Der Einfluss von Elektro-Tretrollern im Sharing-Angebot auf das Mobilitätsverhalten der Nutzer in der Stadt Innsbruck

Ein Beitrag zur Reduktion von Treibhausgasemissionen?


Masterarbeit, 2020

121 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

Abstract

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Hintergrund und Relevanz

3. Verkehr in Österreich

4. Stadtverkehr in Österreich

5. E-Scooter in Österreich
5.1 Definition und Komponenten eines E-Scooters
5.2 Rechtliche Grundlage in Österreich
5.3 Das Sharing-System
5.4 Vorteile der E-Scooter
5.5 Kritik an E-Scootern
5.6 E-Scooter in Innsbruck

6. Fragestellung

7. Spezielle Methodik
7.1 Die quantitative Untersuchung
7.1.1 Gütekriterien der quantitativen Forschung
7.1.2 Beschreibung der Stichprobe
7.2 Das qualitative teilstrukturierte Interview
7.2.1 Gütekriterien qualitativer Forschung
7.2.2 Entwicklung des Interviewleitfadens
7.2.3 Beschreibung der Stichprobe
7.2.3 Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring
7.2.4 Ethische Aspekte der Untersuchung

8. Ergebnisse
8.1 Ergebnisse der quantitativen Untersuchung
8.2 Ergebnisse der qualitativen Untersuchung

9. Diskussion
9.1 Durch E-Scooter zurückgelegte Wege
9.2 Die Nutzer der Sharing-E-Scooter
9.3 Einfluss auf die Nutzung anderer Verkehrsmittel
9.4 Methodendiskussion

10. Fazit

11. Literaturverzeichnis

12. Anhang
12.1 Quantitative Datenerhebung: Das Anschreiben
12.2 Quantitative Datenerhebung: Der Fragebogen
12.3 Qualitative Datenerhebung: Der Interviewleitfaden
12.4 Qualitative Datenerhebung: Transkripte der Nutzerinterviews

Zur besseren Lesbarkeit ist in dieser Masterarbeit vorwiegend das generische Maskulinum in Verwendung. Alle personenbezogenen Formulierungen beziehen sich gleichermaBen auf Frauen und Manner.

Zusammenfassung

Das Erreichen der Klimaziele, zu welchen sich die Vereinten Nationen, die Europaische Union und Österreich verpflichtet haben, ist eine der wichtigsten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Sie ist essenziell um eine hohe Lebensqualitat sowie eine lebenswerte Zukunft für künftige Generationen zu schaffen. Als einer der gröBten Emittenten von Treibhausgasen weltweit ist dem Verkehrssektor besondere Aufmerksamkeit zuzuteilen. In diesem Zusammenhang wird die Elektrifizierung des Transportwesens als mögliches Werkzeug zur Reduktion der Emissionen angesehen. Ein neues Phanomen in dieser Entwicklung ist der Elektro-Tretroller oder E-Scooter. Es ist anzunehmen, dass diese junge Form der Mikromobilitat in Verbindung mit dem Trend zu Sharing-Angeboten vor allem in Ballungsgebieten einen wichtigen Beitrag zur notwendigen Verkehrswende leisten kann. Vorliegende Studie untersucht den Einsatz von E-Scootern in Innsbruck und deren Auswirkungen auf die Verkehrsmittelwahl ihrer Nutzer. Die Studie versucht insbesondere die Voraussetzungen einer möglichen Reduktion von Treibhausgasen infolge des Einsatzes von E-Scootern zu ermitteln. Durch einen mixed-methods Ansatz wurde mithilfe von 185 Fragebögen und teilstrukturierten Interviews mit zehn E-Scooter-Nutzern Daten über deren Mobilitatsverhalten gesammelt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein GroBteil der Strecken, die jetzt mithilfe von E-Scootern zurückgelegt werden, ansonsten zu FuB, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt worden waren. Nur ein kleiner Teil der Distanzen, die ursprünglich von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor gefahren wurden, wurde durch die weniger emissionsintensiven E-Scooter ersetzt. Der Einsatz von Elektrorollern tragt daher nicht signifikant zu einer direkten Reduzierung der Treibhausgase in der Stadt Innsbruck bei.

Abstract

One of the key challenges of the 21st century is the achievement of the climate goals set by the United Nations, the European Union, and Austria. It has never been more important to focus on sustainability and quality of life for future generations. It is particularly important to develop strategies to reduce emissions of some of the largest emitters of global greenhouse gases such as the transport industry. The electrification of transportation is one such way for reducing greenhouse gas emissions. The electric scooter, or e-scooter, combined with the trend towards sharing offers, has the potential to play a significant role in the required turnaround of transport, especially in conurbations. This study examines the use of e-scooters in Innsbruck and their impact on mobility behaviour of their users. In particular, the study seeks to determine prerequisites for potential reduction of greenhouse gases as a result of e-scooter use. Adopting a mixed methods approach to data collection, information about e-scooter users' mobility behaviour was gathered using 185 questionnaires and semi-structured interviews with ten e­scooter users. Special attention was paid to the difference in mobility behaviour prior and after the introduction of the e-scooter in sharing mode. The findings suggest that a vast majority of distances now covered by e-scooters would otherwise have been covered by foot, by bicycle or public transportation. Only a minor part of rides originally travelled by vehicles with internal combustion engines were substituted by the lower emitting e-scooters. Therefore, the use of electric scooters does not contribute to a direct reduction of greenhouse gases in the city of Innsbruck.

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Energieverbrauch des Verkehrs in Österreich 1990-2010

Abb. 2: Anteile der Treibhausgasemissionen in Österreich 2018

Abb. 3: Treibhausgasemissionen des Sektors Verkehr und Ziel nach Klimaschutzgesetz

Abb. 4: Die Hauptkomponenten eines E-Scooters

Abb. 5: Schritte zur Registrierung des Sharingdienstes Circ

Abb. 6: Aktuelles Modell des Anbieters Tier in Innsbruck

Abb. 7: Aktuelles Modell des Anbieters Circ in Innsbruck

Abb. 8: Geschaftsgebiet in Innsbruck

Abb. 9: Rücklaufstatistik der quantitativen Erhebung

Abb. 10: Art der zurückgelegten Wege

Abb. 11: Im Durchschnitt zurückgelegte Distanzen

Abb. 12: Altersverteilung der Nutzer

Abb. 13: Einkommen der Nutzer

Abb. 14: Nutzungsfrequenz

Abb. 15: Anderung der FuBwege

Abb. 16: Anderung der Radwege

Abb. 17: Anderung der Wege des ÖPNV

Abb. 18: Anderung des motorisierten Individualverkehrs

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Hauptverursacher der Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors

Tab. 2: Vergleich des CO2 AusstoBes von PKW zwischen Stadt und Land

Tab. 3: Analyse der Entstehungssituation der Interviews

Tab. 4: Kategoriesystem der qualitativen Untersuchung

1. Einleitung

Mobilitat bestimmt den Alltag arbeitsteiliger Gesellschaften und bildet einen Grundpfeiler der globalisierten Welt. Sie ist essenziell für soziale Teilhabe, gesellschaftlichen Fortschritt, ökonomisches Wachstum und Individualitat, welche in der Lebensführung heutiger Gesellschaften eine immer gröBere Rolle einnimmt. Mobilitat bewirkt eine Ausdifferenzierung und Vermischung von Weltanschauungen und Lebensgewohnheiten in nie vorher da- gewesener Weise. Die Freiheit der Wahl ist vor allem in Landern des globalen Nordens eines der höchsten Güter. Diese Entwicklungen ziehen veranderte Anforderungen an Mobilitatsangebote nach sich. Die Relevanz wird auch durch ökonomische Dimensionen bestatigt: Private Haushalte in der Europaischen Union investieren laut der European Commission (2016) jahrlich über eine Billion Euro in ihre Mobilitat.

Nach dem rapiden Anstieg der Motorisierung in den 1950er und 1960er Jahre führten die enormen Kosten der Erweiterung der StraBeninfrastruktur sowie der Ölpreisschock der 1970er Jahre zu einem Prozess der Einsicht. Die Endlichkeit der Energieressourcen wurde thematisiert, welche zu einer neuen Problemwahrnehmung führte. Erste Grenzen des Automobilverkehrs wurden aufgezeigt. Studien wie der Bericht des Club of Rome (1972) und die genauere Erforschung der Auswirkungen von Treibhausgasen (THG) verlangten bald nach einer Transformation des Verkehrssektors. Mobilitat und Verkehr haben unerwünschte Begleiterscheinungen. Im Kontext der Stichworte Klimawandel, Umweltbelastung und Überlastung schlagen sich diese vor allem in Larm, Ressourcen- und Flachenverbrauch sowie SchadstoffausstoB nieder. Wie in den meisten sozioökonomischen Bereichen wird auch beim Verkehr eine Kehrtwende gefordert. Die Frage nach gröBerer Effizienz und klimafreundlicheren Antriebsarten wurde in den letzten Jahrzehnten immer lauter.

In den vergangenen Jahren haben sich eine Vielzahl an Mobilitatslösungen entwickelt. Eine Umstellung der Antriebsformen, der Kraftstoffe und die Entwicklung komplett neuer Fortbewegungsmittel sind Ergebnisse dieser Möglichkeiten. Viele dieser Fahrzeuge wie Segways und Hoverboards sind trendbasierte Modeerscheinungen, andere wie E-Bikes oder E-Scooter haben sich bereits langerfristig erfolgreich am Markt etabliert. Letztere sind nun seit wenigen Jahren in Stadten weltweit verfügbar. Durch Sharing-Modelle ist es möglich E­Scooter zu nutzen, ohne sie zu besitzen. Sharing-Angebote Versprechen in der Regel einen optimierten Zugang, monetare Entlastung und eine Schonung von Ressourcen und Umwelt im Vergleich zum klassischen Privatbesitz. Wahrend sich die Hersteller und Anbieter vor allem auf die Reduktion von Treibhausgasen durch technische Evolution konzentrieren, bleibt die Frage welche Wege mit diesen neuartigen Fortbewegungsmitteln überhaupt zurückgelegt werden. In dieser Studie geht es vor allem darum zu untersuchen, ob die Nutzung von E-Scooter im Sharing-Betrieb durch ihren Einfluss auf das Mobilitatsverhalten der Nutzer zu einer signifikanten Reduktion der Treibhausgasemissionen beitragt. Eine solche Reduktion ist nur dann gegeben, wenn dieses Angebot als Substitution zu emissionsintensiveren Fahrzeugen genutzt wird. Ist dies nicht der Fall, entsteht durch den Betrieb ein MehrausstoB an klimaschadlichen Schadstoffen.

Bisher wurden aufgrund des Novums dieses Phanomens nur wenige Studien durchgeführt. Im deutschsprachigen Raum sind die E-Scooter seit Juni 2019 legal zugelassen. Erste Kurzbefragungen wie vom Bund Deutscher Unternehmensberater (2019), dem Deutschen Umweltbundesamt (2019) und Civity (2019) ergaben, dass in der Nutzung Freizeit und Tourismus im Vordergrund stehen. Diese Erhebungen fanden in einem sehr frühen Stadium dieser Erscheinung auf deutschen und österreichischen StraBen statt. Dadurch wurden die Nutzungsdaten möglicherweise durch den anfanglichen medialen Hype verzerrt. Hier knüpft diese Forschungsarbeit an. Nach der Egalisierung der starken anfanglichen Prasenz in Medien kristallisieren sich die Profile der Langzeitnutzer heraus, welche für eine Prognose der zukünftigen Entwicklung essenziell sind. Im Untersuchungsraum Innsbruck liegen zum Zeitpunkt der Verfassung dieser Arbeit keinerlei Daten über diesen Sachverhalt vor.

Um den Sinngehalt der E-Scooter im Sharing-Angebot zu erfassen, ist eine Untersuchung des Mobilitatsverhaltens der Nutzer erforderlich. Es soll untersucht werden, wie sich der Zugang zu E-Scooter auf die Verkehrsmittelwahl auswirkt und wie diese genutzt werden. Aufschlussreich ist auch die Frage inwieweit die Nutzung von E-Scootern einen Beitrag zur Reduktion der Treibhausgasemissionen leistet. Zur Generierung dieser Daten werden quantitative Methoden in Form eines Fragebogens angewandt sowie qualitative Methoden in Form von teilstrukturierten Leitfadeninterviews mit Nutzern durchgeführt.

2. Hintergrund und Relevanz

Eine der gröBten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ist die Eindammung des anthropogen verursachten Klimawandels und dem damit einhergehenden Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur. Die erfolgreiche Beschrankung dieser durchschnittlichen Erwarmung ist nur durch eine drastische Reduktion der ausgestoBenen Treibhausgase möglich. Die aktuellsten IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) - Szenarien prognostizieren einen potenziellen Anstieg der globalen Erwarmung auf bis zu 4,6 Grad Celsius im Jahr 2100 im Vergleich zu vorindustriellen Werten. Dies würde extensive und irreversible Auswirkungen auf das globale Ökosystem nach sich ziehen. Samtliche Aktionen zur effektiven Reduktion der Treibhausgase sind essenziell für die Erhaltung der Lebensgrundlage zukünftiger Generationen.

Im Dezember 2015 einigten sich auf der Pariser Klimaschutzkonferenz (COP21) erstmals 195 Lander auf ein allgemeines, weltweites Klimaschutzabkommen. Dieses wurde am 04. November 2016 von 55 Staaten die für 55 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, ratifiziert und ist somit völkerrechtlich bindend. Im Abkommen wird die Brücke zwischen aktuellen politischen Strategien und der zu erzielenden Klimaneutralitat geschlagen. Klimaneutralitat wird in einer Stellungnahme des Europaischen Parlaments (2019) folgend definiert: „Klimaneutralitat bedeutet, ein Gleichgewicht zwischen Kohlenstoffemissionen und der Aufnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphare in Kohlenstoffsenken herzustellen. Um Netto-Null-Emissionen zu erreichen, müssen alle weltweiten Treibhausgasemissionen durch Kohlenstoffbindung ausgeglichen werden.“ Die Staaten setzten sich als langfristiges Ziel den Anstieg der weltweiten Durchschnitts- temperatur auf unter 2 Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten zu senken. Als erweitertes Ziel sollte der Anstieg auf nur 1,5 Grad Celsius gesenkt werden, welcher die Folgen des Klimawandels deutlich vermindern würde. Für Anstrengungen, welche garantieren sollten, dass die globalen Emissionen in absehbarer Zeit ihren Gipfel überschreiten, wurde den Entwicklungslandern mehr Zeit eingeraumt, da eine tief greifende Umstrukturierung der Wirtschaft und Energiepolitik hin zu mehr Klimaneutralitat in diesen Nationen meist an monetaren Defiziten scheitert. Für diese Lander soll auch ein Finanzierungsplan mit einer Unterstützung von bis zu 100 Mio. US-Dollar jahrlich vorgesehen werden um potente MaBnahmen auch in strukturschwachen Gebieten voranzutreiben. Die Senkung der Emissionen soll auf Grundlage der besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse erfolgen. (Europaische Kommission für Energie, Klimawandel und Umwelt 2017a)

Dazu heiBt es im Artikel 4 des Pariser Abkommens: „ In order to achieve the long-term temperature goal set out in Article 2, Parties aim to reach global peaking of greenhouse gas emissions as soon as possible, recognizing that peaking will take longer for developing country Parties, and to undertake rapid reductions thereafter in accordance with best available science, so as to achieve a balance between anthropogenic emissions by sources and removals by sinks of greenhouse gases in the second half of this century, on the basis of equity, and in the context of sustainable development and efforts to eradicate poverty.“ (United Nations 2015: S. 4)

Für die Initialisierung derartiger Reduktionen haben die Lander umfassende nationale Klimaschutzplane (nationally determined contributions, NDC) entworfen. Bei Abschluss des Pariser Abkommens war bereits bekannt, dass die NDCs insgesamt nicht ausreichend ambitioniert sind, um die Temperatur-Ziele einzuhalten. Die USA haben das Abkommen am 04. November 2019 aufgrund angeblicher Nachteile für Arbeitnehmer, Unternehmen und Steuerzahler ihrerseits aufgekündigt. (Europaische Kommission für Energie, Klimawandel und Umwelt 2017b)

Der Verkehrssektor verursacht die Treibhausgase Kohlenstoffdioxid, Methan und Lachgas. Der StraBenverkehr ist für 17,94 % (Stand 2015) des globalen CO2-AusstoBes verantwortlich. Somit ist er ein wichtiger Faktor in der notwendigen Senkung der Emissionen. In der Europaischen Union ist der Verkehr für fast 30 % der CO2 Emissionen verantwortlich, wovon 70 % auf den StraBenverkehr fallen. Damit liegt der Anteil am GesamtausstoB der EU bei ca. 21 %. (Statista 2020)

Die aktuelle Klimastrategie der Europaischen Union gliedert sich in zwei Hauptkapitel: Zum einen in den Rahmen der Klima- und Energiepolitik für den Zeitraum 2021 bis 2030 und zum anderen in die langfristige Strategie - Zeithorizont 2050, in welcher die Ziele bis 2050 festgesetzt werden. Die zentralen Ziele bis 2030 wurden vom Europaischen Rat im Oktober 2014 angenommen und lauten:

1. Senkung der Treibhausgasemissionen um mindestens 40 % (gegenüber 1990)
2. Erhöhung des Anteils der Energie aus erneuerbaren Quellen auf mindestens 32 %
3. Steigerung der Energieeffizienz um mindesten 32,5 %

Alle drei Hauptziele sind eng mit dem Verkehrssektor verbunden. Auch im Reinbetrieb emissionslose Verkehrsmittel wie Elektro- oder Wasserstofffahrzeuge stoBen durch ihre Nutzung Treibhausgase aus. Eine klimafreundliche Fortbewegung ist nur gegeben, wenn die Energie zur Produktion, zum Betrieb und der Herstellung des Treibstoffes emissionsfrei erzeugt wird. (Europaische Kommission für Energie, Klimawandel und Umwelt 2017b)

Die langfristige Strategie - Zeithorizont 2050 ist eine Verlangerung, Erganzung und Weiterführung der Ziele 2021 - 2030. Am 28. November 2018 wurde durch die Europaische Kommission die strategische Version für die Entwicklung zu einer wohlhabenden, modernen, wettbewerbsfahigen und klimaneutralen Wirtschaft für den Zeitraum bis 2050 vorgelegt. Die Klimaneutralitat soll unter anderem durch die effiziente Investition in realistische technologische Lösungen im Bereich der Mobilitat erfolgen. Die Europaische Union verpflichtet sich die Treibhausgase bis 2050 um 80 - 95 % gegenüber dem Niveau von 1990 zu verringern. Dieser Beschluss wurde in Abstimmung mit den Empfehlungen des Weltklimarats (IPCC) geschlossen. Mit diesem Abkommen bekennt sich Europa zur Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen und besetzt eine Vorreiterposition unter den groBen Wirtschaftsregionen der Welt. Auf ökonomischer Ebene wird dieses Ziel als eine rentable Investition in die Zukunft beschrieben. Vorausschauende und nachhaltige Planung sowie die gezielte Förderung technologischer Lösungen und die damit einhergehende Öffnung neuer Wirtschaftszweige sollen die Gestaltung einer lebenswerten Zukunft ermöglichen. Diese zukunftsorientierte Strategie ist ökonomisch nachhaltiger als spater durch teure ReparaturmaBnahmen auf die Folgen des Klimawandels zu reagieren. Dies würde zu hohen monetaren, ökologischen und auch sozialen Mehrkosten führen. Das Ziel der Netto-Null-Emissionen haben bisher nur drei EU-Mitgliedsstaaten rechtlich verankert: Schweden möchte die Klimaneutralitat bis 2045 erreichen, Frankreich und das Vereinigte Königreich (zu diesem Zeitpunkt noch EU-Mitglied) bis 2050. (BMU 2019)

Die aktuelle Strategie der österreichischen Energie- und Klimapolitik wurde durch das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus sowie dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie veröffentlicht und unter dem Terminus „#mission 2030“ veröffentlicht. Diese greift Aspekte des Pariser-Übereinkommens von 2015 und der Klimastrategie der Europaischen Union auf und erstellt daraus einen nationalen Handlungsplan. Das erste Kapitel öffnet mit den Worten:

„Österreich bekennt sich zu den internationalen Klimazielen und zu einer aktiven Klimaschutz- und Energiepolitik. Zentrales Ziel der Klimapolitik der Bundesregierung ist die Reduktion von Treibhausgasemissionen. Österreich wird seine Treibhaus- gasemissionen bis 2030 um 36 % gegenüber 2005 reduzieren. Dafür ist eine koordinierte, abgestimmte Klima- und Energiepolitik notwendig, die die Balance zwischen ökologischer Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfahigkeit/Leistbarkeit und Versorgungssicherheit jetzt und in der Zukunft gewahrleistet. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung als eine ihrer ersten wichtigen MaRnahmen die Erstellung einer integrierten Klima- und Energiestrategie beschlossen, um damit Verantwortung für einen konsequenten Dekarbonisierungspfad bis 2050 zu übernehmen.“ (BMNT & BMVIT 2018: S. 6)

Diese Ziele der #mission2030 sind eng miteinander verbunden und können nur durch effizientes Zusammenarbeiten der unterschiedlichen Akteure erreicht werden. Hierbei wird das Thema Verkehr besonders hervorgehoben. Demnach beabsichtigen die Ministerien im Bereich der Mobilitat in den kommenden Jahren verstarkte Akzente zu setzen, da in diesem Sektor neben der Raumwarme aktuell das gröBte Reduktionspotenzial von Treibhausgasen zu finden ist. Die Mobilitat und deren Begleiterscheinungen spielen somit eine zentrale Rolle im Gefüge der globalen-, europaischen- und nationalen Klimastrategien und bedürfen starker Aufmerksamkeit. Diese Forschungsarbeit soll einen Beitrag zu einer potenziellen Reduktion der THG-Emissionen und damit den umweltpolitischen Zielen von UN, EU und Österreich leisten.

3. Verkehr in Österreich

Die aktuelle Verkehrspolitik zum Erreichen einer effizienten Mobilitatswende folgt in Österreich wie auch in anderen Landern den Hauptprinzipien Vermeiden - Verlagern - Verbessern:

- Vermeiden von nicht unbedingt erforderlichen Verkehren (Leerfahrten, Raumordnung, etc.)
- Verlagern auf effiziente Verkehrstrager wie öffentlicher Verkehr, Fahrrad oder zu FuB gehen
- Verbessern der eingesetzten Technologien mit dem Ziel einer Verlagerung auf alternative

Kraftstoffe und Strom aus erneuerbaren Energien

Die Thematik dieser Forschungsarbeit siedelt sich in allen Punkten an. E-Scooter stellen ein technologisches Novum dar und bieten eine Möglichkeit den bestehenden motorisierten Individualverkehr (MIV) auf sich zu verlagern. Der Vermeidung nicht erforderlicher Fahrten steht eine Untersuchung der zurückgelegten Wege voran, um diese zu identifizieren. Im folgenden Teil der Arbeit werden zentrale Bereiche des Verkehrs in Österreich herausgearbeitet. Damit wird die Relevanz des Themenbereichs akzentuiert. Der Verkehrssektor in Österreich ist aktuell der mit Abstand gröBte Energieverbraucher und belegt im Ranking der Treibhausgasemittenten nach der mit ihm eng verbundenen Energiewirtschaft den zweiten Platz. Wie in Abbildung 1 dargestellt, hat sich der Energieverbrauch des Verkehrs von 1990 bis 2018 um über 52 % von 209 auf 401 Petajoule gesteigert. Das entspricht dem Aquivalent von etwa 9.577.720 Tonnen Rohöl. Zum Vergleich: In Deutschland verbrauchte laut Agora Verkehrswende (2017) der Verkehrssektor 2016 nur 10 % mehr Endenergie als 1990. Die Treibhausgasemissionen stiegen laut Umwelt- bundesamt (2019b) im gleichen Zeitraum um 71,8 %. Aktuell bezieht der Kfz-Verkehr in Österreich 90 % seiner Energie aus Erdöl. Der Einbruch im Jahr 2005 ist laut Umweltbundesamt (2019b) auf die Substitutionsverpflichtung fossiler Kraftstoffe durch Biokraftstoffe gemaB der Kraftstoffverordnung (BGBl. II Nr. 398/2012) zurückzuführen. Die schwache wirtschaftliche Konjunktur war für die leichte Regression in den Jahren 2008 und 2009 verantwortlich. (Statistik Austria 2020a)

Der Absatz von Biokraftstoffen ist 2016 erstmals massiv eingebrochen. Durch die Verwendung von Biokraftstoffen im Verkehrssektor können direkte Emissionen reduziert beziehungsweise vermieden werden. GemaB internationaler Berechnungslogik entstehen bei der Verbrennung von biogenen Kraftstoffen keine CO2-Emissionen. Vereinfacht wird davon ausgegangen, dass die Biomasse, aus der die Kraftstoffe erzeugt werden, wahrend des Wachstums dieselbe Menge an Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphare entzieht, wie bei der Verbrennung des Kraftstoffes freigesetzt wird. Wahrend des Anbaus der Biomasse, des Transports der Zwischenprodukte und der Raffinerie fallen zwar Emissionen an, da diese jedoch herstellungsbedingt sind, werden sie anderen Sektoren zugeordnet und schlagen sich somit nicht auf die Berechnung nieder. Das in der Kraftstoffverordnung festgesetzte Substitutionsziel von 5,75 % Anteil am Energieinhalt des in den Verkehr gebrachten Treibstoffes wurde 2017 mit 6,1 % nur knapp übertroffen. Dadurch konnten (2017) rund 1,55 Mio. Tonnen CO2-Aquivalent durch den Einsatz von Biokraftstoffen im Verkehrssektor eingespart werden. (Umweltbundesamt 2019b)

Energieverbrauch des Verkehrs in Österreich 1990-2018

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Energieverbrauch des Verkehrs in Österreich 1990-2018

Quelle: http://www.statistik.at/web_de/statistiken/wohlstand_und_fortschritt/ wie_gehts_oesterreich/umwelt/04/index.html (Letzter Aufruf: 01.05.2020)

Wahrend 1990 noch Haushalte und Industrie die führenden Energieverbraucher waren, ist es heute der Verkehr. Der Kfz-Verkehr benötigt aktuell 88 % der Gesamtverkehrsenergie, der nationale und internationale Flugverkehr 9 % und Bahn- und Schiffsverkehr schlagen mit 3 % zu Buche. Die Gründe für den extrem hohen Energieverbrauch im Kfz-Bereich liegen im verstarkten Personenverkehr durch die zunehmende Zersiedelung, im sinkenden Besetzungsgrad der Kfz und in der Infrastrukturpolitik der letzten Dekaden. Diese hat einen Ausbau der StraBen massiv vorangetrieben, wahrend das Schienennetz insgesamt reduziert wurde. Beim Personen- und Gütertransport dominieren nach wie vor die emissionsintensiven Transportmittel LKW und PKW. Der Erfolg der Energiewende ist stark von dem Erfolg der Verkehrswende abhangig. VCÖ- (Verkehrs Club Österreich) Expertin Ulla Rasmussen erlautert: „Wir brauchen dringend MaRnahmen auf drei Ebenen: Erstens den Verkehrs- aufwand reduzieren, zweitens Verkehr auf klimavertragliche Mobilitatsformen verlagern und drittens den Energieverbrauch der eingesetzten Verkehrsmittel reduzieren. Wir müssen mit weniger Energieeinsatz weiter kommen“. (Verkehrsclub Österreich 2019: o. S.)

Der Verkehrssektor verursacht die Treibhausgase Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O) aus StraBen-, Schienen-, Wasser- und Luftverkehr. Abbildung 2 zeigt die Gesamtverteilung der Treibhausgasemittenten in Österreich im Jahr 2018. Österreich tragt im Zuge des Klima- und Energiepaketes der Europaischen Union die Zielsetzung mit bis 2030 die Treibhausgasemissionen um 40 % gegenüber dem Niveau des Jahres 1990 zu senken und zugleich die Energieeffizienz um 32,5 % zu verbessern. Die Klimaschutzziele für 2020 wurden bereits deutlich verfehlt. Die Energiewendepolitik hat im Verkehrsbereich bezüglich Dekarbonisierung wenig erreicht. Der Energieverbrauch steigt nach wie vor an, der KohlenstoffdioxidausstoB stagniert auf hohem Niveau und die Abhangigkeit von Mineralöl nimmt zu. Alternative Antriebsstoffe und Technologien konnten sich bisher noch nicht durchsetzen. (Europaische Kommission für Energie, Klimawandel und Umwelt 2017b)

Treibhausgasemittenten in Österreich 2018

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.2: Anteile der Treibhausgasemissionen in Österreich 2018

Quelle: https://de.statista.com/themen/5119/treibhausgasemissionen-in-oesterreich/ (Letzter Aufruf: 12.02.2020), eigene Darstellung

Im Jahr 2017 wies der Verkehr in Österreich insgesamt Treibhausgasemissionen von etwa 23,7 Mio. Tonnen CO2-Aquivalent auf und stieg im Vergleich zu 2016 um 2,9 % (+0,7 Mio. Tonnen CO2-Aquivalent). Ohne den nationalen Flugverkehr belaufen sich die Gesamt- emissionen auf 23,6 Mio. Tonnen CO2-Aquivalent. Verantwortlich für den Anstieg ist der erhöhte Absatz von fossilen Brennstoffen. Im Vergleich zum Vorjahr 2016 stieg der Anteil der Dieselkraftstoffe um 2,9 % (inklusive der Beimischung von Biokomponenten nach Kraftstoffverordnung). Der Anteil von Benzin sank um 1,2 %. Damit hat sich der Trend zur Senkung der THG-Emissionen zwischen 2005 und 2012, wie in Abbildung 2 dargestellt, egalisiert. Laut Statistik Austria (2020b) lassen zudem die vorlaufigen Treibstoff- Absatzzahlen der österreichischen Mineralölwirtschaft für 2018 und 2019 einen weiteren Anstieg der Treibhausgasemissionen aus dem Verkehrssektor erwarten. Verlassliche Daten über diese Jahre liegen zu diesem Zeitpunkt nicht vor. Jedoch zeigt sich bei den Statistiken der Neuzulassungen ein leichter Anstieg des Anteils der elektrischen PKW sowie der Plug-in Hybrid PKW. Die spezifischen CO2-Emissionen je Kilometer von neu zugelassenen Diesel- Pkw steigen zum ersten Mal seit 2006 wieder an (+1,8 g/km). Die sektorale Höchstmenge nach dem Klimaschutzgesetz für das Jahr 2017 wurde im Verkehr so wie bereits im Jahr zuvor erneut überschritten. (Umweltbundesamt 2019b)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Treibhausgasemissionen des Sektors Verkehr und Ziel nach Klimaschutzgesetz

Quelle: Umweltbundesamt 2020, Klimaschutzbericht 2019, S.103

Insgesamt wurden in Österreich 2018 rund 102 Milliarden Personenkilometer zurückgelegt. Darin enthalten sind motorisierter Individualverkehr, öffentlicher Verkehr und nicht motorisierter Verkehr. Immer mehr Österreicher verfügen über eigene Kfz und nutzen diese auch für den GroBteil ihrer Wege. Derzeit werden 73 % der Personenverkehrsleistung mit dem motorisierten Individualverkehr (MIV) erbracht. Weitere 24 % entfallen auf öffentliche Verkehrsmittel sowie 3 % auf FuB- und Radwege. (BMVIT 2018)

Die gesamte Fahrleistung des Pkw- und Güterverkehrs ist im Inland von 2016 auf 2017 um etwa 2 % gestiegen. Die Pkw-Kilometer sind seit 1990 um 74 % gestiegen und die anteiligen Personenkilometer im Pkw um 47 % auf etwa 83 Milliarden im Jahr 2018. Hauptgrund ist die Verminderung des Besetzungsgrades der Kfz von 1,4 in 1990 auf 1,1 im Jahr 2017. Der StraBenverkehr emittiert einen Anteil von ca. 28 % des gesamten nationalen Treibhausgas- ausstoBes. Der Personenverkehr ist dabei anteilig für 18 % verantwortlich und der StraBengüterverkehr für 10 %. Die restlichen Emissionen tragen Bahn-, Schiff- und nationaler Flugverkehr sowie militarische Fahrzeuge, die in der Statistik nicht als Personenverkehr erfasst werden. Insgesamt beansprucht der StraBenverkehr 99 % der Emissionen des Verkehrssektors. Genaue Werte und Verteilungen sind aus Tabelle 1 zu entnehmen. Die Emissionsberechnungen des StraBenverkehrs basieren in der öster- reichischen Luftschadstoff-Inventur (OLI) auf der im Inland verkauften Treibstoffmenge. Kraftstoffmengen welche über nationale Grenzen verschoben werden (und damit auch deren Emissionen) werden aus der Differenz zwischen Kraftstoffabsatz in Österreich und dem berechneten Inlandsverbrauch ermittelt. Der Inlandsverbrauch wird auf Basis der Fahrleistungen, also den Kfz-Kilometern ermittelt. Diese Methodik ist essenziell um den Kraftstoffexport miteinzubeziehen. In Österreich ist der Kraftstoffexport aufgrund der Unterschiede im Preisniveau zu seinen Nachbarlandern im Jahr 2017 um etwa 500 % höher als 1990 und somit ein wichtiger Faktor. (Umweltbundesamt 2019b)

Verursacher der THG-Emissionen des Verkehrssektors

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Hauptverursacher der Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors (in 1.000 t CO2-Aquivalent)

Quelle: Umweltbundesamt 2019, S.104, eigene Bearbeitung

Pro Werktag werden in Österreich rund 27 Mio. Wege zurückgelegt. Für den GroBteil der Wege wird der Pkw genutzt, 48 % fahren selber, 10 % sind Mitfahrer. 24 % fahren mit dem Fahrrad oder gehen zu FuB und 18 % nutzen die öffentlichen Verkehrsmittel. (BMVIT 2012)

Neben den klimarelevanten Auswirkungen, ist der Verkehrssektor auch im Zusammenhang mit Luftschadstoffen wie Feinstaub, Larm, Flachenverbrauch, Zerschneidung von Ökosystemen und Unfallrisiko relevant. Laut WHO (2011) liegt Larmemission nach Luftverschmutzung an zweiter Stelle der Umweltprobleme in Europa. In einer Umfrage der Statistik Austria (2011) gaben 40 % der in Österreich lebenden Menschen an, dass sie sich durch Larm gestört fühlen. Folgen davon sind subjektiv empfundene Larmbelastigung, Schlafstörungen, Tinnitus, Bluthochdruck, koronare Herzkrankheiten, kognitive Störungen bei Kindern und Schlaganfalle. Die Europaische Umweltagentur (2019) geht allein in Österreich von 5.300 vorzeitigen Todesfallen durch Feinstaub und etwa 100 durch Stickstoffdioxide (NO2) aus. AuBerdem ist Stickstoffdioxid für die Eutrophierung (Überdüngung) und Versauerung von Gewassern und Böden mitverantwortlich. Faktoren wie Luftschadstoffe, Larm und Entwertung von Immobilien in Folge von starker Verkehrsbelastung kosten den österreichischen Steuerzahler jahrlich etwa 5 Milliarden Euro. In Deutschland liegt dieser Wert laut dem Umweltbundesamt (2016) bei etwa 52,2 Milliarden Euro in 2014. Diesen Problematiken können alternative Mobilitatsformen entgegensteuern. So ist beispielsweise die Larmbelastung durch Elektrofahrzeuge vor allem bei niedrigen Geschwindigkeiten deutlich geringer als bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. (Umweltbundesamt 2018a)

Der Platzverbrauch des motorisierten Individualverkehrs (MIV) steigt durch den Trend zu gröBeren Fahrzeugen und der Senkung des Besetzungsgrades. Dieser Platzverbrauch ist vor allem in Agglomerationsgebieten ein zunehmendes Problem. Der tagliche Flachenverbrauch in Österreich betrug in der Periode zwischen 2016 und 2018 ca. 11,8 ha/ Tag. Damit liegt er sehr deutlich über dem Reduktionsziel der Strategie für nachhaltige Entwicklung von 2,5 ha/Tag. Im Jahr 2018 lag der tagliche Verbrauch bei 10,5 ha wovon 5,4 ha für Bauflachen genutzt wurden und 4,7 ha für Betriebsflachen. Weitere 0,4 ha entfallen auf Erholungs- und Abbauflachen. Die Zunahme der Verkehrsflachen lag in diesem Jahr bei 1,1 %. Der Flachenverbrauch konnte seit 2014 von 19,1 ha/Tag jahrlich verringert werden. Die damit einhergehende extensive Bodenversiegelung hat den Verlust biologischer Funktionen, die Gefahrdung biologischer Vielfalt, ein erhöhtes Hochwasserrisiko sowie den Verlust von Staubbindung und einen Erwarmungseffekt, besonders in stadtischen Gebieten durch sogenannte „Heat Islands” zur Folge. (Umweltbundesamt 2018b)

Auch derartigen Entwicklungen wollen Anbieter von Mikromobilitatslösungen mit einer Reduktion der benötigten Flache durch kleinere Fahrzeuge und intelligenten Park- und Sharing-Systemen entgegenwirken.

AuBerdem birgt der Verkehr auch eine direkte Gefahrdung von Menschenleben. Im Jahr 2018 gab es auf Österreichs StraBen 46.525 Verletzte und 409 Todesfalle. Davon entfielen 321 und somit 78,5 % auf den motorisierten Individualverkehr. (Statistik Austria 2020d)

4. Stadtverkehr in Österreich

Ein strategischer Kernpunkt der notwendigen Mobilitatswende liegt im multimodalen Mobilitatsverhalten im Alltag. Darunter wird die sinnvolle Verknüpfung verschiedener Verkehrsmittel verstanden. Dies ist insbesondere im stadtischen Gebiet relativ gut umsetzbar. In diesen Raumen besteht ein engmaschiges Infrastrukturnetz, wodurch die Voraussetzungen für eine klimaschonende Mobilitat und einen CO2-freien Gütertransport besser sind als in peripheren Regionen. Ein weitmaschiges Infrastrukturnetz in Verbindung mit hohem Zersiedlungsgrad wie es oft im landlichen Raum zu finden ist, führt in der Regel zu einem höheren Motorisierungsgrad. Laut Statistik Austria (2020c) lebten im Jahr 2018 von allen Bewohnern Österreichs 58,3 % in Stadten. Pro Werktag werden 27 Mio. Wege zurückgelegt. Davon entfallen 53,0 % auf Wege innerhalb der Gemeinde beziehungsweise Stadtgrenzen und gelten als sogenannte „Binnenwege“. Zur Erreichung der Klimaziele ist daher eine Reformierung des Stadtverkehrs unabdingbar. Ein zentraler Begriff für das Verstehen der Verkehrsbelastung ist der sogenannte „Modal Split“. Dieser beschreibt die Verkehrsmittelwahl im Personenverkehr und hangt vom Verkehrsangebot und ökonomischen Entscheidungen der Unternehmen und Nutzer ab. Dieser wird in der Regel durch Verkehrszahlungen oder Befragungen erhoben. Hier zahlen Wege die zu FuB, per Rad, per ÖPNV oder mit emissionsarmen Fortbewegungsmitteln wie Elektro- oder Wasserstoff- fahrzeugen zurückgelegt werden als klimafreundlich. Dem gegenüber steht der motorisierte Individualverkehr, welcher mit einer hohen Emissionsintensitat verbunden ist. Damit Stadte eine Verbesserung der Lebensqualitat erreichen und dennoch ein attraktiver Wirtschafts- standort bleiben, muss das Angebot an umweltschonenden Mobilitatsangeboten ausgebaut werden. Fast alle österreichischen Landeshauptstadte haben hierzu Verkehrskonzepte erstellt, um den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren, den öffentlichen Verkehr zu starken und neue umweltfreundliche Mobilitatsformen zu fördern.

Nachstehende Tabelle 2 zeigt den Vergleich des CO2 AusstoBes verschiedener PKW- Klassen zwischen Stadt- und Landverkehr in Kilogramm pro 100 Kilometer um die Dimension des CO2 AusstoBes in Stadten zu verdeutlichen. Diese Daten wurden in Deutschland erhoben.

Vergleich des CO2 AusstoBes von PKW im Stadt- und Landverkehr

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 2: Vergleich des CO2 AusstoRes von PKWzwischen Stadt und Land

Quelle: https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/kraft-betriebsstoffe (Letzter Aufruf: 10.05.2020), eigene Darstellung

Berechnet man nun auf dieser Datengrundlage den prozentualen Anteil der CO2-Emissionen des PKW-Stadtverkehrs kommt man auf einen MehrausstoB von etwa 32,7 % gegenüber dem Verkehr auf der LandstraBe. Dies hangt vor allem mit dem vermehrten Anfahren, Bremsen und Stehen im Motorbetrieb im Stadtverkehr zusammen. Dieser verstarkte CO2- AusstoB kompensiert somit wiederum einen Teil der Einsparungen durch einen verringerten Motorisierungsgrad in den Stadten im Vergleich zu peripheren Gebieten.

In den Stadten ist neben der THG- und Feinstaub-Belastung der Flachenverbrauch ein zentraler Problemfaktor. In Agglomerationsraumen ist Flache eine sich zunehmend verknappende Ressource. Wohn-, Wirtschafts-, Erholungs- und Verkehrsflachen stehen zueinander in Konkurrenz und fordern nachhaltige Plane zur flexiblen Nutzung. Ein GroBteil der europaischen Stadte ist nach wie vor auf das Auto als Hauptverkehrsmittel ausgelegt. Im Folgenden werden einige Vergleichswerte im Flachenverbrauch unterschiedlicher Verkehrsmittel aufgezeigt. Eine StraBenbahn beansprucht stehend eine Flache von ca. 85 m2 und transportiert zu den Hauptverkehrszeiten im Durchschnitt 145 Menschen.

Dieselbe Anzahl an Menschen wie 124 PKW (durchschnittlicher Besetzungsgrad in Stadten 1,2 Personen / PKW) welche stehend eine Flache von etwa 950 m2 benötigen. Darüber hinaus brauchen diese weitere Flachen im ruhenden Zustand. Angenommen 50 Personen legen eine beliebige Strecke zu FuB zurück, dann benötigen diese dafür ca. 50 m2. Mit einem Bus werden ca. 70 m2 und mit einer StraBenbahn bei Vollbesetzung etwa 60 m2 benötigt. Bei durchschnittlich besetzen PKW benötigen dieselbe Anzahl an Menschen ca. 2375 m2. Selbst bei Vollbesetzung waren es noch immer um die 610 m2 StraBenflache. Für das Verkehrsmittel E-Scooter werden ahnlich wie beim Fahrrad etwa 580 m2 Flache in Anspruch genommen. Der Flachenverbrauch des ruhenden Verkehrs ist hierbei nicht berücksichtigt. Für eine vollstandige Erhebung und Vergleichbarkeit ist auch die zeitliche Inanspruchnahme von Flachen miteinzubeziehen. Faktoren sind hierbei die genutzte Flache multipliziert mit der Zeit, in welcher sich das jeweilige Verkehrsmittel im öffentlichen Raum befindet. Öffentliche Verkehrsmittel gelten somit als effizient und platzsparend. Die Inanspruchnahme von Sharing-Angeboten tragt durch die geteilte Nutzung zu einer Entlastung des Flachen- verbrauchs im ruhenden Verkehr bei. E-Scooter stehen ausschlieBlich im öffentlichen StraBenraum und beanspruchen diesen daher 24 Stunden taglich. (VCÖ 2016)

5. E-Scooter in Österreich

Im Herbst 2017 startete der erste Sharing-Anbieter für E-Scooter im US-amerikanischen Santa Monica, Kalifornien. Seitdem ist das Wachstum des Leihrollermarktes enorm. Innerhalb kürzestes Zeit nahmen eine ganze Reihe von Unternehmen aus verschiedenen Landern Kapital auf um weltweit zu expandieren. Die Wachstumsprognosen für den Markt überschlagen sich und reichen laut McKinsey & Company (2019) bis in den dreistelligen USD-Milliardenbereich. Der Anbieter BIRD konnte sogar binnen kürzester Zeit den sogenannten „Unicorn-Status “ erreichen. „Unicorns“ sind laut Gabler Wirtschaftslexikon (2020) Start-Up Unternehmen mit einer Marktbewertung von über 1 Milliarde US-Dollar vor dem Börsengang. Es ist auch eines der am schnellsten wachsenden Unternehmen weltweit. Insgesamt haben Stakeholder seit 2015 mehr als 5,7 Milliarden US-Dollar in Mikromobilitat- Start-Ups investiert. Leihsysteme mit E-Scootern sind inzwischen in vielen Metropolen in Asien, Nord- und Südamerika, Australien und Europa etabliert. Der Markt für Leihroller ist somit ein weitreichender und lukrativer Markt, in welchen viele Teilnehmer drangen. Erste Übernahmen von konkurrierenden Firmen zeigen jedoch auch, dass sich aus diesen nur eine geringe Zahl langfristig gewinnbringend etablieren wird. Aktuell sind E-Scooter in den USA, Frankreich, Deutschland, Belgien, Schweiz, GroBbritannien, Spanien, Portugal, Polen, Schweden, Israel, Danemark, Italien und Österreich verbreitet und verzeichnen stetigen Zuwachs.

5.1 Definition und Komponenten eines E-Scooters

Um Unklarheiten zu vermeiden, wird in diesem Abschnitt der Begriff E-Scooter definiert und von anderen Mikromobilitatsformen abgegrenzt. Am Anschluss werden Aufbau sowie die wichtigsten technischen Komponenten dargelegt.

E-Scooter, E-Tretroller oder Elektro-Tretroller sind Elektrokleinstfahrzeuge. In dieser Arbeit wird primar der Terminus E-Scooter verwendet. Sie ahneln in Form und Aussehen gröBtenteils einem klassischen Tretroller, welcher durch Muskelkraft betrieben wird. Der Begriff E-Scooter wird im erweiterten Umfeld auch für Elektromobile oder Elektromotorroller verwendet, welche in dieser Arbeit jedoch nicht behandelt werden. Elektrisch betriebene Klein- und Miniroller zahlen laut StVO zu „Kleinfahrzeugen, vorwiegend zur Verwendung auRerhalb der Fahrbahn “. Sie sind für die Überbrückung kurzer Entfernungen im urbanen Raum konzipiert, der sogenannte „letzten Meile“. Darunter versteht man im Personenverkehr die Distanz von Endhaltestellen bis zur Haustür bzw. dem Endziel des Beförderten. Verschiedene Arten von E-Scootern sind bereits seit den frühen 2000er Jahren für den privaten Erwerb verfügbar. Die legale Nutzung im öffentlichen StraBenverkehr in Österreich wurde jedoch erst durch die 31. Novelle der StVO ermöglicht, welche im Kapitel 5.2 Rechtliche Grundlage in Österreich genauer erlautert wird. Neben den privaten Rollern sind in vielen Stadten Sharing-E-Scooter von Verleihfirmen verfügbar (siehe Kapitel 5.3 Das Sharing-System). Samtliche E-Scooter im Sharing-Angebot sind gesetzlich einer Bauarthöchstgeschwindigkeit von maximal 25 km/h und einer Motorleistung von maximal 600 Watt unterworfen. (Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilitat, Innovation und Technologie 2019)

Aufbau eines E-Scooters

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Die Hauptkomponenten eines E-Scooters

Quelle: https://elektro-scooter.co (Letzter Zugriff: 02.03.2020), eigene Bearbeitung

Die E-Scooter bestehen aus Stahl, Aluminium, Kunststoff und teilweise Carbon und haben zwei Rader mit einem Durchmesser zwischen 15 und 30 Zentimeter. Die meisten Sharing-E- Scooter sind mit Vollgummireifen ausgestattet. Diese weisen in der Regel eine höhere Lebensdauer auf als Schlauch- oder Kunststoffreifen. Teilweise verwenden Anbieter auch Luftkammerreifen, welche die Bestandigkeit von Vollgummireifen und den Fahrkomfort von Schlauchreifen kombinieren. Neue Modelle verfügen über eine Doppelfederung am Vorderrad. Über der Vorderachse ist wie bei herkömmlichen Tretrollern der Lenker montiert an welchem Licht, Klingel, Bremsen und vor allem bei neueren Modellen, eine Haltevorrichtung für Mobiltelefone befestigt ist. Teilweise sind die E-Scooter mit einer klassischen Trittbremse am Hinterreifen ausgestattet, teilweise auch mit zwei Bremshebeln am Lenker. Zwischen den Achsen befindet sich das Trittbrett, welches oft mit Gummimatten ausgelegt ist, um dem Fahrer mehr Standgriffigkeit zu ermöglichen. Das Gewicht betragt je nach Ausführung zwischen 20 und 23 Kilogramm.

Der Antrieb besteht aus einem einfachen elektromechanischen Wandler, welcher durch gegenseitige Anziehungs- und AbstoBungskrafte stromführender Magnetspulen elektrische in mechanische Leistung umsetzt. Dieser sitzt bei nahezu allen Sharing-Modellen im Vorderrad des E-Scooters. Durch den sich daraus ergebenden Vorderradantrieb soll dem Benutzer ein möglichst einfacher Einstieg in den Gebrauch ermöglicht werden und die Bodenhaftung durch Gewichtsverteilung maximieren, um ein Durchdrehen der Reifen beim Anfahren zu verhindern. Der Nutzer muss durch klassisches Antreten eine Geschwindigkeit von 6 km/h erreichen bevor er durch den Gashebel den Elektromotor starten kann. Diese Vorrichtung soll Unfalle durch unkontrolliertes Starten vermeiden. (Böcker 2018)

Ein wichtiger Faktor für die Qualitat ist die Reichweite der E-Scooter, welche von der Ladekapazitat der Batterie abhangt. Seit der Kommerzialisierung Anfang der 1990er Jahre gilt die Lithium-Ionen Batterie als effizientester Energiespeicher. Lithium-Akkumulatoren sind etwa 60 % kleiner als vergleichbare Nickel-Cadmium-Speicher und weisen daher eine viel höhere Energiedichte auf. Diese Art weist auch eine geringere Selbstentladung als andere elektrische Energiespeicher auf. Weitere Vorteile sind die hohe Zyklenlebensdauer (ein Zyklus ist das vollstandige Aufladen eines Akkumulators und das anschlieBende Verbrauchen der Energie bis zum Wiederaufladen) und eine beliebige Unterbrechung des Ladevorgangs. AuBerdem weisen Lithium-Ionen Batterien keinen Memory-Effekt auf. Darunter versteht man das Anpassen der Akkumulatoren an den Laderhythmus. So kann beobachtet werden, dass Nickel-Cadmium-Batterien nach einer gewissen Anzahl an Ladezyklen nur noch so viel Energie zur Verfügung stellen bis der nachste Ladezyklus beginnt. Die verbauten Batterien haben bei ca. 12,5 Amperestunden eine durchschnittliche Ladezeit von etwa 2,5 Stunden. Die Ladekapazitat betragt zwischen 0,3 bis 0,5 Kilowattstunden. Laut Hersteller betragt die Reichweite je nach Einflussfaktoren wie Temperatur, Fahrstil und Gelande an die 30 bis 40 Kilometer. Tests unter Realbedingungen ergeben eine Reichweite um die 30 Kilometer. Die Lebensdauer der Batterien ist laut Umweltbundesamt (2014) dem der E-Pedelec-Batterien gleichzusetzen und betragt etwa 1000 Ladezyklen. Der Endenergieverbrauch der E-Scooter ist laut Hersteller sehr gering. Vergleicht man die Reichweite per Kilowattstunde mit anderen Fahrzeugen, so kommt laut Gubmann et al. (2019) ein Volkswagen e-Golf auf etwa sechs Kilometer, ein Emmy- Elektromotorroller auf 35 Kilometer und ein E-Scooter auf etwa 100 Kilometer. Dieser Vergleich ist jedoch auf der unterschiedlichen Gewichtsklassen und Zuladungsmöglichkeiten nur bedingt aussagekraftig. Die Betriebskosten sind abhangig vom jeweiligen Strompreis, bewegen sich jedoch deutlich unterhalb des Preisniveaus fossiler Energietrager. Der Verbrauch auf 100 Kilometer betragt etwa 1-1,3 Kilowattstunden. In Tirol betragt der Strompreis aktuell etwa 0,17 € pro Kilowattstunde, damit ergeben sich Verbrauchskosten von 0,17-0,22 € / 100 Kilometer. (Science Center Germany 2017)

Die Lithium-Ionen Batterie befindet sich wie zuvor erwahnt unter dem Trittbrett. Bei den ersten Generationen war diese fest mit dem Rahmen verbaut, wodurch ein Austausch in situ nicht möglich war. Ein GroBteil der nachfolgenden Generationen weist einen austauschbaren Akku auf. Damit werden unnötige Wartungskapazitaten durch den Abtransport des gesamten E-Scooters bei entladenen oder beschadigten Akkumulatoren eingespart. Zur Standort- bestimmung durch den Betreiber sind alle E-Scooter mit einem Global Positioning System (GPS) - Sender ausgestattet. Dieser sendet auch ein Signal, falls ein Roller auBerhalb des vorgeschriebenen Geschaftsgebiets bewegt wird. Ist dies der Fall, unterbricht eine Abschaltvorrichtung die Energiezufuhr und der E-Scooter kann nicht mehr im Motorbetrieb bewegt werden. Zusatzlich kann durch den Betreiber ein lauter Warnton ahnlich einer Kfz- Alarmanlage aktiviert werden. Diese Komponenten dienen dazu Missbrauch und Diebstahl zu reduzieren. Die Herstellungskosten der E-Scooter im Sharing-Angebot belaufen sich laut Anbieter Tier (2019) auf etwa 400 Euro. Alle Scooter-Modelle für den Sharing-Betrieb werden in China produziert.

5.2 Rechtliche Grundlage in Österreich

Am 1. Juni 2019 trat die 31. Novelle der StraBenverkehrsordnung von 1960 (StVO) in Kraft. Diese regelt unter anderem die richtige Verwendung und Ausstattung von E-Scootern im StraBenverkehr, und gilt einheitlich für alle Bundeslander in Österreich. Rechtlich werden E­Scooter wie Fahrrader behandelt. In der StraBenverkehrsordnung heiBt es unter §88b. Rollerfahren:

(1) Das Fahren mit Klein- und Minirollern mit elektrischem Antrieb mit einer höchsten zulassigen Leistung von nicht mehr als 600 Watt und einer Bauartgeschwindigkeit von nicht mehr als 25 km/h (elektrisch betriebene Klein- und Miniroller) ist auf Gehsteigen, Gehwegen und Schutzwegen verboten. Ausgenommen von diesem Verbot sind Gehsteige und Gehwege, auf denen durch Verordnung der zustandigen Behörde das Fahren mit elektrisch betriebenen Klein- und Minirollern erlaubt wurde. Das Fahren mit elektrisch betriebenen Klein- und Minirollern ist auf Fahrbahnen, auf denen das Radfahren erlaubt ist, zulassig.
(2) Rollerfahrer haben die für Radfahrer geltenden Verhaltensvorschriften zu beachten; die Benützungspflicht für Radfahranlagen gilt sinngemaR (§ 68 Abs. 1). Bei der Benützung von Radfahranlagen haben Rollerfahrer die gemaR § 8a vorgeschriebene Fahrtrichtung einzuhalten.
(3) Rollerfahrer haben sich so zu verhalten, dass andere Verkehrsteilnehmer weder gefahrdet noch behindert werden; insbesondere haben sie ihre Geschwindigkeit auf Gehsteigen, Gehwegen, in FuRgangerzonen, in WohnstraRen und in Begegnungszonen dem FuRgangerverkehr anzupassen.
(4) Kinder unter 12 Jahren dürfen auf StraRen mit öffentlichem Verkehr, auRer in WohnstraRen, nur unter Aufsicht einer Person, die das 16. Lebensjahr vollendet hat, mit elektrisch betriebenen Klein- und Minirollern fahren, wenn sie nicht Inhaber eines Radfahrausweises gemaR § 65 sind.

Im StraBenverkehr teilnehmende E-Scooter müssen mit einer wirksamen Bremsvorrichtung ausgestattet sein, einem weiBen Licht nach vorne und einem roten nach hinten sowie mit Rückstrahlern oder Rückstrahlfolien, die nach vorne in WeiB, nach hinten in Rot und zur Seite in Gelb wirken. Im Gegensatz zu Deutschland muss in Österreich kein Kennzeichen der Versicherungsgesellschaft angebracht werden. Bei Unfallen haftet in der Regel die Haftpflichtversicherung der jeweiligen Nutzer. Eine allgemeine Helmpflicht gibt es nicht. Die Alkoholobergrenze liegt bei 0,8 Promille. Darüber hinaus sind auch die Allgemeinen Geschaftsbedingungen (AGB) der diversen Anbieter zu beachten, welche durchwegs umfangreich sind. Diese sind auch dazu verpflichtet den Nutzern die korrekte Umgangsweise mit den Fahrzeugen zu erlautern. Ob Kunden die Regelwerke im Detail studieren, bevor sie auf einen E-Scooter steigen, darf bezweifelt werden. Auch zeichnet sich das Geschafts- modell primar durch spontane Vertragsabschlüsse aus. Werden die Rechtsnormen zum gültigen Abschluss von den AGB eingehalten und entspricht der Inhalt den geltenden Gesetzen, kommt der Vertrag rechtsgültig zustande. (BMVIT 2019)

Durch diese Novelle ist es mit dem 1. Juni 2019 privaten Anbietern möglich Roller im Sharing-Angebot in Stadten zu betreiben. Dies wird genauer im folgenden Kapitel 5.3 Das Sharing System beschrieben. (Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilitat, Innovation und Technologie 2019)

5.3 Das Sharing-System

In diesem Teil der Arbeit wird zunachst das Sharing-Prinzip im Allgemeinen erlautert und anschlieBend die Funktionsweise des E-Scooter-Sharing-Konzeptes im spezifischen erklart. Sharing (deutsch: „teilen“) ist ein im deutschen Sprachgebrauch inzwischen weit verbreiteter Anglizismus. Es folgt dem Prinzip „Nutzen statt besitzen“. Sharing bezeichnet die geteilte Nutzung von Dienstleistungen oder Handelsgütern, wodurch eine Verwendung ungenutzter Ressourcen ermöglicht wird. Hierbei wird auf privates Eigentum verzichtet, stattdessen bezahlt man für ein temporares Nutzungsrecht ahnlich dem Konzept der Miete. Von dieser unterscheidet sich Sharing durch die Flexibilitat in der Dauer der Nutzung. Auf Mobilitatsangebote bezogen schlagt sich der Unterschied wie folgt nieder: Wahrend bei der klassischen Miete ein Fahrzeug einen ganzen oder mehrere Tage angemietet wird, kann man beim Sharing das Angebot auch nur für Stunden oder gar Minuten nutzen. Auch vom Leasing (deutsch: „verpachten“) ist das Sharing klar abzugrenzen, da beim Leasing ein Wirtschaftsgut über einen langeren Zeitraum genutzt wird. Sharing Angebote bringen dem Nutzer finanzielle Vorteile, eine flexible Verfügbarkeit und wirken sich durch geteilte Ressourcennutzung in vielen Fallen weniger negativ auf die Umwelt aus als Privatbesitz. Die Nachteile bestehen in Risiken des Bereichs Datenschutzes, da nahezu alle Angebote durch Internetplattformen oder Mobiltelefon-Applikationen gesteuert werden. Auch die Gewahrleistung der Arbeitsstandards der Angestellten von Sharing-Unternehmen gerat immer wieder in Kritik. Des Weiteren haben diverse Angebote wie Ride-Sharing (Teilen von Autofahrten) das Potenzial bestehende Markte wie den Taxibereich zu verdrangen. (Eichhorst & Spermann 2015)

Die Leiterin des Consulting Industries Teams von PwC Österreich Agatha Kalandra sagt dazu 2018 in einer Pressemitteilung: „Wie vor wenigen Jahren Smartphones die privat genutzten Film- und Fotokameras verdrangten, hat die Share Economy das disruptive Potenzial, den Stellenwert von Eigentum durch temporare Produkt- und Servicenutzung zu verandern. Diese Entwicklung beobachten wir quer durch alle Branchen. Sie stellt somit auch eine entsprechende Bedrohung für traditionelle Geschaftsmodelle dar.“

Durch die standige Entwicklung neuer Sharing-Geschaftsmodelle in verschiedenen Bereichen wird mittlerweile von einer Sharing-Economy gesprochen. Sie ist breit gefachert und reicht von der Musik- und Medienbranche über den Tourismusbereich bis hin zu Mobilitatsleistungen. Die ökonomischen Erfolge von Unternehmen wie Uber (Transport­vermittlung), Netflix (Medien) oder Spotify (Musik) zeugen von der hohen Markt- kapitalisierung des gesamten Sharing-Wirtschaftsbereichs und einer digitalen Revolution des Dienstleistungssektors. Bezieht man sich auf den Mobilitatssektor, so führen Sharing- Modelle zu einer effizienteren Abwicklung von Transporten und einer verbesserten Auslastung der Kapazitaten im Personenverkehr. Günstige Mobilitatsangebote können zu einer Steigerung der Mobilitatsmöglichkeiten führen. Die so eingesparten Treibhausgas- emissionen könnten jedoch durch Rebound-Effekte (Abpralleffekt) durch die steigende Nachfrage kompensiert werden. (Eichhorst & Spermann 2015)

Im Folgenden wird erlautert, wie das Mobilitatsangebot des E-Scooter-Sharing funktioniert. Die Zugangsvoraussetzungen sind bei den meisten Anbietern nahezu identisch. Zur Erörterung werden die Anbieter Tier und Circ herangezogen. Diese sind aktuell die einzigen im Raum Innsbruck. Für die Nutzung der E-Scooter wird ein Smartphone mit Internetzugang benötigt. Die Applikationen der jeweiligen Anbieter sind kostenlos und für alle gangigen Betriebssysteme in den verschiedenen App-Stores verfügbar. Das Programm der Firma muss auf ein Mobiltelefon geladen werden. Die Aktivierung der Standortfunktion dient zur Lokalisation der eigenen Position sowie der verfügbaren Roller. Die Bestatigung der Identitat des Nutzers kann durch eine SMS oder einen Facebook-Account durchgeführt werden. Danach gilt es den umfangreichen allgemeinen Geschaftsbedingungen (AGB) sowie die Datenschutzrichtlinien des Anbieters zuzustimmen. AnschlieBend wird eine Zahlungs- methode in Form von Kreditkarte oder dem Online-Bezahldienst PayPal vereinbart. Mit diesem Schritt ist die Registrierung nach etwa drei Minuten abgeschlossen. Auf dem Bildschirm erscheint eine Karte mit dem Geschaftsgebiet und den verfügbaren E-Scootern im Umkreis. Hier können auch Informationen über die Fahrzeugnummer, Preis und Reichweite beziehungsweise Ladestatus der Batterien abgerufen werden. Am Roller angekommen kann man in der Applikation auf den Quick Response (QR-Code) Scanner wechseln um den am Lenkerkopf angebrachten Code zu scannen um den E-Scooter zu aktivieren. Teilweise geht dies auch ohne den Code zu scannen, indem man die Fahrzeugnummer in der Applikation bestatigt und den E-Scooter dort entsperrt. Die einzelnen Schritte sind in Form von Bildschirmfotos in Abbildung 4 dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Schritte zur Registrierung des Sharingdienstes Circ

Quelle: Circ-Applikation 2020, eigene Bearbeitung

Pro Mobiltelefon kann gleichzeitig nur ein E-Scooter gemietet werden. Der E-Scooter kann in dem vorgeschriebenen Geschaftsgebiet bewegt werden. Dieses Gebiet unterliegt jedoch Einschrankungen, welche im Kapitel 5.6 E-Scooter in Innsbruck erlautert werden. Ist der Nutzer an seinem Ziel angekommen, kann in der Applikation die Fahrt als beendet markiert werden. Diese überprüft ob der E-Scooter in diesem Bereich zulassig abgestellt werden darf und meldet den Nutzer anschlieBend ab. Pro Fahrt wird eine Aktivierungsgebühr von 1,00 € berechnet. Die Fahrleistung wird pro Minute verrechnet und ist variabel. Sie schwanken in europaischen Stadten zwischen 0,15 € und 0,27 €. Hierbei lieB sich seit der Zulassung im Juni 2019 eine stetige Preissteigerung beobachten.

Zur Akzeptanz von Sharing-Angeboten in Österreich führte das Beratungsunternehmen PwC im Jahr 2017 eine Studie durch. Insgesamt wurden 500 Österreicher zu ihrer Einstellung zum Thema Sharing befragt. Demnach haben bereits 47 % der Befragten Sharing-Angebote für Unterkünfte, Autos oder Musik genutzt. Laut dem Share Economy Report haben etwa 20 % Car-Sharing verwendet. Gerade dem Mobilitatsbereich werden hohe Zuwachsraten bescheinigt. Der Hauptgrund für die Entscheidung ist für 54 % der Preisvorteil gegenüber dem klassischen Privatmodell. Steigendes Umweltbewusstsein ist für 31 % der Befragten ein wichtiger Faktor. (Kuhnert et al. 2017)

5.4 Vorteile der E-Scooter

Die E-Scooter bieten im Zugang sowie in der Bedienung differenzierte Vorteile mit sich. Ein Hauptvorteil gegenüber vielen anderen Mobilitatsformen ist die Flexibilitat. Der Zugang ist durch einheitliche Applikationen und guter Verbreitung in den Geschaftsgebieten sehr leicht. Die Bedienung ist einfach gestaltet und gröBtenteils intuitiv, da die Handhabe weitgehend der eines klassischen Tretrollers entspricht. Im Gegensatz zu öffentlichen Verkehrsmitteln sind E­Scooter weder an Uhrzeit noch an Haltestellen gebunden und können nahezu an jedem Ziel abgestellt werden. In vielen Stadten ist die Mitnahme in öffentlichen Verkehrsmitteln wie U- Bahnen gestattet. Dadurch wird die Mobilitatsanforderung im Alltag nahezu lückenlos gedeckt, sei es als alleiniges Transportmittel oder Teil des alltaglichen Modal Splits der Nutzer. Dies ist auch für Touristen interessant. Sie können mit einer einzigen Applikation in verschiedenen Landern auf ein einheitliches Mobilitatsangebot zurückgreifen. Dies setzt die Nutzungshemmschwelle herunter und ermöglicht darüber hinaus einen weichen Einstieg in die Elektromobilitat.

Wie bereits unter 5.1 Definition und Komponenten genannt, sind E-Scooter im Vergleich zu vielen anderen motorisierten Fahrzeugen relativ energieeffizient. Ein E-Scooter kommt mit einer Energiemenge von einer Kilowattstunde auf eine Reichweite von etwa 100 Kilometer, wahrend ein durchschnittlicher PKW (Superbenziner) mit gleicher Energiemenge nur zwei Kilometer zurücklegen kann (Der Energiegehalt eines Liters Superbenzin entspricht 8,9 Kilowattstunden). Durch den rein elektrischen Antrieb kann der E-Scooter im Gebrauch theoretisch ohne Treibhausgasemissionen betrieben werden. Das Unternehmen Tier ist nach eigenen Angaben seit Januar 2020 klimaneutral. Dies schlieBt vor- und nachgelagerte Emissionen aus Geschaftsreisen, Produktion, Versand, Laden der Batterien, den taglichen Betrieb und Recycling ein. Zur Berechnung der Emissionen wurde das Scope 3 des GHG- Protokolls genutzt. Laut Bode (2011) ist das GHG Protocol der verbreitetste Standard zur Erstellung von Treibhausgasbilanzen. Zahlreiche weitere Standards bauen auf ihm auf, darunter ISO 14064 (Treibhausgasbilanzierung und Verifizierung) sowie weitere staatliche Unternehmensstandards. Weitere Pfeiler sind effektives Recycling-Management, Reduktion von Dienstreisen und Verzicht auf motorisierte Sammelfahrzeuge zur Wartung der Flotte. Ein GroBteil der emittierten Treibhausgase werden in Form von Partnerschaften mit Projekten zur Wiederaufforstung und zum Schutz von Waldern in Südamerika und Deutschland kompensiert. (Tier 2020)

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Ende der Leseprobe aus 121 Seiten

Details

Titel
Der Einfluss von Elektro-Tretrollern im Sharing-Angebot auf das Mobilitätsverhalten der Nutzer in der Stadt Innsbruck
Untertitel
Ein Beitrag zur Reduktion von Treibhausgasemissionen?
Hochschule
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck  (Institut für Geographie, Fakultät für Geo- und Atmosphärenwissenschaften Universität Innsbruck)
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
121
Katalognummer
V904059
ISBN (eBook)
9783346229137
ISBN (Buch)
9783346229144
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mobilität, Treibhausgasemissionen, E-Scooter, Elektroroller, Scooter, Stadtmobilität, Mobilitätswende, Stadtplanung, Mobilitätslösung, Elektromobilität, Mikromobilität, Verkehrswende, Mobilitätslösungen, THG-Emissionen, Reduktion von Emissionen
Arbeit zitieren
Roman Fendt (Autor:in), 2020, Der Einfluss von Elektro-Tretrollern im Sharing-Angebot auf das Mobilitätsverhalten der Nutzer in der Stadt Innsbruck, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/904059

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