelmäßig bei der Auswahl eines geeigneten Textes auf Musterdokumente zurückgegriffen. Grundlage der „Articles“ ist das Musterdokument „Table A“. Hingegen gibt es für das „Memorandum“ das Standarddokument „Table B“, das eine Tabelle darstellt, in die all die o.g. Informationen für das Außenverhältnis eingetragen werden.[63] Die „Articles“ muss man im Gegensatz zum „Memorandum“ nicht zwingend beim „Companies House“ einreichen, entsprechend wird dann auf die Standardregelung des „Table A“ zurückgegriffen.[64] Die Satzung muss im Gegensatz zum Gesellschaftsvertrag der GmbH nicht notariell beglaubigt werden. Neben dem Anteilsinhaber muss mindestens ein Zeuge das „Memorandum“ unterschreiben. Die „Articles“ müssen dagegen nur dann von den Anteilseignern und mindestens einem Zeugen unterschrieben werden, wenn von der Möglichkeit Gebrauch gemacht wurde, „Table A“ abzulehnen oder in Teilen zu modifizieren.[65]

Außerdem müssen zwei Formblätter ausgefüllt, unterschrieben und an das „Companies House“ geschickt werden. Zum einen handelt es sich um das Formblatt Nr. 10[66], in dem der Name und die Adresse der Gesellschaft sowie ihre Direktoren und der „Secretary“ mit Name, Geburtsdatum, Adresse, Nationalität und Beruf genannt werden müssen.[67] Zum anderen ist das Formblatt Nr. 12[68] auszufüllen. Hier handelt es sich um ein Antragsformular, in dem ein Geschäftsführer, der “Secretary“ oder ein mit der Gründung beauftragter Anwalt (engl. „Solicitor“) mit seiner Unterschrift eidesstattlich erklärt, dass alle Anforderungen des CA 1985 bezüglich der Eintragung und Gründung der Gesellschaft erfüllt sind. Die Formblätter können unter http://www.companieshouse.gov.uk als pdf-Dokument zum Ausdrucken aus dem Internet herunter geladen werden.[69]

[...]


[1] Universität Lüneburg (Dezember 2006), S. 1.

[2] Triebel/von Hase/Melerski (2006), S. V.

[3] Merz/Gottschalk (2006), S. R1.

[4] Mellert/Verfürth (2005), S. 97f.; Just (2005), S. V.

[5] Meyer/Schleus (2006), S. V.; Universität Lüneburg (Dezember 2006), S. 1.

[6] Universität Lüneburg (Dezember 2006), S. 1.

[7] Ministerium der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt (2006), S. 7.

[8] IHK Bonn (Februar 2006), S. 20.

[9] Universität Lüneburg (Dezember 2006), S. 1.

[10] Heinz (21.05.2004), S. 4.

[11] MoMiG = Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen

[12] Sozialforschungsstelle Dortmund (2001), S. 31.

[13] Kirsch/Meth (2007), S. 9.

[14] Unterschiede bestehen z.B. zwischen der Auffassung der EU-Kommision und dem deutschem HGB, unter 2.1 und 2.2 sollen nur die Kriterien des HGB dargestellt werden

[15] Kirsch/Meth (2007), S. 9; Bieker (2007), S. 1207; Zabel/Cairns (2005), S. 209.

[16] Zabel/Cairns (2005), S. 210.

[17] Vgl. § 268 Abs 3 HGB

[18] Bank (2006), S. 33.

[19] a.a.O., S. 36; Güthoff (2004), S. 4.

[20] Otte (2006), S. 10.

[21] Heinz (2006), S. 17.

[22] Otte (2006), S. 10.

[23] Just (2005), S. 3.

[24] Bank (2006), S. 36; Otte (2006), S. 11.

[25] Bank (2006), S. 36f.

[26] Just (2005), S. 3.

[27] Bank (2006), S. 37.

[28] Güthoff (2004), S. 5.

[29] Glindemann (2005), S. 12.

[30] Schwarz (2000), S. 107ff.

[31] Heinz (2006), S. 5.

[32] Römermann (2006), S. 26., Rz. 5.

[33] Just (2005), S. 5.

[34] Heckschen (2005), S. 12f.

[35] EuGH-Urteil vom 27.09.1988 - 81/87, NJW 1989, S. 2186.

[36] Römermann (2006), S. 27., Rz. 11.

[37] EuGH-Urteil vom 09.03.1999 - C-212/97, NJW 1999, S. 2027.

[38] Heckschen (2005), S. 20.

[39] Heidel (2005), S. 5.

[40] Heckschen (2005), S. 19.

[41] EuGH-Urteil vom 05.11.2002 - C-208/00, NJW 2002, S. 3614.

[42] Heckschen (2005), S, 13 f.

[43] Kindler (2003), S. 1077ff.

[44] BGH-Urteil vom 13.03.2003 - VII ZR 370/98, NJW 2003, S. 1461.

[45] Römermann (2006), S. 28f., Rz. 15.

[46] EuGH-Urteil vom 30.09.2003 - C-167/01, NJW 2003, S. 3331.

[47] Römermann (2006), S. 29., Rz. 17.

[48] Ernst & Young AG (17.06.2004), S. 3; Triebel/von Hase/Melerski (2006), S. 106ff.

[49] Just (2005), S. 5.

[50] Maul/Schmidt (2003), S. 2297.

[51] Wachter (2003), S. 1254.

[52] Wachter (2005), S. 717.

[53] Korts Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (O.J.), S. 2.

[54] Institut für Sensor- und Aktuarsysteme der TU Wien (12.02.2006), S. 30.

[55] Triebel/von Hase/Melerski (2006), S. 84f.

[56] Korts Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (O.J.), S. 2.

[57] Dieksmeier (2005), S. 1517.

[58] Section 10 CA 1985.

[59] Adresse zur Registrierung: The Registrar of Companies, Companies House, Main office, Crown Way, Cardiff, CF 14 3ZU, Great Britain

[60] Just (2005), S. 14, Rz. 60.

[61] Section 2 CA 1985.

[62] Brinkmeier/Mielke (2007), S. 30ff.

[63] Römermann (2006), S. 65., Rz. 15.

[64] Zöllner (2006), S. 3.

[65] Just (2005), S. 7., Rz. 30.

[66] Titel des Formblatt Nr. 10: „Statement of particulars of directors and secretary an situation of registered office“

[67] ECLA (10.11.2006), S. 5.

[68] Titel des Formblatt Nr. 12: „Declaration of Compliance“

[69] Heckschen (2005), S. 30f., Rz. 106.

Ende der Leseprobe aus 59 Seiten

Details

Titel
Eignung der „Limited“ als Rechtsform für kleine und mittelständische Unternehmen
Hochschule
Universität Hamburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
59
Katalognummer
V91246
ISBN (eBook)
9783638051033
ISBN (Buch)
9783638944687
Dateigröße
627 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Eignung, Rechtsform, Unternehmen
Arbeit zitieren
Diplom-Betriebswirt Jan Henrik Wendt (Autor:in), 2007, Eignung der „Limited“ als Rechtsform für kleine und mittelständische Unternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91246

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