Die Kaiserkrönung Karl des Großen

Ein Kaiser wider Willen?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

18 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung und Forschungsstand

1. Karl der patricius Romanorum

2. Karl und Papst Leo III

3) Das Attentat auf Papst Leo III
3.1) Das Treffen in Paderborn im Sommer 799
3.2) Karls Romzug und die Synode
3.3) Der Reinigungseid und die Kaiserkrönung

4. Die Reaktionen aus Byzanz

5. Bewertung

6. Quellen- und Literaturangaben
6.1) Quellen
6.2) Sekundärliteratur

Einleitung und Forschungsstand

Karl der Große - Kaum eine historische Gestalt des Mittelalters bewegt so die Gemüter und das nicht nur in der Geschichtswissenschaft. Karl prägte nicht nur seine Epoche, sondern auch das ganze spätere Europa, speziell natürlich Frankreich und Deutschland. Deshalb ist auch die Beschäftigung mit der Person und Bedeutung Karls in der Forschung sehr umfangreich, aber eben auch sehr kontrovers. Für das Schlüsselereignis, die Kaiserkrönung, lassen sich grob zwei Strömungen in der Geschichtsforschung beobachten. Zum einen diejenige, die davon ausgeht, dass Karl von der Zeremonie am Weihnachtstag in Rom durch den Papst überrascht worden sei und er nicht das Ziel gehabt habe, die Kaiserwürde anzustreben (Wilhelm Ohr). Die Historiker, die dieser Strömung zuzurechnen sind, schenken einer Stelle bei Einhard (Kap. 28) besondere Glaubwürdigkeit. Auf den Streit zwischen den Historikern um diese angebliche Unmutsäußerung Karls, werde ich im dritten Kapitel noch genauer eingehen. Dagegen gibt es eine Gruppe (Friedrich Schneider), die meint, dass Karl keineswegs von den Ereignissen überrascht worden sei und er mehr oder weniger selber auf die Erhebung zum Kaiser hingearbeitet habe.

Doch nicht nur die Historiker sind sich über Ziele, Motive und genaue Hintergründe nicht einig, schon die Quellen selbst zeichnen ein diffuses Bild. Für die Ereignisse, die zur Kaiserkrönung am 25. Dezember 800 in Rom führten, gibt es drei Hauptquellen, die als einigermaßen zeitgenössisch eingestuft werden können, aber keine Tatsachenberichte darstellen: Die Vita Leonis III., also das offizielle Papstbuch und somit die römische Sicht der Dinge, die fränkischen Reichsannalen, sowie die Lorscher Annalen, die auch der fränkischen Seite zuzurechnen sind und wohl vom Erzbischof Richbod von Trier verfasst wurden[1]. Die Reichsannalen sind sehr detailliert verfasst und entwerfen ein sehr positives Bild von Karl[2]. Dagegen ist die Papstvita natürlich darauf bedacht, Leo III. in das beste Licht zu rücken[3]. Aufschluss geben auch die Briefe Alkuins, dem Vertreter der fränkischen Hofschule und Abt von St. Martin[4], welche über die Geschehnisse wirklich zeitnah und eher ungeschminkt Aus­kunft geben, da diese nicht als historiographische Dokumente erstellt wurden. Eine weitere wichtige, jedoch nicht ganz zeitgenössische Quelle stellt die Vita Karolini von Einhard dar. Sie wurde zwar erst unter Ludwig dem Frommen erstellt, kann aber dennoch nicht außer Acht gelassen werden, da Einhard ein Vertrauter und Freund Karls gewesen war[5].

Die vorhandenen Quellen werfen allerdings fast mehr Fragen auf, als sie beantworten können und erlauben so unterschiedliche Interpretationen[6].

Nun zum Aufbau meiner Arbeit und der damit verbundenen Vorgehensweise. Im nächsten Kapitel gehe ich zunächst kurz auf die Zeit vor Papst Leo III. ein, d.h. auf die Entwicklung der fränkisch-römischen Beziehungen unter Papst Hadrian I.. Ich werde diesen Zeitabschnitt auf Hinweise auf die Kaiserwürde untersuchen und dabei am Rande auch auf das Verhältnis zu Byzanz eingehen. Im Hauptteil widme ich mich dann den Ereignissen ab der Wahl Papst Leos III. 795, der von Anfang an keinen allzu guten Stand in Rom gehabt haben muss. Speziell werde ich auf das (angebliche?) Attentat im Frühjahr 799 und die dadurch in Gang kommenden Geschehnisse bis Weihnachten 800 eingehen, gerade auch auf die verschiedenen Schilderungen in den jeweiligen Quellen. Besonders interessiert, von wem die Initiative für die Krönung ausging und welche Motive dahinter standen. Dazu versuche ich auch die verschiedenen vorherrschenden Meinungen in der Geschichtsforschung darzulegen. Gegen Ende komme ich dann kurz auf die Auswirkungen der Kaiserwürde zu sprechen und damit auch auf die Beziehung zum Kaisertum in Konstantinopel. Den Bilderstreit (Bilderverehrung ja/nein) lasse ich hierbei außen vor.

1. Karl der patricius Romanorum

Schon unter Papst Gregor III. (Pontifikat 731-741) begann, unter dem Eindruck des Bilderstreites[7], die Hinwendung Roms an das Frankenreich. Im Jahre 738/39 sah man sich in Rom mal wieder durch die Langobarden gefährdet, wobei der Kaiser aus Byzanz nicht ausreichend Schutz gewähren konnte, da seine Macht zurückgegangen war[8]. Folglich suchte man in Rom nach einer tatkräftigeren Schutzmacht. Einer der Nachfolger Gregors, Papst Stephan II. (752-757) erhob dann 753/54 Karls Vater Pippin III. zum `patricius Romanorum´ und machte ihn somit zum Schutzherren über Rom. Eine genaue Definition der Rechte und Aufgaben zu dieser Würde gab es aber allem Anschein nach nicht. Nach Pippins Tod gingen dieser Titel und die Schutzfunktion auf seine Söhne, Karl und Karlmann (starb 771), über[9]. In diesem Amt und mit einem gebührenden Empfang kam Karl 774, inzwischen alleiniger Herrscher im Frankenreich, zum ersten Mal nach Rom, da er gerade in Italien gegen den gemeinsamen Feind, die Langobarden unter Desiderius, gekämpft und in Juni 774 gewonnen hatte. Bei der ersten Begegnung zwischen Karl und dem Papst Hadrian I. (772-795) im selben Jahr, wurde das Schutzversprechen erneuert, zumal Karl durch den vorausgegangenen Sieg nun auch König der Langobarden war[10]. Des Weiteren wurde bei diesem, für Papst Hadrian doch überraschenden Besuch, von Karl eine Art Arbeitsteilung eingeführt, die nicht unbedingt in die Pläne Hadrians passten, der gerne einen Kirchenstaat in Italien errichtet hätte. De facto herrschte Karl über Rom und dem Papst kam die eher Rolle des Ausführenden zu, der für Gottes Segen zu sorgen hatte[11]. „[I]ndem Karl sich selbst die Königswürde der Langobarden beilegte und in zunehmendem Maße Franken zur Verwaltung und Regierung des Reiches heranzog, begann sein Königtum in eine imperiale Stellung hineinzuwachsen“[12]. Dennoch finden sich unter Hadrian kaum Hinweise, die als Vorzeichen für eine Kaiserkrönung gesehen werden könnten, denn der Papst versuchte sich zwischen Byzanz und Frankenreich zu behaupten (Münzen, Urkunden, etc.)[13].

Die Annäherung zwischen Franken und Rom, ging selbstverständlich auf Kosten des byzantinischen Einflusses im Westen. Zwar kam trotz der Auseinandersetzungen im Bilderstreit im Jahre 757 ein Freundschaftsbündnis zwischen Pippin III. und Konstantin V. zustande, doch rief die Übernahme des Langobardenreichs durch Karl einen erneuten Entfremdungseffekt hervor, der von den innenpolitischen Problemen in Konstantinopel noch zusätzlich verschärft wurde[14]. So hatte Irene ihren Sohn Konstantin VI. im August 797 geblendet und verstoßen, um die alleinige Herrschaft zu übernehmen. Konstantin starb kurz darauf an den Folgen dieser Prozedur[15].

Trotz aller Spannungen, auch wegen der erwähnten Arbeitsteilung, entwickelte sich ein freundschaftliches und vertrautes Verhältnis zwischen dem Papst und Karl. Dennoch war der Fran­kenkönig während dieses Pontifikats nur drei Mal in Rom anwesend. Karls erster Rombesuch 774 wurde ja bereits angesprochen und es folgten zwei weitere 781 und 787 je zu Ostern. Beim zweiten Besuch war auch Karls Sohn Pippin dabei, der dann vom Papst getauft und mit seinem Bruder Ludwig zum König gesalbt wurde, womit der Papst die Patenschaft über den Jungen übernahm. Mit diesen Gesten wurde die enger werdende Beziehung zwischen dem Papst und den Franken immer offensichtlicher[16]. Trotz dieser Annäherung versuchte Karl auch das Verhältnis zu Byzanz positiv zu gestalten und verabredete zur selben Zeit mit der Kaiserin Irene, die durch den frühen Tod Leons IV. auf dem Thron saß, die Kinderverlobung zwischen Konstantin IV. und seiner ältesten Tochter Rothrud. Obwohl Irene formal Mitkaiserin für ihren minderjährigen Sohn war, war sie doch eine weibliche Regentin und musste ihre Herrschaft absichern. Dieses Verlobungsversprechen, das eine de facto Anerkennung des Frankenreichs durch Byzanz war, ließ Karl dann allerdings bei seinem dritten Romzug 787 platzen und verursachte damit den offenen Bruch mit dem Kaiser in Konstantinopel[17].

Beim Tod Hadrians am 25. Dezember 795 wurde das gute Verhältnis zwischen Karl und dem Papst nochmals offenbar, denn Karl ließ eine Grabplatte mit lobender Inschrift durch Alkuin verfassen und war über das Hinwegscheiden des Papstes wahrhaft traurig[18]. „...als er vom Tod des römischen Papstes Hadrian erfuhr, den er von allen seinen Freunden am meisten geliebt hatte, weinte er so sehr, als habe er einen Bruder oder seinen liebsten Sohn verloren“[19].

2. Karl und Papst Leo III.

Schon kurz nach dem Ableben Hadrians und dem Ende des bis dahin längsten Pontifikat, war ein Nachfolger gewählt, Leo III.. Dieser stammte im Gegensatz zu Hadrian nicht aus dem römischen Adel, sondern hatte sich von unten in der Kirchenhierarchie hochgearbeitet. Allerdings sollte sich dieser Umstand für dessen Stellung in Rom und in der Kurie nicht gerade positiv auswirken[20]. Sich seiner unsicheren Position in Rom bewusst, wandte sich Leo sofort demütig an Karl, da er wusste, dass sein Pontifikat ohne den Schutz aus dem Frankenreich nicht günstig verlaufen würde. Denn die alteingesessenen Adeligen Roms, die unter Hadrian in einflussreiche Positionen aufgestiegen waren, hatten sich bereits als Opposition gegen den neuen Papst formiert: die Optimaten[21]. Karl, als König der Franken und patricius Romanorum, erhielt daher von Leo seine Wahlanzeige und die Schlüssel zum Grabe des heiligen Petrus, sowie das Banner der Stadt Rom. Doch damit nicht genug, er bot Karl auch an, dass die Römer fränkischen Missi Treueide schwören sollten[22]. Eine Geste, mit der Papst Leo Karl als patricius Romanorum anerkannte und in die Untertanenrolle schlüpfte. Trotzdem wusste auch Karl allem Anschein nach nicht so ganz, was er von `dem Neuen´ halten sollte und machte ihn gleich mit der schon unter Hadrian praktizierten `Arbeitsteilung´ bekannt[23]. Sie lautete wie folgt, Karl war der ` defensor et rector ecclesiae ´, also der Verteidiger und Lenker der Kirche, wohingegen dem Papst nur die unterstützende Rolle des betenden ` episcopus ´ zukam[24].

[...]


[1] Vgl. Kerner, Max: Karl der Große, Entschleierung eines Mythos; 2000; S. 37.

[2] Vgl. Becher, Matthias: Die Kaiserkrönung im Jahr 800; S. 1-38; in: Rhein. Vierteljahresblätter 66/2002; S. 5f.

[3] Vgl. Becher, M.: Die Kaiserkrönung; S. 12f.

[4] Vgl. Kerner, M.: Karl der Große; S. 31f.

[5] Vgl. Kerner, M.: Karl der Große; S. 19f.

[6] Vgl. Schieffer, Rudolf: Das Attentat auf Papst Leo III.; S. 75-85; in: Godman, Peter: Am Vorabend der Kaiserkrönung; 2002; S. 76.

[7] Vgl. Hägermann, Dieter: Karl der Große, Herrscher des Abendlandes; 2000; S. 131.

[8] Vgl. Becher, Matthias: Karl der Große; 2000; S. 75. und Classen, Peter: Karl der Große, das Papsttum und Byzanz, Die Begründung des karolingischen Kaisertums; 1985; S. 5.

[9] Vgl. Hauck, Albert: Kirchengeschichte Deutschlands/2; 1912; S. 71-77.

[10] Voller Titel: Carolus dei gratia rex Francorum et Langobardorum atque patricius Romanorum. Und Vgl. Classen, P.: Karl, Papsttum und Byzanz; S. 16f.

[11] Vgl. Hauck, A.: Kirchengeschichte; S. 86-90. und Classen, P.: Karl, Papsttum und Byzanz; S. 17f.

[12] Classen, P.: Karl, Papsttum und Byzanz; S. 22.

[13] Vgl. Classen, P.: Karl, Papsttum und Byzanz; S. 23.

[14] Vgl. Hägermann, D.: Karl der Große; S. 131. und Classen, P.: Karl, Papsttum und Byzanz; S. 25f.

[15] Vgl. Becher, M.: Karl der Große; S. 85.

[16] Vgl. Padberg, Lutz von: Das Paderborner Treffen von 799; S. 9-104; in: Hentze, Wilhelm (Hg.): De Karole rege et Leone papa; 1999; S. 30f. und Classen, P.: Karl, Papsttum und Byzanz; S. 28f.

[17] Vgl. Padberg, L.: Paderborner Treffen; S. 31f. und Classen, P.: Karl, Papsttum und Byzanz; S. 28-32.

[18] Vgl. Hauck, A.: Kirchengeschichte; S. 97.

[19] Einhard, Vita Karoli Magni, c. 19; lat./dt. Übers. von Evelyn Scherabon Firchow; 1995.

[20] Vgl. Hägermann, D.: Karl der Große; S. 365f.

[21] Vgl. Hauck, A.: Kirchengeschichte; S. 98.

[22] Annales Regni Francorum zu 796; in: Lautemann, Wolfgang (Hg.): Geschichte in Quellen 2; 1975; S. 69.

[23] Vgl. Padberg, L.: Paderborner Treffen; S. 43. und Classen, P.: Karl, Papsttum und Byzanz; S. 44. und Alcuini epistolae Nr. 93.

[24] Vgl. Winckler, Arthur: Die Krönung Karls des Großen zum Römischen Kaiser; 1879; S. 12. und Alcuini epistolae Nr. 93.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Kaiserkrönung Karl des Großen
Untertitel
Ein Kaiser wider Willen?
Hochschule
Universität Regensburg
Autor
Jahr
2005
Seiten
18
Katalognummer
V90502
ISBN (eBook)
9783638047814
ISBN (Buch)
9783638944212
Dateigröße
437 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kaiserkrönung, Karl, Großen
Arbeit zitieren
Petra Dutt (Autor:in), 2005, Die Kaiserkrönung Karl des Großen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90502

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