Computereinsatz in der Schule für Geistigbehinderte - Möglichkeiten und Grenzen von Lernsoftware


Examensarbeit, 2002

75 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Einleitung

2. Menschenverständnis und geistige Behinderung

3. Begriffsbestimmungen
3.1 Medien
3.2 Neue Medien
3.3 Multimedia

4. Medien zur Unterstützung von Lernprozessen – ein Historischer Abriss
4.1 Grundidee
4.2 Weiterentwicklung – Mensch und Maschine
4.3 Computer in deutschen Schulen
4.4 Heutiger Entwicklungsstand

5. Computereinsatz in der Schule für Geistigbehinderte
5.1 Können Menschen mit geistiger Behinderung an Computern lernen?
5.2 Warum besteht ein Bedürfnis für Schüler, den Umgang mit dem Computer zu erlernen?
5.3 Soll und kann die Schule den Umgang mit dem Computer ver-mitteln?

6. Aspekte der Diskussion um den Computereinsatz in der Schule für geistigbehinderte Schüler
6.1 Argumente der Befürworter
6.2 Argumente der Kritiker
6.3 Fazit und eigene Stellungnahme

7. Lehrerrolle
7.1 Probleme im Vorfeld des Computereinsatzes im Unterricht
7.2 Veränderungen der Lehrerrolle in Planung und Verlauf des Un­terrichts

8. Einsatzmöglichkeiten des Computers in der Schule für Geistigbehinderte
8.1 Der Computer als Unterrichtsgegenstand
8.2 Der Computer als Unterrichtsmedium
8.3 Der Computer als Werkzeug/Hilfsmittel
8.4 Der Computer als Lernhilfe

9. Software
9.1 Bedeutung der Software für den Unterricht
9.2 Arten von Software
9.2.1 Übungssoftware/Drill and Practice
9.2.2 Tutorielle Programme und intelligente tutorielle Programme
9.2.3 Simulationsprogramme
9.2.4 Lernspiele
9.2.5 Edutainment
9.2.6 Informationsprogramme und Infotainment
9.3 Fazit und eigene Stellungnahme

10. Stärken und Schwächen von Lernsoftware in der Schule für Geistigbehinderte
10.1 Stärken von Lernsoftware
10.2 Schwächen von Lernsoftware
10.3 Fazit und eigene Stellungnahme

11. Kriterien zur Bewertung von Lernsoftware
11.1 Bewertungssysteme
11.2 Bezugsquellen

12. Das Programm Clic 3.0
12.1 Die Besonderheiten eines Autorensystems
12.2 Allgemeine Informationen zu Clic 3.0
12.3 Inhalt und Strukturen von Clic 3.0
12.4 Übungen erstellen und verändern
12.5 Individualisierungsmöglichkeiten von Clic 3.0
12.6 Bewertung des Programms Clic 3.0 und eigene Stellungnahme

13. Reflexion und Ausblick

„Jedes Neue ist unvollkommen; jedes Neue findet für seine Existenz die denkbar ungünstigste Umwelt vor; jedes Neue findet nur wenige Menschen, die es verstehen. Zu diesen Menschen gehören, das sei Eure Aufgabe“

(Schulzeitung der Hamburger Berlinertorschule 1929, zitiert nach Meyer 2000, 7)

Vorwort

Einleitend zu dieser Arbeit sei darauf hingewiesen, dass diese nach den Regeln der neuen deutschen Rechtschreibung angefertigt wurde. Außerdem verwende ich zur besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Schreibweise, ohne jedoch damit das weibliche Geschlecht diskriminieren zu wollen. Wenn von Kindern bzw. Schülern die Rede ist, sind also Schüler und Schülerinnen gemeint, wenn von Lehrern geschrieben wird, dann umfasst dies sowohl Lehrer als auch Lehrerinnen.

1. Einleitung

Zunächst möchte ich deutlich machen, warum ich als Thema meiner Examensarbeit „Computereinsatz in der Schule für Geistigbehinderte“ gewählt habe. Diese Entscheidung beruht auf verschiedenen Erfahrungen meinerseits: Schon während meiner Zivildienstzeit und auch im Verlaufe meiner studienbegleitenden Praktika ist mir die Thematik des Computereinsatzes im Rahmen des Unterrichts an verschiedenen Stellen begegnet und hat so mein Interesse geweckt. Da ich mich auch persönlich seit einigen Jahren intensiv mit dem Umgang mit dem Computer beschäftige und immer wieder aufs Neue darüber erstaunt bin, welch vielfältige Möglichkeiten sich durch dieses neue Medium bieten, drängte sich mir mehr und mehr die Frage auf, inwiefern man diese Möglichkeiten auch in der Arbeit mit Menschen mit geistiger Behinderung nutzen kann und sollte.

In meiner Zeit als Zivildienstleistender an der Peter-Petersen-Schule (Schule für Geistigbehinderte) in Bergheim-Thorr gab es noch keinen einzigen Computer an der Schule. Es wurde im Kollegium heftig über den Erwerb einiger Computer diskutiert. Manche Lehrer setzten sich für die Anschaffung dieses neuen Mediums ein, aber es gab auch Gegner des Computereinsatzes in der Schule. Heute ist die Schule mit mehreren Computern besetzt.

Ein paar Jahre später, als ich mein Praktikum an der Rheinischen Schule für Körperbehinderte in Pulheim absolvierte, besuchte ich eine Schule, in der in jeder Klasse mindestens ein Rechner zu finden war. Weiterhin existierte ein Computerraum, in dem sich circa zwanzig Computer befanden. Dieser Wandel innerhalb nur weniger Jahre hat mich sehr erstaunt.

Für mich persönlich bedeutet der Computer – auch im Rahmen meines Studiums – in mehreren Hinsichten eine Arbeitserleichterung. Er bietet mir zum einen die Möglichkeit, schneller, sauberer und strukturierter zu arbeiten. Zum anderen stellt er durch die Möglichkeit der Nutzung des Internets auch ein Medium der Informationsbeschaffung dar, welches im Vergleich zu den herkömmlichen Methoden (insbesondere Recherche in Bibliotheken) oft schneller und unkomplizierter zum gewünschten Ergebnis führt.

Diese eigenen Erfahrungen ließen mich den Computer im Unterricht, insbesondere in Kombination mit geeigneten Lehr- und Lernprogrammen, als einmalige Chance für Schüler und Lehrer begreifen, die zu nutzen zugleich eine Bereicherung und auch eine Erleichterung darstellt.

In Gesprächen, die ich in der darauffolgenden Zeit, auch zur Vorbereitung dieser Arbeit, mit einigen Lehrern geführt habe, begegneten mir jedoch ebenfalls kritische Stimmen, deren Argumente ich im Vorhinein noch gar nicht bedacht hatte. Dies hat mir auch Nachteile und Risiken des Computereinsatzes an Schulen für Geistigbehinderte bewusst werden lassen und mich noch einmal zu einer kritischen Auseinandersetzung mit diesem Thema angeregt.

Ich möchte nun in dieser Arbeit zugleich die Chancen, aber auch die Gefahren des Computereinsatzes in der Schule diskutieren. Es sollen Möglichkeiten und Grenzen aufgezeigt werden.

Des Weiteren beschäftige ich mich in einem Teil dieser Arbeit mit Lehr- und Lernsoftware. Die Software[1] ist, wenn es um die Lernwelt der Schüler geht, der zentrale Punkt. Sie ist ausschlaggebend dafür, ob der Einsatz des Computers an der Schule sinnvoll ist oder nicht, denn nur, wenn die genutzte Software auf den Schüler und seine individuellen Fähigkeiten abgestimmt ist, kann sie für ihn persönlich eine Bereicherung des Unterrichts darstellen.

Aufgrund dessen erfordert meiner Ansicht nach eine vollständige Auseinandersetzung mit der Thematik des Computereinsatzes im Unterricht auch eine Gegenüberstellung der zu verwendenden Software-Arten. Dieses Erfordernis wird noch dadurch verstärkt, dass es inzwischen eine Flut von Software auf dem Markt gibt, die es dem potenziellen Anwender sehr schwer macht, das richtige Programm auszuwählen.

Als weiteren Aspekt, der mich zur Wahl dieses Themas für meine Examensarbeit motiviert hat, möchte ich noch die Rolle des Mediums Computer in der Gesellschaft anführen:

Betrachtet man den Einfluss des Computers auf die Gesellschaft innerhalb der letzten Jahrzehnte, so wird schnell offenbar, dass er hier eine immer größere Bedeutung erlangt hat. Er ist nicht mehr hinwegzudenken aus Banken, Büros, Universitäten und Privatwohnungen und hat in all diesen Bereichen zu einer Vereinfachung vieler Arbeitsprozesse geführt.

Ein Vergleich mit der Situation in vielen Schulen, insbesondere in Sonderschulen, lässt eines bereits auf den ersten Blick erkennen: Hier ist die Entwicklung noch lange nicht so weit fortgeschritten. Kann man den Computer in allgemeiner gesellschaftlicher Hinsicht als Medium der Gegenwart bezeichnen, so ist er im Bereich der Sonderschulen immer noch beinahe ausschließlich ein Medium der Zukunft, welches seine endgültige Etablierung noch nicht erfahren hat.

Es ist mein Ziel, mit dieser Arbeit dazu beizutragen, dass der Computer in der Sonderschule den bestmöglichen Einsatz findet, indem ich herausarbeite, wie dieses neue Medium sinnvoll in den Unterricht in Schulen für Geistigbehinderte integriert und nicht nur akzeptiert werden kann.

Ich hoffe, auch zu den in dem (dieser Arbeit vorangestellten) Zitat benannten Menschen zu gehören, die „das Neue“ verstehen oder zu verstehen lernen.

2. Menschenverständnis und geistige Behinderung

Was ist ein Mensch?

Von dieser Frage muss die Beschreibung eines sogenannten Menschenbildes ausgehen. Was kennzeichnet einen Menschen? Gibt es eine allgemeingültige Definition für „Mensch“?

Bevor ich jedoch eine solche Definition zu finden versuche, möchte ich noch eine einleitende Anmerkung hinsichtlich der Begrifflichkeit “Menschenbild“ machen: Ich verwende im Folgenden in Anlehnung an Siegenthaler, H. (1999) stattdessen die Bezeichnung Menschenverständnis. Meiner Ansicht nach handelt es sich hierbei um einen treffenderen Begriff, da dieser im Gegensatz zu ersterem nicht das Gefühl vermittelt, der Mensch sei wie in einem abgeschlossenen Bild fassbar (vgl. Siegenthaler, H. Tendenzen im Wandel des heutigen Menschenbildes, in: Lamers, W. (Hrsg) 1999, 29). Der Begriff „Menschenverständnis“ lässt mehr Spielraum für Individualität.

Im Laufe der Zeit wurde die Diskussion, wann ein Mensch ein Mensch ist, immer wieder geführt; ein Konsens konnte aber nicht erzielt werden. Nicht selten wird auch die Frage diskutiert, ob ein Mensch erst im Zuge von Erziehung zum Menschen wird (Dreher, W., 1997, 23). Jedoch geht diese Überlegung meiner Ansicht nach schon viel zu weit, da sie bereits eine Wertung impliziert: Demnach wären möglicherweise Menschen, die nicht erzogen wurden, nicht wirklich als Menschen anzusehen, und man könnte weitergehend auch noch danach differenzieren, welche Form der Erziehung ein Wesen erst „wirklich“ zum Menschen werden lässt und welche dagegen nicht. Es ist dagegen vielmehr mein Bestreben, eine Erklärung des Begriffs „Mensch“ zu finden, die nicht klassifizierend und bewertend ist.

Ein biologischer Ansatz vermeidet hier jegliche Unterteilung der Menschen in Gruppen und umfasst alle Menschen ohne Ausnahme. Diese biologische Beschreibung trennt die Gesamtheit der Menschen von den Tieren und allen anderen Lebensformen ab. Eine Trennung innerhalb der Menschheit bleibt hingegen aus.

Dreher (1997) beschreibt eine Grundvoraussetzung des Menschseins, die nicht mehr hinterfragbar ist, indem er sagt: „Jeder ist Mensch, der vom Menschen geboren ist“ (Dreher, W. 1997, 24).

Diese Überlegung bildet das Fundament meines persönlichen Menschenverständnisses und zugleich auch die einzige Voraussetzung, die für mich zum Menschsein zählt. Eine Wertung kann von diesem Ansatzpunkt her nicht erfolgen.

Ein hiervon getrennt zu betrachtender Gesichtspunkt ist die individuelle Persönlichkeit eines jeden Menschen. Hierzu gehört auch eine etwaige Behinderung. Eine Klassifizierung in behindert und nichtbehindert verbietet sich meiner Meinung nach, genau wie die Unterteilung in groß und klein, schwarz und weiß, Mann und Frau.

Nach diesem Merkmal der Gleichwertigkeit der Menschen kann man mein Menschenbild als ungeteiltes Menschenverständnis bezeichnen. Aus dieser Gleichwertigkeit resultiert jedoch nicht, dass alle Menschen gleich sind. Menschen unterscheiden sich in, ihren Neigungen, Fähigkeiten und vielen anderen Facetten des Lebens, die dann in ihrer Gesamtheit die Persönlichkeit des jeweiligen Menschen bilden. Die Persönlichkeit, die jedem Menschen von Geburt an gegeben ist und ihn einzigartig werden lässt, entwickelt sich durch Erziehung im weiteren Leben innerhalb der persönlichen Rahmenbedingungen weiter.

Obwohl ich also von der Gleichwertigkeit und naturrechtlichen Gleichheit aller Menschen ausgehe, nehme ich in dieser Arbeit eindeutig eine Unterscheidung vor: So spreche ich von „Menschen mit geistiger Behinderung“ und von „Schulen für Geistigbehinderte“. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich mit diesen Unterscheidungen Menschen nicht in Klassen einteile oder sie in ihrer Wertigkeit unterscheide, sondern ich beschreibe sie lediglich in ihrer Daseinsform. Auf dieser Ebene sind gewisse Unterschiede nicht zu leugnen.

Diesen Standpunkt vertrete ich in Anlehnung an Speck (1997), der eine geistige Behinderung als „normale übliche Variante menschlicher Daseinsformen“ (Speck, O. 1997, 60) beschreibt. Ich empfinde diese Unterteilung nicht als diskriminierend oder wertend und halte sie somit für vertretbar. Durch diese Beschreibung einer geistigen Behinderung wird nicht das Menschsein in Frage gestellt oder bewertet, sondern nur in seiner Vielfalt beschrieben.

Zusammenfassend möchte ich durch ein Zitat von Speck meine Meinung in Bezug auf das Menschenverständnis und Behinderung deutlich machen: „Menschen mit und ohne zu definierende Behinderung sind demnach Menschen und nichts anderes“ (Speck, O. 1997, 41).

Speck spricht hier von einer „zu definierenden Behinderung“ und verweist damit auf ein weiteres Feld, welches betrachtet werden muss. Es gibt verschiedenste Versuche, dem Phänomen Behinderung – in dieser Arbeit dem Bereich der geistigen Behinderung – gerecht zu werden und dieses zu umschreiben.

Eine eindeutige Definition von geistiger Behinderung darf es laut Speck nicht geben, da ein Mensch durch solche Aussagen „zum bloßen Objekt von Erklärungen gemacht wird“ (Speck, O. 1997, 43).

Eines der Merkmale einer Definition ist die ihre Allgemeingültigkeit. Von einer solchen Allgemeingültigkeit kann man hinsichtlich des Begriffs „geistige Behinderung“ aufgrund der Vielfältigkeit der Behinderungsarten nicht ausgehen. Daher ist der Versuch, eine Definition für das Phänomen geistige Behinderung zu finden, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Definitionen können in diesem Zusammenhang nur als Beschreibung oder als „Hilfsetikette für eine halbwegs praktikable Verständigung“ gesehen werden (Speck, O. 1997, 42).

Wenn ich also in Anlehnung an Speck eine solche Beschreibung suche, dann kommt der Versuch von Bleidick meinem Verständnis am nächsten, da er sehr allgemein gehalten ist und viel Spielraum für Individualität lässt. Bleidick kennzeichnet eine Behinderung wie folgt: „ Als behindert gelten Personen, die in Folge einer Schädigung ihrer körperlichen, seelischen oder geistigen Funktion so weit beeinträchtigt sind, dass ihre unmittelbaren Lebensverrichtungen oder ihre Teilnahme am Leben der Gesellschaft erschwert werden“ (Bleidick 1999, 15). Lediglich den Begriff „Schädigung“ finde ich im Zusammenhang mit Behinderung unpassend, da er wertenden Charakter hat und die Behinderung als etwas Negatives darstellt.

Ein für mich hilfreicher Ansatz, geistige Behinderung zu erfassen, ist das Bild, welches Gudrun Schmitz aufzeigt, indem sie einen Menschen mit geistiger Behinderung als entwicklungsbehinderten Menschen darstellt. Menschen mit geistiger Behinderung durchlaufen hiernach die gleichen Entwicklungsstufen (im Sinne von geistiger Entwicklung) wie Menschen ohne Behinderung. Der Unterschied liegt nach der Ansicht von Schmitz darin, dass die Entwicklung langsamer vorangeht oder früher aufhört als

bei Menschen ohne geistige Behinderung (vgl. Schmitz, G. (1991) Lernen am Computer in: Geistige Behinderung 2/91).

Das hier dargestellte Bild beschreibt eine Einstellung zum Phänomen geistiger Behinderung, die ich sehr passend finde, da sie dem Menschen mit geistiger Behinderung nicht seine Menschqualität abspricht oder diese einschränkt, sondern ihn stattdessen als einen Menschen wie jeden anderen darstellt. Hier findet sich der oben angesprochene Aspekt der Gleichheit wieder.

Jede weitere Definition des Begriffes „geistige Behinderung“ lehne ich ab, da durch den Versuch des Definierens ein abschließender, nicht mehr zu verändernder Zustand beschrieben wird. Geistige Behinderung verstehe ich wie Speck aber als „Prozeß im individuellen Lebenslauf“ (Speck, O. 1997, 39).

Mein hier beschriebenes Menschenverständnis impliziert, dass jedem Menschen die gleichen Möglichkeiten geboten werden müssen, sich in der Gesellschaft zurechtzufinden und ein Teil von ihr zu sein. Aufgabe der Erziehung dabei ist es, nicht etwa den Einzelnen zu manipulieren, sondern die Entfaltung seiner Persönlichkeit zu fördern.

Ein zentraler Aspekt, der unsere heutige Gesellschaft charakterisiert, sind neue Technologien, meist in Form von Computern, die unser Leben in vielen verschiedenen Bereichen bestimmen. In dieser Arbeit möchte ich aufzeigen, warum die Sonderpädagogik, die sich als lebensbedeutsam und integrationsfördernd versteht, auch die Bereitschaft zeigen muss, dieser neuen, unter dem Einfluss von Computern stehenden Gesellschaft offen gegenüberzutreten und die neu entstandene und entstehende Werte und Normen zu überdenken und neue technologische Möglichkeiten gezielt in ihre Pädagogik einfließen zu lassen.

3. Begriffsbestimmungen

In dieser Arbeit werden die Begriffe „Medien“, „Neue Medien“ und „Multimedia“ verwendet. Eine Definition dieser Begriffe ist zum besseren Verständnis erforderlich.

3.1 Medien

Medien, allgemein Mittel zur Übertragung und Verbreitung von Information (Nachrichten, Bildung und Unterhaltung) durch Sprache, Schrift, Bild, Musik oder nonverbale (gestische, mimische) Verständigungsweisen; im engeren Sinn technisch bestimmte Kommunikationskanäle wie Druck (Buch, Zeitungen, Zeitschriften), Photographie, Film, Hörfunk und Fernsehen, Schallplatte, Tonband und elektronische Medien (Microsoft Encarta 2002 CD-ROM).

3.2 Neue Medien

Neue Medien ist eine Sammelbezeichnung vor allem für kabeltechnisch ermöglichte Telekommunikation und für optisch-elektronische Formen der Informationsspeicherung und -wiedergabe (verschiedentlich werden auch Mikroformen unter den Begriff eingereiht). Nach Videotext bzw. Bildschirmtext und Bildplatte sind es heute vor allem die CD-ROM[2] und die elektronischen Netzwerke, die in den sich rasch weiterentwickelnden Bereich fallen. Charakteristisch ist für die neuen Medien, dass die Information in codierter Form transportiert wird und zu ihrer Reproduktion bzw. Erfassung technische Geräte nötig sind, mit denen die codierte Information in unmittelbar verständliche Signale (Bild, Schrift, Ton) rückübersetzt wird (Microsoft Encarta 2002 CD-ROM).

3.3 Multimedia

Multimedia strebt die Verbindung der Wahrnehmungsformen Text, Bild und Ton auf einem gemeinsamen Informationsträger an, meist auf einem digitalen Speicher. In neuester Zeit wird neben der Einbindung laufender Bilder (Videos) auch die Möglichkeit des interaktiven Umgangs mit multimedialen Informationsmitteln angestrebt. In den Mittelpunkt dieser Medienformen ist der Personalcomputer gerückt, der als „Multimedia-PC” mit einem CD-ROM-Laufwerk, einer leistungsfähigen Bild- und einer Soundkarte mit Lautsprechern die Verarbeitung von Daten ermöglicht, die mehrere Sinnesebenen zugleich ansprechen (Microsoft Encarta 2002 CD-ROM).

In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff „Neue Medien“ des öfteren stellvertretend für den Begriff Computer verwendet, da dieser den größten Teil der neuen Medien in sich vereinigt.

4. Medien zur Unterstützung von Lernprozessen – ein historischer Abriss

4.1 Grundidee

In der Geschichte der Pädagogik spielten Medien immer schon eine wichtige Rolle: „Mit Hilfe von Medien zu lernen, entspringt der Urform des Lernens. Die Mutter zeigt dem Kind etwas, das Kind sieht es, greift danach, untersucht es. Viele Sinne werden angesprochen, im Gehirn bilden diese Eindrücke langsam einen qualitativen Begriff vom Gegen­stand“ (Hagemann 1997, 72). Dies ist ein einfaches Beispiel, in welchem der Einsatz von Medien veranschaulicht wird.

Auch Hagemann (1997) stellt die lange Tradition der Idee dar, sich Geräte oder Gegenstände zur Vermittlung von Lerninhalten zu Nutze zu machen. Eine Möglichkeit, ein Hilfsmittel zum besseren Lernen einzusetzen, ist das Bilderbuch. Das erste Bilderbuch (orbis pictus) für pädagogische Zwecke entstand 1654 durch Comenicus.

4.2 Weiterentwicklung – Mensch und Maschine

Die Erkenntnis, dass Medien zur Förderung von Lernprozessen dienen können, findet sich auch in der – eher scherzhaften – Idee vom Nürnberger Trichter. Hierunter versteht man einen Trichter, den man am Kopf ansetzt und mit dessen Hilfe man dann mühelos alles Wissen in den Schüler hinein gießen kann.

Pädagogen und Techniker haben stets an der Weiterentwicklung von Maschinen und anderen Lernhilfen gearbeitet. In den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelte Pressey die erste Lehr- bzw. Testmaschine, bei der der Schüler per Knopfdruck zwischen vorgegebenen Antwortmöglichkeiten auswählen konnte (multiple choice) (vgl. Seidel / Lipsmeier 1989,67).

Den endgültigen Durchbruch, Maschinen für Lernzwecke zu benutzen, erreichte nach Darstellung Hagemanns (1997, 74) in doppelter Hinsicht Skinner in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts: zum einen durch seine Theorie, „dass Lernen nach `mechanischen´ Gesetzmäßigkeiten (Input, Blackbox, Output) verlaufe, und zum anderen durch die damit angedeutete Möglichkeit, diese Theorie mit Medieneinsatz technisch zu spiegeln. Zunächst geschah dies durch ausgeklügelte Lückentexte mit Schleifenverweisen in Buchform, bald jedoch auch mit Hilfe von Computern“ (Hagemann 1997,74).

Die Entwicklung speziell von Computerprogrammen wurde in den späten 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den USA erprobt. Die erste Anwendung im Unterricht (CUU, computerunterstützter Unterricht) erfuhr der Computer als Medium in drill- und- practice- Systemen.

4.3 Computer in deutschen Schulen

Die ersten Versuche, Lernprogramme in deutsche Schulen einzuführen, fanden in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts in Kiel statt. Bei der damaligen Methode war der Computer nicht nur im aktuellen Programmbearbeitungsabschnitt aktiv, sondern entwarf aus dem Antwortverhalten der Schüler ein individuelles Profil, auf das bezogen der folgende Programmverlauf modifiziert wurde (vgl. Hagemann, C. 1997, 76). Die Technik war aber damals nicht dazu geeignet, die realen pädagogischen Bedürfnisse zu befriedigen (vgl. Hameyer, 1987, 40).

Einen genauen Zeitpunkt zu benennen, in dem der Computer Einzug in die deutschen Schulen erhalten hat, ist sehr schwierig. Bussmann und Heymann (1982, zitiert nach Hagemann, C. 1997, 77) berichten, dass schon Ende der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts vereinzelt Computer in Schulen eingesetzt wurden, zum Teil als Unterrichtsmedium[3], aber hauptsächlich als Unterrichtsgegenstand[4]. Diese Form von Unterricht konnte sich anfangs jedoch nicht durchsetzen, da nur speziell geschulte Lehrkräfte in der Lage waren, den Unterricht zu gestalten.

Durch die Weiterentwicklung der Technik im Laufe der Jahre ist klar geworden, dass der Computer sich auch in der Schule endgültig durchsetzen würde. Dementsprechend berichten Hage und Schmitt von ersten Versuchen, den Computer (als Synonym für „neue Technologien“) in den Lehrplan einzubinden. Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Bildungsförderung (BLK) richtete 1984 den Pflichtunterricht „Informationstechnische Grundbildung“ für die Oberstufe ein (vgl. Hage/Schmitt in: Hugo, F. 1998, 10).

4.4 Heutiger Entwicklungsstand

Heute ist der Informatikunterricht ein fester Bestandteil des Curriculums.

Im Schlussbericht der Enquêtekommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft“ aus dem Jahre 1998 wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass sich durch den Strukturwandel hin zur Informationsgesellschaft eine Reform der Bildungs- und Ausbildungssysteme nicht umgehen lässt (vgl. Moosdorf, S., 1998, 61).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Bildhafte Zusammenfassung der „Geistesblitze“ in der

geschichtlichen Entwicklung von Technologie und Pädagogik (Hagemann, C. 1997,79)

Die Entwicklungsgeschichte von Technologie und Pädagogik lässt sich anhand Abbildung 1 erkennen. Die Idee des effizienten Lernens spielt dabei ein wichtige Rolle. Es liegt in der Natur des Menschen, nach Wegen zu suchen, sich die Technik zu Nutze zu machen, um sich das Leben zu erleichtern. Ohne dieses Verlangen wäre eine Weiterentwicklung der Technologie kaum notwendig.

5. Computereinsatz in der Schule für Geistigbehinderte

5.1 Können Menschen mit geistiger Behinderung an Computern lernen?

Jegliche Diskussion über den Computereinsatz in der Schule für Geistigbehinderte muss zunächst mit der Frage beginnen, ob es überhaupt möglich ist, Schülern mit geistiger Behinderung den Zugang zu Computern und anderen neuen Medien zu eröffnen. Reichen hierfür die anscheinend teilweise begrenzten kognitiven Fähigkeiten der betroffenen Schüler aus?

Mit dieser Frage hat sich die Fachwelt lange beschäftigt. Inzwischen ist man im Zuge der Diskussion über den Computereinsatz in der Schule für Geistigbehinderte jedoch zumindest in diesem Punkt zu einem Konsens gelangt: So stellt u.a. Riccardo Bonfranchi (1995) fest, dass heute niemand mehr ernsthaft bezweifeln kann, dass Schüler mit geistiger Behinderung lernen können, mit dem Computer umzugehen. Dies zeigt sich, wie auch Meschenmoser anführt, bereits in einer Vielzahl von Alltagssituationen: Kinder mit und ohne Behinderungen beschäftigen sich selbstständig mit Computerspielen, bedienen den Fernseher, den Videorecorder oder das Telefon (vgl. Meschenmoser, H. Computereinsatz bei Schülern mit geistiger Behinderung. In: Geistige Behinderung 2/97, 105).

Wie diese beiden Autoren überzeugend darstellen, geht also jeder Argumentationsansatz, der Menschen mit geistiger Behinderung solche Fähigkeiten absprechen möchte, offensichtlich fehl.

„Wir können nicht nicht lernen, und wer neugierig ist, sich verzaubern lässt und Spaß hat, lernt leichter“ (Corinne Schweitzer 2002).

5.2 Warum besteht ein Bedürfnis für Schüler, den Umgang mit dem Computer zu erlernen?

Der Einfluss von Informations- und Kommunikationstechnologien in der Lebenswelt von Kindern mit geistiger Behinderung ist heute schon sehr weitreichend und wird auch weiterhin zunehmen.

Betrachtet man sich die heutige Gesellschaft, so wird schnell klar, dass die Fähigkeit, mit diesen Informations- und Kommunikationstechniken umzugehen, zunehmend an Bedeutung gewinnt. Wird dieser Umgang nicht ausreichend erlernt und geübt, so werden durch die technologische Weiterentwicklung schon in Alltagssituationen viele Schwierigkeiten für Menschen mit geistiger Behinderung auftreten, so z.B. beim Bahnfahren oder beim Abholen von Bargeld am Bankautomaten.

Riccardo Bonfranchi befürchtet, dass dies zu einer verstärkten Aussonderung von lern- und geistig behinderten Menschen führen kann. Denn nach Bonfranchi ist es für eine

Integration in die moderne hochtechnologisierte Welt unerlässlich, abstrahierend denken zu können. Ohne eine Vorbereitung auf unsere zum Teil computergesteuerte Welt werde die Ausgrenzung von Menschen mit geistiger Behinderung weiter fortlaufen. Eine Integration werde somit immer schwieriger. Wenn Menschen mit Behinderung nicht auch den Umgang mit dem Computer o.ä. erlernten, werde ein Entfremdungsprozess im Sinne von „fremd sein in dieser Welt“ die Folge sein (vgl. Bonfranchi, R. 1994, in: Lamers W.(Hrsg)1999, 82-84).

5.3 Soll und kann die Schule den Umgang mit dem Computer vermitteln?

Im weiteren stellt sich im Rahmen der Diskussion um den Computereinsatz in der Schule für Geistigbehinderte die Frage, welche Rolle die Schule in diesem Zusammenhang spielt. Hierzu erscheint es zunächst sinnvoll, die Aufgabe bzw. das Ziel der Schule zu skizzieren.

Laut Begemann (1995) hat Schule das Ziel, Schülern für ihre Gegenwart und Zukunft Lebenserfahrungen zu ermöglichen und sie zum eigenverantwortlichen Leben zu befähigen. Als Weg dahin sollte Schule ein Ort sein, an dem miteinander und teilnehmend gelebt und gelernt wird, um Gemeinschaft und Welt zu gestalten und zu erhalten. Schule soll Lebens- und Erfahrungsraum werden (vgl. Begemann, E. 1995, in: Hugo, F. 1998, 30).

Hieraus ergibt sich eine neue dringende Fragestellung für die gegenwärtige pädagogische Diskussion: Die neue gesellschaftliche Ausgangslage wirft die Frage auf, ob Computereinsatz in der Schule für Geistigbehinderte nicht nur möglich, sondern sogar notwendig ist (vgl. Meschenmoser, H. Computereinsatz bei Schülern mit geistiger Behinderung. In: Geistige Behinderung 2/97,105 ).

6. Aspekte der Diskussion um den Computereinsatz in der Schule für Geistigbehinderte

Spätestens seit der in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstandenen Grundsatzdiskussion beschäftigt sich die Sonderpädagogik mit dem Thema Computereinsatz in der Schule. Es wird über Sinn und Unsinn von Computern im Unterricht gesprochen. Wie bei jeder Grundsatzdiskussion begegnen wir verschiedenen Positionen, die teilweise einer Extremhaltung gleichkommen. So zum Beispiel einer Computereuphorie ebenso wie Standpunkten strikter Verweigerung oder Ablehnung. Von der Hoffnung auf Lehrerentlastung bis hin zur Existenzangst von Lehrern, Befürchtungen von Entsinnlichung, Zunahme von Aggressivität, Digitalisierung des Denkens, Verlust der Wirklichkeit und Zerstörung der Kreativität (vgl. Mitzlaff 1996, 22ff) ist eine riesige Bandbreite an Meinungen vorhanden. Diese Extreme stehen einer sachlichen Diskussion im Wege.

Probleme treten hierbei auf, da die Sonderpädagogik in Deutschland nur selten bereit ist, sich auf eine offenene Diskussion einzulassen. Pro- und Contra- Argumente werden unabhängig voneinander betrachtet. Es kommt nur in Einzelfällen zu einem Vergleich der beiden Parteien. Bei dieser Diskussion werden nur sehr vereinzelt die Argumente der Gegenseite berücksichtigt (vgl. Hagemann, C. 1997, 134).

6.1 Argumente der Befürworter

Die argumentative Basis für den Einsatz des Computers in Schulen für Geistigbehinderte lässt sich in drei Kerngedanken zusammenfassen (vgl. Hagemann, C. 1997, 84):

1. Schüler müssen auf eine veränderte Berufs- und Alltagswelt vorbereitet werden.
2. Der Computer bietet neue Lehr- und Lernmöglichkeiten.
3. Der Computer ist eine spezielle Hilfe gerade für Behinderte.

Zu 1: Anpassung an die veränderte Berufs- und Alltagswelt

Gudrun Schmitz (1990) versucht, auf das Problem der veränderten Berufs- und Alltagswelt aufmerksam zu machen, indem sie eine provokante Frage stellt: „ Wird es nicht Zeit, aus dem Dornröschenschlaf aufzuwachen?“ (Schmitz G., Computer in der Schule für Geistigbehinderte – brauchen wir sie? In: Zeitschrift für Heilpädagogik, 10/1990, 727). Mit dieser Frage wird auf die veränderte Situation in den Werkstätten für Behinderte angespielt. Die neuen Technologien, die in der Geistigbehindertenpädagogik nur sporadisch eingesetzt werden, haben, wie Schmitz darstellt, in die Werkstatt längst Einzug erhalten. Da Menschen mit geistigen Behinderungen meist den Umgang mit diesen neuen Geräten nicht kennen, verschwinden mögliche Arbeitsfelder, die nun von meist körperbehinderten oder psychisch behinderten Mitarbeitern übernommen werden.

Schmitz verweist weiterhin darauf, dass nicht nur die Arbeitswelt eine Veränderung aufweist, sondern auch der Freizeitbereich. Jugendliche ohne Behinderung spielen, arbeiten und lernen an Computern. Auch hier werden geistigbehinderte Kinder ausgegrenzt. Die Freude aller Kinder im Umgang mit dem Computer ist wohl unumstritten. Daher stellt sich laut Schmitz die Frage, mit welcher Begründung auch hier eine Ausgrenzung hingenommen werden soll, warum geistig behinderte Kinder nicht mit ihnen gemeinsam Spaß haben sollten (vgl. Schmitz G., Computer in der Schule für Geistigbehinderte – brauchen wir sie? In: Zeitschrift für Heilpädagogik, 10/1990, 727).

Schmitz und Kronert weisen gemeinsam darauf hin, dass es die Aufgabe der Schule sei, den Umgang mit dem Computer im Unterricht zu erproben, damit die Schüler mit geistiger Behinderung nicht als einzige aus der Welt der neuen Technologien ausgegrenzt würden. Im Zuge der Integration dürfe sich die Geistigbehindertenpädagogik nicht vor der Einführung dieses Mediums verschließen (vgl. Kronert /Schmitz, Der Einsatz des Computers in der Schule für Geistigbehinderte, in: Verband Deutscher Sonderschulen 2/1991, 43).

Wie auch Gudrun Schmitz sehen die Autoren Duismann und Neeb einen Handlungsbedarf der Schule, wenn es um den Einsatz von Computern geht. Den Auftrag, den die Schule für Geistigbehinderte erteilt bekommen hat, sehen die Autoren im Prinzip der Normalisierung verankert. Walter Thimm beschreibt dies in folgenden Worten: „Normalisierung als Leitvorstellung für das sozialpolitische, sozialadministrative, soziale und pädagogische Handeln und als Zielvorstellung für das System der Hilfen für Menschen mit Behinderung besagt: Mitbürgerinnen und Mitbürger mit geistigen oder körperlichen oder seelischen Beeinträchtigungen sollen ein Leben führen können, das dem ihrer nichtbeeinträchtigten Mitbürgerinnen und Mitbürger entspricht. In aller Kürze: ein Leben so normal wie möglich. Dieses ist am ehesten erreichbar, wenn die dabei eingesetzten Mittel so normal wie möglich sind.“ (Thimm, W., 1994, 1). Wie bei Schmitz wird auch hier auf die veränderte Lebenswelt hingewiesen, die sich im privaten und beruflichen Umfeld zeige. Aufgabe der Schule sei es, die Schüler auf das Leben vorzubereiten, mit dem Ziel der größtmöglichen Unabhängigkeit und Selbstständigkeit. In diesem Zusammenhang wird angeregt, den Computereinsatz zu fördern, da in der Berufswelt der Zukunft >>Schüsselqualifikationen<< vorausgesetzt würden. Unter Schlüsselqualifikationen verstehen Duismann und Neeb theoretische Kenntnisse, abstrakte verallgemeinerte Fähigkeiten und berufsübergreifende Kenntnisse. Für das Trainieren dieser Fähigkeiten bietet aus ihrer Sicht der Computereinsatz eine geeignete Form (vgl. Duismann /Neeb Computer? Selbstverständlich, in: Zusammen, 10/1992, 8-10).

Zu 2: Neue Lehr- und Lernmöglichkeiten

Paul Biagioli erkennt einen möglichen Vorteil in der Arbeit mit dem Computer, da dieser seiner Ansicht nach für viele Schüler ein erhöhtes Motivationspotential birgt. Er führt an, dass gerade für ältere Schüler der Umgang mit dem Computer als besonders erstrebenswert gelte, weil für sie der Computer eine Domäne der Erwachsenen sei. In Situationen der Praxis habe er feststellen können, dass das Arbeiten mit dem Computer die Schüler mit Stolz erfülle. Weiterhin sieht er einen positiven Effekt darin, dass die emotionale Komponente, mit dem Pädagogen zusammen zu arbeiten, für den Schüler wichtig sei und nicht unterschätzt werden dürfe. Biagioli sieht einen Vorteil der Computerarbeit in der Möglichkeit, Wiederholungen einer Aufgabe immer wieder mit den gleichen Bedingungen durchzuführen. Er spricht an anderer Stelle von einer höheren Effizienz der Einzelstation, da sich der Lehrer nicht mehr um die Präsentation einer Aufgabe kümmern müsse und sich dadurch verstärkt dem Schüler widmen könne. (vgl. Biagioli, P. Computerunterstützer Unterricht für Kinder mit einer geistigen Behinderung, in: Schweizerische Heilpädagogische Rundschau, 7/1990,191-194).

Duismann und Neeb sehen den entscheidenden Vorteil im Unterricht mit dem Computer in der Möglichkeit, ein vielfältiges Angebot unterrichtlicher Differenzierung anzubieten und auf individuelle Lernausgangslagen eingehen zu können. Sie stellen das Medium als neue Möglichkeit der sonderpädagogischen Förderung dar. Der Computer eröffne die Möglichkeit, auf den einzelnen Schüler einzugehen und das Programm auf die individuellen Interessen, Fähigkeiten und Bedürfnisse einzustellen. Diese Vorteile ließen sich sowohl bei der Arbeit am Computer als auch beim Erarbeiten von Arbeitsblättern erkennen. Es wird darauf hingewiesen, dass der Einsatz des Computers nicht die Realität ersetzen könne oder solle. Er biete lediglich eine neue Art der Anschauungsmöglichkeit (vgl. Duismann /Neeb Computer? Selbstverständlich, in: Zusammen, 10/1992, 8-10).

[...]


[1] Erläuterung im Glossar

[2] Erläuterung im Glossar

[3] Erläuterung in Kap. 8.2

[4] Erläuterung in Kap. 8.1

Ende der Leseprobe aus 75 Seiten

Details

Titel
Computereinsatz in der Schule für Geistigbehinderte - Möglichkeiten und Grenzen von Lernsoftware
Hochschule
Universität zu Köln  (Heilpädagogische Fakultät; Seminar für Geistigbehindertenpädagogik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
75
Katalognummer
V9072
ISBN (eBook)
9783638158800
Dateigröße
1831 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schule für Geistigbehinderte; Lernsoftware; Clic 3.0; Computereinsatz in der Schule
Arbeit zitieren
Arno Rauch (Autor:in), 2002, Computereinsatz in der Schule für Geistigbehinderte - Möglichkeiten und Grenzen von Lernsoftware, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9072

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