Das Verhältnis von privater und staatlicher Erziehung in der modernen Leistungsgesellschaft


Hausarbeit, 2020

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffsdefinition
2.1 Erziehung
2.1.1 Allgemeiner Erziehungsbegriff
2.1.2 Private Erziehung bzw. Familie
2.1.3 Staatliche bzw. öffentliche Erziehung
2.2 Moderne Leistungsgesellschaft

3 Wandel der Familie in der Moderne

4 Verständnis von privater und öffentlicher Erziehung nach Friedrich Schleiermacher

5 Verhältnis von privater und staatlicher Erziehung in der modernen Leistungsgesellschaft
5.1 Rechtliche Rahmenbedingungen
5.2 Steigender Ausbau öffentlicher Erziehung und die Rolle der Familie
5.3 Erwartungsproblem der Leistung in privater und öffentlicher Verortung
5.3.1 Öffentliche Erziehungsträger
5.3.2 Private Erziehungsträger
5.4 Konflikt zwischen den privaten und staatlichen Erziehungsvertretern
5.5 Ausblick in die Zukunft des Verhältnisses beider Parteien

6 Fazit

1 Einleitung

Die Familie kommt einem wohl als erstes in den Sinn, wenn man sich mit Bereichen erzieherisch handelnder Personen befasst. Sie prägt maßgeblich die psychosoziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und bestimmt systematisch familiäre Bedingungen der Lern- und Leistungsentwicklung von Heranwachsenden (vgl. Wild 2020, S. 32).

Doch neben der Familie gewinnt das öffentliche Erziehungs- und Bildungssystem, verbunden mit der gesellschaftlichen Entwicklung zu mehr Leistung und Dynamik, an Wichtigkeit und Einfluss. Seit dem 19. Jahrhundert wächst deren Wirkung auf die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen. Folglich wurden immer mehr Verantwortungsbereiche der familiären Erziehung und Bildung den Erziehungs- und Bildungseinrichtungen übertragen. Heranwachsende verbringen mittlerweile einen sehr großen Zeitabschnitt ihres Lebens in Krippe, Kindertagesstätte, Hort, Schule oder anderen Institutionen. Spätestens ab dem sechsten Lebensjahr nehmen diese öffentlichen Erziehungsverantwortlichen einen großen Teil ein (vgl. Ecarius, Köbel, Wahl 2011, S. 101).

Zudem lässt sich sowohl ein Ausbau an Ganztagesschulen als auch eine zunehmende Heterogenität der Eltern und Schüler*innen feststellen, was wiederum die Bedeutung des Erziehungsauftrages von Schule stärkt. Viele Heranwachsende verbringen einen sehr großen Teil ihrer Zeit sowohl in Schulen als auch in Kindertageseinrichtungen, wodurch diese automatisch zu einem wichtigen Lebens-. und Beziehungsraum werden (vgl. Wild 2020, S. 32).

Aus diesen aktuellen Entwicklungen von Familie und staatlichen Einrichtungen, welche beide durch die Veränderungen unserer Gesellschaft sich selbst und ihre Erziehungs- und Bildungspartnerschaft neu definieren müssen, befasst sich diese Arbeit mit dem Verhältnis von privater und staatlicher Erziehung in der modernen Leistungsgesellschaft. Dabei soll, nach einer Bestimmung der wichtigsten Begriffe und Bestandteile, zunächst auf die Veränderung der Familie und ihrer Formen eingegangen werden, welche eine wichtige Einflussgröße in diesem Disput darstellt. Daraufhin findet eine historische Näherung an das Verhältnis zwischen beiden Parteien nach den Auffassungen von Friedrich Schleiermacher statt, welcher dies schon 1826 in seinen Vorlesungen diskutierte. Anschließend wir das Verhältnis in unserer heutigen Gesellschaft dargestellt, wobei zunächst die rechtlichen Rahmenbedingungen erklärt werden, bevor der steigende Ausbau öffentlicher Erziehung und die dennoch elementare Bedeutung von Familie in diesem Kontext thematisiert werden. Daraufhin wird auf das Leistungsprinzip unserer Gesellschaft eingegangen, welches sich in großem Ausmaß durch Erwartungen im privaten und öffentlichen Bereich zeigt. Zuletzt folgt eine Darstellung des Konflikts zwischen beiden Parteien, bevor ein Ausblick für eine zukünftige Erziehungspartnerschaft gegeben wird und die Arbeit mit einem Fazit endet.

2 Begriffsdefinition

2.1 Erziehung

2.1.1 Allgemeiner Erziehungsbegriff

Jürgen Oelkers definiert Erziehung allgemein als moralische Kommunikation zwischen Personen und Institutionen. Diese wird mit und über Medien begriffen, soweit sie auf dauerhafte Einwirkungen abzielt und ein Gefälle voraussetzt. Gleichzeitig setzt die moralische Kommunikation eine kontinuierliche, aber auch generalisierbare Reflexion voraus. Die hierbei vorhandenen Erziehungstheorien sind im Kern an moralische Erwartungen gebunden, welche die Richtung und Gewichtung bestimmen. Diese können in religiöser, philosophischer oder alltagssprachlicher Form artikuliert werden. Außerdem setzen sie sowohl positive als auch negative Erfahrungen mit Erziehung voraus, verweisen auf Defizite und implizieren Forderungen an das Handeln (vgl. Oelkers 2004, S. 303).

Erziehung wird auch als gewährleistende Erhaltung einer bestimmten Gesellschaftsordnung definiert oder zur Förderung des Entstehens neuer Formen (vgl. Richter 2015, S. 483).

„Was man im Allgemeinen unter Erziehung versteht, ist als bekannt vorauszusetzen“ (Schleiermacher 1826/1957, S. 7).

So erklärt Schleiermacher, dass Eltern ursprünglich erziehen und zwar, wie es allgemein anerkannt ist und nicht nach einer speziellen Theorie. Sie erziehen jedoch nicht allein, da die Erziehungslehre auch auf Eltern unterstützende Personen bezogen ist. Diese können eine gewisse Zeit in der familiären Erziehung beruflich oder in öffentlichen Einrichtungen erzieherisch tätig sein. Jedoch bildet das Verständnis von Erziehung und die Tätigkeit des einen gleichzeitig das Gegenteil des anderen. In der Familie wird Erziehung im engeren Sinne und als Entwicklung des ganzen geistigen Wesens verstanden. Auf der anderen Seite wird sie durch Unterrichten oder Mitteilen von Kenntnissen und Fertigkeiten definiert. Beide Seiten werden jedoch in den folgenden zwei Kapiteln noch weiter ausdifferenziert (vgl. Schleiermacher 1826/1957, S.7).

2.1.2 Private Erziehung bzw. Familie

Im alltäglichen Sprachgebrauch wird zunächst unter „privat“ eine Assoziation zu eigen, individuell, persönlich, geschützt und familiär verstanden. Dadurch wirkt der Begriff auf den ersten Blick nahezu vollkommen positiv und ist mit den Vorstellungen von „Freiheit“ eng verbunden. Privates wird als etwas für die Allgemeinheit nicht Zugängliches angesehen und verweist somit notgedrungen auf die gegenseitige Öffentlichkeit (vgl. Jurczyk 2011, S.82). Somit lässt sich das Private als einen abgegrenzten Bereich definieren. Er entspricht dem bürgerlichen Ideal der Familie und beinhaltet Potenziale und Abgründe der privaten Erziehung. Die private Kindheit ist dadurch räumlich und psychosozial auf die Herkunftsfamilie bezogen (vgl. Andresen 2011, S. 64f.).

Aus dieser Definierung kann festgehalten werden, dass private Erziehung in der Familie stattfindet. Doch diese zu definieren birgt in der heutigen Gesellschaft eine nicht sehr einfache Aufgabe. Man dürfe von „Familie“ nur noch im Plural reden oder ihn durch den Terminus „Lebensformen“ ersetzen, da unter den Begriff Kernfamilien, Mutter-Kind- oder Vater-Kind-Familien, Familien mit gleichgeschlechtlichen Partner*innen, Adoptivfamilien, Mehrgenerationsfamilien und viele weitere Formen fallen. Zudem ist es möglich, die biologische und die soziale Elternschaft zu unterscheiden und so ließe sich die Liste noch vielfach erweitern und in zahllose Varianten subsumieren. Doch unter all den beschriebenen Familienvarianten stellt die Eltern-Kind-Familie mit formaler Eheschließung immer noch die dominante Lebensform dar (vgl. Ecarius, Köbel, Wahl 2011, S. 13f.).

Aus den aufgeführten Entwicklungen in unserer Gesellschaft ist eine Definition mit hohem Abstraktionsniveau des Begriffs nötig. In der modernen Familienforschung werden daher folgende konstitutive Merkmale von Familie erwähnt: Zum einen besitzt sie eine biologisch-soziale Doppelnatur, da sie auf der biologischen Ebene Reproduktion und auf der sozialen Ebene entscheidende Prozesse der Interaktion vornimmt, welche kulturell variieren. Zudem existiert ein besonderes Kooperations- und Solidaritätsverhältnis. Ihre Rollenstruktur geht über übliche Gruppenmerkmale hinaus, da sie in ihrer spezifischen Struktur allein geltende Rollendefinitionen und -bezeichnungen, wie zum Beispiel Vater; Mutter; Tochter; Sohn usw. besitzt. Des Weiteren sind Familien von einer Generationsdifferenz geprägt. Davon muss das Ehesubsystem, welches die Geschlechtsdifferenzierung beschreibt, klar abgegrenzt werden. Diese bildet nicht die Grundlage in Familien, was in Fällen von Tod, Trennung oder Scheidung deutlich wird. Die Generationsdifferenzierung beschreibt hingegen das Eltern- bzw. Mutter- oder Vater-Kind Verhältnis. Somit können auch alleinerziehende Mütter und Väter, sowie nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern als Familie definiert werden (vgl. Nave-Herz 2015, S. 15f.).

2.1.3 Staatliche bzw. öffentliche Erziehung

Unter staatlicher Erziehung werden durch Gesetze befähigte Institutionen verstanden, welche den Staat zu einer Erziehungskraft machen. Dabei kann er in drei institutionellen Ausprägungen agieren. Zum einen durch die Schulgesetze aller Länder, welche der staatlichen Schule eine Erziehungsaufgabe zuweisen. Des Weiteren soll die Kinder- und Jugendhilfe zu dem Recht Heranwachsender auf Erziehung beitragen. Zuletzt können Jugendgerichte „Erziehungsmaßregeln“ anordnen, worunter auch Erziehungsbeistandschaft oder Heimerziehung zählen. Während die Erziehungsaufgabe des Staates im ersten Punkt unstrittig ist und mit der familiären Erziehung paritätisch dargestellt wird, so herrscht unter den beiden letzten Punkten ein Disput, da zum einen die Erziehungsfunktion der Strafe im Jugendstrafrecht fragwürdig ist und zum anderen im Jugendhilfegesetz die Unterstellung der Verfolgung eigener Erziehungsziele untersagt wird. Aus diesen Gründen befasst sich diese Arbeit ausschließlich mit dem Verhältnis zwischen Familie und Schule bzw. Kindertagesstätte (vgl. Richter 2015, S.483f.).

Als öffentlich handelnde Einrichtungen werden professionalisierte und bürokratisch strukturierte Institutionen bezeichnet, welche durch ein definiertes und explizites System aus Zielen, Inhalten und Methoden in ihrer Umsetzung curricular gesteuert und dargestellt werden. Sie weißen im Vergleich zur Familie deutlich andere Strukturen und Funktionen auf und der Bildungs-, Erziehungs- und Sozialisationsprozess wird von fachwissenschaftlich und pädagogisch geschultem Personal hauptberuflich ausgeführt (vgl. Busch, Scholz 2002, S. 254).

Dabei handelt eine öffentliche Institution im staatlichen Rahmen und wird nicht von der staatlichen Verwaltung überwacht (vgl. Oelkers 1994, S. 250).

2.2 Moderne Leistungsgesellschaft

Leistungsgesellschaften bestehen nach dem allgemeinen Verständnis seit über tausenden von Jahren. Sie stellen Gesellschaften dar, welche ein höheres Entwicklungstempo besitzen und konnten schon früh von anderen Bevölkerungen unterschieden werden. Allgemein werden angestrebte Güter, wie Macht; Einkommen oder Prestige, nach dem erbrachten Aufwand gerichtet. Leistung dient dabei in unterschiedlichem Maß als Zuteilungskriterium für Status und Lebenschancen. Dadurch zeichnet sich auch ein Wachstumsgefälle der Leistungsgesellschaften im historischen und internationalen Vergleich ab. Des Weiteren wird das Ausmaß beachtet, in welchem Leistung als gesellschaftlicher Wert akzeptiert ist und wie hoch in der Gesellschaft die Effizienz des Leistungseinsatzes ist. Der Grad einer Leistungsgesellschaft hängt stark von dem Zusammenhang zwischen der Verteilung der Güter und dem Ertrag ab. Leistung bietet daher auch eine Begründung für die legitimierte Herrschaft und Hierarchie von Gesellschaften. Für die oberen Hierarchiegruppen war das zwar ambivalente und variationsreiche Leistungsprinzip eine Legitimierung der erreichten Positionen und für die unteren Hierarchiestufen eher Kritik und Aufstand gegen die bestehenden Verhältnisse. Doch unsere Gesellschaft ist keinesfalls lückenlos durch die Zeit als Leistungsgesellschaft anzusehen, was durch Formen der Machterhebung, sowie Monopol- oder Kartellbildung deutlich wird. Es handelt sich eher um einen wiederholenden langsamen Abbau und schnelle Wiedereinsetzung des Leistungsprinzips. Während der Erbringung von Leistungen zur Bewältigung bestimmter zeitgebundener Probleme, bildete sich ein Verteilungsmuster der Güter durch Verzinsung; Vererbung; Verrechtlichung und Bürokratisierung. Diese trennten sich langsam von der Leistungserbringung und wurden durch Klassen; Stände und Schichten gefestigt, welche sich wiederum durch neue Probleme und eine wieder stärkere Realisierung des Leistungsprinzips auflösten (vgl. Arzberger 1988, S. 23-26).

Durch die hinzukommende industrielle Revolution unserer Gesellschaft veränderte sich das Bild unseres Zusammenlebens. Die ökonomische Expansion brachte eine fortschreitende Arbeitsteilung und technische Perfektionierung mit sich. Es fand eine Trennung von Arbeits- und Wohnstätten, sowie des Erwerbs- und Freizeitlebens statt, was zu einem Wandel der Familienstruktur führte. Aus diesen Prinzipien der Rationalität und Konkurrenz entwickelten wir uns allmählich zu einer Leistungsgesellschaft mit einer Orientierung zur Konsum- und Freizeitgesellschaft (vgl. Weber 1978, S.23).

3 Wandel der Familie in der Moderne

Noch zu Zeiten der Bonner Republik, der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, fand die Betreuung der eigenen Kinder ausschließlich als private Sache in der Familie statt. Kinder standen in ihren ersten Lebensjahren vor allem unter der Zuständigkeit der Mütter, unterstützt von Großeltern; Geschwistern und Verwandten. Aber auch noch in den 1970er Jahren stellte öffentliche Erziehung eine mehr oder minder hilfreiche punktuelle Ergänzung zur privaten Erziehung dar. Man war weit davon entfernt, sie als ein selbstverständliches Angebot für alle Familien und ein Ganztages- oder explizites Bildungsangebot anzusehen (vgl. Rauschenbach 2011, S. 165).

Die Entwicklung der Familie zu einer privaten Sache galt als ein Ideal und war für lange Zeit, in erster Linie für bürgerliche Familien, eine Realität. Deren Entstehung zum geschützten abgeschotteten Binnenraum kann als ein Produkt der Neuzeit verstanden werden. Es bildete sich im Kontext der fortschreitenden Industrialisierung heraus und wurde zu einem ideologischen Leitbild voller gesellschaftlicher Wertschätzung. Hiermit einher ging die geschlechtsspezifische Aufteilung des Privaten und Öffentlichen. Der Privatraum der Familie wurde den Frauen und die Öffentlichkeit, sowie Erwerbstätigkeit den Männern zugesprochen. In diesem Zuge wurde Erziehung und Betreuung sowohl feminisiert als auch familiarisiert und Außenstehende erhielten keinen Einblick in deren Form und Qualität. Bildung war Aufgabe der Schule. Somit hatte der Staat lange Zeit keinen Einfluss und Einblick in den Raum der Familie, obwohl das Ehe-; Familien- und Kindschaftsrecht eine gewisse Wirkung auf das Familienleben darstellte. Durch diese rechtliche Regulierung wird ersichtlich, dass die Freiheit im Privaten zum einen explizit geschützt, andererseits aber auch stets begrenzt war. Die von Staat und Gesellschaft zugeteilte Freiheit war zu keiner Zeit ein absoluter Wert, sondern immer an deren Normen und Interessen konstituiert, was sich in unserer eigenen Geschichte durchaus wiederspiegelt (vgl. Jurczyk 2011, S. 83f.).

Immer häufiger ist davon die Rede, die Familie befände sich in einem Prozess des langsamen Verfalls. Ein erster Hinweis bildet sich im Blick auf die Eheschließungen in Deutschland, welche sich seit 1950 fast halbiert haben. Diese Rückgänge und das Ansteigen von freien Partnerschaften verdeutlichen, dass immer mehr Menschen den persönlichsten und intimsten Teil ihres Lebensverhältnisses aus dem Bereich des Rechtes heraushalten und in wechselseitiger Unverbindlichkeit verbleiben wollen. Zudem wird durch den massiven Geburtenrückgang seit den 1970er Jahren die soziale Grundfunktion der Familie, die Reproduktion der Gesellschaft, nicht mehr ungebrochen erfüllt. Seit 1974 nimmt die Bevölkerung Deutschlands ab und die Geburtenhäufigkeit ist auf das weltweit niedrigste Niveau gesunken. Am deutlichsten wird diese Entwicklung jedoch an den zunehmenden Scheidungsziffern. Fast jede vierte Ehe wird geschieden und ein steigender Anlauf auf Ehe- und Familienberatungen wird verzeichnet. Unter dem Begriff „broken-home-Faktoren“ zeigen sich zahlreiche defizithafte Bilder der sozialisatorischen Kompetenz heutiger Familien. Sei es Kriminalität; Suizidalität; psychische oder psychosomatische Krankheiten; Sucht; Obdachlosigkeit; Schulversagen oder Terrorismus – fast immer wird die Familie für das Verhalten in Verantwortung gezogen (vgl. Hondrich 1988, S. 11-14).

Auch der Erziehungsstil hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert. Während in den 1960er Jahren noch Konformität; Gehorsam; Unterordnung und eine autoritäre Haltung herrschten, so vollzog sich langsam ein Wandel hinzu Selbstentfaltung; Selbstständigkeit; freiem Willen und einer gewissen Nachgiebigkeit. Die Familie wandelte sich von einem Befehls- zu einem Verhandlungshaushalt, was auf beiden Seiten nicht immer vorhandene hohe kommunikative Kompetenzen voraussetzt. Auch das Setzen von Grenzen und die Fähigkeit Konflikte auszuhalten war durch ein falsches Harmonieverhalten eingeschränkt. Diese unterschiedlichen Ausprägungen von Erziehungsstilen und -zielen wirken sich durch die Kinder und Jugendlichen auch auf die Schule aus. So stehen wertschätzende elterliche Unterstützung schulischer Prozesse; gutes Vorbildverhalten und fortlaufende Unterstützung der Autonomie einer grotesken Leistungserwartung gegenüber, was die Nachfrage an einer Elternschulung sinnvoll erscheinen lässt (vgl. von Saldern 2012, S. 74).

Insgesamt erscheint der Eindruck, dass die Familie in eine Krise geraten ist und im sozialen Wandel immer mehr aufgehoben wird. Doch diese Sichtweise ist zu kurzsichtig, da sich bei der Betrachtung ihrer subjektiven Faktoren ein überraschend positives Bild zeigt. Die Zufriedenheit mit der eigenen Familie, sowie die Wichtigkeit von Partnerschaft und Kindern ist hoch. So ist die positive Familieneinstellung fast höher, als in den letzten Jahren und Familie wird für die deutsche Bevölkerung immer mehr zu einer Quelle von Zufriedenheit und Glück. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ihre Stabilität und strukturellen Fähigkeiten zur Integration zugenommen haben. Je höher die Möglichkeit auf Glück und Zufriedenheit in der Familie ist, desto empfindlicher werden individuelle Ansprüche und das individuelle Engagement in Familien steigt in Form von Leistungsbereitschaft (vgl. Hondrich 1988, S. 14f.).

4 Verständnis von privater und öffentlicher Erziehung nach Friedrich Schleiermacher

Friedrich Schleiermacher geht in seinen Schriften auf die Notwendigkeit der Erziehung ein, wobei sich hier die Frage stellt, von wem erzogen werden soll? Der Mensch wird in der Familie geboren und benötigt von Anfang an Unterstützung in seiner Existenz, welche er von den Eltern erhält. Somit scheint es natürlich hier der Anfang von Erziehung zu setzen und auch fortzuführen. Er ordnet Erziehung ursprünglich der Familie zu und deren Leitung geht von den Eltern aus. Doch auch die Familie ist in die Gesellschaft eingefügt, wodurch er eine weitere mögliche These aufstellt. Wenn die künftige Generation zunächst der Familie angehört, könnte der Staat jedoch den Menschen als für sich geboren interpretieren und muss daraus bestimmen, ob und inwieweit die Eltern die Erziehung leiten sollten. Der Staat könnte die Eltern nur soweit in die Erziehung eingreifen lassen, wie sie nach dem Sinn des Besseren und nicht im Zwiespalt handeln. Bei einer Realisierung in die Praxis würde sich der Staat in der ersten These aus der Erziehung zurückziehen und sie den Eltern überlassen. Er schreitet nur als Reaktion auf fehlerhafter Erziehung durch Gesetze ein. Somit ist die Teilung der Gesellschaft in gebildete und ungebildete Menschen vorhanden, wobei die Gebildeten die Vorteile der Erziehung behandeln, sowie weiterentwickeln und die Ungebildeten sie verderben. So würde aus Sicht des Staates nur ein Teil dieser Pflicht nachkommen und man könnte zu dem Entschluss gelangen, die Kinder der ersten Gruppe von der Familie erziehen zu lassen und die der zweiten Gruppe vom Staat. Doch dies führt zu einer Erschütterung des Gesamtzustandes und man müsste auch der ersten Gruppe das Recht auf Erziehung entziehen. Die Kinder würden direkt nach der Geburt dem Staat übergeben werden, das Interesse der Eltern an den Kindern ginge verloren, das „Hauswesen“ existierte nicht mehr und ein wesentliches Element des menschlichen Lebens ginge verloren. Beide Extreme keine Lösung, was eine Verbindung nötig macht (vgl. Schleiermacher 1826/1957, S. 59f.).

„Die Teilung geschieht auf diese Weise, dass der Familie das Niedrigste und das Höchste vorbehalten bleibt, die mittlere Region fällt der Schule anheim“ (Schleiermacher 1826/1957, S. 237).

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Details

Titel
Das Verhältnis von privater und staatlicher Erziehung in der modernen Leistungsgesellschaft
Hochschule
Universität Augsburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
23
Katalognummer
V912033
ISBN (eBook)
9783346209498
ISBN (Buch)
9783346209504
Sprache
Deutsch
Schlagworte
erziehung, leistungsgesellschaft, verhältnis
Arbeit zitieren
Alina Tontsch (Autor:in), 2020, Das Verhältnis von privater und staatlicher Erziehung in der modernen Leistungsgesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/912033

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