El Greco "Die Taufe Christi" (1597-1600)

Ikonographie des Werks, Unterschiede zwischen El Greco Gemälde und der traditionellen Bildkonvention


Hausarbeit, 2018

37 Seiten, Note: 1,70


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Der Künstler El Greco

2. Beschreibung des Gemäldes „Taufe Christi“ (1597-1600) von El Greco

3. Die Ikonographie der Taufe Christi
3.1. Die Bibel als schriftliche Vorlage des Bildthemas
3.2. Die traditionelle Darstellung der Taufszene

4. Unterschiede zwischen El Grecos Gemälde „Taufe Christi“ und der traditionellen Bildkonvention

5. Fazit

6. Anhang
6.1. Literaturverzeichnis
6.2. Abbildungen
6.3. Abbildungsverzeichnis

1. Der Künstler El Greco

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Gemälde „Taufe Christi“ (vgl. Abb. 1, S. 13) des Künstlers Domínikos Theotokópoulos (1541-1614), der unter dem Namen El Greco bekannt ist. Das Gemälde ist ein Werk der Gemäldereihe des Hochaltars für das Kolleg der Doña María de Áragon in Madrid, Spanien (vgl. Abb. 2, S. 14). Diesen Altar gestaltete El Greco Ende des 16. Jahrhunderts. Der Künstler El Greco wird 1541 auf Kreta, Griechenland geboren. Er verlässt seine Heimat 1567, um nach Venedig, Italien, zu gehen. Dort arbeitet er als Künstler und wird besonders von den Werken der Künstler Tizian und Tintoretto beeinflusst.1 Wenige Jahre später reist er nach Rom. Der erste Nachweis seines Künstlernamens stammt aus dem Jahr 1572, als sich Domínikos Theotokópoulos während eines Aufenthalts in Siena, Italien „Dominico Greco“ nennt. Von großen Aufträgen für die Kathedrale und Kirche von Santo Domingo el Antiguo gelockt, geht er vier Jahre später nach Madrid, Spanien. In den darauffolgenden Jahren malt El Greco eine Vielzahl an Gemälden und gestaltet verschiedene Altäre für toledische Kirchen. Im Jahr 1588 vollendet er eins seiner bekanntesten Werke: „Das Begräbnis des Grafen von Orgaz“ (vgl. Abb. 3, S. 15). Im Dezember 1596 unterzeichnet El Greco den Vertrag für die Gemälde des Hochaltars des Kollegs der Doña María de Áragon, Madrid. Der Hochaltar beinhaltet Gemälde zu verschiedenen Stationen des Lebens Jesu von der „Verkündigung“ bis zur „Pfingstszene“.2

Da im Rahmen dieser Proseminararbeit nicht explizit auf alle sechs Gemälde des Hochaltars eingegangen werden kann, liegt der Fokus der folgenden Kapitel auf dem umstrittenen Gemälde „Taufe Christi“. Die Fragestellung dieser Arbeit beschäftigt sich damit, wieso El Grecos Darstellung der Taufszene bei einem Großteil seiner Zeitgenossen Verwunderung und Empörung ausgelösten. Um dem Leser dieser Arbeit einen ersten Eindruck über das Gemälde „Taufe Christi“ zu geben, wird dieses im Hauptteil zunächst detailliert beschrieben. Zur Beantwortung der Fragestellung folgt anschließend an die Bildbeschreibung eine Zusammenfassung der schriftlichen Bildquellen zum Thema der Taufe sowie eine Betrachtung der Bildtradition. Abschließend werden die Unterschiede zwischen El Grecos Gemälde und der bekannten Bildkonvention untersucht. Diesbezüglich werden vor allem die Raumgestaltung sowie der Figurentypus und Farbinventionen El Grecos verglichen. Eine Zusammenfassung des Hauptteils und ein Fazit schließen die Arbeit.

2. Beschreibung des Gemäldes „Taufe Christi“ (1597-1600) von El Greco

Diese Arbeit untersucht das Gemälde „Taufe Christi” des Künstlers El Greco (vgl. Abb. 1, S. 13). Dieser malt das Gemälde mit Öl auf Leinwand zwischen 1597 und 1600. Die Maße der Leinwand entsprechen 350 x 144 cm.3 Das Gemälde „Taufe Christi” gehört zur Gemäldereihe des Hochaltars des Kollegs der Doña María de Aragón, Madrid. El Greco erhält den Auftrag für den Hochaltar im Dezember 1596 und vollendet die Gemälde im Juli 1600.4 Bis 1813 hängt das Gemälde in dem Hochaltar und anschließend bis 1835 in der Kirche San Felipe el Real y Casa de la Inquisición, Madrid. Die Real Academia de Bellas Artes de San Fernando, Madrid besitzt das Werk für drei Jahre, zwischen 1835-1838. Danach wird es bis 1872 im Museo de la Trinidad, Madrid ausgestellt. Seit 1872 befindet sich die „Taufe Christi” im Besitz des Museo del Prado in Madrid, Spanien. Die weiteren Gemälde des Hochaltars befinden sich bis auf das Gemälde „Anbetung der Hirten“ ebenfalls im Museo del Prado, Madrid. Die „Anbetung der Hirten“ ist im Besitzt des Nationalen Kunstmuseums in Bukarest, Rumänien.5

Auf dem Gemälde ist die Taufe Christi in einer nächtlichen Szene dargestellt. Es wird der Augenblick gezeigt, als Johannes der Täufer das Taufwasser aus einer Muschel über Jesu Haupt gießt. Der Himmel hat sich bereits geöffnet und eine Taube steigt vom Himmel herab. Der Vogel verbindet die obere, himmlische mit der unteren, weltlichen Bildebene. Auf dem Ölgemälde werden 20 Personen dargestellt. Die definierenden Figuren des Gemäldes sind Jesus auf der weltlichen und Gott auf der himmlischen Bildebene. Der nur mit einem weißen Lendenschurz bekleidete Jesus befindet sich mittig in der unteren Bildhälfte und hat seine Hände zum Gebet gefaltet. Er kniet mit dem linken Bein auf einem Stein und lässt sich von Johannes das Taufwasser über den Kopf gießen.

Der Asket, Johannes der Täufer, ist in einem Lendenschurz aus Kamelfell gekleidet.6 Neben seinem rechten Bein ist eine Axt zu sehen, die an einen Baumstumpf lehnt (vgl. Abb. 4, S. 16). Diese ist das typische Attribut, durch das die Figur des Johannes des Täufers zu erkennen ist.7 Der Täufer steht stabil in einem Ausfallschritt mit dem linken Bein nach vorn auf dem gegenüberliegenden Stein Jesu. In seiner rechten Hand hält er die Muschel mit dem Taufwasser.

Gott befindet sich in der Mitte der oberen Bildhälfte zwischen einer Schar Engel und wird im Greisenalter dargestellt (vgl. Abb. 5, S. 17). Er hebt seine rechte Hand, um das Ereignis der Taufe zu segnen.

Vier große Engel umgeben Gott, der mittig in der oberen Bildhälfte thront, während unter ihm sechs Putti durch die Luft fliegen. Die Bewunderung der Szene durch die vier großen Engel wird durch deren Gestik deutlich. Auch in der Mimik der Engel, wie beispielsweise die aufgerissenen Augen, lässt sich ihre Bewunderung über das Wunder der Taufe ablesen. Zu den Füßen des großen Engels in der rechten oberen Bildhälfte befinden sich zwei Engel, die in einer perspektivischen Verkürzung (vgl. Abb. 6, S. 18) gemalt wurden. Des Weiteren werden hinter Jesus vier sich ähnelnde Engel abgebildet, die ein rotes Tuch über den Kopf des Täuflings halten. Zwischen Jesus und Johannes befindet sich ein Engel mit einem grünen Gewand. Dieser reckt seinen linken Arm empor Richtung Himmel.

Für das Gemälde wählt El Greco ein schmales, rechteckiges Hochformat, das die Einteilung der zwei Bildebenen unterstützt. Die Technik seiner Bildgestaltung lässt sich an seinem gleichnamigen Gemälde erkennen, das im Palazzo Corsini in Rom (vgl. Abb. 7, S. 19) ausgestellt wird. Zuerst bestreicht er die Leinwand mit dem Erdpigment Bolus. Für das Pigment wählt er die Farbe Rot, welche die Erde seines spanischen Heimatdorfes Toledo repräsentiert. Auf die erste Schicht folgen eine graue Untermalung und darauf die finale Farbschicht. Der breit gefächerte Farbenreichtum zeichnet El Grecos Gemälde aus und spiegelt sein Temperament wieder. Indem Greco den Farben eine starke Leuchtkraft gibt, wirken diese besonders lebhaft. Diese Leuchtkraft ist beispielsweise in dem grünen Gewand des Engels und dem roten Tuch deutlich erkennbar.8,9

3. Die Ikonographie der Taufe Christi

3.1. Die Bibel als schriftliche Vorlage des Bildthemas

Die Taufe Jesu im Jordan durch Johannes der Täufer ist das Thema des Gemäldes von El Grecos. Diese Szene wird in der Bibel in Matthäus 3,1-17, Markus 1,9-11, Johannes 19-33 und Lukas 3,21-22 beschrieben. Wie die Szene des brennenden Dornbusches im Alten Testament, ist die Taufe Christi eine Theophanie und zeigt die seltene Erscheinung Gottes.10 Der biblischen Erzählung zufolge geht der erwachsene Jesus an den Fluss Jordan, um sich von seinem Cousin Johannes taufen zu lassen, damit er die von Gott geforderte Gerechtigkeit erfüllt. Johannes der Täufer, der seinen Beinamen durch das Heilige Taufereignis erhält, verweigert sich zunächst, Jesus zu taufen, doch lässt sich schließlich überzeugen.11 Während Jesus sich im Wasser des Flusses Jordan taufen lässt, öffnet sich der Himmel und der Heilige Geist in Form einer Taube zeigt sich. Gott bekennt sich daraufhin zu seinem Sohn: „Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe.”12 Die Theophanie bestätigt die göttliche Aussage und Jesu Auftrag, der Erlöser der Menschen zu sein. Der Täufer erkennt in Jesus das Lamm Gottes, das die Sünden der Menschheit trägt. Das Wasser des Jordans, das Johannes der Täufer zur Taufe Jesus nutzt, wurde mit diesem Heiligen Akt zum Symbol der reinigenden Taufe.13,14,15

3.2. Die traditionelle Darstellung der Taufszene

Der Beginn der Darstellungen der Taufszene Christi reicht bis in die frühen Anfänge der christlichen Kunst zurück. In den Katakomben Roms befindet sich eine der ältesten Taufdarstellungen, die Jesus als Erwachsenen zeigt. Im Gegensatz dazu überwiegt die Darstellung Jesu als Kind und Johannes des Täufers als alten und bärtigen Mann im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. . Im 5. und 6. Jahrhundert werden die Taufszenen durch weitere Figurendarstellungen erweitert. So werden neben Jesus und dem Täufer nun Engel in den Bildern platziert, die für Jesus das Heilige Gewand nach der Taufe bereithalten. Signifikant ist das Sich Öffnen der Himmelspforte und das Herabsteigen des Heiligen Geistes, welches den Höhepunkt des Taufereignisses bildet. Der Heilige Geist wird durch die Gestalt der Taube symbolisiert, die oftmals einen Kranz oder ein Diadem als Zeichen des Sieges überbringt. Auch wird die Hand Gottes in einem Zeigegestus in der sich geöffneten Himmelspforte gezeigt, welche die Aussage Gottes zur Bekennung seines Sohnes unterstreichen.16

Die Bandbreite der Darstellungsformen der Taufszene ist im abendländischen Mittelalter sehr groß. Als Beispielsabbildung für die vielzähligen Möglichkeiten der Darstellungen ist die „Taufe Christi“ des Hitda-Codex des 11. Jahrhunderts (vgl. Abb. 8, S. 20). Hier wird Jesus stehend im Fluss gezeigt und Johannes der Täufer befindet sich neben ihm am Ufer. Zusätzlich zu diesen zwei Figuren befindet sich ein Flussgott am unteren Bildrand. Die Veränderung der Bilddarstellung vom Eintauchen des Täuflings in den Fluss zum Begießen seines Haupts mit Wasser geschieht im frühen 14. Jahrhundert. Das Begießen wurde mit Hilfe einer Muschel, Kanne oder den Händen vollzogen. Diese Darstellung setzt sich im fortschreitenden 14. Jahrhundert allmählich durch. In der mittel- und spätbyzantinischen Kunst werden die Gemälde durch weitere ikonographische Bildinhalte erweitert. Hier tritt erstmalig das Motiv des Baumstamms mit einer Axt auf, der auf die Gerichtspredigt des Johannes des Täufers hinweist.17

In der Renaissance wird der Kontext der Taufszene zunehmend in eine Landschaftsdarstellung eingebettet und die Nacktheit Jesus mit einem Lendenschurz verdeckt. Außerdem wird in der Renaissance die vermiedene Abbildung des Gottvaters der vorhergehenden Jahrhunderte mit der Zeit aufgehoben. Der Wandel der Darstellung bewegt sich im 15. Jahrhundert zu einer wirklichkeitsgetreuen Abbildung der Landschaft und Figuren.18

4. Unterschiede zwischen El Grecos Gemälde „Taufe Christi“ und der traditionellen Bildkonvention

Laut der biblischen Erzählung spielt die Taufszene am Fluss Jordan.19 Die Umwelt wird in El Grecos Gemälde jedoch kaum sichtbar, da sich die Taufe hier in einer Felsenhöhle abspielt (vgl. Abb. 1, S. 13).20 Der Hintergrund und die Vegetation sind verschwunden und der Jordan wurde auf einen schmalen Bach reduziert, der zwischen zwei großen Steinen in der unteren Bildhälfte hindurchfließt. Auf den Steinen stehen und knien die Hauptfiguren der weltlichen Ebene: Jesus und Johannes der Täufer. Mit dem Verzicht auf naturalistische Landschaftsdarstellungen lenkt El Greco die Konzentration des Betrachters komplett auf die Szene der Taufe. Die Minimierung der Umweltdarstellungen sowie das Einbetten der Taufzeremonie in eine nächtliche Szene entsprechen jedoch weder der Bildkonvention noch sind sie auf die biblischen Texte der Evangelisten gestützt.21

Um an dieser Stelle eine konventionelle Abbildung zu zeigen, wird das Gemälde „Taufe Christi“ von Andrea del Verrocchio unter der Mitarbeit von Leonardo da Vinci (vgl. Abb. 9, S. 21) mit El Grecos Gemälde verglichen. Der erste Unterschied der beiden Gemälde ist die Tageszeit des Taufereignisses. Verrocchios Taufe spielt im Gegensatz zu El Grecos tagsüber. In der Vergleichsabbildung ist neben den Figuren deutlich mehr von der Umwelt erkennbar. Hinter Jesus ist die weitläufige Flusslandschaft des Jordans gemalt und hinter dem Täufer befinden sich Felsen und eine Waldabschnitt. Auch Gräser und Steine des Flussbetts sind detailliert sichtbar. Die Raumkomposition der Gemälde ist sehr unterschiedlich. Die himmlische Ebene in Verrocchios Gemälde wird nur durch die Taube und Hände Gottes erkenntlich gemacht. Die Darstellung der weltlichen Ebene überwiegt somit, während bei El Grecos „Taufe Christi“ beide Bildhälften ausgewogen wirken. Die „Taufe Christi“ aus dem Kolleg der Doña María de Áragon in Madrid ist nicht das einzige Gemälde, in welchem El Greco das Bildthema der christlichen Taufe aufgreift. Zwischen 1560-1565 entwirft er das Triptychon von Modena (vgl. Abb. 10, S. 22), auf welchem die Taufszene in der rechten, vorderen Seitentafel präsentiert wird. Wie bei Verrocchio wird auf dieser Tafel die Taufe ebenfalls in einen räumlichen Kontext gesetzt. An dem linken und rechten Bildrand sind Bäume sowie das Ufer des Flusses zu sehen. Die Aufteilung des Gemäldes in zwei Bildebenen ist hier deutlicher zu sehen als bei Verrocchio. Auf der himmlischen Ebene wird die Anwesenheit Gottes nur durch die Taube als Symbol des Heiligen Geistes und nicht durch den Gottvater selbst oder ein Abbild seiner Hände dargestellt.22

Wie bereits im Kapitel über die Bildtradition erläutert wurde, malen die Künstler ab dem 12. Jahrhundert anstatt der symbolischen Hand eine Figurendarstellung Gottes. Auch El Greco wählte diese Darstellung in seinem Gemälde. Während es vor dem 14. Jahrhundert üblich ist, dass Jesus zur Taufe in den Fluss steigt und darin untertaucht, wird diese Darstellung ab dem 14. Jahrhundert durch das Begießen des Täuflings mit dem Wasser des Flusses ersetzt.23 Durch diese Veränderung ändert sich auch die Körperhaltung des Täuflings und des Täufers. In El Grecos Gemälde kniet Jesus zur Taufe auf einem Stein und neigt seinen Oberkörper und Kopf nach links in Richtung des Täufers, der auf dem gegenüberliegenden Stein steht. Eine ähnliche Körperdarstellung findet sich in dem gleichnamigen Gemälde des spanischen Malers Juan Fernández de Navarrete (vgl. Abb. 11, S. 23), in dem allerdings nicht Jesus, sondern Johannes auf einer Erhöhung des Ufers kniet und den Täufling von dort aus mit dem Taufwasser übergießt. Die Taufzeremonie in diesem Gemälde der Spät-Renaissance zeigt weitere Ähnlichkeiten zu El Grecos Werk, zum Beispiel die Aufteilung der Bildfläche in eine himmlische und weltliche Ebene sowie eine Figurendarstellung Gottes zwischen Engeln. Auch die Anordnung der Bildelemente ähnelt der Grecos. Johannes der Täufer und mehrere Engel stehen an den Ufern eines schmalen Bachs und der Täufer tauft Jesus, indem er sein Haupt mit dem Wasser aus seinen Händen übergießt.24 Die demütige Gebetshaltung Jesu ist in Verrocchios sowie Navarretes und El Grecos Werk vorhanden und geht auf den Text der Taufe im Lukasevangelium zurück.25 Im Folgenden werden die dargestellten Personen des Gemäldes „Taufe Christi“ von El Greco untersucht.

Bei der Betrachtung der Personen, fallen verschiedene Aspekte ins Auge. Zunächst ist auffällig, dass die Figuren keine Nimbusse besitzen. Während Jesus und Johannes der Täufer in dem Renaissance-Gemälde Verrocchios noch mit Heiligenschein gemalt wurden, fällt dieser bei Navarrete in der Spät-Renaissance bereits weg. Bei der Personenbetrachtung wird die Bevorzugung des Greisenalters von den Manieristen deutlich. Auch El Greco malt Gott als Greis, da der Greis ein Symbol für Weisheit und Lebenserfahrung ist.26 Wie in den Vergleichsabbildungen von Verrocchio oder Navarrete wird Jesus Nacktheit in El Grecos Gemälde ebenfalls durch einen Lendenschurz minimiert und das rote Tuch als neue Kleidung des Täuflings wird von Engeln über Jesus Kopf gehalten.27

Eine weitere Auffälligkeit bei der Betrachtung des Gemäldes sind die Körperformen der Personen, denn diese scheinen besonders abgemagert, schmal und überlängt. Das Abbilden von schlanken, schmalen Körpern ist bereits seit Beginn des 16. Jahrhunderts in der Kunst ein Phänomen. Hier werden besonders die Körper des vornehmen Adels und die der höheren Stände gestreckt dargestellt. Von den Künstlern wird zudem das Abbilden kleiner Köpfe und langer Gliedmaßen gefordert. El Greco überspitzt diesen Trend und treibt die Überlängung der Figuren auf den Höhepunkt. Die Ästhetik des menschlichen Körpers geht bei ihm völlig verloren. Er malt das Gegenbild zu den Menschen seiner Umgebung, um die Heiligen von den Sterblichen abzusetzen. Mit der Erschaffung dieser neuen Proportionen setzt er genau diesen Unterschied.28 Die Überlängung des menschlichen Körpers wird vor allem bei Johannes dem Täufer deutlich. Die Darstellung des kleinen Kopfes fördert die Empfindung des langen Körpers, der zudem stark abgemagert ist (vgl. Abb. 12, S. 24), denn Johannes „Speise […] waren Heuschrecken und wilder Honig”.29 Die schmalen und abgemagerten Körper in El Grecos Gemälde werden besonders im Vergleich mit Navarretes „Taufe Christi“ deutlich. Obwohl es der Körperform eines Asketen widerspricht und somit nicht auf den biblischen Text als schriftliche Quelle gestützt ist, wird die Figur des Täufers stark muskulös dargestellt.

Um die Personenbetrachtung abzuschließen, wird noch auf eine Veränderung in der Engelsfigurengestaltung hingewiesen. In den Vergleichswerken ist zu sehen, dass die Engel keine Flügel besitzen. El Grecos Engel besitzen vergleichsweise dazu jedoch große, vogelähnliche Flügel. Die vogelartige Flügeldarstellunge ist vor allem in El Grecos Wer der Gemäldereihe des Hochaltars des Kollegs „Die Kreuzigung“ des Hochaltars zu sehen (vgl. Abb. 13, S. 25). Die mimetische Darstellung der Flügel kann darauf zurückgeführt werden, dass El Greco nach einer überlieferten Aussage die Natur als größten Künstler sieht und die Nachahmung der Natur für ihn das Ideal der Kunst ist und er deshalb die Idealisierung sowie die mathematische Proportionierung in der Kunst ablehnt.30

Um auf eine weitere Anomalie aufmerksam zu machen, wird, um diese Kapitel abzuschließen und damit die Fragestellung der Arbeit zu beantworten, die Farbgebung des untersuchten Gemäldes betrachtet. Die koloristische Basis sind die Primärfarben sowie die Mischfarbe grün. Es ist zu erwähnen, dass El Grecos Farbskala insgesamt reicher als die der venezianischen Klassiker sowie fast aller spanischen Maler ist. An dieser Stelle ist als Vergleichswerk Tintorettos „Taufe Christi“ (vgl. Abb. 14, S. 26) anzuführen, die neben El Grecos Version fast farblos und eintönig wirkt. Die Farben in El Grecos Werk erhalten ihren fulminanten Glanz durch die ihnen gegebene Leuchtkraft, die durch graue Elemente neben den farbigen maximiert wird. Die Farben werden von dem Künstler entsprechend ihrer Bedeutung im Kontext gewählt, so deutet die leuchtend rote Farbe des Stoffes über Jesus Haupt bereits auf das zukünftige Opfer Christi hin.31 Im Gegensatz zu den leuchtenden Farbflächen, die meist in den Gewändern der Figuren zum Ausdruck kommen, steht das weißliche Inkarnat. Das Ziel El Grecos ist die größtmögliche Flächenwirkung, die in allen betrachteten Gemälden des Altars des Kollegs der Doña María de Áragon (vgl. Abb. 2, S. 14) erkennbar sind. Diese Werke lassen sich aufgrund der Farbgebung dem neuen Stil El Grecos zuordnen.32

Für den Künstler besteht zwischen Farbe und Licht ein Zusammenspiel, das sich auf die Wirkung des Gemäldes überträgt, denn „im physikalischen Sinne ist die Farbe der im Spektrum sichtbar werdende Teil des Sonnenlichtes”.33 Somit beeinflusst auch die Lichtführung die Wirkung des Gemäldes. Ein Wandel der Lichtdarstellung in der Malerei ist mit den Werken des venezianischen Malers Jacopo Tintoretto (1518-1594) festzustellen, „indem er [anfing], das Licht bewegt und zuckend einzuführen.“34 Ein Beispiel für diese neue Art der Lichtgestaltung ist Tintorettos Gemälde „Das letzte Abendmahl“ (1591/1592) (vgl. Abb. 14, S. 27) aus der Kirche San Giorgio Maggiore in Venedig, Italien. Bei diesem Gemälde sind vor allem die Lichter hervorzuheben, durch die die Umrisse der Engel definiert werden. Die Dynamik des Herabstürzens und Herumfliegens der Engel wird dadurch zusätzlich gesteigert.35 Eine dynamische Wirkung, die durch die Lichtgestaltung ausgelöst wird, ist ebenso in El Grecos Werk zu sehen. In der Bildmitte befindet sich ein leuchtender Lichtstrom, der von Gott als Lichtquelle ausgeht und sich bis nach unten zu Jesus und Johannes dem Täufer erstreckt. In diesem Lichtstrom befindet sich auch die Taube, die den Heiligen Geist symbolisiert.36,37,38

Durch die Lichtgebung erlangt die Farbe hier eine besondere Energie und wirkt durch den irisierenden Effekt nur temporär lebendig. Diese Vergänglichkeit der Farbwirkung ist es, die die Betrachter am Ende 16. Jahrhunderts und Anfang des 17. Jahrhunderts besonders konsterniert zurücklässt, da die Bildbetrachter noch die Ideale der Malerei der Hochrenaissance erwarteten.

5. Fazit

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, wurde El Greco während seines Aufenthalts in Venedig stark von den großen Meistern der damaligen Zeit beeinflusst. Als Beispiel werden Tizian und Tintoretto genannt, von deren Kunststilen sich der junge Grieche beeinflussen lässt.39 So erfährt El Greco als Schüler Tizians das Können des Hochrenaissancekünstlers und durch die Werkbetrachtung Tintorettos Malweise, welche die Epoche des Manierismus wesentlich prägte, die Möglichkeiten der Farb- und Lichtgestaltung in der Malerei. Im Fokus der Arbeit stand, wieso El Grecos Darstellung der Taufe Christi bei einem Großteil seiner Zeitgenossen Verwunderung und Widerspruch auslösten. Vor allem die dargestellten Ergebnisse des letzten Kapitels zu den Unterschieden zwischen El Grecos gegenüber der traditionellen Gestaltung rechtfertigen die Aussage, dass El Greco ein Künstler war, der durch seine innovative Farb- und Lichtgestaltung sowie der von der Bildkonvention abweichenden Anordnung der Bildelemente in seinen Werken Aufsehen auf sich zog. Da seine Zeitgenossen noch die Konventionen der Renaissance im Kopf hatten, zögerten diese nicht mit Kritik und Ablehnung der manieristischen Malweise El Grecos, denn diese weicht stark von der Anmut und Idealisierung der Form in der Malerei der Renaissance ab. Die Gemälde des Hochaltars befanden sich wie bereits erwähnt bis 1813 im Kolleg der Doña María de Áragon in Madrid, wo sie bei Messen für den Kirchenbesuchern allgegenwärtig waren. El Greco ist ein Künstler der spanischen Malerei, der die Balance zwischen mystischen Bildelementen und traumweltähnlichen Darstellungen und einer höchst künstlerischen Ausdrucksfähigkeit verstand. Trotz seiner Innovation in der Malweise und Bildgestaltung gibt es keinen Nachfolger seiner Kunstsprache. El Greco wird jedoch ein Vorbild für viele Künstler der Epoche der Moderne.40

[...]


1 Dpa, El Greco: Rätsel der Kunstgeschichte, Münster 2014, in: Westfälische Nachrichten [16.12.2018], URL: https://m.wn.de/Welt/Kultur/Kunst/2014/04/1526131-Kunst-El-Greco-Raetsel-der-Kunstgeschichte.

2 Kat. Ausst. El Greco [... published to accompany the exhibition "El Greco" held at the Metropolitan Museum of Art, New York, from 7 October 2003 to 11 January 2004, and at The National Gallery, London, from 11 February to 23 May 2004], hrsg. von David Davies, Metropolitan Museum of Art, New York 2003/2004 und The National Gallery, London 2004, London 2003, S. 32-41.

3 José Álvarez Lopera, El Greco. Estudio y catálogo, Madrid 2007, S. 175f.

4 Hugo Kehrer, Greco als Gestalt des Manierismus, München 1939, S. 85.

5 Museo del Prado, El Greco: The Baptism of Christ [07.10.2018], URL: https://www.museodelprado. es/en/the-collection/art-work/the-baptism-of-christ/388206cf-943c-46ac-911c-3b63a0ac0200.

6 Museo del Prado, El Greco: The Baptism of Christ [07.10.18].

7 Hans Biedermann, Axt, in: Knaurs Lexikon der Symbole, München 1998, S. 44f.

8 Hugo Kehrer, Die Kunst des Greco, München 1920, S. 42f., 71.

9 Kat. Ausst. El Greco und Toledo. [... Katalog der Ausstellung „El Greco und Toledo“ ...], hrsg. von Jonathan Brown, Toledo Museum of Art, Ohio 1982, Museo del Prado, Madrid 1983, Berlin 1983, S. 138.

10 Die Bibel. Altes und Neues Testament. Einheitsübersetzung, Herder 2010, Ex3,2.

11 Wieland Schmied, Bilder zur Bibel. Maler aus sieben Jahrhunderten erzählen das Leben Jesu, Stuttgart 2006, S. 84.

12 Bibel, Mt3,1-16.

13 Bibel, Mt3,1-17.

14 Taufe/Taufszenen, in: Lexikon der christlichen Ikonographie. Bd. 4, Freiburg 1972, Sp. 244-247.

15 Sabine Poeschel, Handbuch der Ikonographie. Sakrale und profane Themen der bildenden Kunst, Mainz 2014, S. 129f.

16 Taufe Jesu, in: LCI/4 1972, Sp. 247-249.

17 Taufe Jesu, in: LCI/4 1972, Sp. 249-253.

18 Poeschel 2014, S. 129f.

19 Bibel, Mt3,13.

20 Kehrer 1920, S. 42.

21 Álvarez Lopera 2007, S. 175f.

22 Gallerie estense Modena, Altarlo portatile [16.12.18], URL: http://www.gallerie-estensi.beni culturali.it/galleria-estense/collezioni/dipinti/altarolo-portatile/.

23 Ernst Badstübner/Helga Neumann/Hannelore Sachs, Wörterbuch der christlichen Ikonographie, Regensburg 2012, S. 336.

24 Museo del Prado, Navarrete: The Baptism of Christ [02.12.2018], URL: https://www.museodel prado.es/en/the-collection/art-work/the-baptism-of-christ/7ac9dfc6-9032-4259-8d3b-a72de09a7d88?searc hMeta=navarrete.

25 Taufe Jesu, in: LCI/4 1972, Sp. 249.

26 Kehrer 1939, S. 2f.

27 Álvarez Lopera 2007, S. 175f.

28 Kehrer 1939, S. 63-65.

29 Bibel, Mt3,4.

30 Janis Tomlinson, Malerei in Spanien. Von El Greco bis Goya, 1561-1828, Köln 1997, S. 54.

31 Álvarez Lopera 2007, S. 175f.

32 Kehrer 1920, S. 74-77.

33 Kehrer 1920, S. 73.

34 Kehrer 1920, S. 70.

35 Kehrer 1920, S. 70.

36 Museo del Prado, El Greco: The Baptism of Christ [16.10.18].

37 Kehrer 1920, S. 42f., 71.

38 Brown 1983, S. 138.

39 Westfälische Nachrichten: El Greco [16.12.2018].

40 Stefano Zuffi, Die Renaissance. Kunst, Architektur, Geschichte, Meisterwerke, Köln 2008, S. 342.

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Details

Titel
El Greco "Die Taufe Christi" (1597-1600)
Untertitel
Ikonographie des Werks, Unterschiede zwischen El Greco Gemälde und der traditionellen Bildkonvention
Hochschule
Universität Passau
Note
1,70
Autor
Jahr
2018
Seiten
37
Katalognummer
V901777
ISBN (eBook)
9783346205858
ISBN (Buch)
9783346205865
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit behandelt das Gemälde Taufe Christi von El Greco. Die Ikonographie des Werks sowie die Unterschiede zwischen El Greco Gemälde und der traditionellen Bildkonvention werden erarbeitet.
Schlagworte
bildkonvention, christi, gemälde, greco, ikonographie, taufe, unterschiede, werks
Arbeit zitieren
Franziska Zimmert (Autor:in), 2018, El Greco "Die Taufe Christi" (1597-1600), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/901777

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