Zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Gleichheit in der DDR-Gesellschaft


Hausarbeit, 2018

19 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Geschichte der klassenlosen Gesellschaftstheorie
2.1 Die Ursprünge
2.2 Marxismus-Leninismus
2.3 Stalinismus

3. Die Ziele der DDR
3.1 Historischer Umriss der DDR
3.2 Anspruch der Gleichheit

4. Wirklichkeit in der Gesellschaft
4.1 Klassenstruktur der Bevölkerung
4.2 Zwischen Schein und Sein – Die Sicht der Bevölkerung
4.3 Beispiel Elite – die gleichere Klasse

5. Schlussteil

6. Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Deutsche Demokratische Republik war ein sozialistischer Staat, der sich dem Prinzip „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“1 verschrieben hatte.

„Die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ist für immer beseitigt. Was des Volkes Hände schaffen, ist des Volkes Eigen […]“2.So lautet der zweite Artikel der Verfassung der DDR. Hier bekennt sich der Staat zur Theorie des Kommunismus und damit auch zum Ziel der klassenlosen Gesellschaft.

Keine 30 Jahre liegt der Fall der innerdeutschen Mauer zurück. Unzählige Menschen sind Zeitzeugen und so ist die DDR, ihre Politik, Geschichte und Gesellschaft ein gut erforschtes Gebiet. Zu vielen Aspekten gibt es Fach- beziehungsweise Unterhaltungsliteratur und Quellen, sodass sich ein lebendiges Bild der DDR abzeichnet. Doch die Nähe zu den Ereignissen und die Zeugenberichte dürfen nicht über die eigentliche Quellenlage hinwegtäuschen. Gerade in der Sozialforschung, die auf Basis der vorliegenden Daten die Gesellschaft analysieren möchte, wird deutlich, dass der erste Blick trügt. Es liegen nur wenige und ausgewählte empirische Daten zur Sozialstruktur der DDR vor, es fehlen genaue quantitative Angaben, begriffliche und methodische Genauigkeiten in der Forschung3. Aber auch mithilfe der Berichte der Zeitzeugen zeichnet sich ein Bild der sozialistischen DDR-Gesellschaft. In einem Staat, indem eine Partei den gesamten Regierungsapparat diktiert, geht auch alle Macht von ihr aus4. Diese Macht und was sie in einer Gesellschaft bedeutet, in der Eigentum als Indikator für soziale Ungleichheit ausfällt, wird im Folgenden eingehender erläutert. Unter Einfluss des Sowjetregimes wurde die DDR errichtet und von Stalins Vorbild geprägt. Daher wird ein weiterer Aspekt dieser Arbeit sein, welchen Einfluss speziell dieser Bruderstaat und Gründervater auf das Dogma der Gleichheit hatte.

Es stellt sich die Frage, welche Ansprüche nicht nur die Verfassung, sondern auch der lebende Staatsapparat an das Postulat der sozialen Gleichheit stellte. Inwieweit der Staatsapparat diese klassenlose Gesellschaft auf Kosten seiner eigenen Macht etablieren wollte, soll ebenfalls Teil der Erläuterung sein.

Um die theoretischen Grundzüge des sozialistischen Staats besser zu verstehen, wird auf die Ursprünge des Kommunismus im Kommunistischen Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels, im Marxismus-Leninismus und im Stalinismus eingegangen. Welche Elemente der jeweiligen Theorie in der DDR wiederzuerkennen sind und wie sie die DDR beeinflusst haben, soll hierzu in den Blick genommen werden. Die Historie der DDR kann auch mit soziologischen Aspekten nach Heike Solga5, die sich vor allem auf Katharina Belwe beruft, periodisiert werden. Entscheidend ist, welche Differenzen sich zwischen Klassen in der DDR-Gesellschaft ausmachen lassen, um ihre Klassenstruktur zu untersuchen. Hier gibt es ganz unterschiedliche soziologische Ansätze. Ob auch unter dem Gesichtspunkt der verschiedenen Forschungsansätze eine Klassenstruktur in der scheinbar homogenen Gesellschaft auffindbar ist, wird ausschlaggebend sein.

Doch wie hat die Bevölkerung selbst ihre Struktur beurteilt? In der Sozialforschung der DDR, die ständig unter Beobachtung der Partei stand, gab es schon damals Untersuchungen, die dem Bild der sozial gleichen Gesellschaft entgegenstanden. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung wurde allein an der Massenflucht seit der Gründung der DDR 1949 sichtbar, die die Regierung zwang, eine Mauer um ihr bevölkerungstechnisch ausblutendes Land zu bauen. Die Zeitzeugen berichten vor allem von dem Unterschied zwischen dem normalen Bürger und dem Amtsausübenden in entscheidender Position. Diese Elite zeichnete sich nicht nur durch die mit ihrem Amt verknüpfte Macht aus, sondern auch mit den damit verbundenen Privilegien. Eine hierzu passende satirische Bemerkung, liefert der Autor Georg Orwell in seinem Werk Animal Farm: „all animals are equal but some animals are more equal than others“6.

Hat diese Aussage Gültigkeit? Waren in dem sozialistischen Staat der DDR, in dem das höchste Ziel die soziale Gleichheit und die homogene, klassenlose Gesellschaft war, manche „gleicher als andere“, oder war der Anspruch doch nicht an diesem Ziel festgelegt? Inwieweit man die DDR als Klassengesellschaft charakterisieren kann, soll in dieser Hausarbeit behandelt werden.

2. Geschichte der klassenlosen Gesellschaftstheorie

2.1 Die Ursprünge

Die Begrifflichkeiten und die Theorie des Kommunismus selbst durchliefen in der Geschichte viele Modifikationen und praktische Anpassungen. Zunächst soll ein Blick zurück auf den Ursprung aller kommunistischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts geworfen werden: Der Marxismus.

1848 wurde das Manifest der kommunistischen Partei in London veröffentlicht und als kommunistisches Manifest weltweit bekannt. Marx und Engels stellen darin fest, dass „[…] die Geschichte aller bisherigen Gesellschaften die Geschichte von Klassenkämpfen [ist]“7. Welche essentielle Rolle die Abschaffung der Klassen auf dem Weg zum Kommunismus hat, beschreibt ein Brief von Marx vier Jahre nach der Veröffentlichung seines Werkes. Dort stellt er fest, dass das Neue an seinem Werk, „1. […] die Existenz der Klassen bloß an bestimmte historische Entwicklungskämpfe der Produktion gebunden sei, 2. Dass der Klassenkampf notwendig zur Diktatur des Proletariats führe, 3. Dass diese Diktatur selbst nur den Übergang zur Aufhebung aller Klassen und zu einer klassenlosen Gesellschaft bildet“8 war. Die klassenlose Gesellschaft steht als höchstes Gut, als die Erfüllung einer gleichen und harmonischen Gesellschaft. Laut Marx und Engels ist die herrschende Klasse die bürgerliche Klasse; die Zugehörigen dieser Klasse sind auch gleichzeitig die „Unterdrücker“9. Die Bedingung für die Herrschaft der Bourgeoisie, dieses wohlhabenden Bürgertums, liegt in der Anhäufung und in der Bildung und Vermehrung des Kapitals10. Wenn das Privateigentum in gesellschaftliches Eigentum verwandelt wird, verliert Eigentum seinen Klassencharakter. Gegen die sogenannte Bourgeoise steht das Proletariat, die modernen Arbeiter11. Der Kampf des Proletariats gegen die Bourgeoisie ist vorprogrammiert, er beginnt mit seiner Existenz12. Wie sich Marx und Engels den Klassenkampf vorstellen, beschreiben sie später genauer: „Wenn das Proletariat im Kampfe gegen die Bourgeoisie sich notwendig zur Klasse vereint, durch eine Revolution sich zur herrschenden Klasse macht, und als herrschende Klasse gewaltsam die alten Produktionsverhältnisse aufhebt, so hebt es mit diesen Produktionsverhältnissen die Existenzbedingungen des Klassengegensatzes, der Klassen überhaupt, und damit seine eigene Herrschaft als Klasse auf“13. Sie sehen die Diktatur des Proletariats in der Übergangsperiode zum Kommunismus als Notwendigkeit an.

In der 1875 verfassten „Kritik am Gothaer Programm“ präzisiert Marx viele Ausführungen aus dem Kommunistischen Manifest. Entscheidend für den Aspekt der klassenlosen Gesellschaft war die Unterscheidung Marx` zwischen einer ersten und einer nachfolgenden höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft. Denn in der ersten Phase gäbe es Ungleichheiten, aber da eine solche Gesellschaft „eben [erst] aus der kapitalistischen Gesellschaft nach langen Geburtswehe hervorgegangen ist“, wären solche Missstände unvermeidbar14. In der höheren Phase kann sich die Gesellschaft nach dem Motto richten: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“15. Auf die Wirtschaft bezogen, sollte jeder in dem Bereich arbeiten, der seinem Können entsprach - dabei ist der Gegensatz zwischen geistiger und körperlicher Arbeit aufgehoben - aber gleichzeitig nur das erhalten, was er tatsächlich zum Leben braucht. Hier verbirgt sich auch eine Kritik am unproduktiven Kapital. Niemand sollte nur durch Besitz verdienen und dazu mehr als tatsächlich gebraucht wurde. Schließlich erklärt Friedrich Engels in seiner Schrift „Anti-Dühring“ von 1877, wie der Staat sich selbst abschaffen wird und abstirbt. „Anstelle der Regierung über Personen tritt dann die Verwaltung von Sachen und die Leitung von Produktionsprozesse“16.

Zusammenfassend gehen Marx und Engels bei der Realisierung einer klassenlosen Gesellschaft also von einer vom Klassenkampf geprägten Übergangsgesellschaft aus. Diese Übergangsperiode kann nur durch die revolutionäre Diktatur des Proletariats entschieden werden, und von einer Umwälzung des Privateigentums in gesellschaftliches geprägt sein. Welche institutionellen Bedeutungen in diesen Worten liegen, ergibt sich aus keiner Schrift. Nach dieser Periode schaffen sich Klassen und Staat selbst ab. Es fällt auf, dass die Klassiker des Marxismus nur wenige konkrete Angaben über die kommunistische Gesellschaft selbst geben.

2.2 Marxismus-Leninismus

Mit der russischen Oktoberrevolution 1917 wurde der Kommunismus aus der Theorie gerissen. Dabei muss aber klar abgegrenzt werden, dass nicht direkt der Marxismus verwirklicht wurde, sondern der von Wladimir Lenin weiterentwickelte Marxismus-Leninismus. Lenin passte die Theorie auf die spezifischen Voraussetzungen in Russland an, um die Diskrepanz zwischen marxistischer Theorie und tatsächlichen Voraussetzungen zu überbrücken. Bei Marx kann sich der Kommunismus erst aus dem Kapitalismus entwickeln. Das Zarenreich war Anfang des 20. Jahrhunderts jedoch von Landwirtschaft geprägt und noch nicht im Zeitalter der Industrialisierung angelangt. Angesichts dieser Voraussetzungen verbindet Lenin den Kommunismus mit einer nachholenden Entwicklungsstrategie. Russland soll so überhaupt erst in den Kapitalismus, sogar die Moderne geführt werden, während Marx den Kommunismus nach dem Kapitalismus eingeordnet hatte17. Für Lenin rückte das Endziel Kommunismus so in weite Ferne, ein besonderes Augenmerk legte er vielmehr auf dessen Vorstufe, den Sozialismus. Die Folge war der permanente Klassenkampf, da eben der Kommunismus noch nicht erreicht war. Schon das Vorhandensein von Klassen wurde legitimiert mit dieser Annahme. Das Absterben des Staates war Zukunftsmusik, stattdessen wurde die Diktatur des Proletariats avanciert. Eine Partei der Berufsrevolutionäre übernahm die Leitung der Gesellschaft. Die Parteiführung eines sozialistischen Staates ist die Avantgarde des gesamten Volkes, sodass ihre Ansichten einen Wahrheitsanspruch innehaben, der in einer elitären Selbstsicht gipfelt18. Lenin erschuf eine prä-kommunistische Gesellschaft, in der Klassen noch existierten, weswegen die herrschende Klasse, das Proletariat, mithilfe einer Diktatur, durch die kommunistische Partei im zentralistischen Staatssystem vertreten, die zukünftig klassenlose Gesellschaft realisieren werden. Auf dieser Theorie wurde die Sowjetunion erbaut. Die DDR wiederum wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als sozialistischer Staat von ihr und nach ihrem Vorbild aufgebaut. Die Grundstrukturen der politischen Machtausübung glichen dem sowjetischen Vorbild, das als verpflichtendes Modell bestimmt wurde, haargenau19.

2.3 Stalinismus

In der DDR galt bis zu Stalins Tod 1953 die Losung: „Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen“20. Die DDR erklärte den Marxismus-Leninismus stalinistischer Prägung zur „herrschenden Ideologie“, der auf einer zentralistischen, staatlich geleiteten Planwirtschaft und der materiellen Privilegierung der bürgerlichen Oberschicht beruht21. Verschiedene Historiker stimmen überein, dass der Stalinismus vom Leninismus abzugrenzen ist. Stalinismus war eine pervertierte Praxis von Lenins Theorie abgeleitet, die die Grundlagen durch ihre dogmatische Partei und terroristische Geheimpolizei legte, mit der Stalin Willkür und Diktatur lancierte22. Der Stalinismus propagierte den „Sozialismus in einem Land“, legte den internationalen Charakter der Revolution ab und ließ die Industrialisierung und Kollektivierung der Landwirtschaft unter der Doktrin des „sozialistischen Aufbaus“ führen23. 1936 stand für Stalin fest, dass die erste Phase des Kommunismus, der Sozialismus, eingelöst wurde, aber erst in der höheren Phase können Klassengegensätze aufgelöst werden24. Die Arbeiter und Bauern existierten in der UdSSR legitim noch als Klasse und widersprachen nicht dem Ziel oder Anspruch der Regierung, da diese den Sozialismus verwirklicht hatte und nicht das Endziel Kommunismus. In der „zweiten Revolution“25 der 30-er Jahre wurde die Landwirtschaft kollektiviert und die Industrialisierung vorangetrieben. Stalins Industrialisierung brachte Chancen für junge Arbeiter, in Ingenieurs- und technische Berufe aufzusteigen. Unter Stalin wurde eine ungleiche Behandlung innerhalb der theoretisch homogenen Arbeiterklasse zwischen ungelernten Arbeitskräften und solchen weitergebildeten zur Tagesordnung26. Er förderte offenkundig das Entstehen einer technischen Elite, die sich durch ihre gehobenen Lebensstandards von der Bevölkerung abgrenzte. Der Stalinismus schuf so eine eigene soziale Schichtung.

Der Blick auf den Stalinismus ist deshalb so entscheidend für die Fragestellung dieser Arbeit, weil die Gründer der DDR maßgeblich von der Sowjetmacht unter Stalin geprägt waren. Die deutschen Funktionäre, die die DDR aufbauen sollten, wie der zukünftige Generalsekretär des Zentralkomitees Walter Ulbricht, hatten in ihrem Exil in Russland während des Hitlerregimes eine Transformation zu deutschen Bolschewiki durchlaufen27. Die Sowjetmacht übte direkten Einfluss aus, denn vor der Konstituierung des zweiten deutschen Staates waren die Mitglieder des Politbüros der SED28 in Moskau, um „Schritte zur Staatsgründung“ zu besprechen29. Diese Parteispitze trug die Politik Stalins bedingungslos fort und propagierte den „Aufbau des Sozialismus“ seit Herbst 1949, was im Grunde der Aufbau einer stalinistischen Volksdemokratie30 war. Auf der zweiten Parteikonferenz 1949 bekannte sich die SED zu Stalin und nahm die Sowjetunion als verpflichtendes Modell. Auch der Personenkult um Stalin selbst hatte direkten Einfluss. So erklärte Walter Ulbricht: „Wir werden siegen, weil uns der große Stalin führt“31, als Schlusswort der zweiten Parteikonferenz.

3. Die Ziele der DDR

3.1 Historischer Umriss der DDR

Nebst vielen wichtigen historischen Ereignissen, sind drei Perioden besonders entscheidend mit Blick auf die Klassenstruktur. Diese lassen sich anhand politischer und wirtschaftlicher Prozesse, die zur Etablierung einer „staatssozialistischen Klassenstruktur“ geführt haben, zeitlich einordnen32. Schon vor der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik bereitete die Sowjetunion durch die SMAD33 gezielt den sozialistischen Umbau des Staates und der Gesellschaft in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone vor. Die KPD und SPD wurde zur SED, der sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, zwangsvereint und zur „Kaderpartei neuen Typs“, also nach sowjetischem Vorbild, ausgerufen34. SED-treue Staatsangestellte wurden eingesetzt oder hinter den Ämterausführenden in Position gebracht. Durch gezielt eingesetzte Entnazifizierung konnte diese systemloyale Elite, die Enteignung des Besitzbürgertums und der Großgrundbesitzer vorantreiben; dazu vollzog sich durch die Massenflucht in den Westen ein Elitenwechsel, der dem Regime eine breite Basis schuf. Als im Oktober 1949 die DDR gegründet wurde, waren diese Entwicklungen schon im Gange und die Parteispitze bekannte sich öffentlich zu Stalin und dem sowjetischen Modell in der Parteikonferenz. Walter Ulbricht, von der Sowjetmacht mit einer Gruppe deutscher Kommunisten eingesetzt, expedierte sich als mächtigster Mann im System. An dem Dasein der DDR als Bruderstaat der Sowjetunion und der absoluten Treue zu Stalin ließ er keinen Zweifel. Diese erste Periode lässt sich zwischen 1945 und 1961 setzen, in der die staatlichen Grundstrukturen des Sozialismus errichtet wurden und mit dem „Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse“ endete. Die DDR litt unter einer anhaltenden Fluchtbewegung, die Ulbricht mithilfe des Baus der Berliner Mauer am 13. August 1961 zu stoppen gedachte. Der sogenannte „antifaschistische Schutzwall“ unterband die Massenauswanderung tatsächlich und machte deutlich, welche Mittel die DDR einzusetzen bereit war, um ihre Macht zu sichern. 1971 wurde Erich Honecker durch einen politischen Coup mit Unterstützung Moskaus zum ersten Sekretär des Zentralkomitees ernannt und Ulbricht damit entmachtet. Er wollte eine klare Abgrenzung zu seinem Vorgänger und versuchte durch die „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“, einen ökonomischen Sprung und neue Legitimation zu erreichen35. Im zweiten Zeitraum, vom Bau der Mauer bis in die 1970er Jahre, gelang eine Stabilisierung des sozialistischen Systems in der DDR und dem Festhalten am Ziel, die soziale Ungleichheit zunehmend zu überwinden. Damit erreichte man aber vor allem einen Schuldenberg im Ausland. Trotz dieser Anstrengung konnte der Anstieg des Lebensstandards nicht mit dem westdeutschen Schritt mithalten. Unter vielen anderen Gründen kristallisierte sich soziale Ungleichheit und damit auch Unzufriedenheit der Bevölkerung als Grund für den Sturz der DDR nach 40 Jahren heraus. Diese dritte Periode von den 1980er Jahren bis zum Fall der Mauer 1989 zeichnet sich auch durch soziale Redifferenzierung aus, da das Endziel Kommunismus und so die Homogenitätsvorstellung der Gesellschaft in die Ferne rückte. Am neunten November 1989 fiel die Mauer und damit die DDR.

[...]


1 Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik, in: Gesetzesblatt der DDR 1968 von Münch, Dokumente des geteilten Deutschland, Stuttgart 1974. Online unter URL: http://www.verfassungen.de/de/ddr/ddr68.htm (zuletzt besucht: 29.03.2018).

2 Ebd. (zuletzt besucht: 29.03.2018).

3 Vgl.: Geißler, Rainer: Die Sozialstruktur Deutschlands. Zur gesellschaftlichen Entwicklung mit einer Bilanz zur Vereinigung. Wiesbaden 2011 (6. Auflage), S.13.

4 Vgl.: Wolle, Stefan: Die heile Welt der Diktatur. Herrschaft und Alltag in der DDR 1971-1989. Berlin 2009 (3. aktualisierte und überarbeitete Auflage), S.151ff.

5 Vgl.: Solga, Heike: Die Etablierung einer Klassengesellschaft in der DDR. Anspruch und Wirklichkeit des Postulats sozialer Gleichheit, in: Huinink, Johannes/ Mayer, Karl Ulrich u.a.: Kollektiv und Eigensinn. Lebensverläufe in der DDR und danach. Berlin 1995, S.45-88.

6 Orwell, Georg: Animal Farm. A fairy story. London 1975, S.105.

7 Marx, Karl/ Engels, Friedrich: Manifest der kommunistischen Partei 1848. Hrsg. Von Karl-Marx-Haus. Trier 1995, S.3.

8 Karl Marx an Weydemeyer 1852, in: Karl Marx Friedrich Engels Werke. Berlin 1963 (Band 28), S.507f.

9 Vgl.: Marx, Karl/ Engels, Friedrich: Manifest der kommunistischen Partei 1848. Hrsg. Von Karl-Marx-Haus. Trier 1995, S.10.

10 Vgl.: Ebd., S.10f.

11 Vgl.: Ebd., S.7.

12 Vgl.: Ebd., S.8.

13 Ebd., S.16.

14 Vgl.: Marx, Karl: Kritik des Gothaer Programms, in: Karl Marx Friedrich Engels Werke. Band 19. Berlin 1962, S.21.

15 Ebd., S.21

16 Engels, Friedrich: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wirtschaft – Anti-Dühring (1877), in: Karl Marx Friedrich Engels Werke. Band 19, S.224.

17 Vgl.: Eichwede, Wolfgang: Kommunismus. Eine kleine Begriffserklärung, in: Osteuropa. Durchschaut. Der Kommunismus in seiner Epoche 5-6 (2013), S.84.

18 Vgl.: Geißler, Rainer: Die Sozialstruktur Deutschlands. Zur gesellschaftlichen Entwicklung mit einer Bilanz zur Vereinigung. Wiesbaden 2011 (6. Auflage), S.133.

19 Vgl.: Wehler, Hans-Ulrich: Die deutsche Gesellschaftsgeschichte. Fünfter Band. Bundesrepublik und DDR 1949-1990. München 2008, S.27f.

20 Wolle, Stefan: Die heile Welt der Diktatur. Herrschaft und Alltag in der DDR 1971-1989. Berlin 2009 (3., aktualisierte und überarbeitete Auflage), S.400.

21 Vgl.: Weber, Hermann: Die DDR 1949-1990. Hrsg. Von Bleicken/Jochen, Gall/Lothar, Jakobs/Hermann: Oldenbourg Grundriss der Geschichte. München 1999 (Band 20. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage), S.30.

22 Vgl.: Stern, Frank: Dogma und Widerspruch. SED und Stalinismus in den Jahren 1946 bis 1958. Reihe Politikwissenschaften. München 1992, S.15ff.

23 Vgl.: Eichwede, Wolfgang: Kommunismus. Eine kleine Begriffserklärung, in: Osteuropa. Durchschaut. Der Kommunismus in seiner Epoche 5-6 (2013), S.86.

24 Vgl.: Ebd., S.86.

25 Vgl.: Rischma, Hans von: Geschichte Russlands. 4. Auflage. Darmstadt 1975, S. 619.

26 Vgl.: Filtzer, Donald: Privilege and inequality in communist society, in: The Oxford handbook of the history of communism. Oxford 2014, S.507.

27 Vgl.: Wehler, Hans-Ulrich: Die deutsche Gesellschaftsgeschichte. Fünfter Band. Bundesrepublik und DDR. 1949-1990. München 2008, S.27.

28 SED = Sozialistische Einheitspartei Deutschlands; Die SED war die führende Partei der DDR, die aus der Zwangsvereinigung der KPD und SPD 1946 hervorgegangen war.

29 Vgl.: Weber, Hermann: Die DDR 1949-1990. Hrsg. Von Bleicken/Jochen, Gall/Lothar, Jakobs/Hermann: Oldenbourg Grundriss der Geschichte. München 1999 (Band 20. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage), S. S.29.

30 Vgl.: Wehler, Hans-Ulrich: Die deutsche Gesellschaftsgeschichte. Fünfter Band. Bundesrepublik und DDR. 1949-1990. München 2008, S.28.

31 Hagen, Manfred: DDR- Juni ´53: Die erste Volkserhebung im Stalinismus. Stuttgart 1992, S. 31.

32 Vgl.: Solga, Heike: Die Etablierung einer Klassengesellschaft in der DDR. Anspruch und Wirklichkeit des Postulats sozialer Gleichheit, in: Huinink, Johannes/ Mayer, Karl Ulrich u.a.: Kollektiv und Eigensinn. Lebensverläufe in der DDR und danach. Berlin 1995, S.57.

33 Das Kürzel der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland.

34 Vgl.: Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Fünfter Band. Bundesrepublik und DDR. 1949-1990. München 2008, S.24.

35 Vgl.: Ebd., S.340.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Gleichheit in der DDR-Gesellschaft
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (historisches Seminar)
Veranstaltung
Das Ende einer Utopie - die Geschichte des Kommunismus im 20. Jahrhundert
Note
2,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
19
Katalognummer
V907561
ISBN (eBook)
9783346197214
ISBN (Buch)
9783346197221
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kommunsimus, 20. Jahrhundert, DDR, Gleichheit
Arbeit zitieren
Alisa Jung (Autor:in), 2018, Zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Gleichheit in der DDR-Gesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/907561

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