Prävention von Rechenschwierigkeiten durch FEZ - Vergleich geförderter und nicht geförderter Grundschulförderklassenkinder


Examensarbeit, 2007

88 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Erwerb des Zahlkonzepts
1.1 Ist mathematisches Wissen angeboren oder erlernt?
1.1.1 Säuglingsversuche
1.2 Prinzipien vorher oder nachher?
1.3 Konzeptuelles und prozedurales Wissen
1.4 Protoquantitative Schemata und mentaler Zahlenstrahl
1.5 Mengenbewusstheit
1.6 Simultanerfassung - Subitizing
1.7 Zahlvorstellung
1.8 Jean Piaget und der Begriff der Invarianz
1.9 Zahlaspekte
1.9.1 Kardinalität
1.9.2 Ordinalität
1.10 Problematik von zählenden Strategien
1.10.1 Zählkompetenzen
1.10.2 Zählprinzipien
1.10.3 Zählstrategien
1.10.4 Überblick über die Zählstrategien
1.11 Teile-Ganzes-Konzept

2 Rechenschwierigkeiten
2.1 Definition
2.1.1 Die Diskrepanz-Definition
2.2 Erscheinungsbild
2.3 Ursachen

3 Diagnostische Ansätze
3.1 Anforderungen an ein Diagnostikum
3.2 Tests
3.2.1 Osnabrücker Zahlentest
3.2.2 DEMAT 1+
3.3 DEZ

4 Abstract (Was ist FEZ?)
4.1 Vergleich mit einem anderen Förderkonzept
4.1.1 Dortmunder Zahlbegriffstraining
4.1.2 Vergleich mit FEZ

5 Empirische Untersuchung (zweiter Teil)
5.1 Fragestellungen
5.2 Methodenbeschreibung
5.2.1 Stichprobenbeschreibung
5.2.2 Material
5.2.3 Durchführung
5.3 Ergebnisse:
5.3.1 Unterscheiden sich die geförderten von den nicht geförderten Grundschulförderklassenkindern?
5.3.2 Wie groß ist der Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen?
5.3.3 n welchen Bereichen des Zahlkonzepts profitieren die Kinder besonders von der Förderung?
5.4 Lernfortschritt
5.4.1 Gesamtpunktzahl

6 Betrachtung einzelner Kinder
6.1 Vergleich Leon und Paul
6.2 Vergleich Pia und Lisa

7 Interpretation der Ergebnisse
7.1 Besonderheiten

8 Resümee und Ausblick
8.1 Konsequenzen für die Schulpraxis
8.2 Kritik/Verbesserungsvorschläge

9 Literatur

Einleitung

„Das frühzeitige Erkennen von Kindern mit Entwicklungsrückständen im mathematischen Vorwissen und deren vorschulische Förderung könnte ein wichtiges Element zur Prävention von Rechenschwierigkeiten sein (Werner, 1999).“ (Weißhaupt et al., 2006, S. 237)

Ausgehend von diesem Zitat möchte ich den Gegenstand dieser Arbeit beschreiben. Sabine Peucker und Dr. Steffi Weißhaupt (beide PH Freiburg) haben ein Förderprogramm zur Entwicklung des Zahlkonzepts entwickelt, welches in Bezug auf Rechenschwierigkeiten präventiv auf Vorschüler wirken soll. Dieses Programm setzt ein halbes Jahr vor Schuleintritt an und vollstreckt sich über neun Sitzungen, in denen die Kinder bei der Entwicklung des Zahlkonzepts unterstützt werden sollen.

Ob dieses Programm seinen Zweck erfüllt, möchte ich in dieser Arbeit genauer betrachten. Diese Betrachtung wird auch durch die Unterstützung der Daten eines in diesem Zusammenhang durchgeführten Projekts geschehen. Peucker & Weißhaupt haben zum Förderprogramm (FEZ) ein Diagnostikum (DEZ) entwickelt, mit welchem wir die Kinder zu zwei Zeitpunkten (ein halbes Jahr sowie zwei Monate vor Schuleintritt) befragt haben.

Zunächst möchte ich aber in einem theoretischen Teil die Grundlagen der Entwicklung des Zahlkonzepts sowie das Problem der Rechenschwierigkeiten und deren Diagnose beschreiben, um dann im empirischen Teil auf die dieser Arbeit zugrunde liegende Untersuchung und deren Ergebnisse genauer einzugehen. Abschließend möchte ich dann noch ein Resümee ziehen und daraus überleitend Konsequenzen für die Schulpraxis bzw. die Gestaltung des mathematischen Anfangsunterrichts ziehen.

Teil 1 Theoretischer Hintergrund

1 Erwerb des Zahlkonzepts

Das Zahlkonzept ist ein wichtiger Bereich in der Anfangsentwicklung des mathematischen Wissens und steht in Verbindung mit anderen Konzepten wie den Zählkompetenzen, dem Kardinal- und dem Ordinalzahlaspekt, der Zahlvorstellung, der Mengenbewusstheit, den Teile-Ganzes-Beziehungen, der Zahlinvarianz sowie der Simultanerfassung.

Auf diese Teilkonzepte werde ich im Folgenden noch genauer eingehen und auch auf die Frage, welche mentalen Strukturen diesen Konzepten zugrunde liegen. Zunächst möchte ich mich aber mit der Frage auseinandersetzen, ob mathematisches Wissen angeboren ist oder nicht und, in diesem Zusammenhang, ob mathematische Prinzipien schon von Geburt an vorhanden sind oder erst erlernt werden.

1.1 Ist mathematisches Wissen angeboren oder erlernt?

Um Überlegungen bezüglich der Prävention von Rechenschwierigkeiten anzustellen, muss erst einmal herausgefunden werden wo eigentlich der Erwerb mathematischer Kompetenzen beginnt und ob einige dieser Kompetenzen vielleicht schon von Geburt an vorhanden sind.

„Dass die Grundlagen mathematischen Denkens angeboren sind, belegen Studien, in denen nachgewiesen wird, dass bereits wenige Tage alte Säuglinge Mengenveränderungen im kleineren Bereich richtig beurteilen können. Belegt wird dies in Studien, die zeigen, dass Säuglinge überrascht reagieren, wenn vorgenommene Mengenveränderungen nicht zum korrekten Ergebnis führen.“ (Stern, 1997, S. 98) Wie solche Studien und Untersuchungen aussehen, möchte ich nun etwas genauer betrachten und vorstellen.

1.1.1 Säuglingsversuche

Um herauszufinden ob numerisches Wissen schon bei Säuglingen gefunden werden kann, habituierten (=gewöhnten) Starkey und Cooper 1980 je 18 Kinder (insgesamt waren es 72) zwischen 16 und 30 Wochen auf Bilder mit verschiedenen Anzahlen von Punkten.

Eine Gruppe wurde auf zwei Punkte habituiert und in einer sogenannten Post-habituierung wurde dieser Gruppe ein Bild mit drei Punkten gezeigt. Die Beobachter hielten fest, ob die Kinder nun länger auf das Bild schauten als zuvor, sie wollten also feststellen, ob die Babies den Unterschied zwischen den Anzahlen der Punkte auf den Bildern feststellten.

Die drei anderen Gruppen wurden einmal auf drei Punkte habituiert und in der Posthabituierung wurde beobachtet, ob sie den Unterschied zu zwei Punkten erkennen. Die nächste Gruppe wurde auf vier Punkte habituiert und es gab anschließend einen Wechsel auf sechs Punkte. Die letzte Gruppe wurde schließlich auf sechs Punkte habituiert und sah in der Posthabituierung ein Bild mit vier Punkten.

Das Ergebnis dieses Experiments war, dass die Kinder beim Wechsel von zwei auf drei, sowie beim Wechsel von drei auf zwei Punkte durch eine längere Blickzeit reagierten, beim Wechsel von vier auf sechs Punkte und umgekehrt schienen die Kinder nicht wirklich zu reagieren.

Die Schlussfolgerung der Autoren aus diesem Experiment sah so aus, dass sie annahmen, dass Babies zwischen Anzahlen von zwei bzw. drei Punkten unterscheiden können, jedoch noch keinen Unterschied bei größeren Anzahlen wie vier und sechs feststellen können. (vgl. Krajewski, 2003)

Clearfield und Mix wollten 1999 untersuchen, ob Säuglinge wirklich schon in der Lage sind, zwischen kleinen Anzahlen zu unterscheiden, oder ob sie die Unterschiede zwischen den verschiedenen Bildern an physikalischen Eigenschaften der Punkte festmachten.

Um dies zu überprüfen, habituierten sie je acht Kinder im Alter von sechs bis acht Monaten auf Bilder mit zwei Quadraten, in einer weiteren Gruppe mit drei Quadraten. Nachdem die Kinder auf diese Bilder habituiert waren, zeigten die Autoren ihnen Bilder auf denen entweder die Anzahl der Quadrate, aber nicht deren Konturenlänge, oder die Konturenlänge, aber nicht die Anzahl der Quadrate verändert war.

Das Ergebnis dieses Experiments war, dass die Kinder dishabituierten, wenn sich die Größe der Quadrate veränderte und sie zeigten keine auffällige Reaktion, wenn sich die Anzahl der Quadrate veränderte, aber die Konturenlänge auf dem Bild gleich blieb. (vgl. Krajewski, 2003)

Das Fazit der Autoren aus dieser Studie lautete wie folgt: „Kleine Kinder richten ihre Aufmerksamkeit somit nicht auf die Wahrnehmung von Anzahlen, sondern vielmehr auf den Vergleich der Ausdehnung kontinuierlicher Mengen.“ (Krajewski, 2003, S. 52)

Auf diesen Punkt werde ich auch unter dem Kapitel der Mengenbewusstheit noch einmal eingehen.

Nach den Experimenten zur Wahrnehmung von Anzahlen, kam auch die Frage nach der Wahrnehmung, bzw. dem Wissen um den Ordinalitätsaspekt einer Zahl auf. Hierzu habituierte Cooper 1984 Babies im Alter von sechs bis sechzehn Monaten auf je zwei Reihen farbiger Quadrate. Beide Reihen wurden nacheinander gezeigt und variierten zwischen ein bis vier Quadraten. Die Anzahl der ersten Reihe war immer kleiner oder größer als die Anzahl der Quadrate in der zweiten Reihe. Das Ergebnis dieses Experiments sah so aus, dass die Kinder nur zwischen „gleichen“ und „verschiedenen“ Anzahlen unterscheiden konnten, jedoch noch nicht die Relationen „kleiner als“ bzw. „größer als“ bemerkten. Diese nahmen erst Kinder im Alter von 14 bis 16 Monaten wahr. „Im Gegensatz zur Wahrnehmung von Anzahlen scheint sich somit die Wahrnehmung von Anzahlbeziehungen erst später herauszubilden.“ (Krajewski, 2003, S. 49)

Karen Wynn wollte 1992 herausfinden, ob Kinder auch schon mit einer Art Konzept bezüglich des Addierens und des Subtrahierens auf die Welt kommen und führte deshalb mit vier bis fünf Monate alten Kindern einen Versuch durch, bei dem die Kinder eine Bühne beobachteten, vor die ein Schirm hoch geklappt werden konnte, sodass die Kinder nicht sehen konnten was dahinter passiert (Abbildung 1). Auf diese Bühne wurden dann Mickeymousefiguren gestellt, der Schirm ging hoch, die Kinder sahen, dass eine Hand kam, die etwas veränderte und das Bild danach verändert war oder eben auch nicht. Das heißt, wenn zuvor z.B. eine Maus auf die Bühne gestellt wurde, dann der Schirm hoch ging und das Kind sehen konnte, dass dahinter noch eine Maus hinzugefügt wurde, gab es entweder das mögliche Ergebnis, dass nun zwei Mäuse auf der Bühne standen oder das unmögliche Ergebnis, dass auf der Bühne noch immer nur eine Maus stand. (vgl. Krajewski, 2003 und Stern, 1998)

Da man nun wieder durch verlängerte Blickzeiten auf eine Irritation der Kinder bei den unmöglichen Ergebnissen dieses Versuchs schließen konnte, schlussfolgerte die Autorin, „dass schon Säuglinge fähig sind, die exakten Ergebnisse arithmetischer Operationen vorherzusagen. Schon Kleinkinder besitzen der Autorin zufolge daher nicht nur numerische sondern auch arithmetische Konzepte und sind fähig, (im Mengenbereich bis drei) einfache arithmetische Aufgaben zu lösen -“ (Krajewski, 2003, S. 51)

Abbildung 1Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Krajewski 2003, S. 50)

Simon, Hespos und Rochat interpretierten 1995 Wynns Ergebnisse auf eine andere Weise: Sie sahen in der Reaktion der Kinder keinen Hinweis auf eine arithmetische Kompetenz, sondern eher ein intuitives „Wissen um physikalische Gesetzmäßigkeiten“, welche der Bewegung von Objekten zu Grunde liegen. Wie Baillargeon (1993) gezeigt hatte, sind Säuglinge in diesem Alter fähig, Verletzungen gegen die Prinzipien der Objektpermanenz, der räumlichen Kontinuität und der Solidität zu entdecken. Simon et al. stellten heraus, dass jede inkorrekte Additions- und Subtraktionshandlung in Wynns Studie gleichzeitig auch eine Verletzung dieser physikalischen Gesetzmäßigkeiten darstellte, jedes arithmetisch unmögliche Ergebnis also auch rein physikalisch unmöglich gewesen war. Die vermeintliche „arithmetische Kompetenz“ der Säuglinge in Wynns Studie würde daher – wie auch in ihrer eigenen Studie – keine primitive Fähigkeit zu rechnen widerspiegeln, sondern sei schlicht durch das frühe physikalische Wissen der Kinder erklärbar. (vgl. Krajewski, 2003)

„Wenn somit auch eine Existenz eines „Zahlensinns“ (…) in Frage gestellt wird, so ist zumindest eine Sensivität für Quantitäten angeboren. Neugeborene nehmen demnach zwar nicht wahr, dass sich eine Menge von zwei auf drei Objekte vergrößert; aber sie erkennen, dass die Gesamtoberfläche bzw. das Gesamtvolumen der Objekte zunimmt, die Gesamtmenge also mehr wird.“ (Krajewski, 2005, S. 50)

Auf diesen Punkt werde ich unter 1.5 noch eingehen.

Auch Elsbeth Stern (1998) geht davon aus, dass die Grundlagen mathematischen Wissens angeboren sind. „Zusammenfassend lässt sich zur mathematischen Entwicklung in der Vorschulzeit sagen, dass Kinder bereits zwischen dem 3. und 4. Lebensjahr kleinere Mengen korrekt zählen können.“ (Stern, 1997, S. 101)

1.2 Prinzipien vorher oder nachher?

In der Forschung um den Erwerb mathematischer Kenntnisse gibt es zwei Theorien, die heftig diskutiert werden: Die „Principles-before-Theorie“ und die „Principles-after-Theorie“. Auch die Frage danach, wann welche Zählprinzipien entstehen oder erlernt werden ist in Bezug auf die Prävention von Rechenschwierigkeiten interessant, da somit neben der Frage ob numerisches Wissen schon angeboren ist, herausgefunden werden könnte, zu welchem Zeitpunkt es sinnvoll ist präventiv in Bezug auf Rechenschwierigkeiten zu arbeiten und vor allem, wie diese Arbeit aussehen sollte.

Die Principles-before-Theorie, welche z.B. von Gelman vertreten wird, besagt, dass es zahlenspezifische Prinzipien gibt, welche angeboren sind und die Grundlage für die kindlichen Zählfertigkeiten bilden. Die Kinder verfügen also schon über Zählprinzipien, noch bevor sie richtig zählen können. Wie diese Zählprinzipien aussehen, werde ich unter Punkt 1.10.2 genauer beschreiben. „Unterstützt wird die Prinzipien-Vorher-Theorie durch Beobachtungen an 2-3jährigen Kindern. Fehler, die gegen die fünf Prinzipien verstoßen, konnten nicht beobachtet werden.“ (Stern, 1998, S. 56)

Die Principles-after-Theorie, welche z.B. von Fuson vertreten wird, besagt, dass Kinder mit ihren ersten Zählfertigkeiten Erwachsene nachahmen und die wirklichen Prinzipien, welche hinter diesen Zählvorgängen stecken, erst mit der Zeit (durch die Erfahrung mit dem Zählen) erlernen.

„Wenigstens zwei der (…) Zählprinzipien nach Gelman und Gallistel (siehe 1.10.2) sind auf Fusons erster Ebene (siehe 1.10.1) noch nicht verfügbar: die Fähigkeit zur Eins-zu-Eins-Zuordnung und das Kardinalitätsverständnis. Beide Prinzipien sind demnach nicht angeboren und werden erst nach anfänglichen Erfahrungen mit der Zählsequenz erworben.“ (Krajewski, 2003, S. 66)

Das Zählen wäre nach der Principle-before-Theorie kontextunabhängig und nach der Principle-after-Theorie kontextspezifisch, was bedeutet, dass Kinder nach der Principle-after-Theorie nicht in der Lage sind, die Zählprozedur auf unbekannte Aufgaben zu übertragen. (vgl. Krajewski, 2003)

Wynn (1990) ist der Meinung, „dass Kinder bis zum Alter von drei Jahren zählen, indem sie angeborene Prinzipien wie das Subitizing (…) verwenden und erst später den Zusammenhang zwischen Zählen und der Anzahl der gezählten Objekte zu verstehen beginnen.“ (Van de Rijt et al., 2000, S. 15)

Geary (1995) formuliert den Sachverhalt etwas anders und spricht von biologisch ersten und biologisch zweiten kognitiven Fähigkeiten. Während die biologisch ersten Fähigkeiten offenbar in allen Kulturen gefunden werden, scheinen sich die biologisch zweiten Fähigkeiten nur in spezifischen kulturellen Kontexten zu entwickeln. (vgl. Van de Rijt et al., 2000)

Auch wenn die Diskussion hierzu noch im Gange ist, dürfte klar sein, dass die späteren (die zweiten) mathematischen Fertigkeiten von Gleichaltrigen, den Eltern, in der Schule, durch das Fernsehen usw. gelernt werden. “ (Van de Rijt et al., 2000, S. 15)

1.3 Konzeptuelles und prozedurales Wissen

„Die Beziehung zwischen konzeptuellem und prozeduralem Wissen ist der Schlüssel zum Verständnis vieler Lernprozesse und Lernschwierigkeiten von Kindern (HIEBERT, 1986, 2, 22).“ (Gerster & Schultz, 2000, S. 29) Auch dies ist ein wichtiger Aspekt in der Prävention von Rechenschwierigkeiten, denn wenn wir wissen, wie die Kinder lernen, haben wir auch Ansatzpunkte, an denen wir unterstützend arbeiten können, um so die Kindern bei der Entwicklung des Zahlkonzepts zu unterstützen. Das konzeptuelle Wissen könnte man auch als „Beziehungswissen“ bezeichnen, da es neue Infor­mationen mit schon bekannten Informationen in Beziehung setzt und verknüpft. Es bildet ein „zusammenhängendes Netz von Wissensbestandteilen, in welchen Beziehungen zwischen den Einzelfakten ebenso wichtig sind wie die Einzelfakten selbst.“ (Gerster & Schultz, 2000, S. 29)

Durch konzeptuelles Wissen wird die Einsicht aufgebaut, dass z.B. vorher getrennt gelernte Fakten miteinander in Verbindung gebracht werden können und so entsteht nach und nach ein immer komplexeres mathematisches Verständnis. Das prozedurale Wissen setzt sich zusammen aus der Kenntnis mathematischer Symbole, wie z.B. Ziffern oder Operationszeichen und den Regeln, denen die Anwendung dieser Symbole unterliegt. „Es ist also beschränkt auf das Wissen, wie sich geschriebene Symbole als Teil eines syntaktischen Systems verhalten. Das Wissen, was die Symbole bedeuten (repräsentieren), gehört nach dieser Definition nicht zum prozeduralen Wissen.“ (Gerster & Schultz, 2000, S. 31)

Neben diesen Symbolen beschreiben Gerster und Schultz auch noch eine zweite Form prozeduralen Wissens, welche mit konkretem Material, bildhaften Darstellungen und Vorstellungsbildern operiert. Diese Form bedient sich also nicht den Standardsymbolen der Mathematik.

„Beispiele dafür sind das mündliche Zählen von Vorschulkindern, Zählstrategien bei mündlich gestellten Additions- und Subtraktionsaufgaben, aber auch Konstruktionen mit Zirkel und Lineal bei älteren Schulkindern.“ (Gerster & Schultz, 2000, S. 31)

„Im traditionellen Mathematikunterricht überwiegt häufig prozedurales Wissen, (…). So kann bei Schülern der Eindruck entstehen, Mathematik bestünde nur aus den Symbolen und Prozeduren, die im Mathematikunterricht explizit gelehrt werden (RESNICK et al., 1991, 56).“ (Gerster & Schultz, 2000, S. 31)

An diesem Zitat wird deutlich, dass es wichtig ist, prozedurales und konzeptuelles Wissen zu koppeln, da es nichts bringt, wenn die Schüler nur Regeln auswendig lernen aber nicht verstehen, was dahinter steckt und somit diese Regeln auch nicht auf neue, ungewohnte Sachverhalte übertragen können.

„Prozedurales Wissen ist die Syntax (Grammatik) der Mathematik, konzeptuelles Wissen ist die Semantik (Sinngehalt) der Mathematik (HIEBERT, 1986, 201).“ (Gerster & Schultz, 2000, S. 31)

1.4 Protoquantitative Schemata und mentaler Zahlenstrahl

Auch Resnick (1992) beschreibt zwei Formen von intuitiv entwickeltem Wissen, welches für das Mathematiklernen bedeutsam sind. Diese sind die protoquantitativen Schemata und der mentale Zahlenstrahl, welche sich nach Meinung der Autorin zunächst unabhängig voneinander entwickeln, sich dann aber verbinden müssen, damit ein mathematisches Zahlkonzept konstruiert werden kann.

„The language of protoquantitative mathematical thinking is a language of descriptive and comparative terms applied directly to the physical objects or amounts: a big doll, many eggs, (…).In the mathematics of protoquantities, operations are actions that can be performed directly on physical objects or material: (…)” (Resnick, 1992, S. 403/404)

Das Protoquantitative Schemata ist eine mentale Struktur, welche die drei Schemata des Vergleichs („compare“), des Vergrößern und Verkleinern („increase/decrease“) und des Verhältnisses von Teilen zum Ganzen („part-whole“) umfasst. (vgl. Gerster & Schultz, 2000)

Das Schema des Vergleichens erlaubt beim Mengenvergleich Urteile wie „mehr“ oder „weniger“ zu treffen. „The simplest form of protoquantitative reasoning is direct perceptual comparison of objects or sets of different sizes. This permits recognizing the larger of a pair of objects, for example, something infants of 3 month are known to be capable of (Fantz & Fagan, 1975).” (Resnick, 1992, S. 404)

Das Schema des Vergrößern und Verkleinern beurteilt Mengenveränderungen nach Zuwachs oder Verkleinerung. „More advanced protoquantitative reasoning works on a mental representation of amounts of material and allows one to reason about the results of imagined increases and decreases in those amounts. Thus, protoquantitative reasoners can say that there will be more apples after mother gives each child some additional ones, or that some mice must have been removed if there are now less than before, without being able to look simultaneously at the objects in their before and after states.” (Resnick, 1992, S. 404)

Das Teile-Ganzes-Schema befasst sich mit den Beziehungen zwischen einem Ganzen und seinen Teilen. “Similarly, mental combining and separating operations permit children to reason protoquantitatively about the relations between parts and whole – for example, more fruits in the bowl than either apples or oranges (Fuson, …).” (Resnick, 1992, S. 404)

Die protoquantitativen Schemata „werden erst in der Folge über quantitative Zahlvorstellungen (…) zu numerischen Schemata, in denen Zahlen abgelöst von konkreten Darstellungen Bedeutung besitzen (…).“ (Schulz, 2003, S. 366)

Laut Resnick haben Kinder beim Schuleintritt meistens schon eine Zahlvorstellung konstruiert, welche sie als mentalen Zahlenstrahl beschreibt.

„Zahlen korrespondieren zu Positionen in einer Kette. Eine Zahl ist mit der nachfolgenden verknüpft (…). Die Zahlen, die später kommen, sind „größer“.“ (Gerster & Schultz, 2000, S.75)

Auf diesem mentalen Zahlenstrahl kann das Kind zum einen Zählen und zum anderen Quantitäten vergleichen. Dies ermöglicht dem Kind, einige arithmetische Probleme zu lösen. (vgl. Abbildung 2)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2
(Gerster & Schultz 2000, S. 76)

„Resnick nimmt an, dass die Zahlwörter allmählich aus einer Kette von Wörtern zu einer „Repräsentation von Quantitäten“ werden, in der jeder Platz (Zahlname) für eine Anzahl steht. Die Umwandlung geschieht durch häufiges Durchführen des Zählens in der Absicht, eine Quantität (Anzahl) zu bestimmen.“ (Gerster & Schultz, 2000, S. 75)

1.5 Mengenbewusstheit

Fritz und Ricken (2005) beschreiben, „dass sich die Fertigkeit der Mengenerfassung, auf welcher Basis auch immer, sehr früh und zunächst ohne Zahlwortkenntnis entwickelt.“ (Fritz &Ricken, 2005, S. 11)

Laut Krajewski (2005) verfügen Säuglinge über eine sogenannte „Mengenbewusstheit“ welche sich in der Wahrnehmung und Unterscheidung kontinuierlicher Mengen zeigt. Wie schon unter Punkt 1.1.1 aufgezeigt, haben Neugeborene zwar noch keine Zählfertigkeiten, nehmen aber die Veränderung von kontinuierlichen Mengen wahr. Diese angeborene Mengenbewusstheit, die aber nur in der Lage ist, zwischen viel und wenig zu unterscheiden, wird durch die Verknüpfung mit Zahlen durch das Zählen präziser und erlangt eine „diskrete Dimension“ (viele bzw. wenige). Durch diese Erkenntnis wird die Brücke zu den protoquantitativen Schemata geschlagen.

Vorschulkinder verwenden die Begriffe „mehr“ oder „weniger“ vorwiegend zur Beschreibung der räumlichen Ausdehnung einer Menge. Erst im Alter von sechs bis sieben Jahren werden diese Begriffe mit der Anzahl der Elemente einer Menge verbunden. (vgl. Stern, 1998)

Laut Krajewski (2005) deutet die Entwicklung der Rechenfertigkeiten von Kindern darauf hin, dass sich eine Mengenbewusstheit zunächst unabhängig von den Fertigkeiten beim Zählen entwickelt. Auch wenn Kinder schon Mengen zusammenzählen, muss dies nicht unbedingt für ein Verständnis der hinter den (Zähl-)Zahlen stehenden Mengen sprechen. „Vielmehr ist es dafür notwenig das Wissen um Zahlen beim Zählen mit dem Wissen zum Umgang mit Mengen zu verknüpfen um zu einem echten numerischen Verständnis der Zahlen zu gelangen.“ (Krajewski, 2005, S. 56/57)

Auch Jean Piaget sah die Grundlage des Zahlverständnisses in der Fähigkeit zur Wahrnehmung von Anzahlbeziehungen begründet. „Nach seiner Auffassung versteht ein Kind das Konzept der Zahl erst dann, wenn es sein Verständnis für Teil-Ganzes-Mengen (Klassifikation) mit dem Verständnis für Ungleichheitsbeziehungen von Mengen (Seriation) integrieren kann.“ (Krajewski, 2005, S. 53) Auf diesen Aspekt werde ich unter Punkt 1.8 noch genauer eingehen.

„Erst wenn die Äquivalenz von Zahlbeziehungen (Zählfertigkeiten) und dahinter stehenden Mengenbeziehungen (Mengenwissen) verinnerlicht und die Vorstellung von Mengen gänzlich mit der Vorstellung von Zahlen verknüpft ist, wird ein tiefes Verständnis der Zahl erreicht.“ (Krajewski, 2003, S. 68)

Fritz und Ricken (2005) beschreiben, „dass Ausfälle im Erfassen kleinerer Mengen (in sehr frühen Entwicklungsphasen) eher auf umfangreichere Beeinträchtigungen wie etwa geistige Behinderungen hinweisen.“ (Fritz & Ricken, 2005, S.11) Sie fanden in ihren Studien heraus, dass sogar die schwächsten Kinder kleinere Mengen korrekt erfassen können und erst bei größeren Mengen (ab fünf Elementen) Probleme haben. (vgl. Fritz & Ricken, 2005)

Dehaene (1992) beschreibt ein Modell der drei Repräsentationsebenen (Triple Code Modell), in welchem er davon ausgeht, dass Zahlen bei der Bewältigung mathematischer Aufgaben in drei verschiedenen Formaten verarbeitet werden. „Diese Module können über verschiedene Transkodierungsrouten interagieren und so Zahlenverarbeitung bzw. –verständnis bewirken.

Dabei basiert Dehaenes Modell auf zwei Prämissen:

- Zahlen scheinen mental in drei verschiedenen Codes (Repräsentationen) repräsentiert zu sein.
- Jede Zahlenprozedur ist gebunden an ein spezifisches Ein- und Ausgabesystem.“ (Jacobs & Petermann, 2005, S. 79)

Diese drei Module nach Dehaene lauten wie folgt (vgl. Abbildung 3):

- Analoge Größenrepräsentation: Diese Repräsentationsform dreht sich um die angeborene Mengenbewusstheit, mit welcher schon Säuglinge in der Lage sind Anzahlen grob zu unterscheiden. Diese Fähigkeit ermöglicht es, Überschlagsrechnungen zu machen, Anzahlen zu schätzen und kleinere Anzahlen auf einen Blick (siehe Simultanerfassung) wahrzunehmen. Es besteht also eine näherungsweise Vorstellung der hinter den Zahlen stehenden Mengen bzw. Anzahlen. Diese Repräsentationsform ist vergleichbar mit Resnicks mentalem Zahlenstrahl.
- Auditiv-verbale Repräsentation: Zahlen existieren im Gehirn auch als Zahlworte (verbal). „Außerdem werden Gleich- bzw. Ungleichrelationen sowie Größer-Kleiner-Relationen erfasst und mehrstellige Rechenoperationen durchgeführt.“ (Jacobs & Petermann, 2005, S. 79)
- Visuell-arabische Repräsentation: Die Zahlen existieren als arabische Ziffern, welche visuell wahrgenommen werden. „Außerdem ist dieses Modul zuständig für Zählprozesse und den Abruf bzw. das Abspeichern von einfachem Additions- und Multiplikationsfaktenwissen.“ (Jacobs & Petermann, 2005, S. 79)

Die beiden letzten Repräsentationsformen gewinnen dann an Gewicht, wenn Ergebnisse mit mehrstelligen Zahlen berechnet werden sollen und sie sind an die Sprache gebunden. Im Gegensatz zur ersten Repräsentationsform ermöglichen diese beiden Formen ein exaktes Bestimmen von Anzahlen. (vgl. Krajewski, 2005)

„Somit liefern diese beiden Repräsentationsformen auch für die neuro-psychologische Perspektive das wichtige Gegenstück zur Mengenbewusstheit.“ (Krajewski, 2005, S.59)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 (Krajewski, 2005, S. 58)

1.6 Simultanerfassung - Subitizing

Subitizing oder auch Simultanerfassung beschreibt eine Anzahlerfassung von kleineren Mengen von Elementen „auf einen Blick“, d.h. wenn ich ein Bild sehe, auf dem drei oder vier Punkte abgebildet sind, muss ich diese nicht zählen, sondern sehe sofort, wie viele Punkte es sind. Dies „impliziert, dass diese (Elemente) auch voneinander unterschieden werden können. Man geht davon aus, dass Kleinkinder über eine Subitizing-Kapazität von drei Elementen verfügen, (…).“ (Krajewski, 2003, S. 55)

„Bereits Säuglinge können (…) eine Menge mit zwei Dingen von einer Menge mit einem, drei oder vier Dingen unterscheiden (…).“ (Gerster & Schultz, 2000, S. 334)

Gerster und Schultz beschreiben, dass ab einer Anzahl von fünf Elementen eine abgeleitete Strategie aus der Simultanerfassung entsteht. Dies ist die quasi-simultane Anzahlerfassung, bei der entweder in simultan erfassbare Mengen portioniert wird oder aus dem Langzeitgedächtnis abgerufen werden kann (vgl. Abbildung 4)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4 (Gerster & Schultz, 2000, S. 335)

„Die Simultanerfassung bis vier mit dem Eins-mehr-als-vier-Verständnis der Fünf scheint eine zentrale Grundlage für das Zehnersystem zu sein. Ist doch die Zehn eine Doppel-Fünf.“ (Gerster & Schultz, 2000, S. 335)

Weichbrodt 1994 stellte fest, dass Kinder, die beim Schuleintritt keine Menge größer als drei Elemente auf einen Blick erfassen konnten, später große Probleme im Mathematikunterricht hatten. (vgl. Gerster & Schultz, 2000)

Es ist also wichtig, die Kinder durch strukturierte Mengenbilder zu trainieren, damit ihnen die Simultanerfassung auch als Grundlage für die Zahlvorstellung als auch für das Teile-Ganzes-Konzept leichter fällt.

1.7 Zahlvorstellung

Um mit Zahlen rechnen, d.h. gedanklich operieren zu können, benötigt man zunächst eine Vorstellung von der Zahl und ihren Eigenschaften. Die Zahlvorstellung ist also die Grundvoraussetzung zum Rechnenlernen.

Wie ein Kind sich die Zahl mental vorstellt, kann man nicht genau sagen, sondern nur vermuten. Was aber häufig in der Beobachtung von rechnenden Kindern deutlich wird, ist die Visualisierung von Zahlen durch Finger (vgl. Abbildung 5).

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Abbildung 5
(Gerster & Schultz, 2000, S. 30 und 335)

„Steffe und Cobb verfolgen den Entwicklungsweg eines Kindes, das sein Anzahlverständnis ausgehend vom Zählen (als Koordination von Zahlwortreihe und Zählgegenständen) konstruiert. Die Repräsentation einer Zahl durch eine Fingerkonstellation spielt dabei eine Rolle: sie wird zählend geschaffen, d.h. die Zahlwortreihe vermittelt zwischen den Zählgegenständen (…) und einer entsprechenden Fingerkonstellation, oder Fingerkonstellationen werden als Muster mit einem Zahlwort verknüpft. Die Fingerkonstellationen werden zur Steuerung des Zählens benutzt. Gleichzeitig weisen Steffe und Cobb ihnen auch einen Einfluss auf die Konstruktion der Anzahl als Vereinigung von Einheiten zu: Es sind Muster, die zur Reflexion der Einheiten – der einzelnen Finger – im Ganzen der Konstellation anregen können.“ (Gerster & Schultz, 2000, S. 67)

Auf die Problematik der Zahldarstellung durch die Finger bzw. der zählenden Strategien werde ich unter Punkt 1.10 noch genauer eingehen.

Peucker und Weißhaupt (2005) vermuten, dass das Verharren bei zählenden Rechenstrategien durch frühzeitige Erarbeitung innerer Repräsentationen von Zahlen und des Verständnisses von Teile-Ganzes-Beziehungen vermieden werden kann. Die Autorinnen bevorzugen strukturierte Repräsentationen von Zahlen, da diese die Beziehungen zwischen Zahlen, insbesondere durch die Visualisierung der Beziehungen zur fünf und zehn, einsichtig machen. „Wenn strukturierte Repräsentationen von Zahlen angeeignet sind, können diese als Werkzeuge für das Denken und Kommunizieren über mathematische Sachverhalte dienen.“ (Peucker & Weißhaupt, 2005, S. 301)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6
(Gerster & Schultz, 2000, S. 345)

Kaufmann und Wessolowski berichten 2006, dass zum Aufbau und zur Verinnerlichung mathematischer Begriffe im Mathematikunterricht der Grundschule Handlungen mit Veranschaulichungsmitteln ausgeführt, zeichnerische Darstellungen entwickelt und Abbildungen in Schulbüchern interpretiert werden. Kinder müssen sich Handlungen und Bilder mental vorstellen und mit ihnen operieren können, was hohe Anforderungen an Fähigkeiten im visuellen Bereich stellt. „Vor allem die mangelnde Vorstellungsfähigkeit erschwert das Rechnenlernen.“ (Kaufmann & Wessolowski, 2006, S. 10)

1.8 Jean Piaget und der Begriff der Invarianz

Nach Piaget baut der Zahlbegriff wie jede abstrakte Repräsentation der Welt auf der sensumotorischen Intelligenz eines Kindes auf. Kinder verstehen das Konzept der (An-)Zahl erst nach jahrelangem Umgang mit der Umwelt. Piaget war der Meinung, dass sich dieses Zahlkonzept im Verständnis der Zahlinvarianz (syn.: Zahlerhalt) wiederspiegelt, was bedeutet, dass das Kind erkennt, dass sich die Anzahl von Elementen einer Menge nicht ändert, wenn man deren räumliche Ausdehnung ändert. „Damit sah er das Erkennen und bewusste Verstehen der inneren Gesetze von Zahlen in dieser Fähigkeit begründet. Das Verständnis der Zahl begann für ihn also mit der Erhaltung des numerischen Ganzen („Zahlerhalt“).“ (Krajewski, 2003, S.34/35)

Um die Zahlinvarianz zu erreichen, sind für Piaget zwei Leistungen erforderlich. Diese sind die Klasseninklusion und die Seriation. Klasseninklusion bezeichnet das Zuordnen einer Teilklasse in eine Gesamtklasse, d.h. ein Teil-Ganzes-Verständnis und somit ein Verständnis des Kardinalaspekts einer Zahl.

Der Begriff der Seriation bezeichnet die Fähigkeit, Elemente nach zunehmender oder abnehmender Größe zu ordnen. Das Kind benötigt also ein Verständnis für Ungleichheitsbeziehungen und somit ein Verständnis des Ordinalitätsaspektes einer Zahl. (vgl. Krajewski, 2003)

Piaget nahm an, dass sich der Erwerb der Zahlinvarianz über drei Stufen erstreckt:

1. Stufe – Globales Stadium: Kind (4 ½ - 5 Jahre) zeigt keine Fähigkeit zur Zahlinvarianz. Keine Eins-zu-Eins-Zuordnung, ebenso erkennt es nicht, dass sich die Äquivalenz von 6 Flaschen zu 6 Gläsern nicht ändert, wenn man die Reihen z.B. auseinanderzieht.
2. Stufe – Übergangs- oder Erarbeitungsphase: Erkenntnisse des Kindes (5 - 6 Jahre) sind anschauungsgebunden, Eins-zu-Eins-Zuordnung kann hergestellt werden, jedoch erkennt es noch nicht, dass sich die Anzahl durch auseinanderziehen der Reihen nicht ändert.
3. Stufe – Operatorisches Stadium: Kind (6 - 7 Jahre) versteht die Zahlinvarianz

Piaget begründete z.B. die These, dass Kinder im voroperatorischen Stadium noch nicht die Invarianz einer Zahl kennen, durch ein Experiment, in dem er zeigte, dass Kinder bei einer Reihe von Plättchen, die man ihnen vorgezählt hat, denken, dass sich die Anzahl der Plättchen verändert, wenn man die Plättchen in ihrer räumlichen Ausdehnung verändert.

[...]

Ende der Leseprobe aus 88 Seiten

Details

Titel
Prävention von Rechenschwierigkeiten durch FEZ - Vergleich geförderter und nicht geförderter Grundschulförderklassenkinder
Hochschule
Pädagogische Hochschule Freiburg im Breisgau
Note
2,5
Autor
Jahr
2007
Seiten
88
Katalognummer
V90676
ISBN (eBook)
9783638035620
Dateigröße
1244 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Theoretischer Teil mit Grundlagen zum Erwerb des Zahlkonzepts und Empirischer Teil mit Ergebnissen des Förderprogrammes und Konsequenzen für den mathematischen (Anfangs-)Unterricht.
Schlagworte
Prävention, Rechenschwierigkeiten, Vergleich, Grundschulförderklassenkinder
Arbeit zitieren
Janine Streb (Autor:in), 2007, Prävention von Rechenschwierigkeiten durch FEZ - Vergleich geförderter und nicht geförderter Grundschulförderklassenkinder, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90676

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