Beamtenstatus und Einfluss des EU-Rechts


Seminararbeit, 2007

48 Seiten, Note: 15,0 von 15,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Titelblatt

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Beamte in Deutschland und in Europa – Ein Weg in die Zukunft
1.2 Zielsetzung und Inhalt der Arbeit

2 Die Berufung in das Beamtenverhältnis und das Berufsbeamtentum
2.1 Deutscher im Sinne des Grundgesetzes
2.2 Die Regelung des Berufsbeamtentums
2.3 Der einschränkende Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers

3 Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer
3.1 Die Richtung weisenden Gründungsverträge und Verordnungen
3.2 Der Begriff der Freizügigkeit
3.2.1 Die Funktionalität der Ausschlusskriterien
3.2.2 Die Voraussetzungen für die Ausnahmebegründung
3.3 Die Aktion der Kommission zur Freizügigkeit im öffentlichen Dienst

4 Der Vorbehalt der Staatsangehörigkeit in der Bundesrepublik Deutschland
4.1 Interpretation und Anwendung des Vorbehaltes durch das deutsche Recht
4.1.1 Das zehnte Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften
4.1.2 Das Europarecht und das neue Beamtenrecht – eine Konformitätsfrage
4.1.3 Familienangehörige von Unionsbürgern
4.2 Zugangsbeschränkungen und Ausnahmen für ausländische Mitbürger
4.2.1 Die den deutschen Staatsangehörigen vorbehaltenen Stellen
4.2.2 Die nicht unter den Vorbehalt fallenden Stellen
4.2.3 Die hoheitlichen Befugnisse nach deutschem Recht – eine Auslegung
4.3 Der Öffnungsumfang für EU-Bürger
4.3.1 Der den Deutschen vorbehaltene Tätigkeitsbereich – eine Auslegung
4.3.2 Das Letztentscheidungsrecht des Europäischen Gerichtshofes

5 Die Konflikte zwischen Bundes- und Europarecht
5.1 Die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung
5.2 Die unterschiedliche Begriffsbestimmung der Hoheitlichkeit
5.3 Die unterschiedliche Auslegung der Staatsgewalt
5.4 Die Zugangsvoraussetzungen der Bundesrepublik Deutschland
5.5 Die – positive und negative – Kritik der Bundesrepublik Deutschland
5.5.1 Die Kritik an der Hoheitlichkeit
5.5.2 Die Kritik an der Staatsangehörigkeit
5.5.3 Die Kritik an der Änderung des Beamtenrechts

6 Zusammenfassung und Ausblick
6.1 Ein gesamteuropäisches Résumé
6.2 Eine europaweite Perspektive

7 Diskussion

I. Quellenverzeichnis

II. Tabellen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung im Sinne von

Art. 39 Abs. 4 EGV

Tabelle 2 Stellen im öffentlichen Dienst mit Staatsangehörigkeitsvorbehalt,

Bundesrepublik Deutschland

1 Einleitung

1.1 Beamte in Deutschland und in Europa – Ein Weg in die Zukunft

Die Vorwegnahme eines Resultates aufgrund von Ereignissen oder Entwicklungen beim Thema „Beamtenstatus und Einfluss des EU-Rechts“ ist mit der Föderalismusreform und dem damit zusammenhängenden Beamtenstatusgesetz sowie Entscheidungen aus der jüngsten Rechtsprechung des EuGH gegeben…

„(…) ergibt sich, dass Stellen des Kapitäns und des Ersten Offiziers der Handelsmarine (…) nicht unter die Ausnahme nach Artikel 39 Absatz 4 EG fallen können.“[1]

„(…) Artikel 39 Absatz 4 EG dahin auszulegen ist, dass er einen Mitgliedstaat nur dann berechtigt, seinen Staatsangehörigen die Beschäftigung als Schiffsführer (Kapitän) der in der Kleinen Seeschifffahrt eingesetzten Schiffe unter seiner Flagge vorzubehalten, wenn die den Schiffsführern solcher Schiffe zugewiesenen hoheitlichen Befugnisse tatsächlich regelmäßig ausgeübt werden und nicht nur einen sehr geringen Teil ihrer Tätigkeit ausmachen.“[2]

Diese beiden Entscheidungen des EuGH sind neueste Auswirkungen des EU-Freizügigkeitsrechts. Zum Verständnis der europäischen Richtungsweisung ist die parallele Betrachtung sowohl des Europarechts als auch des nationalen Beamtenrechts erforderlich.

Der EU gehören mittlerweile 27 Staaten an.[3] /[4] Vier weitere Bewerber sind derzeit vorhanden.[5] /[6] Der gemeinschaftliche Integrationsprozess bezieht die Frage der Struktur und Organisation der öffentlichen Verwaltung sowie des öffentlichen Dienstes nicht mit ein. Auch wenn die öffentliche Verwaltung eindeutig im Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten verbleibt, schreitet die so genannte „Europäisierung“ des öffentlichen Dienstes voran. Insbesondere die Verbesserung von Dienstleistungen für Nutzer und Kunden sowie das Streben nach einer allgemeinen Verbreitung vorbildlicher Praxis stehen im Vereinten Europa hoch im Kurs. Die Mobilität von öffentlich Bediensteten in der EU ist zwar noch vergleichsweise niedrig, dennoch muss ein stabiler Rechtsrahmen dafür geschaffen werden. Der EuGH hat bei seiner Rechtsprechung die unterschiedlichsten Fragen zu behandeln wie z.B. „Vorbildung, gegenseitige Anerkennung von Befähigungsnachweisen und Berufserfahrung, Festlegung von Stellen mit einer Beteiligung an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse oder die Koordination von Sozialversicherungs- und Altersvorsorgesystemen“. Die Vollendung des europäischen Binnenmarktes sowie die Umsetzung sozialpolitischer Richtlinien haben einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Zukunft des öffentlichen Dienstes.[7]

Durch die Föderalismusreform hat sich das von Bund und Ländern gemeinsam entwickelte Beamtenstatusgesetz für Länder- und Gemeindebeamte entwickelt. Ziel der zum 1.9.2006 neu verteilten Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern ist eine deutlichere Zuordnung politischer Verantwortlichkeiten. Unter politisch gewollter Beschränkung auf Kernregelungen soll das Beamtenstatusgesetz die neue Gesetzgebungskompetenz wahrnehmen. Die Entscheidung über Laufbahnen, Besoldung und Versorgung wird zukünftig den Ländern obliegen. Die Laufbahnvorschriften des BRRG, des BBesG und des BeamtVG ändern sich nicht.[8] Derzeit wird von einem Inkrafttreten des Gesetzes zum 1.10.2008 ausgegangen.[9]

Abschnitt 2 des Gesetzesentwurfes reguliert das Beamtenverhältnis: § 7 des Beamtenstatusgesetzes soll die grundsätzliche Zulässigkeit der Beamtenberufung europarechtskonform regeln: Neben Deutschen und anderen EU-Bürgern werden auch Angehörige anderer Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum[10] und Drittstaaten mit entsprechendem vertraglichem Anspruch[11] berücksichtigt.[12]

1.2 Zielsetzung und Inhalt der Arbeit

Ein Ziel dieser Arbeit ist, Fragen und Problemstellungen wie „Als Deutschlehrerin nach Frankreich“, „Als Lehrerin in Luxemburg arbeiten“, „Österreichische Volksschullehrerin: Abschluss in Deutschland anerkannt?“, „Deutscher Beamter mit niederländischer Staatsangehörigkeit?“, „Rheinland-pfälzischer Landesbeamter will nach Spanien“ mit dem dafür erforderlichen Wissen betrachten und lösen zu lernen.[13] Der Begriff der Arbeitnehmerfreizügigkeit und seine Auswirkungen werden unter dem europarechtlichen Aspekt erörtert. Ein weiteres – abrundendes – Ziel ist, die Rechtsprechung des EuGH nachvollziehen zu können. In der Literatur wird wiederholt auf ganz bestimmte Richtung weisende Urteile Bezug genommen. Hierauf bauen die weiteren Entscheidungen i.d.R. auf.

In dieser Arbeit wird bewusst darauf verzichtet, die Geschichte des Berufsbeamtentums eingehend zu erörtern. Das einleitende Thema „Beamtenverhältnis und Berufsbeamtentum“ dient dem Verständnis des Gesamtkomplexes. Der einschränkende Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ist hierin eingeschlossen. Es folgen die Zusammenhänge der „Arbeitnehmerfreizügigkeit“. Die hierauf bezogene Aktion der Kommission dient dem generellen Verständnis der Freizügigkeit und der damit verbundenen Unstimmigkeiten in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Den Schwerpunkt dieser Arbeit bildet die Freizügigkeitswirkung und -regelung in der Bundesrepublik Deutschland. Selbstverständlich dienen zur Veranschaulichung auch vereinzelt Urteile des EuGH aus anderen Mitgliedstaaten. Die bundesdeutschen Gesetze haben seit der Einführung der Freizügigkeitsregelung eine umfangreiche Entwicklung erfahren. Um ein Verständnis für die heutige Rechtslage zu entwickeln, erfolgt eine historische Betrachtung des deutschen Staatsangehörigkeitsvorbehaltes. Die Auslegungen zu den Themen „Die hoheitlichen Befugnisse nach deutschem Recht“ und „Der den Deutschen vorbehaltener Tätigkeitsbereich“ sind nicht als die eine Lösung zu verstehen. Vielmehr sollen diese Abhandlungen als Denkanstöße für weitere Möglichkeiten dienen. Das Thema „Europa und der öffentliche Dienst“ ist nicht konfliktfrei geblieben. Die Darstellung einiger Konflikte zwischen Bundes- und Europarecht sowie der damit verbundenen Rechtsentwicklung kann nur als Auszug aus dem ganzen – stetig wachsenden – Problemkomplex verstanden werden.

2 Die Berufung in das Beamtenverhältnis und das Berufsbeamtentum

2.1 Deutscher im Sinne des Grundgesetzes

Gem. § 7 Abs. 1 Ziff. 1 BBG ist erste Voraussetzung für die Berufung in das Beamtenverhältnis, „Deutscher im Sinne des Art. 116 GG“ zu sein. Sie gilt nicht als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums i.S.v. Art. 33 Abs. 5 GG, dennoch lt. EuGH als „Ausdruck einer besonderen Verbundenheit zum Staat“. Diese Verbundenheit ist i.S.v. Art. 33 Abs. 4 GG regelmäßiger Bestandteil des besonderen öffentlichen Dienst- und Treueverhältnisses zwischen Dienstherrn und Beamten.[14] Die grundsätzliche Entscheidung des BVerwG lautet, dass Beamter nur sein kann, wer der Gemeinschaft angehört, deren Sachwalter und Treuhänder er ist.[15] Die deutsche Staatsangehörigkeit ist nicht erforderlich, aber der Regelfall.[16] Der Bewerber muss dafür gem. Art. 116 Abs. 1, Alt. 2 zumindest „als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling im Gebiet des deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden“ haben. Art. 116 Abs. 2 legt fest, dass Deutsche frühere deutsche Staatsangehörige sind, „denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge (…), sofern sie nach dem 8. Mai 1945 ihren Wohnsitz in Deutschland genommen haben und nicht einen entgegengesetzten Willen zum Ausdruck gebracht haben.“

2.2 Die Regelung des Berufsbeamtentums

Art. 33 Abs. 5 GG bestimmt, dass das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln ist. Die historische Begründung dieser Aussage ist darin zu finden, dass das Berufsbeamtentum zwar in der Verfassung verankert werden sollte, aber die wohl erworbenen Rechte der Beamten sollten nicht gleichzeitig garantiert werden. Die in den Grundsätzen verankerten Rechte können Beamte jederzeit im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend machen. Der Sinn des Art. 33 Abs. 5 GG beschränkt sich auf Beamte und schließt aufgrund der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums Angestellte und Arbeiter[17] aus. Gesetzgeber und Verwaltung sind durch das unmittelbar geltende Recht des Art. 33 Abs. 5 GG gebunden. Die institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums ist im Zusammenhang mit Art. 33 Abs. 4 GG gegeben. Danach ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe i.d.R. Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, welche in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Das Berufsbeamtentum herkömmlicher Art darf demzufolge nicht völlig durch Bedienstete auf vertraglicher Basis ersetzt werden. Art. 79 Abs. 3 GG bestimmt, dass „eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche (…) die in Artikel (…) 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, (…) unzulässig“ ist. Diese Ewigkeitsklausel lässt eine Verfassungsänderung mit dem Ziel eines einheitlichen Dienstrechts für alle Staatsbediensteten zu. Somit könnte Art. 33 Abs. 4 und 5 aufgehoben werden. Das Prinzip der Gewaltentrennung wird durch Bezugnahme auf Art. 20 GG garantiert. Dort werden die verfassungsrechtlichen unabänderlichen Grundprinzipien geregelt. Da Art. 20 Abs. 2 die detaillierte Organisation der vollziehenden Gewalt offen lässt, wird eine Abschaffung des Berufsbeamtentums nicht explizit ausgeschlossen.[18]

2.3 Der einschränkende Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers

Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers wird durch die Bestimmung des Art. 33 Abs. 5 GG eingeschränkt. Nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen kann eine derartige Barriere auch nur restriktiv[19] interpretiert werden. Auch im Rahmen des Art. 33 Abs. 5 GG darf der Regelungsauftrag der Gesetzgebung und Regierung nur für ganz essenzielle Elemente des Rechtsgebietes als verfassungsrechtlich begrenzt angesehen werden. Vor dem 1. Weltkrieg und in der Zeit zwischen 1918 und 1933 war die deutsche Staatsangehörigkeit als Zugangsvoraussetzung für das Beamtenverhältnis noch sehr stark von einem Freund-/Feind-Grundgedanken mit der Betrachtung des Ausländers als potenziellem Feind geprägt. Das GG geht von einem System friedlichen Nebeneinanders der Staaten und einer Teilaufgabe der Staatsgewalt zugunsten von zwischenstaatlichen Einrichtungen aus. Daher kann die Staatsangehörigkeit als Ernennungsvoraussetzung nicht die Bedeutung haben, welche zum Ende der Weimarer Republik bestand. Der ideelle Hintergrund, den die Staatsangehörigkeit noch im Jahre 1914 und gegen Ende der Weimarer Republik hatte, muss inzwischen abgelehnt werden, denn die Weiterexistenz der Menschheit in einer zivilisierten Form sollte das notwendige Hauptziel einer jeden Politik sein. Die Nichteindeutigkeit von Entwicklungen und Rechtslagen der deutschen Geschichte führt zu dem Ergebnis, dass es sich bei der deutschen Staatsangehörigkeit als Ernennungsvoraussetzung nicht um den gem. Art. 33 Abs. 1 GG hergebrachten Grundsatz handelt, nach welchem jeder Deutsche „in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“ hat.“ Demnach ist die deutsche Staatsangehörigkeit als Ernennungsvoraussetzung hier nicht zwingend vorgegeben, und einer Verbeamtung von Ausländern steht nichts entgegen. Unabhängig davon besteht ein politisches Bedürfnis, i.d.R. nur dort deutsche Staatsangehörige zu Beamten zu ernennen, wo europarechtliche Normen dies nicht ausschließen und auch keine personalpolitischen Gründe für eine weitere Öffnung des Staatsdienstes für Ausländer in Sonderfällen sprechen. An Stellen, auf denen keine gewichtigen Gründe für die Einstellung von Ausländern sprechen, ist es folglich durchaus legitim, Beamtenstellen eigenen Staatsangehörigen vorzubehalten.[20]

Da es sich bei den grundgesetzlich verankerten Garantien lediglich um eine Sicherung des Berufsbeamtentums als Institution handelt, sind damit nur die das Beamtentum tragenden Grundregeln gemeint. Die hergebrachten Grundsätze – hier also das Wesen des Berufsbeamtentums – dürfen nicht verneint und beseitigt werden. Je nach deren Interpretation bleibt dem Gesetzgeber der Raum für notwendige Gestaltungsfreiheit mehr oder weniger erhalten.[21]

3 Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer

3.1 Die Richtung weisenden Gründungsverträge und Verordnungen

Gem. Art. 17 Abs. 1 S. 2 EGV ist Unionsbürger, „wer die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates besitzt.“ Diese Rechtsstellung ist gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1, Alt. 2 BBG eine gleichberechtigte Alternative zur Deutscheigenschaft für die Berufung in das Beamtenverhältnis.[23][22]

Deutschland, Frankreich, Italien und die Benelux-Staaten haben in Rom am 25. März 1957 den EWG-V unterzeichnet. Ziel war es, durch die Förderung des Handels und der Integration die Ausweitung der Wirtschaft zu erreichen. In Kraft getreten ist der Vertrag am 1. Januar 1958.[24] Die VO über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft[25] vom 15. Oktober 1968 berechtigt „jeden Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates ungeachtet seines Wohnortes, eine Tätigkeit im Lohn- und Gehaltsverhältnis im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufzunehmen und auszuüben“. Dies hat „nach den für die Arbeitnehmer dieses Staates geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften“ zu geschehen.[26] Nach Ablauf einer Übergangszeit[27] zur Einführung des EWG-V und der o.g. VO galten diese als unmittelbar anwendbares Recht. Arbeitnehmer erhielten zeitgleich vor den nationalen Gerichten einklagbare Rechte und Vergünstigungen. Die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen genießen Anwendungsvorrang gegenüber anders lautenden nationalen Anordnungen.[28] /[29]

Der am 7. Februar 1992 unterzeichnete Vertrag über die EU[30] löste den EWG-V mit Wirkung vom 1. November 1993 ab.[31]

Art. 39 EGV regelt, dass nach Abs. 1 „innerhalb der Gemeinschaft (…) die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet“ ist. Damit wird das Gebot des EU-Vertrages über die Freizügigkeit von Personen eingehalten. Die Freizügigkeit umfasst gem. Abs. 2 „(…) die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.“ Die Freizügigkeit gibt den Arbeitnehmern gem. Abs. 3 das Recht, „a) sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben, b) sich zu diesem Zweck im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, c) sich in einem Mitgliedstaat aufzuhalten, um dort (…) eine Beschäftigung auszuüben, d) nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates (…) zu verbleiben“. Die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung wird durch Abs. 4 vom Gebot der Freizügigkeit in der Gemeinschaft ausgenommen.[32]

3.2 Der Begriff der Freizügigkeit

Das Recht des freien Zugangs zum Arbeitsmarkt und die Beseitigung jeglicher Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit im Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen sind gem. Art. 39 Abs. 2 EGV die wesentlichen Bedeutungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Es handelt sich hierbei um eine Spezialnorm zu dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit gewährt das Recht, sich zur Ausübung einer Beschäftigung innerhalb der Gemeinschaft frei zu bewegen. Diese Garantie soll einen der Marktfreiheitsgrundsätze verwirklichen: Die in abhängiger Arbeit Beschäftigten im gesamten Binnenmarkt sollen freien Zugang zu den Arbeitsmöglichkeiten mit den attraktivsten Lohn- und Arbeitsbedingungen haben. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung ist die Gewährleistung der Personenverkehrsfreiheit als wichtigste Grundfreiheit zu erachten.[33]

3.2.1 Die Funktionalität der Ausschlusskriterien

Das Kriterium für die Anwendung des Art. 39 Abs. 4 EGV soll funktionell sein. Es muss auf die Natur der mit der Stelle verbundenen Aufgaben und Verantwortlichkeiten abstellen.

Mit dem Fall „Sotgiu/Deutsche Bundespost“[34] wurde die Bereichsausnahme des Art. 48 Abs. 4 EWG-V zum ersten Mal funktional interpretiert. In diesem Urteil wurde auf die vom Arbeitnehmer tatsächlich ausgeübten Funktionen abgestellt: Sowohl die Art des Rechtsverhältnisses zwischen Arbeitnehmer und Verwaltung als auch die Frage, ob ein Beschäftigungsverhältnis öffentlichem oder privatem Recht unterliege, sei ohne Bedeutung.[35] /[36]

Im Fall „Kommission gegen Frankreich“[37] hatte der EuGH wiederholt[38] explizit auf die Funktionalität der Anwendung des Art. 48 Abs. 4 EWG-V hingewiesen: Frankreich hatte mittels gesetzlicher Bestimmung die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit für Krankenpflegepersonal auf Dauerplanstellen an öffentlichen Krankenhäusern ausgeschlossen. Die Ausübung hoheitlicher Befugnisse sei bei diesen Tätigkeiten nicht gegeben. Der EuGH entschied: Es handele sich hier weder um die Ausübung hoheitlicher Befugnisse, noch fehle es diesen Stellen an der Verantwortung für die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates. Eine Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung i.S.d. Art. 48 Abs. 4 EWG-V liege folglich nicht vor.[39] Die Einengung der aus nationaler Auslegung resultierenden Bestimmungen und die dadurch folgende Begrenzung der praktischen Wirksamkeit europäischer Vertragsbestimmungen soll lt. Abs. 12 des Urteils[40] verhindert werden. Dazu ist die Auslegung auch auf die Natur der mit der Stelle verbundenen Aufgaben und Verantwortlichkeiten abzustellen.[41]

[...]


[1] EuGH C-405/01 vom 30.9.2003, Rn 66/59, in: http://lexetius.com/2003,1914?version=drucken

[2] EuGH C-47/02 vom 30.9.2003, Rn 75/69, in http://lexetius.com/2003,1917?version=drucken

[3] Gründungsmitglieder: Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande. Späterer Beitritt: 1973 Dänemark, Irland, Vereinigtes Königreich; 1981 Griechenland; 1986 Portugal, Spanien; 1995 Finnland, Österreich, Schweden; 2004 Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn, Zypern; 2007 Bulgarien, Rumänien.

[4] Vgl. Europa – Das Portal der Europäischen Union: Europäische Länder – EU-Mitgliedstaaten.

[5] ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien, Kroatien, Türkei.

[6] Vgl. Europa – Das Portal der Europäischen Union: Europäische Länder – Bewerberländer.

[7] Vgl. Druesne, in Bossaert u.a.: Der öffentliche Dienst im Europa der Fünfzehn, S. xiii

[8] Vgl. Lemhöfer: Nach der Föderalismusreform: Das kommende Beamtenstatusgesetz für Länder- und Gemeindebeamte. I. Neu verteilte Gesetzgebungskompetenzen.

[9] Vgl. Lemhöfer: Nach der Föderalismusreform: Das kommende Beamtenstatusgesetz für Länder- und Gemeindebeamte. II. Das kommende Beamtenstatusgesetz, 1. Stand der Gesetzgebung.

[10] Island, Liechtenstein, Norwegen.

[11] Schweiz.

[12] Vgl. Lemhöfer: Nach der Föderalismusreform: Das kommende Beamtenstatusgesetz für Länder- und Gemeindebeamte. II. Das kommende Beamtenstatusgesetz, 3. Der Inhalt des Entwurfs im Überblick.

[13] Beispiele entnommen aus: Euro-Informationen (GbR): Arbeiten – Beamte.

[14] Vgl. Battis, § 7 Rn. 3.

[15] Vgl. Plog u.a., § 7 Rn 3.

[16] Vgl. Battis, a.a.O. Rn 14.

[17] Seit Einführung des TV-L vom 12. 10.2006: „Beschäftigte“.

[18] Vgl. Wagner, S. 14 f.

[19] einschränkend/eng

[20] Vgl. Summer, S. 103 f.

[21] Vgl. Wagner, S. 15.

[22] Im Folgenden werden, je nach literarischer Quelle, die Bezeichnungen „EWG-V“ und „EGV“ verwendet. Die in dieser Arbeit behandelten Inhalte der Verträge haben sich nicht geändert. Es hat lediglich eine Verschiebung der jeweiligen Artikel stattgefunden. Die für diese Arbeit relevanteste Vorschrift ist der Artikel 48 EWG-V, der durch den vollkommen identischen Artikel 39 EGV ersetzt worden ist.

[23] Vgl. Battis, § 7 Rn. 4.

[24] Vgl. Europa – Das Portal der Europäischen Union: Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, EWG-Vertrag (nicht konsolidierte Fassung).

[25] VO 1612/68 vom 15. Oktober 1968.

[26] Vgl. Fischer RiA 1995, S. 106.

[27] Ablauf am 31. Dezember 1969.

[28] Vgl. Fischer, a.a.O. Rn 26.

[29] Vgl. auch: Schotten DVBl 1994, S. 569.

[30] Vertrag von Maastricht; Die EU verfügte mittlerweile über zwölf Mitgliedstaaten.

[31] Vgl. Europa – Das Portal der Europäischen Union: Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, EWG-Vertrag (nicht konsolidierte Fassung).

[32] Vgl. Bossaert, in Bossaert u.a., Der öffentliche Dienst im Europa der Fünfzehn, S. 59.

[33] Vgl. Nordmeyer, S. 164.

[34] Rs. 153/73 Sotgiu/Deutsche Bundespost; EuGHE 1974, 153.

[35] Vgl. Dörr EuZW 1990, S. 568.

[36] Siehe auch: Gödan, Zugang von EG-Ausländern zum bibliothekarischen Beruf.

[37] Rs. 307/84 Kommission/Frankreich; EuGHE 1986, 1725.

[38] Zuvor auch: Rs. 149/79 Kommission/Belgien; EuGHE 1980, 3881.

[39] Vgl. Dörr EuZW 1990, S. 569.

[40] Vgl. dazu auch Leitsatz 3 sowie die dazugehörigen Ausführungen des Urteils.

[41] Vgl. Möllers: EuGH, Rs. 307 / 84 v. 3.6.1986 - Kommission / Frankreich.

Ende der Leseprobe aus 48 Seiten

Details

Titel
Beamtenstatus und Einfluss des EU-Rechts
Hochschule
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg  (Fachbereich Public Management)
Veranstaltung
Hauptseminar Personalrecht
Note
15,0 von 15,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
48
Katalognummer
V90788
ISBN (eBook)
9783638051422
ISBN (Buch)
9783638944335
Dateigröße
630 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Beamtenstatus, Einfluss, EU-Rechts, Hauptseminar, Personalrecht
Arbeit zitieren
Isabel Ohnesorge (Autor:in), 2007, Beamtenstatus und Einfluss des EU-Rechts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90788

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