Die Einstellung zu Immigranten im europäischen Ländervergleich

Auswirkungen von Philanthropie und Vertrauen in den Nationalstaat


Hausarbeit, 2017

27 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Konzepte und Forschungsstand

3. Arbeitsdefinitionen und theoretische Verortung

4. Hypothesen

5. Datensatz und Aufbereitung
5.1 Modellitems und Missing Values
5.2 Vorangestellte Faktoranalyse

6. Strukturgleichungsmodell

7. Ergebnisse

8. Zusammenfassung und Diskussion

Kritik und möglich Modellerweiterungen

Literaturverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1: Kausale Wirkungsweisen der Hypothesen

Abbildung 2: Verwendete Items

Abbildung 3: SEM zur Einstellung zu Immigranten

Tabelle 1: Durchschnittswerte Indexe

Tabelle 2: Mittelwerte der Faktoritems

Tabelle 3: Faktorenladungen und Gütekriterien

Tabelle 4: Faktorladungsmatrix über alle Items

Tabelle 5: Ergebnisse und Gütekriterien SEM

Tabelle 6: Koeffizienten und Mittelwerte

1. Einleitung

Immigration in der Europaischen Union (EU) ist nicht erst seit dem Syrienkonflikt ein Thema in der nicht einheitlichen Aufienpolitik der EU. Hierbei erkennt man bereits früh, dass innerhalb der Mitgliedsstaaten durchaus unterschiedliche Einstellungen gegenüber Immigranten beste- hen, was nicht zuletzt die Diskussion über Aufnahme- oder Verteilungsquoten für Immigranten zeigt (vgl. Stauth 2018). Doch was steht hinter diesen vielfaltigen Einstellungen zu Immigran­ten? In der Vorurteilsforschung sind vor allem die Soziale Dominanzorientierung und der Au- toritarismus zwei Merkmale, die zur Erklarung herangezogen werden. In diesem Artikel soll es nun darum gehen, abseits der klassischen Merkmale, die einen Grofiteil der Einstellung zu Im­migranten erklaren können, weitere einflussnehmende Faktoren zu untersuchen. Hierbei sind die Thesen, dass Philanthropie und Vertrauen in den Nationalstaat Auswirkungen auf die Ein- stellungen gegenüber Immigranten haben. Die Überlegungen, die hinter diesen Thesen stehen erscheinen dabei zunachst relativ trivial; Wer ein allgemeines Vertrauen in Menschen und in die Institutionen, die Migration regeln und überwachen hat, der hat eine positivere Einstellung zu Immigranten. Weit weniger trivial ist jedoch die theoretische Verortung und Bestimmung des Begriffs des Vertrauens, der sich besonders an Luhmann und Simmel orientiert, wahrend bei Gruppenprozesse Tajfel und Turner und deren In-/Out-Group Konzept zu nennen sind. All dies geschieht vor dem Hintergrund der Erstellung eines Konzeptes zur Überprüfung des Ein- flusses der Philanthropie und des Vertrauens in den Nationalstaat auf die Einstellung zu Im­migranten und dessen empirischer Überprüfung. Jene Überprüfung erfolgt schrittweise anhand theoretischer Überlegungen, deren Ausarbeitung und der Übersetzung in ein Strukturglei- chungsmodell (SEM), welches mit der Statistik Software STATA realisiert wird. Die für die Betrachtung benötigten Daten werden der sechsten Runde des European Social Survey (ESS) entnommen. Der herangezogene ESS zeigt sich hierbei als sinnhaft. Zunachst umfasst das Sample über 54.000 Einheiten und erfasst alle Lander der EU1. Aufierdem beinhaltet der ESS alle Fragenkomplexe, die zur Beantwortung der Forschungsfrage notwendig sind.

Der Landervergleich, der der Frage nachgeht, wie sich Lander innerhalb der EU unterscheiden, wird durch einen Mittelwertvergleich eingeleitet. Hierbei soll an Schweden, Litauen, Tsche- chien und Deutschland gezeigt werden, wie sich die Einstellung gegenüber Immigranten im oberen, mittleren und unteren Mittelwertbereich vor dem Hintergrund der Überlegungen zu den Effekten durch Philanthropie und Vertrauen in den Nationalstaat unterscheiden.

Am Ende dieser Arbeit wird zu sehen sein, dass sowohl Philanthropie als auch das Vertrauen in den Nationalstaat signifikanten Einfluss auf die Einstellung zu Immigranten haben, dieser sich von Land zu Land unterscheidet und sich uneindeutig Schemata zeigen, die einer naheren Betrachtung bedürfen.

2. Konzepte und Forschungsstand

Sebastian Fietkau gruppiert in seiner Dissertationsschrift „Einstellung gegenüber Immigranten in Deutschland“ (2016) den Forschungsstand in zwei Kategorien - ökonomische oder Selbst- interessen und nicht-ökonomische Interessen oder Identitatsfragen (vgl. Fietkau 2016, S. 15). Hierbei fokussierten die ökonomischen Interessen besonders den Zugang zu knappen Ressour- cen, wahrend nicht-ökonomische Interessen Gruppenzuweisungen in den Mittelpunkt stellten. Unter Rückgriff auf Semyonov stellt Fietkau klar, dass sich beide Ansatze jedoch nicht gegen- seitig ausschlössen, vielmehr würden aktuelle Studien beide Ansatze einbeziehen (vgl. ebd.). Die ökonomischen Erklarungen basierten, so Fietkau, auf der Realistic Group Conflict Theorie, die „[.] Interaktion von Gruppen als Funktionen ihrer wirtschaftlichen, sozialen und politi- schen Interessen“ (ebd., S. 16) beschreibt und die langfristigen Wettbewerb um Ressourcen als Auslöser für „[.] Stereotypisierung und Internalisierung von negativen Einstellungen, welche durch Sozialisierung auch weitergegeben werden können“ (ebd., S. 17) identifiziert. Die Rea­listic Group Conflict Theorie sei zudem in zahlreichen Studien zur Anwendung gekommen und würde somit die Dominanz dieses Konzeptes bei der Untersuchung der Einstellung gegenüber Immigranten zeigen (vgl. ebd.).2 Schlussendlich sei das Konzept mit der Fokussierung auf öko- nomische Interessen jedoch nicht zufriedenstellend, zeige sich doch, dass unterschiedliche Er- gebnisse und Probleme in Definitionen sowie möglich Einstellungen, die bereits vor einem ver- meintlichen Konflikt bestanden, und theoretische Mangel auftraten (vgl. ebd., S. 22).3

Die nicht-ökonomischen Ansatze sieht Fietkau eng mit der Theorie der sozialen Identitat von Tajfel (1982) verknüpft, die besagt, dass eine individuelle Zuordnung zu einer Gruppe, bei gleichzeitiger Abgrenzung zu einer anderen Gruppe bestehe.4 Die Abgrenzung ginge hierbei soweit, dass selbst wenn kein Konflikt oder Wettbewerb bestünde, eine Bevorzugung der eige­nen Gruppe eintrate, was wiederum aus dem Bedürfnis resultiere, „[.] eine positive soziale Identitat für die eigene Gruppe und deren Mitglieder zu erreichen, [zu] bewahren oder aufzuwerten“ (ebd., S. 23). Als mögliche Konfliktgüter - in Bezug auf Immigranten - identifi- ziert Fietkau eine vermeintliche positive Identitat des eigenen Landes oder seiner Gesellschaft (In-Group), welche wiederum durch identitatsstiftende Merkmale wie Sprache, Religion oder Kultur abgebildet würde, was mit verschiedenen Studien (Bevelander u. Otterbeck 2010; Ce- obanu u. Escandell 2010; Chandler u. Tsai 2001; Esses et al. 1998; Sniderman et al. 2004; Wilkes et al. 2008) zu belegen sei (vgl. Fietkau 2016, S. 23f).5 Fietkau beschreibt, dass sich die Kritik an der Theorie der sozialen Identitat besonders auf den Mangel an empirischer Evidenz, die personalen Unterschiede und die unterschiedlichen Einstellungen gegenüber verschiedener Immigrantengruppen richte (vgl. ebd., S. 25). Intervenierende Faktoren, denen Fietkau ab- schwachenden oder verstarkenden Charakter im Rahmen ökonomischer oder nicht-ökonomi- scher Faktoren zuweist, erkennt er besonders in Medien, politischen Eliten, dem Kontakt zu Zuwanderern, der Ideologie und der Sozialisation (vgl. ebd., S. 26). Hierbei nahmen die Medien eine Sonderposition ein, sein sie es doch, die letztendlichen entscheiden würden welche The- men veröffentlicht und problematisiert würden (vgl. ebd., S. 26f).6

Verbindet man die Ausführungen Fietkaus nun mit dem Inhalt dieser Arbeit, so müssen Fiet- kaus Ausführungen zunachst hingenommen werden, ist es doch nicht möglich zu unterscheiden, welcher Kategorie Philanthropie und Vertrauen in den Nationalstaat angehören. Eine konkrete Zuordnung zu ökonomisch/nicht-ökonomisch ist des Weiteren nicht möglich, da nicht zu be- stimmen ist, ob die Einstellung zu Immigranten durch knappe Ressourcen oder den vermeintli- chen Schutz der eigenen, wie auch immer gearteten „Kultur“ beeinflusst wird. Tendenzielle liefien sich die beiden beeinflussenden Faktoren Philanthropie und Vertrauen in den National- staat, einfacher den nicht-ökonomischen Faktoren zuweisen. Die Einstellung zu Immigranten enthalt beide Zuordnungen, was sodann vorangegangen durch Fietkau beschrieben wurde.7 Es ist auffallig, dass die Ansatze Fietkaus ganzlich ohne den in diesem Forschungsfeld domi­nanten Diskurs des Autoritarismus auskommen (vgl. Gesis 2018). Denn jener Autoritarismus, besonders der Right-Wing-Autoritarismus8 den Altemeyer einführte, zeigt sich als „[...] ein deutlicher Pradiktor für Vorurteile [...]“ (Duckitt u. Sibley 2007; Gesis 2018).

3. Arbeitsdefinitionen und theoretische Verortung

Einstellung zu Immigranten, kennt, wie vorangegangen dargestellt, also mannigfaltige Fakto- ren, die sie beeinflussen. Abseits des Autoritarismus, der, wie eingangs beschrieben, hier nicht betrachtet werden soll, sind es vor allem die von Fietkau sogenannten nicht-ökonomischen Fak- toren, die einer weiteren Untersuchung bedürfen. Allerdings handelt es sich hierbei nicht direkt oder vorranging um die Theorie der sozialen Identitat, obwohl auch diese zumindest in den Arbeitsdefinitionen eine Rolle spielt. In den folgenden beiden Unterpunkten soll der Gedanke der Beeinflussung der Einstellung zu Immigranten durch die Philanthropie und durch das Ver- trauen in den Nationalstaat theoretisch verdichtet werden, um so eine konkrete Thesenformu- lierung zu ermöglichen. Damit überhaupt eine theoretische Verortung von statten gehen kann, benötigt man zunachst Arbeitsdefinitionen der Begrifflichkeiten, die im folgenden Abschnitt erstellt werden.

Die Einstellung zu Immigranten lasst sich, wie im vorherigen Kapitel beschrieben, in einer wissenschaftlichen Arbeit nicht ohne Autoritarismus denken. Allerdings gibt es neben jenem Autoritarismus weitere Faktoren, die die Einstellung beeinflussen. Der Verzicht auf Autorita- rismus dient vor allem der Fokussierung zweier andere Faktoren - Philanthropie und Vertrauen in den Nationalstaat. Die Hypothesen, die hierbei bestehen und die im weiteren Verlauf noch ausführlich darzulegen sein werden, sind die, dass Menschen, die ein gröfieres Vertrauen in den Nationalstaat haben, eine positivere Einstellung zu Immigranten aufweisen. Gleiches gilt für die Philanthropie.

Bevor die eigentliche Betrachtung stattfinden kann, muss zunachst die nicht vollkommen pra- zise Formulierung der Philanthropie und des Vertrauens in den Nationalstaat geklart werden, denn folgt man der Definition des Dudens, so sieht man den Begriff der Philanthropie als „Men- schenliebe“ definiert (vgl. Duden 2018). Diese Definition entspringt dem altgriechischen Wort „pliilanlliröpia”, welches sich aus den Begriffen „pliilia” für Liebe und „anthrpös“ für Mensch zusammensetzt (Horn 2008, S. 490; vgl. Maier 2018). Hierbei ist der Begriff der Liebe jedoch eng mit dem Freundschaftsbegriff verbunden und nicht mit „Eros“, welches die leibliche Liebe beschreibt (vgl. Düsing 2017). Man erkennt also, dass der Begriff der Menschenliebe durchaus diskussionswürdig erscheint und besser als Menschenfreund(-lichkeit) zu deuten ist. Aber, vor dem Hintergrund der Ausführungen in dieser Arbeit, erscheint auch diese Definition unzu- reichend. Für den weiteren Verlauf soll die Philanthropie ab dieser Stelle als „Vertrauen in das Gute im Menschen“9 definiert sein, was auch wesentlich eindeutiger durch die Items, die der Philanthropie zugrunde liegen, abgebildet wird.10

Ahnlich schwierig gestaltet sich die Definition des Vertrauens in den Nationalstaat. Wahrend das allgemeine interpersonale Vertrauen, das auch in der Philanthropie eine Rolle spielt, kei- neswegs trivial, jedoch eindeutiger, zur Komplexitatsreduktion11 (vgl. Luhmann in Preisendör- fer 1995, S. 270) dient und ein „[.] mittlerer Zustand zwischen Wissen und Nichtwissen [.]“ (Simmel in ebd., S. 268) ist, der sich als Hypothese künftigen Verhaltens, die Handlung ermög- licht, zeigt (vgl. Simmel in Evers 2017, S. 41), ist auch der Bereich des systemischen Vertrauens hier von Bedeutung.12 Interpersonales Vertrauen ermöglicht Individuen also eigene Handlung oder Verhalten an erwarteter Handlung anderer auszurichten. Das systemische Vertrauen, dass Evers in Anlehnung an Luhmann und Simmel an Institutionen wie Recht oder Geld beschreibt, das ohne persönliche Interaktion zustande kommt und auf „[.] Regeln oder Expertentum [.]“ (ebd., S. 53) beruht, bezieht sich „[.] auf die Leitidee einer Institution, ihre Verfahrensordnung und Leistungen sowie die sie kontrollierenden Mechanismen [.]“ (ebd.). Systemisches Ver- trauen benötigt somit keine persönliche Interaktion.13 Man findet an dieser Stelle bereits die unterschiedlichen Formen des Vertrauens wieder, die auch im weiteren Verlauf dieser Arbeit Erwahnung finden und zum Verstandnis beitragen können. Wahrend es sich bei der Philanth- ropie, mit Abstrichen, um eine Form des persönlichen Vertrauens handelt (Vertrauen in das Gute im Menschen), stellt sich das Vertrauen in den Nationalstaat als systemisches dar.14

Neben Vertrauen enthalt die Formulierung des Vertrauens in den Nationalstaat einen weiteren erklarungsbedürftigen Begriff, namlich den des Nationalstaates. Wahrend der zweite Teil des Begriffs des Nationalstaates, relativ simple als „Herrschaftsordnung, durch die ein Personen- verband (Volk) auf abgegrenztem Gebiet durch hoheitliche Gewalt zur Wahrung gemeinsamer Güter verbunden ist“ (Graber-Seifiinger et al. 2015, S. 419) verstanden werden soll, ist der Be- griff der Nation nicht eindeutig definiert. Bereits Weber erkannte, dass die Nation eher der „Wertesphare“ denn der der Empirie angehöre, somit subjektiv sei und auf Sprache, ethnischem Gemeinsamkeitsglauben und Erinnerungsgemeinschaft beruhe (vgl. Weber in Bala 2013). Ahn- liches lasst auch Renan erkennen, wenn er Nation als Solidargemeinschaft definiert.

„Eine Nation ist also eine grofie Solidargemeinschaft, getragen vom Gefühl der Opfer, die man gebracht hat, und der Opfer die man noch bringen will. Sie setzt eine Vergan- genheit voraus und lafit in der Gegenwart in eine handfeste Tatsache münden: in der Übereinkunft, den deutlich geaufierten Wunsch, das gemeinsame Leben fortzusetzen. Das Dasein einer N. ist - erlauben Sie mir dieses Bild - ein Plebiszit Tag für Tag, wie das Dasein des einzelnen eine dauernde Behauptung des Lebens ist." (Renan in ebd.)

Bala resümiert, dass der Begriff der Nation immer nur einen Teilbereich dessen, was als Nation verstanden wird, abdecke und es deshalb auch keine einheitliche sozialwissenschaftliche Defi­nition gebe. Zudem bestehe die Tendenz, Nation als ethnische oder kulturelle Einheit zu ver- stehenden und dies als Gruppenzugehörigkeit zu verwenden, was schlussendlich zu einer Ver- einheitlichung von Ethnie und politischer Überzeugung der Nation führe - ein Gütekriterium des Nationalismus (vgl. ebd.).

Ein weiterer definitionsbedürftiger Begriff, der in der Untersuchung verwendet wird, ist der der Einstellung gegenüber Immigranten. Die Definition des Status als Immigrant erfolgt innerhalb des ESS als „[...] people who come to live in one country from another country“ (ESS 2012, S. 26). Innerhalb der Gruppe der Immigrant wird hierbei nicht nach unterschiedlichen Migrati- onsgründen unterschieden. Die Abgrenzung geschieht schlicht nach Immigranten und Nicht- Immigranten, also Einheimischer im Sinne der Staatsbürgerschaft oder mindestens dauerhaftes Mitglied der von Weber oder Renan beschriebenen Solidar- oder Erinnerungsgemeinschaft.15 Definitionsbedürftig ist sodann der Begriff der Einstellung, welche sich im vorliegenden Fall letztendlich als ein Vorurteil16 aus dem Phanomenbereich der Gruppenbezogenen Menschen- feindlichkeit17 darstellt.

4. Hypothesen

Ob der dargestellten Definitionen und deren grundlegenden theoretischen Verortung ergeben sich die Hypothesen, dass ein höheres Vertrauen in den Nationalstaat, grundsatzlich positive Auswirkungen auf die Einstellung zu Immigranten hat. Gleiches gilt für die Philanthropie - je höher diese ist, desto höher ist die Einstellung zu Migranten. Diese beiden Hypothesen sind auf die folgenden Annahmen gestützt; Zunachst tritt der Staat als Haupakteuer der Regulierung von Migration auf. Hierbei sind Politiker, ihre Parteien und das durch sie gebildete Parlament zu nennen. Dieser Bereich kann gemeinhin als Legislative verstanden werden. Hinzu kommt das Rechtssystem (Judikative) und die Polizei18 (Exekutive).19 Dieses Prinzip der Gewaltenteilung bildet somit den Nationalstaat ab, der in allen Bereichen der Migration tatig wird und diese vollumfanglich reguliert - von der Gesetzgebung über die Rechtsprechung bis zur Durchset- zung eben jener.20 Bezieht man nun das systemische oder an dieser Stelle besser, das Instituti- onenvertrauen21 mit in die Überlegungen ein, so wird schnell klar, dass Personen, die ein ge- ringes Vertrauen dahingehend haben, dass Migration gut durch den Staat reguliert und überprüft wird, die eigene Gruppe also geschützt wird,22 auch ein geringere Einstellung gegenüber Im­migranten haben könnten. Dies resultiert besonders aus der tendenziellen Notwendigkeit der Abgrenzung von anderen Gruppen oder dem Schutz eigener ökonomischer Interessen, wie vo- rangegangen gezeigt.

Die Philanthropie, als Vertrauen in das Gute im Menschen definiert, hat eine andere Wirkungs- weise. Wer Menschen vertraut, oder der Meinung ist, dass Menschen fair sind und sich helfen, der glaubt daran, dass Menschen gut sind, was wiederum durch ein positives Menschenbild beeinflusst wird. Dies führt zu der Hypothese, dass ein starker ausgepragtes Vertrauen in das Gute im Menschen einen positiven Einfluss auf die Einstellung zu Immigranten haben könnte, denn wer Menschen im Allgemeinen vertraut, der sollte dies auch bei Immigranten tun.23

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Kausale Wirkungsweisen der Hypothesen

Aufbauend auf die dargestellten Theorien, ergeben sich die folgenden Hypothesen:

H1: Je höher das Vertrauen in den Nationalstaat, desto höherist die Einstellung zu Immigran­ten.

H2: Je höher die Philanthropie, desto höherdie Einstellung zu Immigranten.

5. Datensatz und Aufbereitung

Um die dargestellten Hypothesen angemessen überprüfen zu können, wird ein Datensatz benö- tigt, der eben jene Items beinhaltet, die für die Bildung der Faktoren nötig sind. Hier bietet sich der European Social Survey (ESS) an.24 Der ESS als „[...] biennial cross-national survey of attitudes and behaviour [...]“ (ESS 2018d) besteht seit 2001. Seit diesem Zeitpunkt wurden acht Runden durchgeführt, mit wechselnden teilnehmenden Landern (ESS 2018c, 2018d).Die Umfrage wird in einem computergestützten Face-to-Face Interview durchgeführt und ist in Deutschland für alle Personen in einem Privathaushalt, die über 15 Jahren alt sind, reprasenta- tiv. Hierbei wird der Fragenkatalog aus dem englischen in die jeweilige Landessprache übersetzt und an Landesspezifika angepasst. Zudem erhalt der Fragenkatalog verschiedene Mo­dule, von denen einige fest gesetzt sind, andere rotieren (vgl. ESS 2018c).25

In dieser Arbeit wird mit der sechsten Runde des ESS gearbeitet. Dieser beinhaltet die Module fixen Module „Media and Social trust“, „Politics“, „Subjective Well-Being, Social Exclusion, Religion, National and Ethnic Identity“, „Gender, Household“, „Socio demographic“, „Human values“ und die rotierenden Module „Personal and Social Well-Being“ sowie „Democracy“ (ESS 2018b). Hierbei sind die für diese Arbeiten nötigen Daten im Modul „Politics“ verhaftet.26

5.1 Modellitems und Missing Values

Die nachfolgende Abbildung 2 zeigt alle verwendeten Items des beschriebenen ESS. Hierbei ist sowohl die Zusammensetzung der Faktoren und Indexe zu erkennen, wie auch die mainfes- ten Items.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Verwendete Items

[...]


1 [Anm. d. Verf.] Hinzu kommen weitere Lander wie Israel oder die Schweiz.

2 [Anm. d. Verf.] Fietkau zeigt dies unter anderem an Studien von Hainmueller und Hiscox (2007), Schneider (2007) und Scheve und Slaughter (2001).

3 [Anm. d. Verf.] Fietkau bezieht sich in seiner Kritik des Ansatzes besonders auf Burns u. Gimpel (2000), Ceobanu u. Escandell (2010) und Esses et al. (1998).

4 [Anm. d. Verf.] In/Out-Group siehe auch FuBnote 16

5 [Anm. d. Verf.] An dieser Stelle muss die Überlegung angestellt werden, ob diese Beschreibung eventuell Ele- mente eines Rational Choice Ansatzes enthalt. Schliefilich enthalten In/Out-Group-Prozess erhebliche Merk- male einer Komplexitatsreduktion, welche wiederum, unter ökonomischen Gesichtspunkten den Vorteil mit sich bringt, dass Personen der In- oder Qut-Group schneller eingeschatzt werden können.

6 [Anm. d. Verf.] Fietkau thematisiert auch die anderen intervenierenden Faktoren auf deren Darstellung an dieser Stelle verzichtet wird.

7 [Anm. d. Verf.] Der Index der Einstellung zu Immigranten, der im weiteren Verlauf erstellt wird, enthalt ein Item zur „Kultur“ und eins zur „Ökonomie“ (vgl. Abbildung 2).

8 [Anm. d. Verf.] Vertiefend unter Altemeyer (1981, 1988, 1996) und Wurst (2016).

9 [Anm. d. Verf.] Schlussendlich folgt man mit dem „Vertrauen in das Gute im Menschen“ Rousseaus Menschen- bild, der den Menschen als von Natur aus als „gut“ beschreibt und erst das Einwirken der Gesellschaft etwas „böses“ in ihm erweckt (vgl. Rohbeck u. Steinbrügge 2015, S. 105ff). Einhergehend ist diese Denkweise mit dem Vertrauen in die „eigene“ Gesellschaft, jenen guten Menschen durch die eigene, gute Gesellschaft positiv beeinflussen zu können.

10 [Anm. d. Verf.] Die Begriffserklarung der Philanthropie und deren Bedeutung wird an dieser Stelle gekürzt, da nicht auf alle Einzelheiten eingegangen werden kann. Sprachgebrauch in der Antike, die einhergehende Hie- rarchie und der Einfluss auf den heute gelaufigen Begriff der Menschlichkeit (humanitas), sind anschaulich in Ritter et al. 2017 dargestellt.

11 [Anm. d. Verf.] Dies gilt für die persönlich, psychologische Ebene. Auf der systemischen Ebene wird Komple- xitat aufgebaut und ermöglicht das Anknüpfen an fremde Selektionsleistungen (vgl. Preisendörfer 1995, S. 270).

12 [Anm. d. Verf.] Der Diskurs über Vertrauen ware ausreichend um mehrere Abschlussarbeiten jedweder akade- mischen Ebene zu füllen. Für ein tieferes Verstandnis wird beispielhaft auf Giddens (1996); Luhmann (2014); und Simmel (1983) verwiesen.

13 [Anm. d. Verf.] Evers erlautert hier auch die Kritik von EndreB (2002), der diese Kategorisierung als zu kurz versteht, besonders vor dem Hintergrund einer möglichen Vermischung beider Ebenen - beispielhaft an einem Krankenhaus erlautert, in dem sich beide Ebenen begegnen und der Arzt als Reprasentant der Institution Kran- kenhaus auftritt (vgl. Evers 2017, S. 53f). Dieser Diskurs führt zu (Giddens 1996), der jene Situation als „Zu- gangspunkte“ beschreibt, und „Erwartungssicherheit in die Kompetenz von Personen oder das Funktionieren von Systemen [.] [als] zentrale Grundlage für die Herausbildung von Vertrauen“ (Giddens in Evers 2017, S. 54) erkennt.

14 [Anm. d. Verf.] Nicht unerwahnt bleiben darf an dieser Stelle die luhmann'sche Vertrauensbereitschaft (vgl. Luhmann in Evers 2017, S. 54f), die er als individuelle Persönlichkeitseigenschaft bestimmt. Die Vertrauens- bereitschaft beeinflusst das Vertrauen sodann auf einer hier nicht messbaren Ebene.

15 [Anm. d. Verf.] Distinktionsmerkmal ist also ein In/Out-Gruppenprozess, wie ihn Tajfel und Turner in ihrer „Theorie der sozialen Identitat“ beschreiben (vgl. Tajfel u. Turner 1986).

16 [Anm. d. Verf.] Vertiefend unter Six und Six-Materna (2018) oder im Original unter Allport (ca. 1985).

17 [Anm. d. Verf.] Der Begriff der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit ist eng mit Heitmeyer verknüpft. Für ein tieferes Verstandnis siehe Zick et al. (2014) oder die von Heitmeyer herausgegebenen Schriften „Deut- sche Zustande“.

18 [Anm. d. Verf.] Die Polizei dient hier als Sammelbegriff für die verschiedenen Formen der Organisation staat- licher Gewalt. Hierbei soll vereinfachend keine Unterscheidung zwischen Landes- oder Bundespolizei ge- macht werden, obwohl diese formell andere Dienstherren kennt. Schlussendlich ist die (Bundes-) Polizei jene Instanz, die die von der Bundesregierung geplanten und beschlossenen Handlungen umsetzen muss und somit zu Berührungspunkt zwischen Bürger und Regierung wird.

19 [Anm. d. Verf.] Für die Bundesrepublik Deutschland verankert im Grundgesetz der BRD in Artikel 20, Absatze 2 und 3 (vgl. BMJV 2018).

20 [Anm. d. Verf.] Ausgeblendet wird an dieser Stelle die Rolle der EU und deren Flüchtlingsabkommen oder Verteilungsschlüssel. Des Weiteren wird auf die genaue Unterscheidung der Zustandigkeitsbereich der Exe- kutive, wie beispielhaft die Unterstellung zum Bundesministerium des Inneren, verzichtet.

21 [Anm. d. Verf.] Beispielhaft unter Reuband (2012).

22 [Anm. d. Verf.] Dies gilt nur, sodann diese Gruppe durch ihre Mitglieder als schützenswert angesehen wird.

23 [Anm. d. Verf.] Nicht ausgebendet werden darf hierbei, dass Philanthropie durchaus Abstufungen zwischen verschiedenen Gruppen enthalten kann, es also durchaus möglich ist, dass eine Person jenen Pesonen gegen- über positiver eingestellt ist als anderen.

24 [Anm. d. Verf.] Neben dem ESS gibt es weitere grofie europaische Umfrageprojekte wie das Eurobarometer oder die European Values Study. Der ESS wurde unter anderem auch deshalb ausgewahlt, da er kostenfrei zur Verfügung steht und eine gewisse Vertrautheit mit dem Datensatz vorliegt.

25 [Anm. d. Verf.] Eine ausführlichere Beschreibung der Daten findet man unter ESS 2016 und ESS 2018a.

26 [Anm. d. Verf.] An dieser Stelle wird nochmals auf den Rahmen dieser Arbeit und die dadurch beeinflusste Datenauswahl verwiesen, da dieses Modul auch in neueren Datensatzen vorhanden ist.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Die Einstellung zu Immigranten im europäischen Ländervergleich
Untertitel
Auswirkungen von Philanthropie und Vertrauen in den Nationalstaat
Hochschule
Universität Siegen
Veranstaltung
Methoden der empirischen Sozialforschung 3
Note
1,3
Jahr
2017
Seiten
27
Katalognummer
V909407
ISBN (eBook)
9783346222756
ISBN (Buch)
9783346222763
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sozialforschung, STATA, Strukturgleichungsmodell, SEM
Arbeit zitieren
Anonym, 2017, Die Einstellung zu Immigranten im europäischen Ländervergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/909407

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