Der Aufstieg der NSDAP in Mecklenburg-Schwerin im Jahr 1932


Magisterarbeit, 2005

86 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Fragestellung

2. Forschungsstand

3. Das Jahr 1932
3.1. Das zweite Kabinett Brüning
3.2. Brünings Sturz
3.3. Das Kabinett der Barone
3.4. Papen geht, Schleicher kommt
3.5. Weimars Ende

4. Der Aufstieg der NSDAP in Mecklenburg
4.1. Entstehung und Ausbreitung der NSDAP bis 1924
4.2. Etablierung der Partei in Mecklenburg ab 1925
4.2.1. Friedrich Hildebrandt
4.2.2. Die ersten Ortsgruppen
4.2.3. Der Erfolg bleibt aus
4.2.4. Tolerierung der Einheitsliste – die NSDAP im Landtag
4.2.5. Kurskorrektur
4.2.6. Massenzustrom
4.2.7. Die NSDAP und die Eliten

5. Der 5. Juni 1932
5.1. Der Siebente Ordentliche Mecklenburg-Schwerinsche Landtag
5.1.1. Die erste Sitzung, 13. Juli 1932
5.1.2. Die zweite Sitzung, 14. Juli 1932
5.1.3. Die dritte Sitzung, 9. August 1932
5.1.4. Die vierte Sitzung, 8. November 1932
5.1.5. Die fünfte Sitzung, 9. November 1932
5.1.6. Die sechste Sitzung, 1. Dezember 1932
5.1.7. Die siebente Sitzung, 2. Dezember 1932

6. Terror auf den Straßen
6.1. Die Entstehung der SA in Mecklenburg
6.2. Bürgerkriegsähnliche Zustände
6.3. Die Presseberichterstattung der Mecklenburgischen Volkszeitung und des Niederdeutschen Beobachters zum Straßenterror unter besonderer Berücksichtigung der Ereignisse in Hagenow

7. Zusammenfassung

8. Quellenverzeichnis

9. Literaturverzeichnis

1. Fragestellung

Wird der Aufstieg der NSDAP auf regionaler Ebene betrachtet, so können in einigen Fällen unterschiedliche Entwicklungen im Vergleich zur Reichsebene festgestellt werden. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Aufstieg der Hitlerpartei in Mecklenburg-Schwerin. Besonderes Augenmerk gilt hierbei dem Jahr 1932, welches ein Schicksalsjahr in der Geschichte Mecklenburgs werden sollte. Der nationalsozialistische Gau Mecklenburg-Lübeck umfasste Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz und Lübeck. Hier sollen vor allem die Entwicklungen in Mecklenburg-Schwerin beleuchtet werden.

Diese Arbeit setzt sich im Wesentlichen aus vier Schwerpunkten zusammen. Nach der Beschreibung der Ereignisse der letzten Jahre der Weimarer Republik, vor allem des Jahres 1932, betreffend den Machtzuwachs der NSDAP, wird im zweiten Teil der Arbeit der Aufstieg der Nationalsozialisten in Mecklenburg-Schwerin thematisiert. Als besonderer Einschnitt in der Entwicklung soll die Landtagswahl vom 5. Juni 1932 mit ihren Ergebnissen hervorgehoben werden. Neben den Aktivitäten der Partei im Mecklenburg-Schwerinschen Landtag wird in einem letzten Schwerpunkt der Terror auf den Straßen Mecklenburgs im Jahr 1932 betrachtet werden. Die gesamte Arbeit steht unter der Fragestellung: „Warum versagten die Parteien in Mecklenburg-Schwerin so frühzeitig und ermöglichten der NSDAP auf diese Weise den schnellen Aufstieg, der hier früher als auf Reichsebene zum Erfolg führte?“

Der erste Teil der Arbeit dient der Darstellung der politischen Ereignisse der Weimarer Republik aus dem Jahr 1932. Das Phänomen der Präsidialkabinette und der Umstände aus denen sie entstanden sind, spielt hierbei eine große Rolle. Woran scheiterte das Präsidialkabinett Brüning, welches sich, im Gegensatz zu den zwei folgenden Kabinetten, noch auf den Rückhalt des Parlaments stützen konnte? Was waren die Besonderheiten des Kabinetts von Papen? Warum war das Kabinett von Schleicher, welches die nationalsozialistische Gefahr, die von einer Einbeziehung der NSDAP in die Regierung ausging, doch noch erkannte, am Ende nicht erfolgreich? Anhand dieser Eckpunkte wird die Entwicklung des Jahres 1932 auf Reichsebene nachgezeichnet, die in der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 gipfelte.

Im zweiten Teil der Arbeit wird die Geschichte der NSDAP in Mecklenburg thematisiert. Dabei spielen die Vorläufer der Partei ebenso eine große Rolle wie ihre schnelle Ausbreitung. Nach der Neugründung der Hitlerpartei im Jahre 1925 erfolgt die rasche Festigung der NSDAP in Mecklenburg vor allem durch das Wirken einer bestimmten Persönlichkeit: Friedrich Hildebrandt. Seit 1925 von Hitler beauftragter Gauleiter von Mecklenburg-Lübeck, war Hildebrandt untrennbar verbunden mit der Geschichte und vor allem mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten in dieser Region. Einen Punkt im zweiten Teil der Arbeit bildet die Beschreibung der Person Hildebrandts. Welchen Anteil hatte er am Aufstieg der NSDAP in Mecklenburg? Wie stand die Parteiführung in München zu ihm? Wie wird Friedrich Hildebrandt in der Forschung charakterisiert und mit welchen Mitteln erfolgte die Durchsetzung seiner Politik?

Trotz straffer Organisation der Partei und aufwendig betriebenem Wahlkampf blieb der Erfolg jedoch vorerst aus. Erst als die „Einheitsliste nationaler Mecklenburger“ nach der Wahl am 23. Juni 1929 die Regierung unter Einbeziehung der Hitlerpartei bilden konnte, zog diese mit zwei Mandaten in den Mecklenburg-Schwerinschen Landtag ein. Ein vorher nicht absehbarer Aufwärtstrend stellte sich ein, der in dieser Arbeit beschrieben werden wird.

Den dritten Schwerpunkt bildet die Zäsur vom 5. Juni 1932. Die NSDAP erlangte bei diesen Wahlen die absolute Mehrheit und bildete allein die Regierung in Mecklenburg-Schwerin. Es entstand ein Machtvakuum. Welche Umstände machten dies möglich? Wie sah die politische Arbeit der nationalsozialistischen Fraktion im Landtag aus und wie verhielten sich die anderen Parteien?

Die bürgerkriegsähnlichen Zustände auf den Straßen Mecklenburgs im Jahr 1932 werden im letzten Kapitel beschrieben. Dazu ist es vorerst nötig, sich die Entstehung der SA in Mecklenburg näher anzusehen. Weiterhin soll betrachtet werden, wie die Mecklenburgische Volkszeitung der SPD auf der einen und der Niederdeutsche Beobachter der NSDAP auf der anderen Seite auf den Straßenterror reagierten. Dies geschieht am Beispiel der Ereignisse in Hagenow vom 10. Juli 1932.

Zusammenfassend werden noch einmal die Besonderheiten des Aufstiegs der NSDAP für die Region Mecklenburg-Schwerin herausgearbeitet. Die reichs- und landesweiten Entwicklungen ihres Aufstiegs werden im Hinblick auf Kontinuitäten und Brüche verglichen. Abschließend wird versucht werden, die Frage zu beantworten, warum die anderen politischen Parteien in Mecklenburg-Schwerin so frühzeitig versagten.

2. Forschungsstand

Zu der ausgewählten Thematik, der Geschichte des Nationalsozialismus, vor allem des Phänomens seines rasanten Aufstiegs unter besonderer Berücksichtigung des Jahres 1932, ist in den Jahren der Nachkriegszeit sehr umfangreich geforscht worden. Als Standardwerke zum Untergang der Weimarer Republik beziehungsweise zum Aufstieg des Nationalsozialismus konnte auf zahlreiche Publikationen zurückgegriffen werden. Einige aus den 50er und 60er Jahren sind dabei noch immer von großer Bedeutung[1]. Weitere Werke aus den 80er und frühen 90er Jahren[2] waren ebenso zu berücksichtigen wie Werke aus jüngster Zeit[3]. Auch Adolf Hitler-Biographien wurden für die reichsweite Betrachtung der Ereignisse herangezogen[4].

Auf regionaler Ebene war der Aufstieg des Nationalsozialismus Thema einiger Dissertationen und Diplomarbeiten[5] sowie zahlreicher weiterer Publikationen[6]. Auch artverwandte Forschung, die zeitlich in dieses Gebiet passte, konnte verwendet werden und ergänzte die Arbeit mit Hilfe eines anderen Blickwinkels auf die Ereignisse[7]. Zur parlamentarischen Arbeit der einzelnen Parteien im Mecklenburg-Schwerinschen Landtag am Ende der Weimarer Republik, vor allem der NSDAP und der SPD, gaben einige Publikationen und Aufsätze Aufschluss[8]. Auch die Person des mecklenburgischen Gauleiters Friedrich Hildebrandt ist zum Gegenstand einiger Veröffentlichungen geworden[9].

Bei den regionalen Forschungen muss jedoch außerdem darauf geachtet werden, ob es sich vielleicht um Literatur aus der ehemaligen DDR handelt. „Wenn diese Untersuchungen teilweise auch viele nützliche Fakten liefern konnten, so wurde ihr Wert durch ideologisch motivierte, unwissenschaftliche Einseitigkeiten stark geschmälert“[10]. Einige Veröffentlichungen mussten daher unter diesen Gesichtspunkten betrachtet werden[11].

Zum Thema Mecklenburg sind auch in der Zeit des Nationalsozialismus beziehungsweise zu Beginn der 30er Jahre zahlreiche Werke erschienen[12].

Um die Arbeit abzurunden, wurden Quellen zur ausgewählten Thematik herangezogen, um die parlamentarische Arbeit der Nationalsozialisten im Landtag zu belegen und nachvollziehen zu können[13]. Die sozialdemokratische „Mecklenburgische Volkszeitung“ und der nationalsozialistische „Niederdeutscher Beobachter“ als politische Presseorgane wurden im Hinblick auf ihre Berichterstattung zu den Sitzungen des Landtags und zum Terror auf den Straßen einander gegenüberstellt[14].

Zu erwähnen seien noch einmal die Veröffentlichungen von Beate Behrens[15] und Christian Madaus[16], welche großen Aufschluss über die Thematik des Aufstiegs der Nationalsozialisten in Mecklenburg gaben und diese Arbeit sehr bereicherten.

3. Das Jahr 1932

3.1. Das zweite Kabinett Brüning

Mit Reichskanzler Heinrich Brüning brach die Zeit der Präsidialkabinette in der Weimarer Republik an. Nachdem die Große Koalition unter Reichskanzler Herrmann Müller auseinander gebrochen war, wurde Brüning am 28. März 1930 von Reichspräsident Paul von Hindenburg damit beauftragt, ein solches Kabinett zu bilden. Allerdings war die Bedingung, dass Brüning sich bei der Zusammenstellung des Präsidialkabinetts möglichst weit nach rechts orientieren sollte, um so die größte Fraktion im Reichstag, die SPD, auszuschalten. Am 30. März 1930 wurde das Kabinett vorgestellt. Es bestand fast ausschließlich aus Politikern der bürgerlichen Parteien. Erste Amtshandlungen des neuen Reichskanzlers waren die Auflösung des Reichstags auf und das Erlassen von Gesetzen mit Hilfe von Notverordnungen[17]. Zum ersten Mal in der Geschichte der Weimarer Republik wurde im Juli 1930 ein Gesetzentwurf, der vom Parlament abgelehnt wurde, als Notverordnung durchgesetzt. Als der Antrag auf Aufhebung der Notverordnung im Reichstag die erforderliche Mehrheit fand, löste Brüning den Reichstag auf und setzte Neuwahlen an. Die durch den Reichstag aufgehobene Notverordnung wurde einige Tage später in härterer Form erlassen[18].

Im Juli 1930 verlor das Kabinett des Zentrumspolitikers Brüning seine parlamentarische Mehrheit. Hinter dem Reichskanzler standen nur noch die Parteien der Mitte und der gemäßigten Rechten. Um die Mehrheit des Reichstags wieder zu erlangen, bedurfte es entweder der Tolerierung des Kabinetts durch die NSDAP oder durch die SPD. Das Regierungslager, einschließlich der Reichswehr, empfand die Tolerierung durch die SPD als kleineres Übel. Die Sozialdemokraten selbst konnten nur so eine Regierungsbeteiligung der Nationalsozialisten verhindern. So kam die Tolerierungspolitik der SPD gegenüber dem Präsidialkabinett Brüning zustande[19].

Wie stand der Reichskanzler Brüning zur NSDAP und zu ihrem unaufhaltsamen Machtzuwachs seit 1930?

Bei der Reichstagswahl vom 14. September 1930 gewann die NSDAP 107 Sitze im Parlament. Vor der Wahl hatte die Partei über nur 12 Mandate verfügt. Ein enormer Aufwärtstrend setzte ein. Brüning war es wichtig, die KPD und die NSDAP als extreme Parteien gleichartig zu bewerten[20]. Eine Regierungsbeteiligung der Nationalsozialisten schloss Brüning aber auf lange Sicht nicht aus. Dieser Fakt wäre im Hinblick auf die KPD nicht in Frage gekommen. So erfuhr die NSDAP durch Brüning einige Zugeständnisse, wie z.B. die Zurückhaltung des Kanzlers gegenüber Wilhelm Frick in Thüringen[21]. Auch einige Beamtenfragen wurden im Sinne der NSDAP gelöst und es wurden sogar Verhandlungen mit Adolf Hitler, dem „Führer“ der nationalsozialistischen Bewegung, aufgenommen. Einen entscheidenden Fehler beging Heinrich Brüning aber, als er den Fund der so genannten „Boxheimer Dokumente“[22] im November 1931 nicht Ernst genug nehmen wollte[23]. Es wurde zwar eine gerichtliche Voruntersuchung veranlasst, aber der Oberreichsanwalt, der von Brüning beeinflusst wurde, spielte die Angelegenheit herunter. Auch die Anzeige gegen den Verfasser der Dokumente wegen Hochverrats vom 30. November 1931 verlief im Sande. Brünings Intention für sein Handeln war, die Gespräche für eine Regierungsbildung in Hessen zwischen der NSDAP und dem Zentrum nicht zu stören[24]. Brüning lag einiges daran, dass eine schwarz-braune Koalition in Hessen zustande kam, denn sein Plan war, die NSDAP zuerst auf Länderebene und dann auf Reichsebene unter bürgerlicher Kontrolle in die Regierung einzubinden[25]. Vielleicht wurde auch aus diesem Grund das gewaltsame Treiben einiger Anhänger der NSDAP auf den Straßen von der Regierung ignoriert. Außerdem sah Brüning in Hitler ein geeignetes Gegengewicht zur KPD. Seine Zielvorstellung war eine Reichsregierung bestehend aus Zentrum und NSDAP. Damit wäre nicht nur seine Partei, das Zentrum, weiterhin an der Macht, sondern die Überwachung der Legalität durch die bürgerliche Partei bei der Machtausübung der Nationalsozialisten wäre so gesichert[26]. Brüning sah die Situation wie der Großteil des konservativen Bürgertums: „Der Führer der NSDAP galt als Patriot und Idealist, seine Partei als eine ungebärdige, aber überwiegend gutwillige Masse, die durch Mitverantwortung diszipliniert werden konnte.“[27]

In diesem Sinne, aber auch aus reichspolitischen Gründen, erfolgte bei der Umbildung des Kabinetts Brüning im Oktober 1931 eine deutliche Kurskorrektur nach rechts. Der Reichskanzler strebte eine Revision des Versailler Vertrags vom 28. Juni 1919 vor allem in Hinblick auf militärische Gesichtspunkte an. Weiterhin plante er einen konservativen Umbau der Weimarer Verfassung, der sogar bis zur Wiederherstellung der Hohenzollernmonarchie gehen sollte. Die Regierungsgewalt sollte zu diesem Zweck erheblich auf Kosten des Reichstags gestärkt werden[28]. In personellen Fragen ergaben sich einige Änderungen im Kabinett. Der Reichskanzler selbst übernahm nun auch das Außenministerium. Der vorherige Minister Julius Curtius wurde entlassen. Der Reichswehrminister Wilhelm Groener wurde nun zusätzlich Innenminister. Auch sein Vorgänger musste gehen. Das zweite Kabinett Brüning war gekennzeichnet durch auffallend wenige Parteipolitiker; die Distanz zum Reichstag vergrößerte sich. Misstrauensanträge gegen das Präsidialkabinett konnten nur abgewendet werden, weil die SPD gegen die Annahme stimmte[29].

3.2. Brünings Sturz

Konnte sich das zweite Kabinett des Zentrumspolitikers zum Ende des Jahres 1931 noch der Unterstützung durch den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg sicher sein, so begann dessen Vertrauen im Frühjahr 1932 deutlich zu schwinden. Der Ausgangspunkt hierfür ist wohl in den Vorbereitungen für die Reichspräsidentenwahl im März desselben Jahres zu suchen. Während Hindenburg hoffte, sich ohne Gegenkandidaten dem Volk stellen zu können und von diesem im Amt bestätigt zu werden, plante Brüning die Wahl zu verschieben. Damit beabsichtigte er, Hindenburgs und seine eigene Amtszeit zu verlängern. Allerdings vereitelten Hitler und Alfred Hugenberg (DNVP) dieses Vorhaben[30]. Demnach gestaltete sich die Wahlkonstellation wie folgt: Die NSDAP stellte ihren Kandidaten Adolf Hitler, die KPD schickte Ernst Thälmann ins Rennen, für die DNVP und den „Stahlhelm“ war Theodor Duesterberg der Kandidat. Die nationale Opposition ging durch zwei Kandidaten gespalten in die Wahl[31]. Die SPD sah sich vor der seltsamen Situation, dass sie, um Hitler zu verhindern, den konservativen Kandidaten Hindenburg unterstützen musste.

Im ersten Wahlgang am 13. März 1932 verfehlte Hindenburg mit 49,2% der Wählerstimmen nur knapp die absolute Mehrheit. Er verlor viele Stimmen bei seinen Stammwählern, während er bei seinen früheren Gegnern dazu gewann[32]. Diese Tatsache sollte nicht spurlos an dem greisen Feldmarschall vorübergehen.

Die Zeit bis zum zweiten Wahlgang war gekennzeichnet durch ein härteres Vorgehen des Innenministeriums gegen die Aktivitäten von NSDAP und SA. Auf Drängen von einigen republikanischen Beamten und Drohungen von zahlreichen Ländern[33], wurden am 17. März Geschäftsstellen von SA und NSDAP durchsucht. Man fand heraus, dass die Sturmabteilung für einen gewaltsamen Umsturz am Wahltag gerüstet war[34]. Weiterhin machten die Durchsuchungen deutlich, dass sich bereits Spitzel genau über die Gliederung, Stärke und Ausrüstung der Reichspolizei informiert hatten; es wurde ein Generalmobilmachungsplan gefunden sowie die Richtlinien für den Aufbau eines Nachrichtendienstes. Brüning und Groener waren sich einig: die SA musste verboten werden[35]. Die „Hochverräterischen Umtriebe der Nationalsozialisten“[36] führten zu einem ersten Entwurf der Notverordnung für ein SA-Verbot. „Die Entscheidung für das SA-Verbot war ein später Versuch staatlicher Selbstbehauptung“[37].

Im zweiten Wahlgang erzielte Hindenburg 53% der Stimmen und somit die absolute Mehrheit. Dagegen erhielt Hitler 36,8% (6,7% mehr als im ersten Wahlgang) und Thälmann 10,2% (3% weniger). Duesterberg trat im zweiten Wahlgang aufgrund seines schlechten Abschneidens bei der ersten Wahl nicht mehr an. Konkret sah es so aus, dass Hindenburg noch einmal 700.000 Stimmen mehr für sich verbuchen konnte; Hitler jedoch gewann im zweiten Wahlgang zwei Millionen Stimmen hinzu[38].

Gründe für Brünings Sturz waren sowohl im Zustandekommen von Hindenburgs Sieg als auch im SA-Verbot zu suchen. Dass der Reichspräsident vornehmlich mit Hilfe von sozialdemokratischen Stimmen gewonnen hatte, hinterließ Spuren. Weiterhin planten General Kurt von Schleicher und Oskar von Hindenburg im Hintergrund eine Offensive gegen das am 13. April 1932 erlassene SA-Verbot[39]. Aber diese Aktivitäten mit Intrigenausmaß gingen noch weiter. So beabsichtigte Schleicher seit Anfang Mai mit Hilfe der NSDAP, das Kabinett Brüning zu stürzen. Ziel war es, ein neues Kabinett zu bilden, das noch weiter nach rechts orientiert sein sollte. Das erste Opfer der Intrige war Groener[40]. Die Reichstagssitzung vom 10. Mai, in der der Reichswehr- und Innenminister das SA-Verbot begründen wollte, endete in einem Desaster. Von Nationalsozialisten gnadenlos ausgebuht, reichte er zwei Tage später seinen Rücktritt bezüglich des Reichswehrministeriums ein. Die Lage spitzte sich damit weiter zu. Hindenburg räumte Brüning zwar noch eine Gnadenfrist bis zur Reparationskonferenz von Lausanne (16. Juni) ein, entzog dem Reichskanzler dann aber doch schon am 29. Mai bei einem privaten Treffen die Erlaubnis zu regieren. Das Kabinett sei unpopulär, so lautete Hindenburgs Begründung[41].

General Kurt von Schleicher war maßgeblich am Sturz Brünings beteiligt. Er war Schuld an der Krise um das SA-Verbot, brachte Brünings Position durch Groeners Sturz entscheidend zum Wanken und stellte zusammen mit Hitler die Weichen für die Ablösung Brünings von einem rechten Kabinett unter Tolerierung der NSDAP[42].

Die konservativen Kräfte um Hindenburg, die so genannte Kamarilla[43], die nun verstärkt wirkten, verfolgten ihre eigenen Ziele, fernab vom Willen des Volkes. Sie wollten die Krise dazu nutzen, sich vollständig von der Demokratie abzuwenden; in ihrem Wunschbild, dem autoritären Staat, sollten wieder die alten Eliten aus der Zeit vor 1914 regieren[44].

3.3. Das Kabinett der Barone

Nach Brünings Sturz nahm General Kurt von Schleicher Verhandlungen mit Hitler auf. Ziel der Gespräche war, ein rechtes Kabinett unter Reichskanzler Franz von Papen aufzustellen, das von der NSDAP toleriert werden sollte. Papen, Mitglied der Zentrumspartei, war bis dahin noch nicht ins Rampenlicht der politischen Bühne gerückt. Er kam aus einer westfälischen Adelsfamilie und verfügte durch die Heirat mit der Tochter eines Saar-Industriellen über Reichtum und gute Kontakte zur Industrie. Außerdem hatte Papen Verbindungen zur Kirche und zur Reichswehr. Franz von Papen wurde von Zeitgenossen als überheblich und arrogant beschrieben und wirkte beinahe wie eine Karikatur seiner selbst. Nach Schleichers Plan sollte der neue Reichskanzler die Beseitigung der Demokratie mit gemäßigten Diktaturplänen vorantreiben[45]. Um sich die Tolerierung durch die NSDAP für ein Kabinett mit Papen zu sichern, musste Schleicher der Partei einige Zugeständnisse machen. Hitler forderte die Aufhebung des SA-Verbots, die Auflösung des Reichstags und die Ausschreibung von Neuwahlen. „Was Schleicher und schließlich auch Hindenburg bewog, in Hitlers Verlangen einzuwilligen, war die eitle Hoffnung, der Nationalsozialismus werde sich zähmen lassen, indem man ihn auf irgendeine Weise näher an den Staat heranführte“[46]. Schleicher ging ein großes Risiko ein. Ein neues rechtes Kabinett hätte die Linken herausfordern können. Zudem lief das Kabinett Gefahr, sich Hitler zu sehr auszuliefern. Das Vorhaben Schleichers drohte bei einem Konflikt mit der NSDAP allein auf das Wohlwollen des Reichspräsidenten angewiesen zu sein[47].Außerdem musste damit gerechnet werden, dass die NSDAP bei Neuwahlen die stärkste Partei werden könnte[48].

Allen Bedenken zum Trotz wurde das „Kabinett der Barone“[49] am 2. Juni 1932 vereidigt. Es bestand aus einem Grafen, vier Freiherren, zwei weiteren Adeligen und drei Bürgerlichen. Der Außenminister war Konstantin Freiherr von Neurath, das Innenministerium bekleidete Wilhelm Freiherr von Gayl und die Reichswehr führte nun Kurt von Schleicher[50]. Die ersten Amtshandlungen des Präsidialkabinetts hätten nicht deutlicher die Haltung zum Parteienstaat zeigen können. Alle Minister traten demonstrativ aus ihren Parteien aus[51], und die Regierungserklärung wurde nicht etwa vor dem Reichstag verlesen, sondern im Rundfunk übertragen[52]. Eine zehn Tage später eingeführte Notverordnung „enthüllte den ausgeprägt antisozialen Kurs des Kabinetts zugunsten der großagrarischen und großindustriellen Interessen“[53].

Eine einschneidende Handlung des Kabinetts Papen war die Gleichschaltung Preußens am 20. Juli 1932. Der so genannte „Preußenschlag“ war ein „entscheidender Wendepunkt im Prozess der von der Demokratie zur Diktatur führenden Machtverschiebung“[54]. Da nach den Landtagswahlen im Frühjahr in Preußen keine Koalition aus NSDAP und Zentrum zustande kam, musste die SPD-Landesregierung unter Otto Braun vorerst geschäftsführend bleiben. Diesen Umstand nahm Papen zum Anlass, sich selbst als Reichskommissar in Preußen einzusetzen[55]. Am gleichen Tag wurde der Ausnahmezustand über Berlin und Brandenburg verhängt und Preußens Polizei, bis dahin eines der wichtigsten Instrumente gegen die Gewalt von rechts, gleichgeschaltet[56].

„Der 20. Juli 1932 war ein Beweis dafür, wie wenig es noch zur Überwindung der Demokratie bedurfte“[57], denn Papen stieß mit seiner Reichsexekution kaum auf Widerstand. So wehrte sich die SPD nicht gegen die verfassungswidrige Absetzung ihrer Preußen-Regierung, da die Ablehnung von Gewalt als eine Grundfeste der Partei galt. Weiterhin war ihr klassisches Abwehrinstrument, der Generalstreik, angesichts der hohen Arbeitslosigkeit nicht anwendbar[58]. Die Weltwirtschaftskrise hatte die breite Masse der Arbeiterschaft ohnehin demoralisiert und entsolidarisiert und Reichswehr und Reichspräsident standen geschlossen hinter dem Staatsstreich[59]. „(…)Der nicht unberechtigte Respekt vor der Reichswehr genügte, um von vornherein alle Aktionsabsichten zu blockieren“[60]. So wurde gegen das verfassungswidrige Einschreiten Papens in Preußen am Ende nichts unternommen.

Weiterhin erwähnenswert für den Sommer 1932 war die Zunahme des Straßenterrors, vor allem, nachdem das Kabinett Papen das SA-Verbot am 16. Juni aufhob. Bis zum 20. Juli kam es allein in Preußen zu 500 Zusammenstößen zwischen der SA und Mitgliedern von KPD und SPD. Am 17. Juli 1932 ereignete sich der wohl blutigste Konflikt des Sommers: In Altona lieferten sich Nationalsozialisten und Kommunisten heftige Barrikadenkämpfe, die 17 Tote und zahlreiche Verletzte forderten. Die Gesamtbilanz für den Juli des Jahres 1932 lag bei 68 Todesopfern aufgrund von politischen Auseinandersetzungen[61]. Besonders in den Tagen vor der angesetzten Reichstagswahl am 31. Juli 1932 prägten „Uniformen und politisches Ritual (…) die politische Szenerie. Sie täuschten vielfach eine Ordnung vor, die in Wahrheit nicht bestand“[62]. Besonders die arbeitslose Jugend nutzte die bürgerkriegsähnlichen Zustände als Ventil. Mit Gewalt trieb die SA gegnerische Wahlveranstaltungen auseinander. Provokationen, wie die Märsche der Sturmabteilung durch Arbeiterviertel, standen auf der Tagesordnung. Vor allem in Gegenden mit wenig Polizei konnte die ungehemmte Terrorherrschaft der SA beobachtet werden[63].

Die Reichstagswahl vom 31. Juli 1932 bescherte der NSDAP einen überwältigenden Erfolg. Dennoch erzielte die Partei mit 230 von 608 Sitzen nicht die absolute Mehrheit im Parlament. Die SPD ging mit ihren verbliebenen 133 Mandaten sehr geschwächt aus der Wahl hervor, denn sie hatte 10 Sitze verloren[64]. Für das Papen-Kabinett endete die Wahl in einer Katastrophe. Es hatte nun keinen parlamentarischen Rückhalt mehr, bedingt durch die schlechten Ergebnisse für DVP und DNVP. Im Ausgang der Wahl stand auf der rechten Seite der nationalsozialistische Block, ihm gegenüber links die Kommunisten und in der Mitte das Zentrum. Die einzige Möglichkeit für eine positive Mehrheitsbildung wäre eine schwarz-braune Koalition gewesen. Diese hätte bei einem möglichen Zustandekommen das Papen-Kabinett auf verfassungsrechtlichem Wege ausschalten können. Der Reichskanzler sah sich nun in einer Zwangslage. Entweder müsste er die Verhandlungen mit Hitler fortsetzen, um ihn vielleicht doch zu einer Regierungsbeteiligung zu überreden, oder der Reichstag müsste erneut aufgelöst werden[65]. „In dieser Versteifung und Sättigung der einzelnen Parteilager konnte man das Ende der Parteien erblicken“[66].

3.4. Papen geht, Schleicher kommt

Die wachsende Unpopularität des Papen-Kabinetts war einer der Gründe, warum Schleicher nun wieder mit Hitler verhandelte. Nach der Wahl vom 31. Juli war den Nationalsozialisten klar geworden, dass sie vielleicht doch nicht auf legalem Wege die Macht ergreifen konnten, denn „ein absoluter Endpunkt der nationalsozialistischen Ausdehnung im Zeichen freier, demokratischer Wahlbedingungen war erreicht“[67]. Hitler war sich bewusst, dass der Weg zur Macht über die „graue Eminenz“, den Vertrauensmann der Reichswehr und Hindenburg, Kurt von Schleicher führen musste[68]. Schleichers Plan war es, „Hitlers Machtanspruch abzufangen und seine Massenbewegung in ihrem positiven Nationalismus einer starken, von der Reichswehrführung kontrollierten Präsidialregierung zuzuführen“[69]. Die Verhandlungen begannen am 4. August 1932. Jedoch stellten sich Hitlers Forderungen schnell als undurchführbar heraus. Während Schleicher Hitler im Kabinett Papen sehen wollte, schlug der „Führer“ der NSDAP ein neues Kabinett vor und beanspruchte dabei nicht nur die Reichskanzlerschaft für sich, sondern ebenso das Innenministerium, das Reichsarbeitsministerium, das Luftfahrtministerium, ein neu zu gründendes Ministerium für Propaganda und Volkserziehung, das preußische Innenministerium sowie die Verabschiedung eines Ermächtigungsgesetzes[70]. Im Ergebnis der Verhandlungen erlitt Hitler einen enormen Prestigeverlust, denn Hindenburg, der die letzte Entscheidungsgewalt hatte, lehnte es ab, einem Kabinett unter Hitlers Führung zuzustimmen. Innerhalb der NSDAP hinterließen die gescheiterten Verhandlungen Spuren. Parteiaustritte häuften sich, Kritik an Hitlers Führung wurde laut und finanzielle Schwierigkeiten durch die aufwendig gestalteten Wahlkämpfe zeichneten sich ab[71].

Ab August 1932 war die Papen-Regierung isoliert. Im Reichstag befanden sich alle Parteien (außer DNVP und DVP) in der Opposition zum Kabinett. Die SPD zog eine Koalition aus NSDAP und Zentrum sogar vor, da sie diese dann als leichter zu beseitigen ansah. Gewerkschaften, der Reichslandbund, der gesamte Reichsrat sowie der preußische Landtag setzten sich ebenfalls gegen Papen zur Wehr, indem sie der Regierung ihr Misstrauen aussprachen[72].

Papen gewann noch einmal einen Spielraum von sieben Wochen, als er erneut den Reichstag auflöste und Neuwahlen auf den 6. November legte. Im folgenden Wahlkampf hetzten alle Parteien gegen das Kabinett der Barone[73]. Die NSDAP war aufgrund der internen Krise und der finanziellen Schwierigkeiten aber nicht für den Wahlkampf gerüstet. Die Parteiführung musste mit erheblichen Stimmenverlusten rechnen. Im Ergebnis der Wahl stellte sich die Befürchtung als gerechtfertigt heraus, denn die Hitler-Partei erlitt einen Rückschlag. Nicht nur, dass die Wähler müde geworden waren; viele Menschen lehnten den SA-Terror auf den Straßen ab[74]. Das Papen-Kabinett fühlte sich von den Wählern bestätigt, da abermals keine Mehrheit zustande gekommen war, jedoch konnte es sich wieder nur auf die DNVP stützen[75]. Hindenburg und Schleicher mussten handeln. Während Papen plante, den Reichstag noch einmal aufzulösen und in sechs Monaten neu wählen zu lassen, waren sich der Reichspräsident und der Kopf der Reichswehr sicher, ein neues Kabinett bilden zu müssen. Am 2. Dezember kam eine Einigung zustande. Mit Zustimmung der Mitglieder des Papen-Kabinetts wurde sich für eine Ernennung Schleichers zum Reichskanzler ausgesprochen. Papen musste dem General weichen; Hindenburg sah dies mit einem weinenden Auge, war Franz von Papen doch sein „Lieblingskanzler“[76].

Rückblickend hatte das Kabinett von Papen „wesentlich dazu beigetragen, die Widerstandskräfte zu lähmen, die allein in der Lage gewesen wären, sich der Springflut des Nationalsozialismus entgegenzustellen“[77].

3.5. Weimars Ende

Am 3. Dezember 1932 wurde General Kurt von Schleicher offiziell zum neuen Reichskanzler ernannt. Sein Zähmungskonzept scheiterte endgültig, nachdem Gregor Strasser[78], von der Parteiführung der NSDAP unter Druck gesetzt, das von Schleicher angebotene Vizekanzleramt ablehnen musste. Strasser wollte das Amt annehmen, Hitler aber hielt stur an seinem „Alles-oder-Nichts“-Konzept fest[79].

Die Lage spitzte sich weiter zu. Während es dem Reichskanzler gelang, eine Vertagung des Reichstags bis in den Januar 1933 zu erwirken, wurde im Hintergrund eifrig die Proklamierung des Staatsnotstandes vorbereitet. „Im Januar 1933 konnte Schleicher davon ausgehen, dass die zuständigen militärischen und zivilen Stellen bestens für den Ausnahmezustand präpariert waren“[80]. Der Plan war, den Reichstag unbefristet auszuschalten. Aufgrund dieser Maßnahme erwartete die Regierung heftigen Widerstand, der dann die Ausrufung des Notstands gerechtfertigt hätte. Langfristig sollte nach einem Abflauen der Wirtschaftskrise und dem somit schwindenden Einfluss von extremen Parteien, die Wiederherstellung der demokratischen Ordnung erfolgen. Nach Eberhard Kolb wäre dies vielleicht die einzige Überlebenschance für die Weimarer Republik gewesen. Ob alles so eingetreten wäre, wie es geplant war, kann heute nicht mehr nachvollzogen werden[81].

Der Abgang Gregor Strassers riss die NSDAP in eine schwere Krise. Hitler warf Strasser den Versuch einer Spaltung der Partei vor und musste nach dessen Abschied[82] die NSDAP personell neu ordnen. Faktisch war die NSDAP nun isoliert, denn die Beziehungen zu Schleicher, dem wichtigsten Mann auf dem Weg zur Macht, waren abgekühlt[83].

Eine wichtige politische Persönlichkeit, eigentlich von der Bühne verschwunden, agierte nun im Hintergrund weiter und wurde so zum wichtigsten „Steigbügelhalter“ Hitlers: Franz von Papen. Dieser plante nun, die Verhandlungen mit Hitler fortzusetzen, um seinen Rivalen Schleicher auszuschalten und möglichst wieder dessen Platz einzunehmen[84]. Ihm schwebte dabei zuerst eine Koalition von DNVP und NSDAP unter gleichberechtigter Führung von Papen und Hitler vor. Jedoch musste er in den folgenden Verhandlungen immer mehr dem Führungsanspruch Hitlers weichen, an dem dieser unnachgiebig klammerte. Papen agierte in den ersten Januarwochen des Jahres 1933 als Vermittler zwischen der NSDAP, der DNVP und dem Reichspräsidenten, bzw. dessen Sohn Oskar. Ab Mitte Januar stellte sich dann die entscheidende Wende ein: Hindenburg beauftragte Papen mit der Sondierung der Möglichkeiten für die Bildung einer neuen Regierung[85]. Auf der anderen Seite ließ sich Papen von der NSDAP-Führung die Zusage entlocken, sich bei Hindenburg für Hitler als Reichskanzler einzusetzen[86]. Während der greise Reichspräsident, sicher auch aufgrund des Einflusses von Papen, sich immer mehr Hitler annäherte, kühlte die Beziehung zu Schleicher merklich ab. Der General hatte eindeutig die Beziehung zwischen Papen und Hindenburg unterschätzt[87].

In den letzten Januartagen fiel die Entscheidung. Schleicher reichte am 28. Januar seinen Rücktritt ein, nachdem ihm Hindenburg nicht gestattet hatte, den Reichstag aufzulösen[88].

Die Idee eines Kabinetts der Einheitsfront der nationalen Parteien mit Hitler als Reichskanzler und Papen als Vizekanzler war das Ergebnis der Verhandlungen vom 24. Januar zwischen Frick, Papen und Hermann Göhring. Dieses Vorhaben trug damit dem lang gehegten Wunsch Hindenburgs Rechnung, alle nationalen Verbände und Parteien zu einigen[89]. Der Reichspräsident „gab seinen Widerstand gegen ein nationales Mehrheitskabinett auf und zeigte sich für diesen Fall geneigt, auf eine Reichskanzlerschaft Hitlers einzugehen, sofern dessen Einfluss durch starke konservative Gegengewichte im Kabinett antariert sei“[90].

Zu Beginn des Jahres 1933 kam es dann zu dem entscheidenden Schritt, der die Geschichte so einschneidend prägen sollte. „Am 30. Januar vereidigte Hindenburg das Hitler-Kabinett, in dem drei Nationalsozialisten von neun Konservativen eingerahmt wurden“[91].

Auf den ersten Blick war das Kabinett Hitler ein Präsidialkabinett wie jedes andere nach 1930. Jedoch konnte diese Regierung völlig andere Voraussetzungen vorweisen, nämlich eine „bedingungslos ergebene dynamische Massenpartei sowie eine nach Hunderttausenden zählende paramilitärische Organisation (…). Bereits die ersten Stunden des neuen Regimes signalisierten deutlich, wohin die Reise gehen würde“[92].

[...]


[1] Vgl. Bracher: Auflösung, 1955; Ders. / Sauer / Schulze: Machtergreifung, 1960; Ders. / Funke / Jacobsen: Diktatur, 1969; Jasper: Weimar, 1968.

[2] Vgl. Broszat: Diktatur 1983; Ders. / Frei: Das Dritte Reich, 1990; Ders: Machtergreifung, 1993; Deuerlein: Aufstieg, 1982; Hentschel: Hitler, 1990; Hildebrand: Das Dritte Reich, 1991; Jasper: Zähmung, 1986; Lill / Oberreuter: Machtverfall, 1983; Mommsen: Freiheit, 1989; Paetzold / Weissbecker: NSDAP, 1981; Winkler: Staatskrise, 1992; Ders: Katastrophe, 1987; Ders: Weimar 1918-1933, 1993; Ders: Weimar, 1993.

[3] Vgl. Evans: Das Dritte Reich, 2004; Kolb: Weimarer Republik, 2002.

[4] Vgl. Fest: Hitler, 1976; Kershaw: Hitler 1889-1936, 1998; Kershaw: Hitlers Macht, 2001.

[5] Vgl. Behrens: NSDAP, Univ. Rostock Diss., 1996; Malinowski; NSDAP, Univ. Rostock Diplomarbeit, 1988; Niedergesäß: Gauleiters, Univ. Rostock, Diplomarbeit, 1991; Urbschat: Arbeiterbewegung, Univ. Rostock Diss., 1990; Wilhelm: Granzow-Regierung, Univ. Rostock Diplomarbeit, 1986.

[6] Vgl. Behrens: Hitler, 1998; Langer: Gleichschaltung, 1997; Langer: Hakenkreuz, 1996; Madaus: Aufstieg 1924-1932, 1997; Ders: Aufstieg 1924-1945, 2003; Ders: Hildebrandt, 2000; Niemann: Ende der Republik, 2002; Urbschat: Aufstieg, 1995; Dies: Mecklenburg-Schwerin, 1993.

[7] Vgl. Borchert / Kniesz: Demokratie, 2004; Conze: Niedergang, 2003; Elsner: Herrengesellschaft, 1998; Hempe: Ländliche Gesellschaft, 2002; Langer: Gleichschaltung, 1997; Müller: SPD, 2002; Niemann: Großgrundbesitz, 2000; Sobkowiak: Arbeiterklasse, 1984; Urbschat: Arbeiterbewegung, 1990; Dies: Bildung der Eisernen Front, 1990; Wasser: Wirken der Sozialistischen Arbeiterbewegung, 1997.

[8] Vgl. Inachin: Durchbruch, 2004; Koch: Demokratie, 1992; Schwabe: Krone, 1994; Ders: Kräfteverhältnis, 2001; Bei der Wieden: Regierungen, 1977.

[9] Vgl. Jahnke: Hildebrandt, 1995; Madaus: Hildebrandt, 2000; Niedergesäß: Zur Rolle des Gauleiters, 1991.

[10] Niemann: Großgrundbesitz, 2000, S. 17.

[11] Vgl. Jahnke: NSDAP, 1990; Koch: Demokratie, 1992; Langer: Hakenkreuz, 1996; Urbschat: Arbeiterbewegung, 1990; Dies: Bildung der Eisernen Front, 1990.

[12] Vgl. Crull: Mecklenburg, 1938; Darré: Ziel, 1934; Gadow: Ritter, 1935; Görlitz: Des Reiches unbekanntes Land, 1941; Hildebrandt: Aufbau, 1935; Ders: Nationalsozialismus, 1930; Schulz: Mecklenburg, 1939.

[13] Vgl. Landtagsprotokoll, Siebter Ordentlicher Mecklenburg-Schwerinscher Landtag 1932.

[14] Vgl. Mecklenburgische Volkszeitung, 41. Jahrgang, 1932; Niederdeutscher Beobachter, 8. Jahrgang, 1932.

[15] Vgl. Behrens: Hitler, 1998; Dies: NSDAP, 1996.

[16] Vgl. Madaus: Aufstieg 1924-1932, 1997; Ders: Aufstieg 1924-1945, 2003; Ders: Hildebrandt, 2000.

[17] Vgl. Kolb, Eberhard: Die Weimarer Republik, München 2000, S. 127.

[18] Vgl. Ebenda, S. 128.

[19] Vgl. Winkler, Heinrich August: Von Weimar zu Hitler. Die Arbeiterbewegung und das Scheitern der ersten deutschen Demokratie, Berlin 1993, S. 6f.

[20] Vgl. Jasper, Gotthard: Die gescheiterte Zähmung. Wege zur Machtergreifung Hitlers 1930-1934, Frankfurt/Main 1986, S. 69.

[21] Seit 1930 war der Nationalsozialist Frick Thüringens Innenminister.

[22] Diese Dokumente, vom Gerichtsassessor und späteren SS-Obergruppenführer Werner Best verfasst, enthielten detaillierte Pläne für eine nationalsozialistische Machtergreifung, angefangen von der Verschleppung politischer Gegner in Konzentrationslager über massive Eingriffe in das Privateigentum bis hin zur Verhängung drakonischer Todesstrafen.

[23] Vgl. Jasper: Zähmung, S. 72f.

[24] Bei den hessischen Landtagswahlen vom 15. November 1931 gewann die NSDAP 27 Sitze und verfügte zusammen mit dem Zentrum über 37 von 70 Sitzen.

[25] Vgl. Winkler, Heinrich August: Der Weg in die Katastrophe. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1930 bis 1933, Bonn 1987, S. 446ff.

[26] Vgl. Winkler: Katastrophe, S. 450f.

[27] Ebenda, S. 451.

[28] Vgl. Ebenda, S. 451.

[29] Vgl. Kolb: Weimarer Republik, S. 133.

[30] Vgl. Kolb: Weimarer Republik, S. 133.

[31] Vgl. Winkler: Katastrophe, S. 483ff.

[32] Vgl. Ebenda, S. 519f.

[33] Preußen, Bayern, Württemberg, Sachsen und Hessen drohten, im Alleingang gegen die SA vorzugehen, wenn das Reich nicht eingreift.

[34] Vgl. Winkler: Katastrophe, S. 522f.

[35] Vgl. Ebenda, S. 524.

[36] Ebenda, S. 523.

[37] Ebenda, S. 526.

[38] Vgl. Winkler: Katastrophe, S. 528.

[39] Vgl. Ebenda, S. 533.

[40] Vgl. Kolb: Weimarer Republik, S. 134.

[41] Vgl. Winkler: Katastrophe, S. 562ff.

[42] Vgl. Ebenda, S. 576.

[43] Kamarilla: Im Hintergrund des Reichspräsidenten wirkten konservative Männer, , u.a. Oskar von Hindenburg, Kurt von Schleicher, Franz von Papen, die durch Einflüsterungen Entscheidungen Hindenburgs zu ihren Gunsten beeinflussen wollten.

[44] Vgl. Winkler: Katastrophe, S. 581.

[45] Vgl. Fest, Joachim C.: Hitler. Eine Biographie, Frankfurt/Main 1976, S. 469.

[46] Winkler: Katastrophe, S. 612.

[47] Vgl. Jasper: Zähmung, S. 88f.

[48] Vgl. Winkler: Katastrophe, S. 612.

[49] Aus der Schlagzeile des „Vorwärts“ am Abend des 1. Juni 1932; Vgl. Winkler: Katastrophe, S. 612.

[50] Vgl. Winkler: Katastrophe, S. 612f.

[51] Vgl. Jasper: Zähmung, S. 89.

[52] Vgl. Mommsen, Hans: Die verspielte Freiheit. Der Weg der Republik von Weimar in den Untergang 1918-1933, Berlin 1989, S. 443.

[53] Mommsen: Freiheit, S. 443.

[54] Bracher, Karl Dietrich: Die Auflösung der Weimarer Republik. Eine Studie zum Problem des Machtverfalls in der Demokratie, Stuttgart, Düsseldorf 1955, S. 582.

[55] Vgl. Ebenda, S. 574ff.

[56] Vgl. Ebenda, S. 585.

[57] Ebenda, S. 591.

[58] Vgl. Jasper: Zähmung, S. 98.

[59] Vgl. Winkler: Weimar, S. 9f.

[60] Bracher: Auflösung, S. 593.

[61] Vgl. Fest: Hitler, S. 471.

[62] Mommsen: Freiheit, S. 444.

[63] Vgl. Ebenda, S. 445.

[64] Vgl. Kolb: Weimarer Republik, S. 139.

[65] Vgl. Bracher: Auflösung, S. 610f.

[66] Ebenda, S. 611.

[67] Ebenda, S. 608f.

[68] Vgl. Ebenda, S. 612.

[69] Ebenda, S. 612.

[70] Vgl. Mommsen: Freiheit, S. 465f.

[71] Vgl. Ebenda, S. 469ff.

[72] Vgl. Bracher: Auflösung, S. 624ff.

[73] Vgl. Ebenda, S. 631f.

[74] Vgl. Mommsen: Freiheit, S. 488f.

[75] Vgl. Ebenda, S. 489.

[76] Vgl. Mommsen: Freiheit, S. 491ff.

[77] Ebenda, S. 494.

[78] Gregor Strasser war bis dahin der so genannte „zweite Mann“ in der NSDAP und gehörte dem linken Parteiflügel an.

[79] Vgl. Kolb: Weimarer Republik, S. 140.

[80] Ebenda, S. 141.

[81] Vgl. Ebenda, S. 141f.

[82] Gregor Strasser wurde 1934 im Zuge der Röhm-Affäre ermordet. Offiziell beging er Selbstmord.

[83] Vgl. Mommsen: Freiheit, S. 513ff.

[84] Vgl. Kolb: Weimarer Republik, S. 142f.

[85] Vgl. Ebenda, S. 143.

[86] Vgl. Mommsen: Freiheit, S. 522.

[87] Vgl. Ebenda, S. 524f.

[88] Vgl. Kolb: Weimarer Republik, S. 143.

[89] Vgl. Mommsen: Freiheit, S. 526.

[90] Ebenda, S. 527.

[91] Kolb: Weimarer Republik, S. 144.

[92] Ebenda, S. 144.

Ende der Leseprobe aus 86 Seiten

Details

Titel
Der Aufstieg der NSDAP in Mecklenburg-Schwerin im Jahr 1932
Hochschule
Universität Rostock  (Historisches Institut)
Note
2,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
86
Katalognummer
V90150
ISBN (eBook)
9783638042437
ISBN (Buch)
9783640325481
Dateigröße
679 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aufstieg, NSDAP, Mecklenburg-Schwerin, Jahr
Arbeit zitieren
Susanne Glimm (Autor:in), 2005, Der Aufstieg der NSDAP in Mecklenburg-Schwerin im Jahr 1932, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90150

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der Aufstieg der NSDAP in Mecklenburg-Schwerin im Jahr 1932



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden