Die Bedeutung von Sprache in der Phänomenologie des Geistes


Hausarbeit, 2005

14 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Einleitung

Sprache im Kapitel über „die sinnliche Gewissheit“

Sprache im Kapitel über „Physiognomik und Schädellehre“

Sprache im Kapitel über „Die Bildung und ihr Reich der Wirklichkeit“

Schlussüberlegung

Bibliographie:

Einleitung

Wird von Hegels Phänomenologie des Geistes gesprochen, so denkt man häufig an das berühmte Kapitel über Herrschaft und Knechtschaft, das „von weltphilosophischer Bedeutung geworden“ (Fink: Grundphänomene: 280) ist. Man mag auch an den Stufenweg denken, den das Bewusstsein hin zum Absoluten durchläuft und dieses philosophische System bewundern oder bezweifeln. Seltener wird daran gedacht, welche Grundvoraussetzungen Hegel macht. Im Folgenden soll nun nachvollzogen werden, wie die Sprache als eine Grundlage der Phänomenologie des Geistes gesehen werden kann. Anhand dreier wichtiger Kapitel der Phänomenologie soll die Bedeutung der Sprache exemplarisch dargelegt werden.

Im Kapitel über die sinnliche Gewissheit zeigt sich, dass die Sprache als der Stein betrachtete werden kann, der die ganze Bewegung, „die Bildung des Bewußtseins selbst zur Wissenschaft“ (PhG: 73) ins Rollen bringt.

Das Kapitel über Physiognomik und Schädellehre hat ausdrücklich die Sprache zum Gegenstand. Hier wird zudem der soziale, kommunikative Charakter der Arbeit deutlich. Daneben werden einige Parallelen zur sinnlichen Gewissheit erkennbar, was die ‚wahrhaftige’ Natur der Sprache, stets nur ein Allgemeines, nie jedoch ein Gemeintes ausdrücken zu können, angeht.

Der letzte zu betrachtende Teil wird der Abschnitt über die Bildung sein, in der Hegel die Sprache als Phänomen schließlich einordnet. Hier nämlich ist das Bewusstsein sprachlich strukturiert, hier endlich tritt sie „in ihrer eigentümlichen Bedeutung“ (PhG: 376) auf „und gilt als Sprache“ (PhG: 376). Wiederum werden Ähnlichkeiten zu den beiden anderen Kapiteln deutlich, wenn der Unterschied zwischen Gemeintem und Gesagtem erneut aufbricht und sich der besondere Charakter der Sprache, das Unterscheiden und Verkehren zeigt.

Sprache im Kapitel über „die sinnliche Gewissheit“

Im Anfangskapitel stellt sich die sinnliche Gewissheit als erste und somit diejenige Bewusstseinsform dar, die noch völlig unreflektiert, also „unmittelbares Wissen, Wissen des Unmittelbaren oder Seienden ist“ (PhG: 82). Sie ist darum gleichzeitig sowohl die „reichste“ und „wahrhafteste“, als auch die „ärmste“ Erkenntnis (PhG: 82). Die reichste ist sie insofern, als sie vorbehaltlos, unvermittelt den Gegenstand betrachtet, von ihm „noch nichts weggelassen, sondern ihn in seiner ganzen Vollständigkeit vor sich“ (PhG: 82) hat. Darin liegt jedoch auch ihre große Schwäche, die sie zugleich zur ‚ärmsten Wahrheit’ macht, da sie lediglich aussagt: Es ist. Für sie gilt nur das einfache Sein der Sache wie auch des auffassenden Bewusstseins. Zunächst setzt die sinnliche Gewissheit das Sein der Sache als Wesen über das Sein des Ichs. „Der Gegenstand aber ist, das Wahre und das Wesen; er ist, gleichgültig dagegen, ob er gewusst wird oder nicht; er bleibt, wenn er auch nicht gewusst wird; das Wissen aber ist nicht, wenn nicht der Gegenstand ist“ (PhG: 84). Doch die Sprache erweist, dass auch dies hinfällig ist. Denn nun wird dies dergestalt auf seine Wahrheit überprüft, dass die sinnliche Gewissheit nach eben diesem Gegenstand gefragt wird: „Was ist das Diese“ (PhG: 84)? Ihre[1] Antwort darauf ist das Sein in der Struktur des Jetzt und Hier, woraufhin weiter zu fragen ist: „[ W ] as ist das Jetzt“ (PhG: 84)? Der sinnlichen Gewissheit erscheint das Jetzt sodann die Nacht zu sein. Das ist ihre Wahrheit. Diese Wahrheit wird aufgeschrieben und so aufbewahrt, denn „eine Wahrheit kann durch Aufschreiben nicht verlieren“ (PhG: 84). Zu einem anderen Zeitpunkt jedoch erweist sich die vermeintliche Wahrheit als falsch! Das, was als seiend postuliert wurde, zeigt sich offensichtlich als nicht seiend. Denn um 16:00 Uhr ist das Jetzt eben nicht die Nacht, sondern vielmehr der Tag. „Das Jetzt selbst erhält sich wohl, aber als ein solches, das nicht Nacht ist; ebenso erhält es sich gegen den Tag, der es jetzt ist als ein solches, das auch nicht Tag ist, oder als ein Negatives überhaupt“ (PhG: 84). Es erhält sich also in der Negation seiner gleich gültigen Inhalte, anders gesagt: Es ist ein Allgemeines und daher immer vermittelt, also genau das Gegenteil von dem, was die sinnliche Gewissheit aufzufassen meinte. Dieselbe Bewegung vollzieht sich nun am Hier als der anderen Form des Dieses. Das Hier wird nun beispielsweise als der Platz vor meinem Schreibtisch aufgefasst. Trete ich einen Schritt zurück, so ist das Hier aber auf einmal mein Bett, und nicht mehr der Platz vor meinem Schreibtisch, der damit als Hier negiert ist. Durch den Wechsel der verschiedenen Orte hindurch bleibt das Hier jedoch als Allgemeines bestehen. Und in der Tat zeigt sich der in Wahrheit allgemeine Charakter der sinnlichen Gewissheit schon in der Sprache: Sobald Hier oder Jetzt ausgesprochen wird, wird Allgemeines gesagt; „wir sprechen schlechthin nicht, wie wir es in dieser sinnlichen Gewißheit meinen“ (PhG: 85). Es ist bedeutsam, dass Hegel hier, wenn er von dem Meinen spricht, es nicht nur im Sinne von Bedeutung verwendet, sondern auch den possessiven Charakter berücksichtigt[2]. So zieht sich die sinnliche Gewissheit, nachdem offensichtlich ist, dass der einzelne Gegenstand nicht ihr Wesen ausmacht, auf den Standpunkt des Meinen(s) zurück. Sie erklärt nun das eigene Auffassen zu ihrem Wesen,

[d]ie Kraft ihrer Wahrheit liegt also nun im Ich, in der Unmittelbarkeit meines Sehens, Hörens usf.; das Verschwinden des einzelnen Jetzt und Hier, das wir meinen, wird dadurch abgehalten, daß Ich sie festhalte. Das Jetzt ist Tag, weil Ich ihn sehe; das Hier ist ein Baum, eben darum.

Sosehr ich nun aber behaupten kann, das Hier sei der Platz vor meinem Schreibtisch und das Jetzt 16:00 Uhr, so wird man doch nicht lange suchen müssen, um einen anderen Ich zu finden, der meine Behauptung negiert und beispielsweise seinerseits das Hier als sein Auto und das Jetzt für 18:00 erklärt. Beide vermeintlichen Wahrheiten sind aber gleich gültig und heben sich daher gegenseitig auf. Wiederum bleibt nur das Ich als ein Allgemeines zurück, was sich, genauso wie schon beim Hier und Jetzt, in der Sprache widerspiegelt. Denn „indem ich sage: Ich, dieser einzelne Ich, sage ich überhaupt: alle Ich; jeder ist das, was ich sage: Ich, dieser einzelne Ich“ (PhG: 87). Nachdem die sinnliche Gewissheit also die erschütternde Erfahrung gemacht hat, dass ihr Wesen weder in dem einzelnen Gegenstand, noch in dem einzelnen Ich, die sich vielmehr als Allgemeine herausgestellt haben, ist, versucht sie dennoch, an ihrer Wahrheit, dem reinen, unmittelbaren Sein, festzuhalten, indem sie in einem letzten Schritt nun die unvermittelte Beziehung des einzelnen Ichs auf einen einzelnen Gegenstand als wesentlich definiert. Sie versteht sich nun lediglich noch als „sinnliches Vernehmen des momentanen Einzelnen“ (Hegel: 78). Doch sogar diese höchst eingeschränkte Definition wird sich als falsch herausstellen. An der Frage, was denn eben dieses Hier und Jetzt sei, das das Ich anschaut, scheitert die sinnliche Gewissheit. Sie kann es nicht darlegen. Einerseits liegt das daran, dass sich jedes Jetzt und Hier in beliebig viele weitere Jetzt und Hier aufspalten lässt, woran der allgemeine Charakter erneut deutlich wird. „Das Jetzt, das viele Jetzt in sich enthält (der Tag, der Stunden und Minuten in sich faßt) und das Hier, das viele Hier in sich birgt, nennt Hegel das wahrhafte Jetzt und das wahrhafte Hier“ (Hegel: 86). Andererseits erweist sich hier an der Sprache aufs Neue, dass die angebliche Wahrheit der sinnlichen Gewissheit als bestimmtes Einzelnes hinfällig ist. Es erweist sich als unmöglich, einen einzelnen Gegenstand sprachlich genau zu beschreiben, unmöglich, „daß wir ein sinnliches Sein, das wir meinen, je sagen können“ (PhG: 85). Denn die Sprache hat, dem an sich Allgemeinen angehörig, nicht die Mittel, Einzelnes auszudrücken[3]. Bei dem Versuch, dennoch ein Bestimmtes sprachlich zu fassen, „würde es daher vermodern; und die seine Beschreibung angefangen, könnten sie nicht vollenden, sondern müßten sie anderen überlassen, welche von einem Dinge zu sprechen, das nicht ist, zuletzt selbst eingestehen würden“ (PhG: 92). Die Sprache hat somit die „göttliche Natur, […] die Meinung unmittelbar zu verkehren“ und erweist so das ‚bloß Gemeinte’ als das eigentlich ‚Unwahre und Unvernünftige’.

[...]


[1] Wenngleich Pavić darauf hinweist, dass „ ‚wir’, nicht das Ich der sinnlichen Gewissheit“ (Hegels Idee: 66) es sind, die diese Beobachtung machen, so scheint mir es nichtsdestotrotz ein ‚wir’ zu sein, das sich, obzwar wissentlich, auf die Stufe der sinnlichen Gewissheit begibt. Somit hat sich das ‚wir’ „ebenso unmittelbar oder aufnehmend zu verhalten“ (PhG: 82) und den Gegenstand allein so „zu betrachten, wie ihn die sinnliche Gewissheit an ihr hat“ (PhG: 84).vgl hierzu auch Fink (Hegel: 66): „Was ist das Dieses? Die Frage ist nicht nur an die sinnliche Gewißheit gerichtet, diese muß sie sich selber stellen.“

[2] Vgl. auch Fink: „Hegel setzt so das Meinen und das als-Mein-erklären in eine bedeutsame Verbindung. Meinung ist das Meinigen des Seienden.“ (Hegel: 76)

[3] vgl. Fink (Grundphänomene: 76/77)

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Die Bedeutung von Sprache in der Phänomenologie des Geistes
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Philosophisches Seminar)
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
14
Katalognummer
V90528
ISBN (eBook)
9783638046589
ISBN (Buch)
9783638941846
Dateigröße
447 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bedeutung, Sprache, Phänomenologie, Geistes
Arbeit zitieren
Sebastian Kluitmann (Autor:in), 2005, Die Bedeutung von Sprache in der Phänomenologie des Geistes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90528

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