Das Konzept des Narzissmus bei der Freudschen Abhandlung “Zur Einführung des Narzissmus“


Essay, 2007

15 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


mDer Begriff der Narzissmus hat einen sehr breiten und unterschiedlichen definitorischer Ausgangspunkt.

Willy Baranger[1] weist darauf hin, dass der Begriff des Narzissmus eines der problematischsten und unklarsten Definitionen der psychoanalytischen Theorien ist. Er unterteilt die unterschiedlichsten Bedeutungen von Narzissmus in drei Hauptgruppen ein. “Die erste Gruppe bezieht sich im wesentlich auf den Narzissmus als eine Form der Triebschicksale. Die zweite Gruppe akzentuiert das Objekt in den narzisstischen Stadien, und die Probleme des Narzissmus fallen mit jenen der Identifizierung in ihrer introjektiven Form zusammen. Die letzte Gruppe besteht aus Erweiterungen des Begriffs zur Bezeichnung von Einstellungen, Gefühlen und charakteristischen Zügen, die die Bewertung, Entwertung und Überbewertung eines Aspekts der Person andeuten.“[2]

Jede Begriffsgeschichte des Narzissmus beginnt entweder mit den psychoanalytischen Vorläufern Freuds, Sadger und Rank, oder mit den nicht-analytischen Erfindern des Narzissmus, Paul Näcke und Henry Ellis[3]. Freud erinnert uns daran, dass die beiden Erfindern des Begriffs ihn benutzt haben, um auf das Verhältnis von Menschen zum eigenen Körper hinzuweisen, welche mit ihm in einer Weise umgehen, wie andere Menschen mit dem Körper ihres sexuellen Partners verkehren.

In Anlehnung an die Sage von Narcissus, der sich in sein Spiegelbild verliebt, als Strafe dafür, dass er Echo verschmähte, ist Narzissmus mit der Liebe, die man dem Bild von sich selbst entgegenbringt, zu verstehen.

Ganz allgemein bezeichnet Narzissmus die Konzentrierung des seelischen Interesses auf das Selbst. Viele Untersuchungen innerhalb der psychoanalytischen Theorie drehen sich um das Narzissmuskonzept und analysieren die Behandlung des pathologischen Narzissmus.

Die folgende Arbeit hat zum Ziel der Begriff der Narzissmus in Bezug auf Freuds Verständnis der narzisstischen Thematik vorzustellen und versucht den Narzissmus aus seiner Abhandlung Zur Einführung des Narzissmus zu erfassen.

Freud hat sich des Begriffes Narzissmus bereits vor dieser besonderen Schrift bedient. Aber erst in Zur Einführung des Narzissmus führt er den Begriff in die psychoanalytische Theorie insgesamt ein und reflektiert seine besondere Bedeutung für die Psychoanalyse. Diese Abhandlung kündigt die Strukturtheorie und die Theorie der Objektbeziehungen an sowie die Bedeutung des Selbstkonzepts im Gegensatz zum Ich und die anderen späteren Entwicklungen Freuds Theorie.

In der editorischen Vorbemerkung der Studienausgabe von “Zur Einführung des Narzissmus“ erfährt man, dieser Aufsatz “gehört zu den wichtigsten Schriften Freunds und kann in der Entwicklung seiner Theorien als eine Wendepunkt gelten. Freud gibt darin eine Zusammenfassung seiner früheren Aussagen über Narzissmus innerhalb der Sexualentwicklung; aber weit darüber hinausgreifen, befasst er sich zudem mit den tieferen Problemen der Beziehungen zwischen dem Ich und den Außenobjekten und unterscheidet erstmal zwischen Ichlibido und Objektlibido. Ferner- und vielleicht ist das der bedeutsamste Aspekt- führt er die Konzepte des Ich-Ideals und der damit verbundenen Instanz der Selbstbeobachtung ein…“ Freud richtet in dieser Ausführung sein Augenmark besonders auf die libidinösen Besetzungen.

Zur Einführung des Narzissmus ist ein dicht gehäufter hochtheoretischer Aufsatz, reich an äußerst nah aufeinander folgenden Einfällen, welche wegen seiner Dichte hohe Ansprüche an den Lesern stellt. Sogar die Diskussion über ausstehenden Fragen bringt mit sich viele begriffliche Schwierigkeiten. Man muss berücksichtigen, dass hier bereits die Anlage für den Dreistufenmodell der Psyche enthält. Es sind das Ich und die innere Instanz der Selbstbeobachtung, der Vorläufer des späteren Konzeptes des Über- Ichs zu erkennen sowie die Beziehungen, die diese Instanzen zueinander und zur Außenwelt haben.

Wie Daniel Strassberg[4] in seiner Ausführung zur Freuds Zur Einführung in den

Narzissmus erklärt, sind es zwei Gründe, die Freud zur Erfassung seiner “Einführung“ veranlasst. Einerseits ist seine Abhandlung eine Sammlung von Themen, die ihn seit einiger Zeit beschäftigen und Auseinandersetzung mit der Psychose, welches vermehrte Interesse bei den Psychoanalytikern in der damaligen Zeit hervorruft. Anderseits macht Freud damit eine theoretische Abrechnung mit Jung und Adler, welche in großer Abweichung und Gegensatz zu Freuds Denken waren. Diese Faktoren trugen zweifellos zu Form und Inhalt seiner Abhandlung.

Das vorwiegende Produkt seiner Arbeit war aber nicht die Theorie der Psychose oder die Abgrenzung zu Jung und Adler, sondern viel mehr die Einführung eines psychisch repräsentierten Objektes der Realität in die Metapsychologie: die grundsätzliche Spaltung des Menschen liegt jetzt zwischen dem Ich und dem Objekt. “Wir sehen auch im groben einen Gegensatz zwischen der Ichlibido und der Objektlibido. Je mehr die eine verbraucht, desto mehr verarmt die andere.“[5] Der Grundkonflikt des Subjektes spielt sich zwar wieder zwischen innen und außen ab, die Rollen sind aber umgekehrt. Außen sind die Objekte, die ausreichende Möglichkeiten der Triebbefriedigung öffnen, innen befindet sich das Ich-Ideal, das sich der Befriedigung entgegenstellt.

In der Bedeutung von Narzissmus, welche von Näcke gebraucht wurde, sieht Freud die Züge einer sexuellen Abweichung. In seinen weiteren Überlegungen kommt er aber zu der Schlussfolgerung, dass der Narzissmus keine Perversion an sich ist, sondern die sexuelle Ergänzung zum Egoismus des

Selbsterhaltungstriebes ist.[6] In diesem Zusammenhang bedeutet Narzissmus Selbstliebe und Egoismus ist das Selbstgefühl, das sich im Selbsterhaltungstrieb zeigt. Als Teil der normalen Entwicklung ist der Narzissmus eine Phase zwischen dem Autoerotismus[7] und der Objektliebe und deshalb ein Aspekt der Libidotheorie.

Freud geht davon aus, dass sich die Libido aus einem Stadium des primären Narzissmus zur Objektbesetzung ausbildete mit der Absicht eines späteren Zurückziehens der objektbesetzten Libido auf das Ich in der Form des sekundären Narzissmus. Er untersucht kurz das Verhältnis der Narzissmus zur Autoerotismus und stellt fest, dass Autoerotismus eine primäre Manifestation des libidinösen Trieben ist, der schon zur Beginn des Lebens an existieren müsse, der Narzissmus dagegen die libidinöse Besetzung des Ichs ist und zuerst die Entwicklung des Ichs selbst benötige. Der Autoerotismus geht demzufolge dem primären Narzissmus voraus.

Im ersten Teil der Abhandlung sieht Freud die Rolle der Narzissmus nicht nur in den Perversionen und Psychosen, sondern auch im normalen Verlauf der Entwicklung. Er geht davon aus, dass der Narzissmus vom Anfang an existiert, seit dem Moment, in dem das Kind ein anfängliches Bewusstsein seiner Selbst hat. Demzufolge muss eine ursprüngliche libidinöse Besetzung des Ichs geben,

die später zum Teil an Objekte abgegeben wird.[8]

Nachdem Freud im ersten Abschnitt das Konzept des Narzissmus eingeführt hat,

widmet er sich demnächst der Betrachtung der verschiedenen Zugänge dazu. Er führt in der neurotischen Symptombildung ein und gibt verschiedene Beispiele, bei denen die Libido den Objekten entzogen und zum Ich zurückgeführt wird. Freud nennt den Schlafzustand, bei dem die Libido sich auf das Selbst zurückzieht, das Zurückziehen des Interesses von der äußeren Welt bei physischem Schmerz und bei der Hypochondrie.

[...]


[1] Siehe dazu Baranger, Willy (2000): Der Narzissmus bei Freud. In Sandler, Joseph (Hsg.): Über Freuds “Zur Einführung des Narzissmus“, Freud heute Bd. 2. Frommann-holzboog. Stuttgart

[2] S.o. S. 150f

[3] Henry Havelock Ellis benutzte der Ausdruck narcissus-like 1898 zur Beschreibung einer bestimmten seelischen Einstellungen und Näcke verwendete 1899 den Terminus Narcismus zur Beschreibung einer sexuellen Perversion.

[4] Strassberg, Daniel (1994): Überfluss und Mangel. Eine Lektüre der “Einführung in den Narzissmus“. In: P.Schneider, D. Strassberg, O.Knellessen, P. Passet (Hg.): Freud- Deutung: Traum, Narzissmus, Objekt; Religion. Ed. Diskord, Tübingen, S.128ff

[5] Freud, Sigmund (1914): Zur Einführung des Narzissmus. Studienausgabe, Bd. 3. Fischer, Frankfurt, 1971, S.43

[6] Vgl. Freud, Sigmund (1914): Zur Einführung des Narzissmus. Studienausgabe, Bd. 3. Fischer, Frankfurt, 1971, S. 41

[7] Mehr zum Begriff der Autoerotismus siehe Laplanche J., Pontalis J. –B. (1972): Das Vokabular der Psychoanalyse. Suhrkamp Verlag. Frankfurt am Main, S. 79ff

[8] Vgl. Treurniet, Nikolaas (2000): Zur Einführung des Narzissmus: Eine Einführung. In Sandler, Joseph (Hsg.): Über Freuds “Zur Einführung des Narzissmus“, Freud heute Bd. 2. Frommann-holzboog. Stuttgart, S.112f

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Details

Titel
Das Konzept des Narzissmus bei der Freudschen Abhandlung “Zur Einführung des Narzissmus“
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Psychoanalyse)
Veranstaltung
Zur Psychoanalyse einer narzisstischen Emotion
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
15
Katalognummer
V90334
ISBN (eBook)
9783638045025
ISBN (Buch)
9783640319862
Dateigröße
497 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Konzept, Narzissmus, Freudschen, Abhandlung, Einführung, Narzissmus“, Psychoanalyse, Emotion
Arbeit zitieren
Borislava Dosheva (Autor:in), 2007, Das Konzept des Narzissmus bei der Freudschen Abhandlung “Zur Einführung des Narzissmus“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90334

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