Iwan Turgenjews Väter und Söhne

Konflikte und Ähnlichkeiten der Hauptcharaktere


Hausarbeit, 2006

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Generationenkonflikt
2.1. Der Konflikt Pawel Petrowitsch - Basarow
2.2. Der Konflikt Nikolaj Petrowitsch - Arkadij

3. Ähnlichkeiten der Hauptcharaktere
3.1. Ähnlichkeiten zwischen Pawel Petrowitsch und Basarow
3.2. Ähnlichkeiten zwischen Nikolaj Petrowitsch und Arkadij

4. Schluss

5. Literaturverzeichnis

1. Einführung

Im Jahr 1862 erschien Turgenjews Roman Väter und Söhne, dessen Handlung sich im Jahr 1859 ereignet. Zu dieser Zeit wurde in Russland die Aufhebung der Leibeigenschaft erwartet, was bei Turgenjew eine zentrale Rolle spielt[1]. Viele neue und radikale Ideen sind damals entstanden, beispielsweise der Nihilismus, der im Roman durch den Protagonisten Basarow verkörpert wird.

Der Roman spielt hauptsächlich an drei Orten, die immer dann wechseln, wenn Arkadij und sein Freund Basarow abreisen. Der erste Ort ist Marjino, der Wohnsitz von Nikolaj Petrowitsch Kirsanow, Arkadijs Vater und seinem Bruder Pawel Petrowitsch, zwei Männer der alten Generation. Der zweite Hauptort ist Nikolskoje, wo Frau Odinzowa mit ihrer Schwester Katja wohnt. Das dritte ist das Elternhaus Basarows.

Die Erzählsituation ist vorwiegend auktorial: der Erzähler spricht oft mit dem Leser, beispielsweise, „wollen wir den Leser mit ihm bekannt machen“ (S. 3)[2], und er weiß, was in der Zukunft passieren wird: „von dem später die Rede sein wird“ (S. 4).

In dieser Arbeit soll die Figurenkonstellation der Hauptcharaktere betrachtet werden, und diskutiert, wie diese Charaktere auf einander reagieren. Wie der Titel des Werks andeutet, sind die Beziehungen und Spannungen zwischen den Generationen wichtig für die Handlung. Diese generationstypischen Unterschiede, die oft zu ideologischen Konflikten führen, sollen zuerst betrachtet werden. In einem zweiten Schritt werden die Persönlichkeiten der handelnden Personen verglichen, wobei erkennbar wird, dass die Charaktere des Romans einander auch anders zugeordnet werden können.

2. Generationenkonflikt

Aus ideologischer Perspektive stehen Basarow und Arkadij als Vertreter der „neuen“ Generation Nikolaj Petrowitsch und Pawel Petrowitsch gegenüber, die beide der „alten“ Generation angehören. Die ersteren nennen sich Nihilisten, während die letzteren als Traditionalisten, hier genauer als Aristokraten und Romantiker gelten können. Der Begriff Nihilismus wird von den verschiedenen Charakteren unterschiedlich definiert. Nikolaj Petrowitsch glaubt ein Nihilist sei „einen Menschen, der... nichts gelten lassen will“ (S.26). Pawel P. Sieht das ähnlich wenn er entgegnet „Oder vielmehr, der nichts achtet“ (S.26).

Arkadij hingegen erklärt, ein Nihilist sei „ein Mann, der sich vor keiner Autorität beugt, der kein einziges Prinzip auf Treu und Glauben hinnimmt, gleichviel, in wie hohem Ansehen dieses Prinzip auch stehen mag“ (S.27). Basarow selbst, der große Nihilist und Protagonist des Romans, behauptet einfach „wir haben den Beschluß gefaßt, nichts Ernsthaftes zu unternehmen [...] Und nur zu schimpfen [...] Und das nennt sich Nihilismus“ (S.62).

Pawel Petrowitsch und Nikolaj Petrowitsch ist dieses neue Konzept des Nihilismus besonders fremd, denn es verstoßt gegen alle ihre alten Überzeugungen und Werte. Sie verstehen nicht, wie man „keine Prinzipien, keinen Richtschnur anerkennen kann“ (S. 59).

Die neue Generation hingegen verachtet solche Begriffe wie „Aristokratismus, Liberalismus, Progreß, Prinzipien“ (S. 58), die für Basarows „fremde und … unnütze Wörter“ (S. 58) sind.

Auf den ersten Blick erkennt man also im Roman eine Konstellation der Figuren mit Basarow und Arkadij auf der einen und Pawel und Nikolaj Petrowitsch auf der anderen Seite. So gesehen wäre die Handlung dann eine Kette von rein ideologischen Konflikten zwischen zwei Generationen mit unterschiedlichen Weltanschauungen. Wie am Anfang bereits erwähnt, soll später, im dritten Abschnitt dieser Arbeit gezeigt werden, dass eine andere Zuordnung möglich (und vielleicht sogar sinnvoller) ist, wenn man anstatt der Ideologie die Persönlichkeiten der Charaktere untersucht. Zunächst aber soll hier der Generationenkonflikt noch näher betrachtet werden.

Wie wir schon gesehen haben, sind „Prinzipien“ von hohem Wert für die Vertreter der alten Generation, während die Nihilisten solche Begriffe gering schätzen, und „alles vom Standpunkt der Kritik aus“ (S. 26) beurteilen. Basarow, und daher auch sein „Schüler“, Arkadij verachten die Aristokratie und alles was damit verbunden ist, während Pawel und Nikolaj Petrowitsch einen tiefen Respekt vor dem Aristokratismus zeigen. Die Nihilisten behaupten, dass sie „keine Autoritäten anerkennen“ (S. 30), und für die alten Kirsanows, besonders für Pawel P., ist ein solche Einstellung schwer zu akzeptieren. Die neue Generation beschäftigt sich mit den Naturwissenschaften, während die „Väter“ sich hingegen für die Klassische Künste interessieren. Basarow hat Medizin studiert und seine Denkweise ist dementsprechend praktisch; er sammelt z.B. gern Frösche, um sie zu sezieren, und so mehr über die Anatomie erfahren zu können. Er liest vorzugsweise deutsche Bücher, weil die Deutschen in dieser Zeit „große Fortschritte in diesem Wissenszweig [den Naturwissenschaften] gemacht haben“ und „darin unsere Lehrmeister“ sind (S. 29). Seiner Meinung nach lohnt es sich nur das zu studieren, was unmittelbar „nützlich“ ist. Pawel Petrowitsch beschimpft hingegen alle Deutschen, und beklagt, dass „man unter ihnen bloß Chemiker und Materialisten“ findet (S. 31). Diese Feststellung, die Pawel Petrowitsch als Kritik versteht, ist aber für Basarow nur ein weiterer Vorteil der Deutschen. Er entgegnet „Ein tüchtiger Chemiker ist zwanzigmal so nützlich wie ein beliebiger Dichter“ (S. 31).

Die alte Generation legt großen Wert auf Kunst und Kultur; Nikolaj Petrowitsch, der gern Puschkin liest und Cello spielt, (was Basarow lächerlich findet), versteht nicht, wie man „die Poesie ablehnen“ und „kein Interesse für die Kunst, für die Natur haben...“ kann (S. 67). Er ist Romantiker, und genießt alles was im Leben schön ist, auch wenn es nicht „nützlich“ ist. Wie Nikolaj P. versteht auch Pawel P. nicht, wie Basarow alles, was dieser wegwerfend als „Romantik“ bezeichnet, verneinen kann: „Wie! Nicht bloß die Kunst, die Poesie...“ (S. 59).

Der Nihilist Basarow kann und will das Schöne an der Natur nicht sehen. Für ihn ist „Natur“ (als romantischer Begriff) „dummes Zeug“, er sieht in ihr „kein[en] Tempel, sondern eine Werkstatt“ (S. 51). Er glaubt, sie kontrollieren und für seine Zwecke nutzen zu können. Sogar den Tod glaubt er beherrschen zu können; erst am Ende des Romans erfährt er, dass er sich in diesem Punkt drastisch geirrt hat, als er sich mit seinem eigenen Tod konfrontiert sieht. Basarow gebraucht den Begriff „Romantik“ als Schimpfwort für alles, was seiner Meinung nach nicht nützlich ist. Im Gespräch mit Arkadij sagt er über Nikolaj Petrowitsch und Pawel Petrowitsch: „Merkwürdig, diese alten Romantiker“ (S. 20). Später, als er sich wundert, dass Nikolaj Petrowitsch Puschkin liest, sagt er „Wozu in unserer Zeit den Romantiker spielen!“ (S. 54).

Gerade diese beiden letzten Äußerungen Basarows betonen den Generationenkonflikt einerseits und andererseits den Wandel der Ideologie in der russischen Gesellschaft, der in jener Zeitperiode stattfand.

[...]


[1] Zelinsky, Bodo: Der russische Roman. Düsseldorf 1979. S. 135.

[2] Für Zitate aus der Primärliteratur wurde die folgende Ausgabe des Werks benutzt: Iwan Turgenjew: Väter und Söhne. UB 718. Philipp Reclam Jun. Stuttgart 2003.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Iwan Turgenjews Väter und Söhne
Untertitel
Konflikte und Ähnlichkeiten der Hauptcharaktere
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Institut für Slavistik)
Veranstaltung
Russischer Realismus
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
15
Katalognummer
V90817
ISBN (eBook)
9783640102112
ISBN (Buch)
9783640113330
Dateigröße
450 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar des Dozenten: Die Arbeit besticht durch die hervorragende Analyse direkt am Text. Sie verfügen über eine feine Beobachtungsgabe und sind in der Lage, die einzelnen Aspekte in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen, so dass Ihre Argumentationsstruktur folgerichtig aufgebaut ist. Eine sehr erfreuliche Leistung.
Schlagworte
Iwan, Turgenjews, Väter, Söhne, Russischer, Realismus
Arbeit zitieren
Helen Stringer (Autor:in), 2006, Iwan Turgenjews Väter und Söhne, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90817

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