Mit Heimsuchungen fertig werden - Das Ringen um menschliche Reife in Robert Sigls Filmmärchen "Laurin"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

23 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

Thema und Handlung

Figurenkonstellationen

Intertextualität: Stoffe und Motive aus Märchen und Filmgeschichte

Fazit

Literaturverzeichnis

Thema

Es wird der verschiedenartige Umgang mit dem Gefühl von Heimatlosigkeit und mangelnder Geborgenheit, etwa durch den Verlust nahe stehender Menschen, thematisiert; in diesem Zusammenhang wird menschliche Reife an die Fähigkeit zur Bewältigung von isolierender Trauer und lähmendem Trennungsschmerz gebunden; Geschlechtervorurteile, und solche von der selbstverständlichen Reife des Alters, und der Würde des Althergebrachten und der Unumgänglichkeit und Nützlichkeit von Bildung für die Lebenswelt, dem Trost religiöser Botschaften, gesellschaftlichen Konventionen somit, werden, wenn nicht destruiert, so zumindest relativiert.

Handlungen, die dem Vertrauen auf die eigene Intuition entspringen und Zweifel an diesem, die dem Glauben an den Augenschein und sozialisatorischen Vorgaben entstammen werden gegeneinander gestellt; aus dem Ringen beider entsteht am Ende Selbstbewusstsein.

und Handlung

Dieses Szenario wird in die sich gerade formierende Psyche der titelgebenden Figur verlegt, ist aber auch in der Figurenkonstellation (sd.) des Films angelegt; in dieser Hinsicht sollte auch das Motto des Films: „Dort, wo kein Tod mehr ist, sehen wir uns wieder.“, das als Epitaph auf dem Grabstein der früh zu Tode gekommenen Mutter Laurins erscheint, gewürdigt werden – es ist mehr als bloßes atmosphärisches Ingredienz.[1]

Maßgeblicher Handlungsträger ist neben der Titelfigur ein zuerst heimlich, und dann offiziell in den Ort Zurückgekehrter. Am gleichen Tag, an dem Laurin ihre Mutter zum letzten Mal lebend zu Gesicht bekommt, beobachtet sie auf ihrer Beobachtungstour durch die Umgegend einen jungen Soldaten (von offensichtlich guter Sehkraft) am Ufer eines Flusses; dieser indes möchte nicht gesehen werden: es handelt sich um Korporal van Rees, wie sich später herausstellen wird. Von der Verabschiedung ihres Mannes, des Matrosen Arne, kehrt Laurins Mutter, Flora, nicht lebend zurück, sie wird tot in einem Fluss aufgefunden. Seit der Zeit, als Laurin an das Bett mit der aufgebahrten Leiche ihrer Mutter getreten ist, die sie aus dem Schlaf gerufen zu haben scheint, findet Laurin keine Ruhe mehr. Sie wird von Alpträumen und katoptromantischen Visionen heimgesucht, die immer klarere Konturen annehmen. In ihnen tauchen die Begegnung ihrer Mutter mit einem schwarz gekleideten Mann auf einer Brücke in einer Sturmnacht, ein panisch ans Fenster von Laurins Elternhaus hämmernder Junge, und ein schwarzer Hund mit einer Brille im Maul beständig wiederkehrend auf.

Bis Laurin selbst es ist, die ans Fenster des einsam im Wald stehenden Hauses der Andersens wummert, nur um festzustellen, dass ihre Großmutter nicht darauf reagiert, verschwindet auch ihr Spielkamerad Stefan spurlos. Was Laurin nun droht, ist Stefan bereits widerfahren, er wurde von seinem Halbbruder, dem ehemaligen Korporal und nunmehrige Lehrer van Rees ermordet.

An diesem selbst sind die Misshandlungen seines Vaters, des Pastors und der frühe Tod seiner Mutter nicht spurlos vorüber gegangen: er ist zum Psychopathen, genauer zu einem Kinderschänder und -mörder geworden. Er stellt Laurin nach und möchte sie für immer zum Schweigen bringen, weil sie ein Indiz seiner Verbrechen in Händen hält und weiß, wo die übrigen Beweisstücke sich befinden. Auf der Flucht vom Versteck des Verbrechers zum Haus ihrer Großmutter geht Laurin des Haustürschlüssels verlustig und nur eine Vorkehrung an der Haustür (ein Schrank vor dem eingeworfnen Fenster neben dieser), erlaubt ein Eintreten ohne Schlüssel und Omas Hilfe.

Olga hat die Abwesenheit ihrer Enkelin im Suff gar nicht bemerkt. Mithilfe des Schlüssels dringt van Rees ins Haus ein, bereit zu neuer Mordtat. Laurin lockt ihn auf den Dachboden, wo sie ihn durch eine List zu Fall bringt: Kurz bevor der Messerbewehrte die morsche Treppe bewältigt hat, sieht er eine Gestalt im schwarzen Umhang vor sich. Er schreit auf und schreckt entsetzt zurück. Er findet auf der morschen Treppe keinen Halt mehr und stürzt mit dem Hinterkopf in einen massiven Nagel.

Die Gestalt im Umhang ist niemand anders gewesen als Laurin, die etwas unbestimmt, fast traurig, auf den Sterbenden blickt; kurz erschreckt, als sie Blut aus seinen Augen fließen sieht, und dann recht nachdenklich vor sich hinblickt. Nachdem sie ihrer völlig verängstigten Großmutter geantwortet hat, sie sei da, entledigt sich Laurin ihres Trickwerkzeugs, des schwarzen Umhangs von Flora, und steht dann wie versteinert in einem blassrosa Kleid da. In einer langsamen Rückwärtsfahrt schwenkt die Kamera von der Figur weg in ein offenes Ende.

Dass Laurin ihrer Großmutter Olga antwortet: „Yes, Granny, I´m here.“ lässt eher auf eine Überwindung der Trauer, bzw. Angst, als auf ein Trauma (wie bei ihrem Gegenspieler van Rees), das künftighin in irgendeiner Form hinderlich werden könnte, schließen. Eher ist davon auszugehen, dass die Heldin am Ende des Alptraums Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten, dass sie ein Stück Selbstständigkeit gewonnen haben. Die Versteinerung scheint also eher ein filmisches Stilmittel, das der Tat der Titelheldin heraushebt.

Die Handlung ist somit einerseits über ein Kriminalschema (Mord und seine Aufklärung, Täter- u. Opferpsyche) motiviert: Die Mordtat wird entdeckt und gerächt, bzw. gesühnt. Andere Konflikte, die die Handlung weniger evident strukturieren sind allgemeinmenschlicherer Natur (Kindlichkeit vs. Erwachsenen-dasein, Trauerarbeit, Verlassenheit), oder auf zwischenmenschlicher Ebene angesiedelt (Macht vs. Ohnmacht, Außenseiter vs. Gemeinschaft, Verantwortung für den Nächsten, Verführung). Eine gesellschaftskritische und antiklerikale Dimension könnte über die Inszenierung der sog. „schwarzen Pädagogik“ (Lehrer Engels), welche mit dem Glauben an die Perfektibilität des Menschen kontrastiert wird (van Rees, z.T.), und durch die Gestalt des bigotten und sadistischen Pfarrers in die Struktur der Handlung eingewoben sein. Bei letztgenannten Elementen könnte man versucht sein, sie lediglich der Kreation einer typischen Atmosphäre zuzuordnen, die dann als rundum kitschig bezeichnet werden müsste.[2]

Gegen eine solche Sicht der Dinge spricht allerdings die Entscheidung für die zeitliche Situierung des Geschehens am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts – wiewohl diese natürlich auch für das Funktionieren der spezifischen (aber nicht kitschigen) Atmosphäre getroffen wurde. Augenfällig ist, was hier noch einmal versinnbildlicht wird: Dass es sich um einen Entwicklungsprozess handelt, im Zuge dessen die Kräfte des konventionellen Normalen und (nur mühsam) Zivilisierten mit denen des unbewussten Triebhaften ringen. Dieser Konflikt ist in den Hauptfiguren, der heranwachsenden Laurin und in van Rees, angelegt.

das Bett mit der aufgebahrten Leiche ihrer Mutter getreten ist, die sie aus dem Schlaf gerufen zu haben scheint, findet Laurin keine Ruhe mehr. Sie wird von Alpträumen und katoptromantischen Visionen heimgesucht, die immer klarere Konturen annehmen. In ihnen tauchen die Begegnung ihrer Mutter mit einem schwarz gekleideten Mann auf einer Brücke in einer Sturmnacht, ein panisch ans Fenster von Laurins Elternhaus hämmernder Junge, und ein schwarzer Hund mit einer Brille im Maul beständig wiederkehrend auf.

Bis Laurin selbst es ist, die ans Fenster des einsam im Wald stehenden Hauses der Andersens wummert, nur um festzustellen, dass ihre Großmutter nicht darauf reagiert, verschwindet auch ihr Spielkamerad Stefan spurlos. Was Laurin nun droht, ist Stefan bereits widerfahren, er wurde von seinem Halbbruder, dem ehemaligen Korporal und nunmehrige Lehrer van Rees ermordet.

An diesem selbst sind die Misshandlungen seines Vaters, des Pastors und der frühe Tod seiner Mutter nicht spurlos vorüber gegangen: er ist zum Psychopathen, genauer zu einem Kinderschänder und -mörder geworden. Er stellt Laurin nach und möchte sie für immer zum Schweigen bringen, weil sie ein Indiz seiner Verbrechen in Händen hält und weiß, wo die übrigen Beweisstücke sich befinden. Auf der Flucht vom Versteck des Verbrechers zum Haus ihrer Großmutter geht Laurin des Haustürschlüssels verlustig und nur eine Vorkehrung an der Haustür (ein Schrank vor dem eingeworfnen Fenster neben dieser), erlaubt ein Eintreten ohne Schlüssel und Omas Hilfe.

Olga hat die Abwesenheit ihrer Enkelin im Suff gar nicht bemerkt. Mithilfe des Schlüssels dringt van Rees ins Haus ein, bereit zu neuer Mordtat. Laurin lockt ihn auf den Dachboden, wo sie ihn durch eine List zu Fall bringt: Kurz bevor der Messerbewehrte die morsche Treppe bewältigt hat, sieht er eine Gestalt im schwarzen Umhang vor sich. Er schreit auf und schreckt entsetzt zurück. Er findet auf der morschen Treppe keinen Halt mehr und stürzt mit dem Hinterkopf in einen massiven Nagel.

Die Gestalt im Umhang ist niemand anders gewesen als Laurin, die etwas unbestimmt, fast traurig, auf den Sterbenden blickt; kurz erschreckt, als sie Blut aus seinen Augen fließen sieht, und dann recht nachdenklich vor sich hinblickt. Nachdem sie ihrer völlig verängstigten Großmutter geantwortet hat, sie sei da, entledigt sich Laurin ihres Trickwerkzeugs, des schwarzen Umhangs von Flora, und steht dann wie versteinert in einem blassrosa Kleid da. In einer langsamen Rückwärtsfahrt schwenkt die Kamera von der Figur weg in ein offenes Ende.

[...]


[1] Der Spiegel 51/1989 vom 18.12.1989, Seite 185.

[2] Orientierungsrahmen sind die Lemmata in „Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft“.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Mit Heimsuchungen fertig werden - Das Ringen um menschliche Reife in Robert Sigls Filmmärchen "Laurin"
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft)
Veranstaltung
Märchen und Mythen im Film
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
23
Katalognummer
V91185
ISBN (eBook)
9783638045902
Dateigröße
504 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Heimsuchungen, Ringen, Reife, Robert, Sigls, Filmmärchen, Laurin, Märchen, Mythen, Film
Arbeit zitieren
Konstantin Ames (Autor:in), 2008, Mit Heimsuchungen fertig werden - Das Ringen um menschliche Reife in Robert Sigls Filmmärchen "Laurin", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91185

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