Antisemitismus im Verlauf der Geschichte

Eine Betrachtung antisemitischer Tendenzen von der Antike bis zum dritten Reich


Seminararbeit, 2016

16 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


1. Einleitung

Der Begriff Antisemitismus wird oftmals im Zusammenhang mit den schrecklichen Ereignissen während der Diktatur durch die Nationalsozialisten im dritten Reich genannt. Dabei werden die erschütternden Bilder der systematischen Deportationen, der Massenvernichtungslager oder die der wenigen Überlebenden der Konzentrationslager z.B. aus Ausschwitz, Buchenwald oder Sachenhausen ins Leben gerufen. Die Ursachen für diese Gräueltaten bleiben den meisten Menschen hierbei unverständlich, und aufgrund der Unbegreiflichkeit dieser Schandtaten während der Diktatur durch die Nationalsozialisten stellen sich die Wenigsten die Frage nach der Herkunft oder dem geschichtlichen Hintergrund dieser antisemitischen Tendenzen.

Im Folgenden sollen u.a. nun genau diese geschichtlichen Hintergründe betrachtet werden. Dazu soll als erstes versucht werden, den komplexen Begriff des Antisemitismus, in Abgrenzung zum Antizionismus, zu definieren, um dann im nächsten Schritt im Verlauf der Geschichte zu schauen, wann und in welcher Form Juden diskriminiert bzw. angefeindet wurden. Interessant ist dabei zu rekonstruieren, aus welchen Gründen das jüdische Volk diskriminiert bzw. angefeindet wurde, und ob dies systematisch und aus rein religiösen Gründen geschah, oder welche weiteren Absichten eventuell dahinter standen. Vorweg sei allerdings erwähnt, dass diese Arbeit aufgrund der Komplexität des Themas und der damit verbundenen Inhalte keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, und Sie nur Ausschnitte aus der Geschichte darstellen kann. Dennoch soll versucht werden, einen Überblick über den geschichtlichen Verlauf der Judenfeindschaft zu geben, aus welchem erkennbar werden soll, dass der jüdischen Religionsgemeinschaft fast seit Anbeginn Ihres Daseins immer wieder Gruppen gegenüber standen, die Ihr nicht wohl gesonnen waren.

2. Begriffsdefinitionen

2.1 Antisemitismus und Antizionismus

Was bedeutet eigentlich der Begriff „Antisemitismus“? Gibt es „den“ Antisemitismus, oder muss der Begriff eventuell differenziert betrachtet werden? Und was ist der Unterschied zum Antizionismus?

Wenn man den Begriff Antisemitismus definieren möchte merkt man schnell, dass es nicht ausreicht, eine kurze Definition von einem oder zwei Sätzen anzuführen. Nach Bergmann (2006) bezeichnet der Begriff Antisemitismus nach heutigen Verständnis „alle historischen Erscheinungsformen der Judenfeindschaft“ (Bergmann, 2006). Da der Begriff an sich im heutigen Kontext als Synonym für jegliche Erscheinungsform von Judenfeindschaft geworden ist, werden dem Begriff Antisemitismus nach Bergmann (2006) Beifügungen vorgestellt, um Spezifizierungen vorzunehmen. Demnach wird zwischen antikem, christlichen, völkischem, rassistischem, sekundärem, latentem, islamischem oder antizionistischem Antisemitismus unterschieden.

Anzumerken sei hierbei allerdings die Gefahr, dass man das Zusammenleben von Juden und anderen Völkern unter diesem Gesichtspunkt als reine Verfolgungsgeschichte ansieht. Es gibt Erklärungsansätze für Antisemitismus die davon ausgehen, dass eine zu allen Zeiten und Orten vorhandene Judenfeindschaft nur aufgrund der Fremdartigkeit der Gebräuche im Vergleich mit anderen Völkern entstanden ist (vgl. Bergmann, 2006). Dies wird als „substantialistische“ Erklärung bezeichnet und unterscheidet sich zur „funktionalen“ Erklärung dahingehend, dass jene Erklärung davon ausgeht, dass sich die Ursachen, Ziele, Formen und Inhalte sowohl im zeitlichen Verlauf, als auch innerhalb der jeweiligen Region, jeweils im gesellschaftlichen Kontext ändern, wobei auch bei diesem Erklärungsansatz die erkennbaren Kontinuitäten nicht vernachlässigt werden dürfen (vgl. Bergmann, 2006).

Allein diese zwei Erklärungsansätze von Antisemitismus zeigen, dass eine einheitliche Definition schwer zu fassen ist. Eine umfassende „Arbeitsdefinition“ wird seitens der „European Parliament Working Group on Antisemitism“ [EUMC] vorgeschlagen. Bei dieser wird der Begriff des Antisemitismus zum einen als bestimmte Wahrnehmung von Juden, welche sich als Hass gegen diese ausdrücken kann, und zum anderen als physische oder verbale Handlung gegen jüdische oder nicht-jüdische Einzelpersonen und / oder deren Eigentum, sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen“ (vgl. EUMC, 2016) verstanden. Des Weiteren verweist die EUMC darauf, dass sich die genannten Punkte nicht nur auf jegliche Juden, sondern auch gegen den Staat Israel, verstanden als jüdisches Kollektiv, richten kann, und dass sich Antisemitismus u.a. in Wort, Schrift und Bild manifestiert, wobei er negative Stereotype benutzt und negative Charakterzüge unterstellt. Auch verweist die EUMC darauf, dass antisemitische Äußerungen oft die Anschuldigung enthalten, dass Juden eine gegen die Menschheit gerichtete Verschwörung betreiben und angeblich dafür verantwortlich sind, dass „die Dinge nicht richtig laufen“ (vgl. EUMC, 2016).

In einer detaillierteren Definition nach Fein (1987) versteht man unter Antisemitismus eine Judenfeindlichkeit, die unabhängig von konkretem Handeln ist. Sie gibt hierfür folgende Definition von Antisemitismus:

„I propose to define antisemitism as a persisting latent structure of hostile beliefs toward Jews as a collectivity manifested in individuals as attitudes, and in culture as myth, ideology, folklore, and imagery, and in actions – social or legal discrimination, political mobilization against the Jews, and collective or state violence – which results in and/or is designed to distance, displace, or destroy Jews as Jews. (Herein, it is assumed that Jews are people who are socially labeled as Jews as well as people who identify themselves as Jews, regardless of the basis of ascription.)“ (vgl. Fein, 1987, S.67).

Es handelt sich demnach um eine Weltanschauung, die gegen rationale Aufklärungsversuche resistent ist, sich aus Verschwörungstheorien speist und bei der eine Umkehr der Täter-Opfer Rollen charakteristisch ist (vgl. Schmidt, 2010). Unter Antizionismus versteht man dagegen nach Schmidt (2010, S.11) eine grundsätzliche oder gegenwartsbezogene Ablehnung des israelischen bzw. eines jüdischen Staates. Dem folgend wird das in Frage stellen ausgewählter Bereiche der israelischen Gesellschaft, deren Kultur, Ökonomie oder Politik als Israelkritik verstanden.

Eine neue Form des Antisemitismus bzw. eine neue Ausrichtung fand dann dahingehend statt, dass dieser sich gegen den Staat Israel als „zionistisches Gebilde“ wandte (vgl. Schmidt 2010, S. 15), wobei diese Form des Antisemitismus dann oftmals sogar ohne die Verwendung des Begriffs „Jude“ auskommt. Demnach könnten sich Antizionisten antisemitischer Vorurteile bedienen, wodurch dieser Antizionismus dann letztendlich antisemitisch wird.

Wenn Antizionismus allerdings nicht mit Antisemitismus gleichzusetzen ist, wirft sich die Frage auf, weshalb Antizionisten zum einen den (jüdischen) Staat Israel in seiner Existenz ablehnen, und gleichzeitig, weshalb Sie zum anderen andere Nationalstaaten in Ihrer Legitimität nicht anzweifeln. So gibt es auf der einen Seite jüdische Antizionisten, z.B. in einer religiös-orthodoxen Strömung, die davon ausgehen, das nicht Menschen sondern Gott den Staat Israel schaffen sollte (vgl. Pfahl-Traughber, 2006). Jenen konträr gegenüber gibt es auf der anderen Seite israelische Nationalisten die Antisemitismus und Antizionismus gleich setzen (vgl. Chomsky, 1991). Man kann anhand dessen gut erkennen, dass eine klare Trennlinie zwischen Antisemitismus und Antizionismus kaum zu ziehen ist. Um dem entgegen zu treten und die Kritik am israelischen Staat vom Antisemitismus trennen zu können haben Heyder, Iser und Schmidt (2005) Kriterien festgelegt, nach welchem man antisemitische Tendenzen in der Kritik am Staat Israel identifizieren kann. Wenn demnach innerhalb der Kritik bekannte antisemitische Stereotype auf Israel übertragen werden oder die Politik Israels mit einem doppelten Standard beurteilt wird, so handelt es sich um Antisemitismus. Gleiches gilt danach auch, wenn die Legitimation Israels angezweifelt wird und damit zusammen hängend dem israelischen Volk das Recht auf Verteidigung Ihres Landes abgesprochen wird. Letztendlich trifft dies auch dann zu, wenn die getroffene Kritik den Umgang Israels mit den Palästinensern mit der Judenverfolgung während der Diktatur durch die Nationalsozialisten vergleicht bzw. gleich setzt (vgl. Heyder et al., 2005, S.146f). Pfahl-Traughber (2006) folgend lässt sich zusammenfassend sagen, dass man keine „pauschale Gleichsetzung von Antisemitismus und Antizionismus vornehmen“ (Pfahl-Traughber, 2006) kann.

Anhand der bisherigen Ausführungen kann man erkennen, wie vielschichtig und problembehaftet die Begriffe Antisemitismus und Antizionismus, und letztendlich wie komplex und schwierig Definitionsversuche sind. Genauso vielschichtig und komplex sind auch die geschichtlichen Zusammenhänge, die nun im Folgenden ansatzweise erläutert werden sollen.

3. Antisemitische Tendenzen im geschichtlichen Verlauf

3.1 Von der Antike bis zur Sp ä tantike

Die Wurzeln der Judenfeindschaft gehen zurück bis in die Antike. 70 n.Chr. wurde sowohl der zweite Jerusalemer Tempel, als auch anschließend vollständig die Stadt Jerusalem durch römische Truppen unter Ihrem Heerführer Titus zerstört (vgl. Schulz, 2005). Die Folge hiervon war die weltweite Zerstreuung der Juden. Nach König (2006) stand die Ablösung der frühen Christen vom Judentum am Anfang der Judenfeindschaft. Es ging hierbei um den wahren Glauben sowie um Anerkennung durch Rom. Die Christen mit Ihrem Selbstverständnis als „Verus Israel“ („wahres Israel“) sprachen den Juden dabei die Zugehörigkeit zum Gottesbund ab und betrachteten Sie zum einen als Widersacher Jesu, zum anderen als Widersacher des gesamten Christentums. Diese Haltungen gingen dann im weiteren Verlauf fest in die kirchliche Glaubenslehre über (vgl. König, 2006).

Dabei war nach Schubert (1996, S.26) die jüdische Religion in der vorchristlichen Antike eine „religio licita“, d.h. eine zugelassene Religion. Zwar herrschte gegenüber den Juden aufgrund Ihrer fremden Lebensführung, ausgedrückt z.B. in der Zubereitung der Speisen oder den Sabbat-Regeln, eine Xenophobie, die allerdings nicht als Antisemitismus beschrieben werden kann, da es sich um die Angst gegenüber dem Fremdartigen des Judentums handelte, und nicht um Hass gegenüber Juden an sich.

380 n.Chr., unter dem oströmischen Kaiser Theodosius I. sowie dem weströmischen Kaisers Valentinian II. und dessen mitregierenden Halbbruder Gratian, wurde das Christentum in einem Dekret zur Staatsreligion erhoben, womit die Verfolgung der Christen endete, was allerdings gleichbedeutend mit der Verfolgung Andersgläubiger war (vgl. Universal-Lexikon, 2012). Zu diesem Zeitpunkt waren die Juden bereits weit in der Welt verstreut, u.a. in Italien, der Iberischen Halbinsel, Gallien, dem Balkan oder auch von Persien bis China, wobei der Schwerpunkt Ihrer Siedlungen weiterhin im Nahen Osten lag (vgl. Schubert, 1996, S.30). Durch die Festlegung des Christentums als Staatsreligion änderte sich für die Juden theoretisch erstmal nichts. Ihre Religion galt weiterhin als religio licita, jedoch bestand die allgemeine Hoffnung, dass sich die Juden zum Christentum bekehren lassen würden. 438 n.Chr. (von Theodosianus) und 553 n.Chr. (durch Justinian I.) wurden die Juden durch sogenannte Codexe zu Bürgern zweiter Klasse ernannt. Demnach dürften Sie keine neuen Synagogen errichten oder christliche Sklaven haben, was insgesamt eine Stigmatisierung und Schlechterstellung bedeutete (vgl. Schubert, 1996, S. 30).

3.2 Das Mittelalter

Nach Schubert (2002, S.31f) reichte das jüdische Mittelalter in etwas vom 7. – 17./18. Jahrhundert. Innerhalb der Juden kam es dabei aufgrund der unterschiedlichen Rezeptionen des Talmud zu unterschiedlichen „Strömungen“, wobei hier z.B. die Sepharden, angesiedelt auf der Iberischen Halbinsel, und die Aschkenasen, angesiedelt in Frankreich, England und Deutschland exemplarisch genannt werden sollen.

Nach Erhebung des Christentums zur Staatsreligion im 4. Jh. änderte sich grundlegend der Umgang mit den Juden. Die Herabstufung der jüdischen Gemeinschaft zu Bürgern zweiter Klasse (s.o.) wurde seitens der christlichen Kirche dadurch begründet, dass die Juden an Ihren Brauchtümern und Ihrer Religion festhielten und nicht zum Christentum konvertierten. In einem Jahrhunderte andauernden Prozess entstanden dann die strengen Judengesetzgebungen des kanonischen Rechts. Nach diesem war es u.a. verboten, gemeinsam mit Juden zu speisen, als Christ eine Ehe mit einem Juden einzugehen oder die Konversation als Christ zum Judentum (vgl. König, 2006). Schubert (1996, S. 35) schreibt dazu: „Das antike Heldentum sah in den Juden Feinde der Götter, im frühen Christentum wurden sie … zu Feinden Gottes.“ Die einzige Möglichkeit der Juden als Gleichwertig angesehen zu werden bestand darin, den christlichen Glauben anzunehmen, was jedoch ein Großteil der jüdischen Bevölkerung nicht tat.

Aufgrund dessen, dass der Staat und die Kirche in der Epoche des Mittelalters eng miteinander verflochten waren, ergaben sich im Laufe der Zeit auch immer mehr politische Probleme für die jüdische Bevölkerung. Nach König (2006) wirkte sich das Leben der jüdischen Bevölkerung in der Diaspora in doppelter Weise verheerend aus. Zum einen betrieb die christliche Kirche selbst Judenverfolgungen, zum anderen zwangen Sie Juden zur Zwangstaufe oder unterwarfen Sie der Inquisition. Ebenso verheerend waren allerdings auch die negativen Judenbilder, die „Eingang in Liturgie, Predigten, Gebete und Katechismen“ (König, 2006) fanden. Dadurch wurde nach König (2006) die anhaltende Judenfeindschaft letztendlich in der „Volksfrömmigkeit“ ein fester Bestandteil. Die verbreiteten, antijüdischen Mythen und Vorurteile, wie z.B. der Hostienfrevel oder die Ritualmorde bildeten dann auch die Grundlage für Ausschreitungen und Pogrome, und letztendlich die Kreuzzüge gegen die jüdische Bevölkerung. 1096 fielen den Kreuzfahrertruppen in der ersten großen Eskalation die Juden der rheinischen Städte zum Opfer. Hintergrund hierbei war Papst Urban II., der 1095 beim Konzil von Clermont-Ferrand den ersten Kreuzzug gepredigt hatte, bei welchem das Heilige Grab aus den Händen der Ungläubigen befreit werden sollte (vgl. Poliakov, 1974). Bei diesem ersten Kreuzzug wurden Zwangstaufen vollzogen, wobei diejenigen Juden, die der Zwangstaufe wiedersprachen, ermordet wurden. Das Scheitern einiger kirchlicher Vertreter wie z.B. Bischöfe, die einen sogenannten Judenschutz währenddessen durchsetzen wollten, zeigt dabei, dass der Schutz der Juden in der Breite nicht vermittelbar war.

Dem zweiten Kreuzzug 1146 ging ein Schreiben von Papst Eugen III. voraus. Die Juden sollten bei diesem zwar bezahlen, allerdings nicht umgebracht werden. Zum Kreuzzug schrieb z.B. der Abt von Cluny, Petrus Venerabilis, „Sie sollen am Leben bleiben, aber ihr Geld soll ihnen genommen werden, damit durch die Hände der Christen, unterstützt durch das Geld der frevelhaften Juden, der Übermut der ungläubigen Sarazenen besiegt wird“ (vgl. Schubert, 1996, S. 46ff). Dies traf die Juden, die zu dieser Zeit in großer Anzahl im Geldhandel gegen Zins tätig waren, wirtschaftlich besonders hart. König (2006) folgend stammen aus dieser Zeit auch die antijüdischen Stereotype wie „Schacherer“ oder „Wucherer“. Hintergrund ist hierbei allerdings auf der einen Seite, dass die jüdische Bevölkerung nicht Mitglied in den christlichen Kaufmannsgilden und Handwerkszünften sein dürfte, und auf der anderen Seite kein Land besitzen oder Ackerbau betreiben dürfte. Darüber hinaus war der Geldhandel gegen Zins Christen nach dem III. Laterankonzil 1215 verwehrt, da dieser gegen die christlich göttliche Lehre verstieß, weshalb sich Juden diesem Berufszweig zuwandten bzw. in diesen hineingedrängt wurden (vgl. auch Hilberg, 1990). Diese Stereotype hielten sich hartnäckig bis ins heutige Zeitalter und fanden die bekannteste Erwähnung bzw. Anwendung in Shakespeares „Kaufmann von Venedig“ (vgl. König, 2006).

Dazu wurden nach König (2006) besonders ab der Mitte des 12. Jahrhunderts durch die christliche Kirche überlieferte antijüdische Mythen, Legenden, Gerüchte und ähnliches immer wieder durch „Feste, Wallfahrten, Predigten, Volkserzählungen und Fastnachtsspiele“ (König, 2006) am Leben erhalten und letztendlich tradiert. Zu den bekanntesten und wichtigsten antijüdischen Geschichten gehören hierbei der Hostienfrevel, die Ritualmordlegende und die sogenannten Brunnenvergiftungen. Beim Hostienfrevel wurde den Juden vorgeworfen, dass Sie die Hostien, die sich nach der katholischen Transsubstantiationslehre in den Leib Christi verwandeln, absichtlich schänden und dadurch die Tötung Christi immer wieder aufs Neue wiederholen (vgl. König, 2006).

Die Rufmordlegende kam ebenfalls immer wieder verstärkt zu Tage und wurde als Anlass für zahlreiche Tötungen von Juden herangezogen. Diese Legende besagt, dass Juden Kinder töten, um deren Blut für Ihre eigenen religiösen Zwecke, z.B. für die Verwendung im sogenannten Passahbrot, zu missbrauchen (vgl. König 2006; Hilberg, 1990). Aufgrund dieser Beschuldigung wurden viele Juden zum Tode verurteilt. So z.B. auch 34 Juden in Fulda, denen vorgeworfen wurde den Brand in einer Mühle, der zum Tod von 5 Kindern führte, absichtlich gelegt zu haben. Im Nachhinein wurde festgestellt, dass die 34 Juden unschuldig waren. Die war das erste Mal, dass in Deutschland die Rufmordlegende erhoben wurde (vgl. Schubert, 1996, S. 48).

In diesem Zusammenhang ist der Fakt, dass die alleinige Beschuldigung dazu führte, dass das gesamte Eigentum des jüdischen Beschuldigten in das Eigentum der örtlichen, christlichen Kirche überging, nicht unerheblich. Des Weiteren kamen alle eventuell ausstehenden Schuldforderungen und Pfandrechte zum Erlöschen und die christliche Kirche konnte Pilger anziehen, was wiederrum zu erheblichen Einnahmen führte (s. Schubert, 1996, S. 54ff). Anhand dessen kann man erkennen, dass auch nicht unerhebliche wirtschaftliche Interessen hinter den Beschuldigungen standen und diese Vorwürfe teilweise nicht nur aus religiösen Gründen erhoben wurden.

Im Fall der Vorwürfe zu den „Brunnenvergiftungen“ handelt es sich nach Schubert (1996) um Vorwürfe gegen das jüdische Volk, die im Zusammenhang mit der Pest von 1348/49, die große Teile der Bevölkerung Europas vernichtete, erhoben wurden. Nach dieser Legende haben Juden das Wasser in den Brunnen vergiftet, was dann letztendlich zum Massensterben der Bevölkerung führte. Folge dieser antijüdischen Gerüchte waren öffentliche Verbrennungen und Verfolgungen von Juden.

Ebenfalls etablierte sich nach Botsch (2014) und Schubert (1996) im Mittelalter das Bild der „Judensau“, welches auch ein Ausdruck für den Wandel innerhalb der Judenfeindschaft darstellt. Demnach saugen die Juden an den Zitzen einer Sau und nähren sich mit Ihrer Milch, wobei diese als Sphäre des Teufels angesehen wurde (vgl. auch Hilberg, 1990). Anhand dieses Bildes lässt sich erkennen, dass sich ein Wandel in der Judenfeindschaft von der reinen religiösen hin zu jener vollzog, die nun auch auf die Herkunft Bezug nahm. Dem folgend war es einem Juden nicht mehr möglich, sich z.B. durch Änderung seines religiösen Bekenntnisses dem Christentum zuzuwenden, sondern er wurde durch seine Herkunft als Jude stigmatisiert (vgl. Botsch, 2014).

Bereits seit dem IV. Laterankonzil 1215 wurden die Juden nach König (2006) auch öffentlich diskreditiert. Im Anschluss an dieses Konzil sollte sich die jüdische Bevölkerung öffentlich anhand von Kennzeichnungen an der Kleidung kenntlich machen. In Deutschland mussten Juden fortab einen gehörnten Spitzhut tragen, während im späteren Verlauf des Mittelalters ein gelber Fleck oder ein gelber Ring an die Kleidung angebracht werden musste (vgl. König, 2006). Auf der Synode von Breslau 1267 schließlich wurde die vollständige Trennung der jüdischen von der christlichen Bevölkerung dahingehend gefordert, dass Juden nur noch in ausgewiesenen Vierteln wohnen dürften (vgl. König, 2006).

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Details

Titel
Antisemitismus im Verlauf der Geschichte
Untertitel
Eine Betrachtung antisemitischer Tendenzen von der Antike bis zum dritten Reich
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaften)
Veranstaltung
Die Erforschung des Antisemitismus
Note
2,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
16
Katalognummer
V901038
ISBN (eBook)
9783346218575
ISBN (Buch)
9783346218582
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Antisemitismus, Juden, jüdische Geschichte
Arbeit zitieren
Marco Degen (Autor:in), 2016, Antisemitismus im Verlauf der Geschichte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/901038

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