Gewalt an Schulen, Jugendkriminalität und Sozialstruktur

Einführung in die sozialwissenschaftlichen Theorien abweichenden und kriminellen Verhaltens


Fachbuch, 2008

91 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Der Beitrag der Psychoanalyse

Der Beitrag des Behaviorismus

Der Beitrag der geschlechtsspezifischen Sozialisationsforschung

Der Beitrag des Interaktionismus

Der Beitrag der sozialstrukturellen Anomietheorie

Der Beitrag des Marxismus

Der Beitrag der Sozialpsychologie

Der Beitrag der Sexualwissenschaft

Literaturverzeichnis

Einleitung

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts lief eine Welle der Gewalt durch Deutschland. Männliche Jugendliche töteten Lehrer, Mitschüler und sich selbst. Die Gewalt richtete sich zum Teil gegen einzelne Lehrer und Lehrerinnen, generell gegen die Schule als Institution. Erfurt, Pinneberg, Emsdetten, Offenbach, Schleswig usw. - eine bis dahin nicht gekannte Welle der Gewalt richtete sich gegen Mitschüler, Lehrer und Schulen. Die Ursachen für dieses gegen Bildungsinstitutionen gerichtete Verhalten jugendlicher und heranwachsender Männer könnten durch unterschiedliche psychologische und sozialwissenschaftliche Theorien erklärt werden.

Psychoanalytische Erklärungsversuche: Die Psychoanalyse sucht die Gründe für derart abweichendes Verhalten in Charakterdeformationen durch traumatische Erlebnisse in der oralen, analen und phallischen Phase der frühkindlichen Entwicklung und defizitären Identifikations- und Gewissensbildungsprozessen , die zu psychopathischen Formen der Es-Ich-Über-Ich-Balance geführt haben. Diese Taten sind nicht utilitaristisch, sondern irrationale, unkontrollierte oder impulsive Ausbrüche des Unterbewusstseins.

Erklärungsversuch der Frustrations-Aggressions-Hypothese: Aus der Sicht der Frustrations-Aggressions-Hypothese entsteht die Gewalttat aus einer fundamentalen Kränkung, einer Frustration durch das Erfolg versagende, am Selektionsprinzip orientierte inhumane Schulsystem. Die zurückgewiesenenen Jugendlichen führen all ihr Leid auf die Zurückweisung durch Schule, Lehrer und Mitschüler zurück. Dadurch entsteht bei ihnen ein Rachegefühl, das Lehrer, Mitschüler und sie selbst in einen Strudel der Destruktion reißt.

Behavioristische Erklärungsversuche: Die verhaltenstheoretische Lerntheorie sucht die Gründe für derart abweichendes Verhalten in Vorgängen des Modell-Lernens. US-amerikanische Vorbilder wie Amok-Mordtaten in Littleton und anderswo wirken stilbildend und rufen Nachahmer auf den Plan. Darüber hinaus werden mordlüsterne Computer-Spiele als auf die Verhaltens- und Handlungsbereitschaft abfärbend angesehen.

Sozialstrukturelle soziologische Erklärungsversuche: Die soziologische Anomietheorie sucht die Ursachen für derartig abweichendes Verhalten in Spannungen der Sozialstruktur. Die Jugendlichen streben nach gesellschaftlich legitimen Zielen wie Schulerfolg, Berufsperspektive und Wohlstand. Das Schulsystem mit seiner Selektionsfunktion sondert aus, deklassiert und vermittelt ein Looser-Bewusstsein. Es entstehen unter anderem anarchische Rebellions-Impulse als Rache auf entgangene Lebenschancen.

Sozialpsychlogische Erklärungsversuche: Die Sozialpsychologie sucht die Ursachen in der Sündenbock-Rolle. Die destruktiven Amokläufer waren schlecht integriert in die Jugendkultur und nicht in die Klassengemeinschaft aufgenommen. Sie wurden ausgegrenzt, gemobbt, ungerecht behandelt. Die Rechtschaffenen verschließen ihre Augen vor der eigenen Mitschuld an der Schaffung eines unsolidarischen Sozialklimas. Die Gewalttaten werden von einer sensationslüsternen Presse, von um Wählerstimmen buhlenden Politikern und durch ausländerfeindliche Ressentiments aufgebauscht, verallgemeinert und instrumentalisiert.

Sexualwissenschaftliche Erklärungsversuche: Sexualwissenschaftler suchen die Gründe für Amoklauf mit Selbsttötung in einer mangelnden Bindung an den Lebenstrieb, an Hass auf das Leben. Die jugendlichen Täter fanden keine Anerkennung durch Freunde, keine Liebe durch einen Mitmenschen, keine Bejahung der lustvollen Aspekte des Leibes, der Leidenschaft, der Erotik und Verliebtheit.

Erklärungsversuche der geschlechtsspezifischen Sozialisationsforschung: Jungen und Mädchen werden in verschiedenen Lebenswelten sozialisiert. Während Mädchen Konflikte tendenziell intrapsychisch, alloplastisch, introvertiert verarbeiten, verwenden Jungen tendenziell alloplastische, extrovertierte, externalisiete Konfliktlösungsstrategien. Störungen in der weiblichen Identitätsfindung äußern sich gegenwärtig überwiegend in Essstörungen wie Magersucht, Ess-Brech-Sucht oder in Depressionen. Bei Jungen äußert sich abweichendes Verhalten als Aufmerkasamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom, als aggressives und gewalthaltiges Verhalten oder in Formen der Jugend-Kriminalität.

Erklärungsversuche marxistischer Theorie: Die Bedürfnisrestriktion und Verelendung aufgrund von Verarmung begründet eine starke Motivation zum Krawall, zu Gewaltausbrüchen und zur Kriminalität als unbewusstem, irrationalem Protest gegen die ungerechte Gesellschaftsordnung. Dabei bemisst sich Armut als ein relatives gesellschaftliches Phänomen am Lebensstandard einer jeweiligen Gesellschaft. Es wird zwischen objektiver und relativer Armut unterschieden. Als Typus des Sozialverhaltens bilden sich in der kapitalistischen Konkurrenz- Gesellschaft Egoismus, Unsolidarität und der Kampf aller gegen Alle. Arbeitsteilung, Ausbeutung und Konkurrenz führen zur Entfremdung des Menschen von seiner Arbeit und seinen Mitmenschen.

Die vorliegende Arbeit will sich als eine Einführung in die sozialwissen­schaftlichen Theorien abweichenden Verhaltens verstanden wissen. Wer Informationen über biologische, medizinische, psychiatrische und täterzentrier­te psychologische Theorien sucht, wird sie in der vorliegenden Einführung nicht finden. Er sei auf das Buch von KURZEJA (1973) verwiesen, der in seiner Arbeit über „Jugendkriminalität und Verwahrlosung" (Verlag Andreas Achenbach, Giessen/Lollar) die zahllosen Theorien abweichenden Verhaltens stichwortar­tig und für Studienanfänger, interessierte Nicht-Kriminologen und selbst für die Arbeit mit Jugendlichen und älteren Schülern sehr verständlich und übersicht­lich darstellt. Die vorliegende Einführung verzichtet auf die Darstellung dieser bei KURZEJA nachzulesenden Theorien abweichenden Verhaltens zugunsten der Darstellung und Diskussion sozialwissenschaftlicher Theorieansätze, die sich teilweise bei KURZEJA noch nicht finden. Wenn in diesem Zusammenhang die Ursachen abweichenden Verhaltens aus psychoanalytischer Sicht dargestellt werden, dann steht dahinter die Auffassung, dass die Psychoanalyse nicht als eine Lehre von den biologischen Reifungsprozessen missverstanden werden darf, wie es nur allzu häufig geschieht, sondern die Psychoanalyse wird hier als Sozialwissenschaft vertreten (HORN 1972, LORENZER 1973). Bei der Fülle der verschiedenen Theorien musste eine Auswahl getroffen werden. Kriterium für die Auswahl der sozialwissen­schaftlichen Theorien war die Frage: Sucht die jeweilige Theorie die Ursachen für abweichendes Verhalten in gesellschaftlichen, zwischenmenschli­chen und erzieherischen Einflüssen, die den Erziehungswissenschaftler, den Lehrer und Sozialpädagogen besonders interessieren, anstatt in genetischen (Erbgut), konstitutionsbiologischen (Körperbautypen) oder chromosomenbedingten Faktoren, was eher den Mediziner interessiert? - Nicht jede aktuelle Theorie kommt der Wahrheit am nächsten, bloß weil sie neu oder modern ist. Oftmals erbringt auch das Studium älterer, vergessener, verdrängter Theorien wichtige Erkenntnisse. Als Beispiel seien die theoretischen Ansätze einer psychoanalytisch orientierten Kriminologie in den Zwanziger Jahren von ALEXANDER/STAUB (1971), FROMM (1970), BERNFELD (1970) usw. angeführt (vgl. KERSCHER 1974). Da die bloße Aktualität einer wissenschaftlichen Forschungsrichtung als Kriterium für eine Auswahl nicht genügt, war ein weiteres Auswahlkriterium die emanzipatorische Tendenz. Die Frage lautet: Liefert diese Theorie eher Legitimationswissen für die Instanzen sozialer Kontrolle, für die Rechtfertigung der Strafjustiz, des inhumanen und reformbedürftigen Strafvollzugs und für die Untermauerung unreflektierter Vorurteile über Kriminelle, Irre und Minderheiten in der Öffentlichkeit und bei uns selbst? Zeigt diese Theorie im Ansatz Veränderungsmöglichkeiten auf oder zementiert sie die bestehenden Verhältnisse? Ergreift sie eher Partei für die Unterprivilegierten oder verschleiert sie bestehende Herrschaftsverhältnisse? Sucht sie die Schuld für abweichendes Verhalten eher in der Person des Täters oder eher in den Verhältnissen, in denen der Täter lebt? Gewiss sind diese Fragen nicht einfach zu beantworten. In der vorliegenden Einführung in die Theorien abweichenden Verhaltens sollen auch keine umfassenden Antworten auf diese Fragen gegeben werden, vielmehr sollen Denkanstöße zu eigenständigem kritischen Hinterfra­gen gegeben werden. In diesem Zusammenhang hat das Kriterium der Verständlichkeit auch seine Berechtigung für eine Einführung. Es wurde jeweils gefragt: Ist diese Theorie abweichenden Verhaltens für Studienanfänger oder für interessierte Nicht-Kriminologen einigermaßen verständlich? Knüpft sie an Alltagserfahrungen und Alltagstheorien an, lässt sie sich mit plastischen Beispielen illustrieren, oder spielt die Theorie sich auf einem dermaßen hohen wissenschaftstheoretischen und metatheoretischen Niveau ab, dass sie, obzwar sie möglicherweise sehr wichtige theoretische Einsichten vermitteln kann, für interessierte Leser, die zu einer Einführung greifen, unverständlich ist? Diese eben erklärten Kriterien sind es, die zur Auswahl der folgenden Ansätze zu Theorien abweichenden Verhaltens annäherungsweise angelegt worden sind. Die ausgewählten Theorieansätze werden in in leicht verständlicher Sprache und mit anschaulichen Beispielen versehen dargestellt. Jedes Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung der Quintessenz der jeweiligen Theorie und teilweise mit einer Diskussion.

Der Beitrag der Psychoanalyse

Die Bedeutung der frühen Kindheit

Die Psychoanalyse (FREUD 1952) hat wichtige Erklärungsversuche zur Entstehung seelischer Erkrankungen geliefert. Kriminalität erscheint dabei lediglich als ein Symptom für tieferliegende seelische und charakterliche Störungen. Die Grundlegung der Charakterstruktur, des Gewissens, der Ausbildung des Über-Ichs, geschieht in früher Kindheit und hängt u. a. ab von der Art und Weise der Beziehungen zwischen Kind und Bezugsperson (meist Mutter). Die stabile seelische Zuwendung der Bezugsperson ist die Grundbedingung für die Entwicklung des „Urvertrauens" des Kindes in die Welt. Emotionale Mangelzu-stände in der frühen Kindheit, z. B. bei Heimkindern, bei Vernachlässigung oder Ablehnung durch die Bezugsperson können zu andauernden psychischen, sozialen, ja sogar körperlichen Schäden führen. Am bekanntesten sind die sogenannten „Hospitalismusschäden", die bis zum Tode durch Verweigerung der Nahrungsaufnahme gehen können; weniger bekannt sind die Spätfolgen wie unbewusster und zielloser Hass gegen die Gesellschaft und die Mitmenschen, Misstrauen, Unsicherheit, Bindungsunfähigkeit, Lern- und Leistungsstörungen. Die bekannteste psychoanalytisch orientierte empirische Untersuchung früher Mutterentbehrung stammt von Rene SPITZ (1967). An Kindern, die vorüberge-hend im Laufe des ersten Lebensjahres in psychologisch unzureichende Pflege kommen, lässt sich nach SPITZ eine besondere Symptomatologie beobachten, die sich in dem Masse verschlimmert, als der Entbehrungszustand andauert: Weinerlichkeit, Wimmern, Gewichtsverlust, Entwicklungsstillstand, Schlafstö-rungen, Kontaktverweigerung, erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten, Verlang-samung der Motorik, zunehmende Apathie. Wegen seiner Ähnlichkeit mit dem klinischen Bild der Depression bei Erwachsenen hat SPITZ dieses Syndrom die „anaklitische Depression" genannt. Der Begriff anaklitische Depression bedeutet eine depressionsähnliche Erkrankung von Kleinstkindern, die auf den Verlust der anaklitischen Identifikation, d. h. der Beziehung zu einer ersten Bezugsperson, also meistens der Mutter, folgt. Rene SPITZ hat die anaklitische Depression weiter verfolgt. Hier handelt es sich um den eigentlichen Hospitalismus. Die Folgen eines längerfristigen totalen Affektentzuges beim kleinen Kind kann sogar zum Tode führen. SPITZ hat den Hospitalismus an den Pfleglingen eines Findelhauses untersucht. Trotz guter Fürsorge in psychischer, hygienischer, medizinischer Hinsicht zeitigte die Pflege im Findelhaus negative Folgen. Dadurch, dass eine Pflegerin für 10, oft sogar für noch mehr Kinder zu sorgen hatte, trat ein emotionaler Bezugsmangel ein. Die Kinder lagen mit ausdrucklosem Gesicht in ihrem Brachen und wiesen jene monotonen Bewegungen auf, die typisch für gestörte Kinder sind.

Zur Bindungstheorie

In seiner im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation vorgenommenen Untersuchung zur seelischen Entwicklung von kriegsbedingt entwurzelten Kindern gelang BOWLBY (1951, deutsch 1973) zu ähnlichen Ergebnissen wie Surr.. Seine sämtlichen Forschungen miteinbeziehend kommt BOWLBY zu der Schlussfolgerung, dass fehlende Mutterbeziehung in den ersten Lebensjahren die Gefahr struktureller Verwahrlosung und psycho-pathischer Entwicklung zeitige. Die Gefahr einer schweren Charakterstörung drohe dann, wenn in den ersten drei Lebensmonaten jede Möglichkeit fehlt, emotionalen Kontakt zu einer verlässlichen Bezugsperson aufzunehmen (es muß nicht unbedingt die Mutter sein), während des ersten Lebensjahres eine Trennung von der Mutterfigur von mehr als drei Monaten erfolgt und im ersten Lebensjahr die Mutterfigur häufiger wechselt. Ganz generell mein BOWLBY, dass Mutterentbehrung und Entbehrung der ersten Bezugsperson in den ersten Lebensjahren eine einzelgängerische, asoziale Entwicklung zur Folge habe, während Kontaktbrüche, also ein Wechsel der Bezugsperson, eher ambivalente und antisoziale Haltungen bedinge.

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse über frühe Mutterentbehrung bei Mensch und Tier findet sich bei Emil SCHMAHLOHR: Frühe Mutterentbehrung bei Mensch und Tier. Entwicklungspsychologische Studie zur Psychohygiene der frühen Kindheit. München-Basel 1968 und bei Dietlind ECKENSBERGER: Sozialisationsbedingungen der öffentlichen Erziehung. Vorwort von Tobias Brocher, Frankfurt/Main 1971.

Besonders bekannt geworden sind die Affenexperimente von HARLOW und HARLOW 1958 und 1966. In diesen Experimenten wurden neugeborene Rhesusaffen entweder gänzlich ohne Mutter aufgezogen, oder aber sie erhielten ein stoffbezogenes Drahtgestell als Affenmutterersatz. Die Resultate der Beobachtung ergaben, dass erstens völlig mutterlose Junge sich noch gestörter entwickelten als solche mit Attrappenmüttern, zweitens dass derart aufgewach-sene Junge nach dem vierten Lebensmonat so dissozial geprägt sind, dass sie mit einem Mutterersatz nichts mehr anzufangen wissen, und drittens dass solchermaßen aufgezogene Tiere kaum je bereit waren, sich zu paaren. Zusammenfassend gesagt entwickelten die jungen Affen, die entweder völlig mutterlos aufwuchsen oder mit einer Attrappe, seelische Reaktionsdefekte, die nach MITSCHERLICH den menschlichen aufs Haar gleichen. Obwohl die Übertragung von in Tierexperimenten gewonnenen Ergebnissen auf menschliches Verhalten immer mit Skepsis zu beurteilen ist, drängen sich doch Parallelen zur menschlichen Entwicklung auf. DECHENE (1975) warnt vor einer Mutterideologie, die darauf hinaus läuft, dass einzig die „Mutter-Kind Dyade" für die Entwicklung in den allerersten Lebensmonaten notwendig sei. Dass es tatsächlich mehr auf die Qualität der frühen Objektbeziehung ankommt, als auf die Anwesenheit der leiblichen Mutter, scheint inzwischen durch verschiedenste Beobachtungen und Erfahrungen belegt zu sein.

So berichten zum Beispiel Anna FREUD und S. DANN (1962) von einer Gruppe von 6 Kindern, die im Konzentrationslager in sehr frühem Alter von ihren Eltern getrennt wurden, weitestgehend auch von anderen Erwachsenen isoliert waren und nur einander als Gruppe hatten. Nach ihrer Befreiung aus dem deutschen Konzentrationslager wuchsen sie im Kinderheim unter optimalen Bedingungen zwischen dem 3. und 5. Lebensjahr weiterhin als Geschwistergruppe auf. Trotz gewisser Störungen hatte die intensive, im K.Z. entstandene und im Heim fortbestehende Beziehung der Kinder zueinander, sie davor bewahrt, ein psychotisches Kaspar Hauser Schicksal zu erleiden. Bei völliger Unabhängigkeit von elterlichen Bezugspersonen hatten auch diese Kinder positive soziale Haltungen entwickeln können. Im Endeffekt waren sie ausgesprochen kooperativ, rivalisierten überhaupt nicht und litten nicht unter Autoritätsängsten.

Ein anderes überzeugendes Beispiel für die Möglichkeit, Kinder von Anfang an in Gruppen erfolgreich zu erziehen, bieten die israelischen Kibbuzim. Hier gelingt es den Kinderpflegerinnen, dem einzelnen Kind und der Gruppe ein Maß an Zuwendung zuteil werden zu lassen, dass Fehlentwicklungen vermieden werden können. Nicht zu unterschätzen ist dabei aber auch die erzieherische Einwirkung, zu denen die Kinder untereinander fähig sind. So stellt etwa der Psychoanalytiker Bruno BETTELHEIM (1969) praktisch keine Züge von Verwahrlosung oder Dissozialität bei Kibbuzkindern fest. Dennoch legen inzwischen die Kibbuz-Eltern mehr Wert auf eine intensive Eltern-Kind-Beziehung.

Familie, Erziehungsstil und psychoanalytische Theorie

Eine bedeutende Rolle spielt aus psychoanalytischer Sicht die Intaktheit der Familie als wichtigste Erziehungsinstitution in der gegenwärtigen Gesellschaft. Zerrüttetheit der Familie hat sich in zahlreichen wissenschaftlichen Forschungen als ein kriminalitätsfördernder Faktor erwiesen. Horst Eberhard RICHTER hat in seinem Buch „Eltern, Kind und Neurose" (1969) einige typische krankheitsfördernde Familienkonstellationen aus seiner psychoanalytischen Sprechstundenpraxis beschrieben. RICHTER stellte fest, dass das Kind für die Eltern oftmals eine ganz bestimmte Aufgabe erfüllt und dass sie das Kind daher unbewusst in eine Rolle hineinzwängen, z. B.

- das Kind als seelischer Ersatz für den Gatten, der vielleicht im Krieg gefallen ist, getrennt lebt oder innerlich fremd geblieben ist;
- das Kind als Idealvorstellung, von dem man erhofft, dass es einmal das schafft, wonach man als Elternteil früher vergebens gestrebt hat;
- das Kind als Sündenbock, bei dem man nur negative Verhaltensweisen wahrnimmt und auf das man als Elternteil eigene unbewältigte negativ bewertete Persönlichkeitszüge projiziert;
- das Kind als umstrittener Bundesgenosse, den jedes der rivalisierenden Elternteile auf seine Seite ziehen möchte, usw.

Was das elterliche Erziehungsverhalten anbelangt, so macht die psychoanalytische Forschung insbesondere eine zu starke Einengung und Dressur des Kindes einerseits und andererseits eine überbehütende, verwöhnende und inkonse-quente Erziehung für seelische Störungen verantwortlich, die sich auch in kriminellen Handlungen ausdrücken können. Rigorose Versagungen und Verbote, Hemmungen der Aktivität und des Selbständigkeitsstrebens, Forderung blinden Gehorsams und Unterwerfungsbereitschaft des Kindes können später zu Trotz, Sadismus, Minderwertigkeitsgefühlen und zu autoritätshörigen Charakterzügen führen. Übermäßige Verwöhnung führt zu langandauernder psychischer Abhängigkeit des Kindes von einem Elternteil, so dass die Ablösungsversuche z. B. in der Pubertät und in der Adoleszenz oft gewaltsame und krampfhafte Formen annehmen können. Durch Verwöhnung ist das Kind der Realität nicht gewachsen, es hat eine geringe Frustrationstoleranz, d. h. die Schwelle für Misserfolgserlebnisse und Enttäuschungen liegt ungewöhnlich niedrig.

Die Psychoanalyse hat insbesondere durch ihr psychodynamisches Modell (d. h. die Instanzen des psychischen Apparates wie Es, Ich, Über-Ich) und durch ihr entwicklungspsychologisches Modell (das Phasenmodell psychosexueller Ent-wicklung, also die orale, die anale und die phallische Phase) relevante Erklärungsversuche zur Soziogenese pathologischer Persönlichkeitsstrukturen geliefert. Abweichendes Verhalten erscheint lediglich als ein Symptom für generelle pathologische Charakterorganisationen. Die Grundlegung der Charakterstruk-tur, des Gewissens, der Ausbildung von Ich-Ideal und Über-Ich, geschieht in früher Kindheit und hängt u.a. ab von Beginn, Dauer und Intensität der Identifikationen mit den Sozialisationsagenten. Im folgenden sollen die Prozes-se der Identifikation näher beleuchtet werden. Optimale Prozesse der Identifi-kation laufen in verschiedenen frühkindlichen Entwicklungsphasen in folgender Weise ab:

Die geglückte anaklitische Identifikation, d.h. also die Identifikation mit der ersten Bezugsperson, bildet eine solide Basis für die defensive Identifikation in der ödipalen Situation, in der nicht nur durch Identifikation mit dem Aggressor die Straftendenzen der väterlichen Autorität internalisiert werden und zur Aufrichtung des Über-Ichs führen, sondern in der ebenfalls ein eher positiv gefärbtes Ich-Ideal durch Identifikation mit dem Vater entsteht. Resultat optimaler Prozesse der Identifikation und Gewissensbildung ist ein Über-Ich, das eher ins Ich assimiliert und integriert erscheint. Es meldet sich als „Stimme des Gewissens" bereits bei der Intention verbotener Handlungen und ist durch seine Warn- und Signalfunktion für das Ich hilfreich bei der Verhaltensregulierung (KUIPER).

Wie wirken sich nun Störungen in den Identifikationsprozessen aus?

Aus psychoanalytischer Sicht lassen sich idealtypisch verschiedene Persönlich-keitskonstellationen hinter dem Symptom einer kriminellen Handlung ausmachen:

- Normales Über-Ich: Zunächst mag ein normaler Über-Ich-Kern vorhanden sein. In diesem Falle beeinträchtigen nicht primäre und sekundäre Umwelt-schäden die Es-Ich-Über-Ich Balance, sondern außergewöhnliche, akziden-tielle und aktuelle Belastungen, wie z. B. physiologische Mangelsituationen in Kriegszeiten oder immense reale Leidenssituationen sind auslösende Faktoren für kriminelles Agieren (KÜNZEL 1975, DÜHRSSEN 1960, ALEXAN-DER und STAUB 1929, BRANDT 1972).
- Antisoziales Über-Ich: Daneben kommt nach AicHHORN (1925), REDL (1951), ALEXANDER und STAUB (1929) und KÜNZEL (1965) ein sogenannter antisozialer Über-Ich-Kern vor. In diesem Fall liegt eine Identifizierung mit von den herrschenden Normen abweichenden Bezugspersonen vor. Zu denken wäre beispielsweise an Identifizierungsprozesse mit einem kriminel-len Elternteil. Die Entwicklung des Gewissens ist in diesem Falle normal verlaufen, lediglich die Inhalte des Gewissens unterscheiden sich von der bestehenden Gesellschaft.
- Neurotische Formen: Die Ursachen neurotischer Kriminalität (z. B. Pyroma-nie, Kleptomanie, „Verbrecher aus Schuldgefühl", REIK 1925) sind in spezifischen Sozialisationsprozessen zu suchen, die im folgenden Kapitel ausführlich erörtert werden.
– Psychopathische Formen: Die psychopathischen Formen der Kriminalität (z. B. ziellose Gewalt- und Zerstörungskriminalität, „Triebhafter Charakter", REICH 1925) gehen mit einer Schwäche des Über-Ichs einher und werden auf defizitäre Sozialisationsprozesse zurückgeführt, wie sie im nächstfolgenden Kapitel erörtert werden.

Neurotische Formen der Kriminalität nach Alexander/Staub u.a. Kriminalität als neurotisches Konfliktlösungsmuster hat die Psychoanalyse wohl am meisten beschäftigt. Die Ursachen der Grundstruktur neurotischer Krimina-lität liegen in den Sozialisationsbedingungen der frühen Kindheit, in der zu starke und rigide Identifikations- oder Unterwerfungsprozesse stattgefunden haben. Das daraus resultierende viel zu strenge und tyrannische Über-Ich reißt die Herrschaft über die Gesamtpersönlichkeit an sich und unterdrückt die Triebansprüche des Es rigoros. Die Triebansprüche des Es können nicht modifiziert und verarbeitet werden und verfallen strikter Verdrängung. Äußere Konfliktsituationen oder Durchbrüche verdrängter und aufgestauter Triebimpulse bahnen sich möglicherweise in symbolischen kriminellen Handlungen einen Weg zur Motilität. Der kriminellen Handlung liegen keine bewussten Motive zugrunde, sondern die Tat fungiert als ein alloplastisches neurotisches Symptom. Alloplastisch bedeutet nach außen gewendet. Alle Triebansprüche, besonders sexuelle Regungen, werden von einem tyrannischen Gewissen verdrängt und in Schach gehalten, so dass sie sich unter Umständen nur in symbolischer Form einen Weg zur Befriedigung bahnen können. Der Feuerteufel, der Pyromane, der von mächtigen Regungen unbewusst dazu getrieben wird, Brände zu legen (und dabei oftmals sexuell erregt wird oder gar Orgasmus hat), oder der Kleptomane, der zwanghaft wieder und wieder bestimmte oft unnütze Dinge stehlen muß, sind wohl klassische Beispiele für neurotische Kriminalität. FREUD hat auch den „Verbrecher aus Schuldgefühl" beschrieben, der von unbewussten Schuldgefühlen, z. B. wegen Onanie, Phantasien oder verbotener Wünsche, zur kriminellen Tat getrieben wird, und der es oft so einzurichten versteht, dass er auch schnell erwischt wird. Nach Tilman MOSER besteht das Gros der Jugendkriminalität aus solcher neurotischen Kriminalität, die durch pubertäre Triebschübe ausgelöst wird (MOSER 1970). Das Wissen um neurotisch bedingte Kriminalität, um die Existenz eines Verbrechens aus Schuldgefühl, ist deshalb so wichtig, weil die Massenmedien normalerweise ein Bild vom Verbrecher zeichnen, das sich durch zielgerichtetes Handeln, wohlüberlegte Bereicherungssucht und volle Zurechnungsfähigkeit auszeichnet. Im folgenden möchte ich ein Beispiel eines Verbrechers aus Schuldgefühl darstellen, wie es ALEXANDER und STAUB 1929 geschildert haben: „Ein 34jähriger Intellektueller - wir wollen ihn Bruno nennen - war wegen verschiedener kleiner Diebstähle zu über einem Jahr Gefängnis verurteilt worden. Er appelierte an die höhere Instanz, einer der Autoren übernahm seine Verteidigung und fand ihn in der Untersuchungshaft in einem guten seelischen Gleichgewicht und fast vergnügten Zustand vor. Es stellte sich bald heraus, dass es sich nicht um gewöhnliche Diebstähle handeln konnte. Seine Taten standen weder mit seiner sozialen Stellung noch mit seinen übrigen Lebensumständen im Einklang. Er war jahrelang in Universitätsklinken aufgrund eines gefälschten Diploms, aber solider ärztlicher Kenntnisse als Chirurg tätig gewesen, von den Leitern der Kliniken besonders geschätzt und anerkannt, auch theoretisch wissenschaftlich und in Laboratoriumsuntersuchungen erfolgreich. Er hatte einige wissenschaftliche Originalarbeiten publiziert. Schon im Verlauf seiner ärztlichen Tätigkeit in einer Hauptstadt Mitteleuropas hatte er ärztliche Bücher in einer Buchhandlung gestohlen, sie sofort in einer anderen, in der Nähe liegenden Buchhandlung zum Kauf angeboten, ohne die darin befindlichen Etiketten des Verkäufers zu entfernen. Dies fiel auf, er wurde ersucht, noch einmal wiederzukommen, und entfernte sich unter Zurücklassung seines vollen Namens nebst Adresse. Natürlich wurde die Tat entdeckt, er festgenommen, und es stellte sich dabei heraus, dass er gar kein Arzt und sein Diplom gefälscht sei.

Dieser Diebstahl erscheint wie alle seine sonstigen Straftaten als gewöhnlicher Diebstahl unmotiviert. In der Buchhandlung, in der er die Bücher entwendete, war er seit Jahren als treuer Kunde bekannt, hatte genügend Kredit, um jedes Buch kaufen zu können, befand sich auch in guter Vermögenslage, da er kurz zuvor eine gute Assistentenstelle einer gynäkologischen Universitätsklinik erhalten hatte. Er wurde einige Zeit nach seiner Verhaftung wegen der Geringfügigkeit der Delikte bei Fortdauer des Strafverfahrens entlassen und begab sich, mit einigen Mitteln versehen, nach Berlin, wo er unter seinem richtigen Namen in einem Hotel abstieg. Bald nach seiner Ankunft ging er im Klinikenviertel in mehrere medizinische Buchhandlungen, entwendete dort verschiedene ärztliche Bücher, trug sie, mit der Etikette des Verkäufers versehen, in treuer Nachahmung des früheren Verhaltens in andere Buchhand-lungen in der Nähe und bot sie dort zum Kauf an. Er fiel auf, wurde gebeten, noch einmal wiederzukommen, hinterließ Namen und Adresse und wurde verhaftet. Als ihm der Polizeikommissar nach Aufnahme eines Protokolls in Aussicht stellt, dass man ihn wegen der geringfügigen Bücherdiebstähle vorläufig freilassen werde, erklärte er dem Beamten, er habe auch noch in einem optischen Geschäft Teile des Mikroskops gestohlen. Auch deshalb wollte man ihn noch nicht in Haft behalten. Daraufhin gestand er der Polizei, dass er auf der Reise nach Berlin in Leipzig ausgestiegen sei und in einer Ausstellung mehrere kleine Porzellanfiguren entwendet habe. Als er diese Gegenstände vorzeigte, wurde er endlich in Haft genommen und in das Untersuchungsgefängnis eingeliefert. Dort fühlte er sich wohl und erleichtert und hatte nur die eine Sorge, in den Besitz medizinischer Bücher zu kommen und studierte mit großem Eifer. Während seiner Haft schien ihm eigentlich nichts zu fehlen, er war glücklich und zufrieden, führte sich ausgezeichnet auf, suchte mit dem Gefängnisarzt, der sein medizinisches Wissen und Können zuerst misstrauisch betrachtete, dann offen bewunderte, in Kontakt zu kommen, ihm in seiner Gefängnisarbeit zu helfen. Es war dem Verteidiger bald klar, dass es sich hier unmöglich um aus bewussten Motiven erklärbare Straftaten handeln konnte, sondern dass ein typischer Fall neurotischen Agierens vorlag. Selbst einem nicht tiefen-psychologisch geschulten Kriminalisten musste das anscheinend irrationa-le Verhalten Brunos auffallen." (ALEXANDER/STAUB 1929, S. 90f.) ALEXANDER und STAUS erklären im weiteren Verlauf ihrer Darstellung die neurotische Kriminalität des Angeklagten durch ödipale Konflikte und durch Erlebnisse in der frühen Kindheit. Mag dieses Beispiel auch kurios anmuten, so finden wir doch selbst in neuesten Publikationen zum Thema Verwahrlosung und Kriminalität Beispiele von Verbrechen aus Schuldgefühl. Auch DECHENE, der 1975 eine Arbeit über „Verwahrlosung und Delinquenz. Profil einer Kriminal-psychologie", München 1975, veröffentlicht hat, bringt das Beispiel eines Verbrechers aus Schuldgefühl aus seiner ärztlichen Praxis. FROMM (1931) vertritt die Auffassung, dass auch der scheinbar rational, aus egoistischen Motiven handelnde Verbrecher gewöhnlich von unbewussten Triebregungen bestimmt wird, verbrecherisch zu handeln. Bewusste und unbewusste Motive vermischen sich nach FROMM bei der Kriminalität, so dass es nicht immer leicht fällt zu unterscheiden, welches Motiv überwogen haben mag. FROMM illustriert das an einem Beispiel:

„Nehmen wir zwei Warenhausdiebinnen, eine vermögende und eine arme. In beiden Fällen kann vielleicht die Analyse aufzeigen, dass die Triebfeder ihrer Handlungen im Unbewussten liegt, etwa in bestimmten Fixierungsstellen auf der oralen Stufe oder im Zusammenhang mit dem Kindeswunsch dieser Frauen. Bei der unvermögenden Diebin fehlt die Rationalisierung. Sie fehlt deshalb, weil die Rationalisierungsmöglichkeit fehlt. Umgekehrt muß bei der anderen Diebin der Diebstahl rationalisiert werden. Sie kann kaum anders, als sie in den Dienst ihrer Ichinteressen zu stellen. Aber es wäre grundfalsch, die reiche Diebin als neurotische Kleptomanin, die arme als normale, psychisch gesunde Verbreche-rin zu bezeichnen. Natürlich ist es möglich, dass eine arme Diebin gar nicht aus libidinösen Motiven stiehlt, sondern aus Not, aber - und hierauf kommt es in diesem Zusammenhang an - darüber kann nicht das Vorhandensein der Rationalisierung Aufschluß geben, sondern nur das Studium des Unbewussten der kriminellen Persönlichkeit." (FROMM 1931, S. 123).

Psychopathische Formen der Kriminalität

Die psychopathischen Formen der Kriminalität sind auf gestörte Prozesse der Identifikation und Gewissensbildung zurückzuführen. Da in der oralen Phase die Basis der Beziehungs- und Affektfähigkeit, des sozialen Optimismus und des Urvertrauens (ERIKSON 1965, SPITZ 1967, CLAESSENS 1967) erworben werden muß, wirken sich orale Frustrationen und Deprivationen als schwere Charakterdeformationen, nämlich als Ambivalenz, Antisozialität und Asozialität aus (BOWLBY 1973, SCHMALOHR 1968, ECKENSBERGER 1971). Störungen (;er anaklitischen Identifikation können auf verschiedenen Formen mütterlicher Ablehnung beruhen, wie z.B. Affektsperre, Absorption in die eigenen Interessen bzw. Konflikte, Inkonsistenz emotionaler Liebeszufuhr usw. Das oral bereits frustrierte Kind tritt geschwächt in die zweite Phase psychosexueller Entwicklung ein. Sado-masochistische Interaktionen zwischen Sozialisationsagent und Kind führen zu Fixierungen und Regressionen der libidinösen Entwicklung auf analsadistischer Stufe. Anale Frustrationen können zu Hass, Grausamkeit und Feindseligkeit der Sozietät gegenüber führen.

Durch kumulative, d.h. aufeinander folgende, sich summierende Abfolge der phasenspezifischen Störungen sind bei Eintritt in die ödipale Situation bereits folgende Sozialisationsdefizite zu verzeichnen: Neben einer unsoliden Basis anaklitischer Identifikation ist die Fähigkeit zur Identifikation bereits gestört. Der in der ödipalen Phase notwendige Identifikationstransfer von der Mutter zum Vater kann einerseits durch subjektive Identifikationsbarrieren (orale und anale Frustration), andererseits durch objektive Barrieren, wie z. B. punitive, d.h. strafende, diffus-inkonsistente und repressive Sozialisationspraktiken misslingen. Das Resultat gestörter Identifikationsprozesse ist der psychoanalytischen Literatur zufolge die mangelnde Ausbildung der Gewissensinstanz. In psycho-analytischen Termini ist es bei der psychopathisch abweichenden Persönlichkeit (durch inkonsistente, lückenhafte und gestörte frühkindliche Identifikationsprozesse zu einem fragmentarischen, d.h. bruchstückhaften, externen, d.h. an äußeren Autoritätspersonen haftenden, Über-Ich gekommen. MOSER (1970) spricht von Über-Ich-Defekten, Über-Ich-Lücken und Über-Ich-Deformationen REDL/WINEMANN (1951) charakterisieren die so entstandene psychopathische Persönlichkeit durch folgende Eigenschaften: Ich-Pauperisierung, Insuffizienz-Gefühle, Frustrationsintoleranz, maximale Angstquantitäten, mangelnde Impulskontrolle, Suggestibilitätsdisponiertheit, Anfälligkeit für gruppenpsychologische Intoxikation. Eine extrem niedrige Frustrationstoleranz bedeutet z. B. die Unfähigkeit, das Warten vor einer roten Ampel zu ertragen, aber auch die Unfähigkeit, persönliches Versagen oder Misserfolge anders als ein schweres Trauma zu erleben. Diese Kinder und Jugendlichen haben starke Minderwertigkeitsgefühle, sie haben sehr große Angstmengen, mit denen sie schwer umgehen können und sie können ihre Impulse schwer kontrollieren. Weiterhin kann man eine Anfälligkeit für Enthemmung und für Verlust des eigenen Willens in Gruppen, Massen oder Banden feststellen, was eine große Verführbarkeit durch andere Personen impliziert. Als Konfliktlösungsstrategien stehen überwiegend alloplastische, d.h. nicht ins Innere, sondern nach außengewendete Abwehrmechanismen zur Verfügung, besonders die externalisierte Projektion, d.h. dass eigene psychische Konflikte auf andere Gruppen oder Personen nach außen projiziert werden, und psychische Abwehrmechanismen nach dem Verleug-nungstypus (MILLER/SWANSON 1970). Die Techniken der Schuldbewältigung bestehen aus Flucht- und Aggressionsreaktionen und Schuldvermeidungstricks (vgl. Neutralisationstechniken nach SYKES/MATZA 1968). Anders als der Neurotiker, der in Konflikten die Schuld zuerst bei sich selbst in eigenem Versagen usw. sucht, wendet die psychopathische Persönlichkeit Kränkungen, Misserfolge und Konflikte in Form von Verleugnungen, Fluchtreaktionen, Aggressionen oder Wutausbrüchen von sich selbst ab. Zu denken wäre bei dieser Form der psychopathischen Kriminalität an jugendliche Bandenkriminalität und an jugendliche Gewalt- und Zerstörungskriminalität. Psychoanalytische Autoren betonen, dass die Differenzierung zwischen neurotischer und psychopathischer Kriminalität idealtypisch sei. Empirisch vorfindbar seien vorwiegend Mischstrukturen, vielgestaltige Verzahnungen, Verflechtungen und fließende Übergänge.

Zusammenfassung

Kriminalität erscheint aus psychoanalytischer Sicht im wesentlichen als ein Symptom für generelle pathologische Charakterorganisationen, die auf gestörte Prozesse der Identifikation und Gewissensbildung in frühkindlichen Phasen psychosexueller Entwicklung zurückzuführen sind. Im Zentrum psychoanalytischer Kriminalitätstheorien stehen neurotische und psychopathische Formen der Kriminalität.

Die Ursachen neurotischer Kriminalität liegen in zu starken und rigiden Identifikations- oder Unterwerfungsprozessen in früher Kindheit. Ein tyrannisches Über-Ich reißt die Herrschaft über die Gesamtpersönlichkeit an sich und unterdrückt die Triebansprüche des Es rigoros. Die verdrängten und unverarbeiteten Triebansprüche bahnen sich in symbolischen kriminellen Handlungen einen Weg zur Motilität. Der kriminellen Handlung liegen keine bewussten Motive zugrunde, sondern die Tat fungiert als alloplastisches neurotisches Symptom.

Die psychopathischen Formen der Kriminalität sind auf mangelnde Prozesse der Identifikation und Gewissensbildung in früher Kindheit u.a. durch Mangel, Inkonsistenz und Ambivalenz emotionaler Zuwendung zurückzuführen. Durch inkonsistente, lückenhafte und gestörte frühkindliche Identifikationsprozesse kann es zu einem fragmentarischen, externen oder konkretistisch an Einzelperso-nen haftenden Über-Ich kommen. MOSER (1970) spricht von Über-Ich-Defekten, -Lücken, -Deformationen. REDL und WINEMANN charakterisieren die psychopathische Persönlichkeit durch die Eigenschaften: Ich-Verarmung, Insuffizienzgefühle, Frustrationsintoleranz, maximale Angstquantitäten, mangelnde Impulskontrolle, Suggestibilitätsdisponiertheit.

Welche Schlussfolgerungen lassen sich nun aus den psychoanalytischen Theorien abweichenden und kriminellenVerhaltens für die Reaktion auf Kriminalität ziehen? In de Reaktionen auf abweichendes Verhalten , Gewalt und Kriminalität geht es aus psychoanalytischer Sicht nicht um Rache, Strafe und Verurteilung, sondernin erster Linie um Behandlung, umTherapie und um Resozialisierung. In Einzeltherapie, Gruppentherapie und in einem therapeutisch günstig gestalteten Milieu müssen frühkindliche Traumata aufgearbeitet, Identifikations- und Reifunfsprozesse nachgeholt und somit die seelischen Störfaktoren gemildert und abgebaut, also die neurotischen und psychopathischen Charakterstrukturen geheilt werden. Das große Verdienst der Psychoanalyse besteht darin, aufgezeigt zu haben, dass es den “geborenen” Verbrecher, Neurotiker oder Psychopathen nicht gibt, dass abweichendes und kriminelles Verhalten ganz überwiegend nicht selbstverantwortetes, vollbewusstes Handeln ist, sondern dass es sich vielfach um seelische Störungen handelt, die nicht nur bestraft, sondern behandelt werden müssten. Prophylaktische Maßnahmen zur Verhinderung pathologischer Persönlichkeits- und Charakterstrukturen müssten aus psychoanalytischer Sicht primär bei der Erziehung in früher Kindheit . Theoretisch ginge es um die Ermöglichung optimaler Prozesse der Identitfikation und Gewissensbildung im frühkindlichen Sozialisationsprozess. Erziehungsberatung, Elternkurse und Erziehungslehre, Familienfürsorge und Formen öffentlicher Erziehung hätten die Aufgabe, durch Aufklärung, Beratung und Elternbildung ein aus psychoanalytischer Sicht optimales Erziehungsverhalten zu fördern.

Der Beitrag des Behaviorismus

Der lerntheoretische Ansatz

Da der Psychoanalyse auf dem Sektor der Psychotherapie und der Erziehungs-psychologie in der zweiten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts eine bedeutende Konkurrenz in Form der behavioristischen Lerntheorie und Verhaltenstherapie erwachsen ist, soll an dieser Stelle darauf eingegangen werden.

Zu einer umfassenden, detailliert ausgearbeiteten Lerntheorie der Ursachen kriminellen Verhaltens ist es noch nicht gekommen. COIGNERAI-WEBER (1981) unternahm als eine der wenigen den Versuch, Straffälligkeit und soziale Benachteiligung aus der Sicht der behavioristischen Lerntheorie zu erklären. Kriminalität ist hierbei, wie alles Verhalten, erlernt nach den Prinzipien des klassischen Konditionierens (PAWLOW, WATSON)), des Lernens am Modell (BANDURA) und des instrumentellen Lernens (SKINNER).

Übertragen auf den Bereich menschlicher Gewissensbildung im Kindesalter und in Ergänzung der Forschungsergebnisse von PIAGET (1932) und KOHLBERG (1974) zur Entwicklung des moralischen Urteils beim Kinde betont der lerntheoretische Erklärungsansatz die Rolle des Lernens bei der Internalisierung äußerer Kontrolle. Positive und negative Lernreize führen im günstigen Fall zu wachsender Selbstkontrolle. Straffälligkeit bedeutet unzureichende Selbstkontrolle im Zuge der Sozialisation. Für die unzureichende Selbstkontrolle werden eine gestörte Belohnung- und Bestrafungs-Balance und Vernachlässigung mit Unbeständigkeit der Sanktionierung und mangelnder Intensität der Verhaltenskontrolle verantwortlich gemacht (COIGNERAI - WEBER 1981).

Die Theorie der differentiellen Assoziation von Sutherland

SUTHERLANDs (1968) lehnt sich an die behavioristische Lerntheorie an. Der US-amerikanische Kriminologe Edwin H. SUTHERLAND ist in Deutschland insbesondere durch seine Untersuchungen zur Wirtschaftskriminalität berühmt geworden. Daneben hat er eine lerntheoretisch orientierte Kriminalitätstheorie entwickelt. Diese Theorie der differentiellen Assoziation (vgl. SUTHERLAND 1968a) geht davon aus, dass Kriminalität wie alles Verhalten gelerntes Verhalten ist. In jeder Gesellschaft existieren nach SUTHERLAND unterschiedliche Subkul­turen oder Gruppenkulturen, wie SUTHERLAND sie nennt, das heißt, es existieren in einer Gesellschaft sowohl normenkonforme als auch kriminelle Gruppenkulturen.

Kriminelles Verhalten ist dann erlernt, wenn im Laufe des Sozialisationsprozesses Kontakte auch zu kriminellen Gruppenkulturen bestehen. Wenn diese Kontakte nach Häufigkeit, Intensität, Dauer und Priorität stark sind und wenn in einer Situation die kriminellen Motive überwiegen, dann kommt es zu einer kriminellen Handlung. Das Erlernen von kriminellem Verhalten schließt das Erlernen von Techniken zur Ausführung des Verbrechens und spezifische Motive, Triebe, Rationalisierungen und Attitüden ein. Als ein Beispiel sei ein Jugendlicher angeführt, der differentielle Kontakte zur gesetzestreuen Grup­penkultur der Schule, aber auch teilweise Kontakte zur Gruppenkultur einer Bande mit gesetzeswidrigen Normen unterhält. Weitere Beispiele für kriminelle Gruppenkulturen wären die Fürsorgeheime, die Jugendstrafanstalten, die Vergnügungs- und Slumviertel der Großstädte, Kontakte zur Mafia, aber auch das gesetzeswidrige Geschäftsgebaren von Kaufleuten. Nach SUTHERLAND kann kriminelles Ver­halten auch während der Lehr-, Ausbildungs- oder Volontärszeit in Wirtschafts­unternehmen gelernt werden, indem durch den differentiellen Kontakt zu den Gruppenkulturen der Wirtschaft die Techniken, Motive und Rationalisierungen zur Begehung von Wirtschaftsverbrechen gelernt werden.

SPRINGER (1973) hat die folgenden Thesen zur Theorie der differentiellen Kontakte formuliert:

"These zu E. H. SUTHERLAND:

(1) Wenn eine Person Mitglied einer Gesellschaft ist, die aus verschiedenen sozialen Gruppen besteht, die kriminelle und anitkriminelle Verhaltensmu­ster haben und
(2) wenn eine Person zu beiden Systemen von Verhaltensmustern Zugang hat,

sie diese durch Interaktion jeweils mit Gruppenmitgliedern erlernt und (3) wenn in Situationen die erlernten Verhaltensmuster, Einstellungen, Motive und Rationalisierungen der kriminellen Gruppe gegenüber denen der Gruppe, die antikriminelle Verhaltensmuster etc. vermittelt hat, über­wiegen dann wird diese Person kriminelle Verhaltensmuster zeigen." (SPRINGER, 1973, S. 14).

Die Theorie der differentiellen Gelegenheiten von CLOWARD/OHLIN

Die Theorie von CLOWARD/OHLIN (1960) stellt eine Verbindung der Anomie­theorie von MERTON (1968) und der Theorie der differentiellen Assoziation von SUTHERLAND (1968a) dar. Kriminelles Verhalten ist nach CLOWARD/OHLIN zwar erlernt im Kontakt zu kriminellen Subkulturen, aber die Ursachen kriminellen Verhaltens liegen doch darin, dass sozialstrukturelle Barrieren das Erlangen der kulturell definierten Ziele mit legitimen Mitteln für die Angehöri­gen unterprivilegierter Bevölkerungsgruppen versperren.

Nach CLOWARD/OHLIN sind nicht nur die Zugangschancen zu den legitimen Mitteln zur Erreichung der kulturell definierten Ziele unterschiedlich verteilt, sondern auch die Zugangschancen zu den illegitimen Mitteln. Beispielsweise mögen auch einem Jugendlichen aus kleinbürgerlichem Milieu die legitimen Mittel zur Erlangung von Reichtum, Macht und Prestige versperrt sein, so dass auf den Jugendlichen ein sozialer Druck zu abweichendem Verhalten einwirkt, aber es fehlt die Gelegenheit, sich einer kriminellen Jugendbande anzuschließen, da in dem kleinbürgerlichen Milieu, in dem kleinbürgerlichen anständigen Wohnviertel eben keine Jugendbanden existieren, denen man sich bei kleinen Raubzügen anschließen kann. Anders verhält es sich hingegen in Slumvierteln, in denen die Zugangschancen zu illegitimen Mitteln zur Erlangung von Geld, Macht und Prestige im Rahmen einer Jugendbande, die Überfälle, Einbrüche und Rauschmittelhandel praktiziert, gegeben sind.

SPRINGER (1973, S. 15f.) hat die teilweise sehr überzeugende Theorie von CLOWARD/OHLIN in den folgenden Thesen übersichtlich dargestellt:

„Thesen zu R. A. CLOWARD und L. E. OHLIN:

(1) Wenn Jugendliche der Unterklasse die konventionellen Ziele internalisiert haben und keinen Zugang zu legitimierten Mitteln sehen,
(2) wenn sie von der Bindung und dem Glauben an die Legitimität bestimmter (für sie relevanter) Teile der existierenden Mittelorganisation losgelöst sind,
(3) wenn sie sich mit anderen, die in ihrer Nähe wohnen, auf der Suche nach einer Lösung ihrer Anpassungsprobleme verbinden,
(4) wenn sie mit angemessenen Techniken zur Handhabung der Probleme von Schuld und Angst ausgestattet sind, die sich manchmal nach begangenen devianten Handlungen wieder einstellen,
(5) wenn sie für die Möglichkeit gemeinsamer Problemlösungen kein Hindernis sehen,
(6) wenn sie Zugang zu illegitimen Mitteln haben, (0) dann entstehen delinquente Subkulturen.

Die delinquenten Subkulturen sind zu differenzieren in drei Typen:

1. Kriminelle Subkultur

(1) Wenn Jugendliche in einer kriminellen Umwelt leben, in der die kriminelle Wirklichkeit der Jugendlichen mit der der Erwachsenen strukturell verbunden ist ...,

(2) wenn kriminelle und konventionelle Rollen von Erwachsenen in einer Gemeinde und in der Nachbarschaft integriert sind ... ,

(3) wenn Zugang zu kriminellen Rollen bzw. Karrieren besteht,

(4) wenn die kriminellen Jugendlichen der sozialen Kontrolle der erwachsenen Kriminellen unterliegen,

(5) wenn instrumentelles kriminelles Rollenverhalten eher erwartet wird als expressives,

(0) dann entstehen in der Regel kriminelle Subkulturen bzw. Gangs, deren

Normen und Werte denen der erwachsenen Kriminellen entsprechen.

II. Konflikt-Subkultur

(1) Wenn ein Slum, ein Nachbarschaftsbezirk oder eine Gemeinde desorgani­siert ist, gekennzeichnet durch eine hohe Rate an vertikaler und geographi­scher Mobilität, d.h.

(2) wenn für die Jugendlichen kein stabiles System konventioneller und krimineller Rollen besteht, zu denen sie Zugang haben,

(3) wenn soziale Kontrolle in solchen Gemeinden schwach ist,

(0) dann entwickeln sich sehr wahrscheinlich Konflikt-Subkulturen.

III. Rückzugs-Subkultur

(1) Wenn Jugendliche bei Einsatz legitimer und illegitimer Mittel zur Errei­chung von Erfolgszielen nicht erfolgreich sind,

(2) (2) wenn für sie Rauschgift verfügbar ist,

(0) dann entstehen Rückzugs- bzw. hier - als dominantes Muster – Rauschgift­Subkulturen." (SPRINGER 1973, S. 15 f.)

Zur Medienwirksamkeitsforschung

Seit dem Zweiten Weltkrieg hat es in Deutschland eine signifikane Zunahme an Medien gegeben. Die Ausstattung von Haushalten mit elektronischen Geräten verlief so rasant, dass man vom Medienkonsum sprechen kann. Theorien über potentiell schädliche Einflüsse der Darstellung von Gewalt in Medien gab es bereits vor der Einführung des Fernsehens und der Computerspiele.Es stellt sich die Frage, ob die vermehrte Gewaltdarstellung im Fernsehen und in Computerspielen die Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen fördert. Es wird der Vorwurf erhoben, dass die Berichterstattung über Gewalttaten zur Nachahmung animiert. Kulturkritische Positionen verweisen auf eine starke Zunahme der Häufigkeit der Gewaltdarstellungen im Fernsehen auf

Grund der Zunahme der Anzahl der Sender und der Zunahme an gewaltdarstellenden Sendungen.

Medienwirkungsforschungen haben ergeben, dass das soziale Ansehen sowie soziale Kontakte zunächst zunehmen, wenn ein neues Gerät in den Haushalt kommt. Oft findet dann eine Unterordnung der freundschaftlichen Beziehung bei Besitz eines eigenen Fernsehers, Videorecorders oder Computers statt. Medien erhalten im Gegensatz zu sozialen Kontakten eine übergeordnete Bedeutung. Häufiger Medienkonsum bewirkt daher oft eine stärkere soziale Isolation. Medienwirkungsforschungen ergeben eine geringe Auswirkungen von Gewaltdarstellungen auf die Mehrheit der Jugendlichen, jedoch unter Umständen erhebliche Auswirkungen von Gewaltdarstellungen auf spezielle Minderheiten . Der Vorwurf kulturkritischer Medienpsychologen lautet, dass männliche Jugendliche bei der Suche nach Konfliktlösungen an in Filmen dargestellten gewalttätigen Lösungsmustern andocken. Psychiater und Psychologen sprechen von einer Verstärkung von vorhandenen Gewaltpotentialen.

Zusammenfassung

Der lerntheoretische Ansatz geht davon aus, dass Kriminalität wie alles Verhalten gelerntes Verhalten ist. Durch differente Kontakte zu abweichendem und kriminellem Milieu wird deviantes und delinquentes Verhalten erlernt. Behavioristische Erklärungsversuche von abweichendem und kriminellem Verhalten gelten dem Einluss devianter Bezugsgruppen, z.B. den Peer groups, d.h. Gruppen Gleichaltriger und jugendlicher Subkulturen. Die verhaltenstheoretische Lerntheorie sucht die Gründe für abweichendes Verhalten in Vorgängen des Modell-Lernens. US-amerikanische Vorbilder wie Amok-Mordtaten in Littleton und anderswo wirken stilbildend und rufen Nachahmer auf den Plan. Darüber hinaus werden mordlüsterne Computer-Spiele als auf die Verhaltens- und Handlungsbereitschaft abfärbend angesehen.

Der Beitrag der geschlechtsspezifischen Sozialisationsforschung

Zur Sozialisation der Jungen

SCHNACK und NEUTZLING beschreiben in ihrem vieldiskutierten Buch „Kleine Helden in Not – Jungen auf der Suche nach Männlichkeit“ (1990 ) die Schwierigkeiten der Jungen bei ihrer Identitätsfindung. Den Autoren zufolge kann man sagen, dass es keine ausschließlich glückliche Kindheit gibt. Diese existiert nur in den Wünschen liebender Eltern und in den sentimentalen Erinnerungen erwachsener Menschen, denn : Jeder Säugling empfinde schon Gefühle wie Angst, Verlassenheit, Enttäuschung, etc. Jedes Kind müsse irgendwann Gefühle von Abhängigkeit und Selbstbehauptung erleben. Jeder wird irgendwann auch den liebendsten Vater als Konkurrenten und Rivalen in Bezug zur Liebe zur Mutter erleben.

Der ständige Wunsch nach immer glücklichen Kindern kann negative Auswirkungen haben. Laut SCHNACK und NEUTZLING versuchen Kinder immer den Erwartungen der Erwachsenen zu entsprechen und haben dann das Problem, dass sie, wenn sie stets nur immerzu glücklich sein sollen, nicht mehr wissen, an wen sie sich mit ihrem Unglück wenden sollen. „Eltern können ihre Kinder nicht vor den Dramen der ersten Lebensjahre bewahren, sie können ihnen nur helfen, sie durchzustehen.“( SCHNACK/NEUTZLING 1990, S.15 )

Zur Bedeutung der Mutter in der Kleinkindzeit

Die erste Person, die jeder Mensch in seinem Leben liebt, ist die Mutter, also weiblich.

Kinder werden von einer Frau ausgetragen, geboren und meistens auch gestillt. Die ersten Gefühle, positive wie negative, schon im Mutterleib und bei der Geburt, die ein Mensch erfährt, sind mit dem weiblichen Körper und der Perönlichkeit der Mutter verbunden. Die Mutter-Kind-Beziehung ist eine besondere Beziehung. Auch ein Vater, der sich sehr bemüht, hat gegen die enge Mutter-Kind-Beziehung keine Chance.

Die Mutter-Sohn-Beziehung: Laut SCHNACK und NEUTZLING kann man schon im Kleinkindalter einen bestimmten Unterschied zwischen der Mutter-Sohn-Beziehung und der Mutter-Tochter-Beziehung erkennen: Es besteht bei der Mutter-Sohn-Beziehung eine Asymmetrie der Geschlechter. Der Junge hat von Anfang an in der Mutter ein adäquates Sexualobjekt. Beim Heranwachsen stellen Jungen fest, dass sie anders sind als die Mutter. Dies führt bei den Jungen schon sehr früh zu einem Identitätsbruch und der Junge ist gezwungen, sich eine neue Identität zu suchen. Dabei orientiert er sich an den Rollenangeboten, die ihm unsere Gesellschaft anbietet. Ein Junge kann seine Identität aber nur finden, wenn er sich von seiner Mutter abgrenzt. Dies ist wiederum für die Jungen sehr schmerzhaft, da er sich aus der „paradiesischen“ innigen Mutter-Kind-Symbiose der ersten Lebensjahre lösen muss. Dabei muss er akzeptieren dass die Mutter groß ist und bestimmt und er klein ist. Er muss lernen, dass eine dominante, aber auch sehr anziehende Mutter ihm seine noch unsichere geschlechtliche und personale Identität nicht wegnimmt.

Problematische Mutter-Rollen

1. Die stolze Mutter hält ihre Kinder für etwas Besonderes und hat Angst, dass man deren Gewöhnlichkeit erkennt. Sie „managed“ ihren Sohn, lobt ihn oft, um ihn zu Höchstleistungen anzuspornen. Sie kümmert sich nur um ihren Sohn, nie um ihre eigenen Belange. Sie projiziert ihre eigenen Omnipotenzwünsche auf ihren Sohn. Sie vermittelt ihrem Sohn, dass er ein außergewöhnlicher Mensch ist, aber nur mit Hilfe seiner Mutter. Als Erwachsene bleiben die Söhne oft unter den Fittichen der Mutter.

Die stolze Mutter sieht den Sohn als Konkurrenten zu ihrem Ehemann oder

Lebenspartner.

2. Die kontrollierende Mutter bestimmt immer, was für ihren Sohn das Beste ist. Der Vater, Ehemann oder männliche Lebenspartner hat keine Chance, bei der Erziehung des Sohnes mitzuwirken. Sie erledigt die Haushaltspflichten perfekt. Sie pflegt die Kontakte zu den Lehrern ihres Sohnes und zu den Eltern der Spielkameraden ihres Sohnes. Der Sohn kann vor seiner Mutter eigentlich nichts geheim halten. Sie hört ihrem Sohn immer zu, wenn er Probleme hat. Diese Mutter verplant die Nachmittage ihres Sohnes mit Aktivitäten, wie Fußballtraining, Klavierüben, Nachhilfestunden etc.. Sie selten offen streng, aber hat ihren Sohn dennoch unter Kontrolle.

3. Die kämpfende Mutter hat positive wie negative Aggressivität. Sie hat immer das Gefühl,dass sie ihren Sohn verteidigen muss.

„Die Söhne kämpfender Mütter haben grundsätzlich schlechte Lehrerinnen. Schon im Sandkasten werden sie von ungezogenen Bälgern malträtiert. Sie bekommen entweder viel zu viel oder zu wenig Schulaufgaben auf. Werden Sie krank, dann geraten sie an einen inkompetenten Arzt“ ( SCHNACK/NEUTZLING 1990, S.109 ).

Die Söhne werden auch oft aggressiv. Die Sozialkompetenz des Sohnes ist oft wenig entwickelt, weil ihm immer gezeigt wird, dass er eigentlich im Recht sei. Diese Mutter müsste eigentlich für sich selbstkämpfen, da sie bei genauerem Hinsehen eine äußerst schutzbedürftige Frau ist.

4. Die Mitmach-Mutter engagiert sich sehr für ihren Sohn, so sehr, dass sie ihm keinen eigenen Freiraum lässt. Sie ist eine „gute“ Mutter, bastelt, malt, spielt,etc., und unterhält den Sohn den ganzen Tag lang. Sie unternimmt die Aktivitäten mit dem Sohn aber nur, weil sie mit sich selbst und ihrer Zeit nichts anzufangen weiß.Die Mutter beschäftigt sich mehr mit ihren Kindern als mit ihrem Mann. Als Erwachsene können die Söhne sich nur schwer aus der engen Mutter-Sohn-Beziehung lösen. Die Söhne haben als Erwachsene oft das Gefühl, dass sie ihrer Mutter etwas schuldig sind und mögen sie deshalb nicht „allein“ lassen.

5. Die Mutter als Putze

„Die Putze lässt sich gefallen, dass sie und ihre Arbeit abgewertet werden. Meistens ist sie mit einem Mann verheiratet, dem die Angst aus dem Hemdkragen kriecht; der um sich haut, weil er sich sonst wehrlos fühlen würde, und der bedient werden will“. (SCHNACK/NEUTZLING 1990, S. 112)

Sie hat oft einen dominanten und brutalen Mann. Sie putzt aus Leidenschaft gern. Der Sohn leidet darunter, dass die Mutter vom Vater immer wieder „heruntergeputzt wird.

„ Die Ablösung von einer so oder anders abgewerteten Mutter ist schwieriger, als sie auf den ersten Blick erscheint, denn weder für liebevolle noch für Abhängigkeitsgefühle des Sohnes ist Platz genug vorhanden. Wie kann er die Mutter heiß lieben, wenn sie so wenig Achtung erfährt? Wie kann er sich klein und abhängig von der Putze fühlen? Er verdrängt, was er tun müsste – anstatt groß zu werden, lernt er dreckige Witze.“ (SCHNACK/NEUTZLING 1990, S. 113)

Die Rolle des Vaters

Väter sind schon im Kleinkindalter wichtig für Jungen. Ein Vater kann vom ersten Tag an seinem Kind Wärme, Liebe und Befriedigung geben. Ein Baby kann sehr früh zwischen Vater und Mutter unterscheiden.

Nach SCHNACK und NEUTZLING soll ein Vater am Anfang nicht so sein wollen wie die Mutter, sondern er soll einfach nur dazu beitragen, der Mutter und dem Kind eine glückliche Anfangszeit zu ermöglichen. Wenn ein Junge auch zarten und liebevollen Körperkontakt von dem Vater erfährt, fällt ihm der Ablöseprozess von der Mutter leichter. Wenn ein Baby die Mutter negativ erlebt, z.B. wenn sie weggeht, wird der Vater von dem Kind besonders gebraucht. Der Vater kann hier also helfen, die Beziehung zur Mutter zu lockern.

Der Vater zeigt dem Sohn ein „Modell“, dass man einer Frau, der Mutter, sehr nah sein kann, obwohl man eine eigene Identität und Autonomie besitzt. Wenn ein Vater zu Hause im Haushalt mithilft, wird auch aus dem Sohn kein Pascha werden. Im Gegenzug aber , wenn ein Vater sich zu Hause nur bedienen lässt, wird auch der Sohn nicht lernen, ein eigenes Leben zu führen.

Wenn der Vater sich mit der Mutter streitet, wieder verträgt und mit ihr zusammen Entscheidungen trifft, dann wird der Sohn auch als Erwachsener nicht der Meinung sein, dass man „Weiber“ klein halten muss, um zu bestehen, und er sieht, dass das Bemühen um Selbstständigkeit, nichts mit einem Geschlechterkampf zu tun hat.

Im Normalfall ist in der heutigen Gesellschaft der Vater bereit, alles zu bezahlen , aber ansonsten hält er sich auch heute noch gern von den Kindern fern. Nach der Geburt eines Kindes konzentrieren sich die meisten Männer stärker auf den Beruf. Jungen spüren, dass Männer Macht haben, dass der Vater „draußen“ etwas wichtiges macht. Im Normalfall wird , so vermittelt uns es die Gesellschaft unterbewusst, die Arbeit des Vaters als wichtiger betrachtet als die Arbeit der Mutter zu Hause. Die Macht des Vaters ist aber abstrakt, da sich seine Wichtigkeit außerhalb abspielt. Zu Hause wird der Vater oft als schwach erlebt.

Die Zeit , die ein Junge in der heutigen Zeit mit seinem Vater verbringt, ist in der heutigen Zeit zwar sehr gering, aber von großer Bedeutung. Der Vater hilft dem Jungen, sich aus der Symbiose mit der Mutter zu lösen. Der Junge kann sich mit dem Vater identifizieren und identifiziert sich somit mit dem männlichen Geschlecht.

Problematische Rollen als Vater

1. Der Große-Bruder-Vater konkurriert mit seinen Kindern um die Fürsorge seiner Frau. Er fühlt sich benachteiligt. Er empfindet seine Frau als zu mächtig. Manchmal lehnt er sich gegen sie auf, aber schließlich gibt er bei Entscheidungen immer nach. Er kann seine Kinder beim Spielen nicht gewinnen lassen. Er ist oft nörgelig mit seinen Kindern, und korrigiert diese ständig. Er kann seinen Kindern ein guter Spielkamerad sein, und hat dadurch auch manchmal Kontakt mit den weichen Charaktereigenschaften seines Sohnes. Er nimmt keine Erwachsenenposition in der Familie ein. Er vermittelt dem Sohn unbewusst, dass man als Mann in der Nähe einer Frau nicht bestehen kann. Er bringt mit seinem Verhalten seinen Sohn in Loyalitätskonflikte, entweder der Mutter gegenüber, wenn er den Gefühlen seines Vaters folgt, oder seinem Vater gegenüber, denn die Versuchung ist groß, an Stelle des Vaters, der Mann im Haus zu sein.

2. Der bedeutende Vater meint, er mache alles richtig und wisse alles. Seine Familie erreicht materiell mehr als andere Familien. Er hat Angst vor den weichen Seiten seines Sohnes und reagiert auf diese aggressiv und abschätzig. Auf die Dauer nervt er seine Familie mit seinem Verhalten. Seine Söhne haben es schwer, denn sie müssen akzeptieren, dass sie zur Zeit alles schlechter machen als der Vater.

„ Sein Sohn lernt, dass Mann sich dicke tun muss, um gegenüber Frauen zu bestehen.“ ( SCHNACK/NEUTZLING 1990, S.93 ).

Der Sohn erlebt seinen Vater sehr widersprüchlich: Entweder zu mächtig oder zu schwach. Der bedeutende Vater hat oft „missratene“ Söhne.

3. Der alternative Vater hat sich vom traditionellen Rollenbild gelöst und kümmert sich sehr fürsorglich um seine Kinder. Aber es existiert ein Konkurrenzverhältnis zwischen ihm und seiner Frau. Er ist ein braver angepasster Mann, der wenig Wert auf sein sein äußeres Erscheinungsbild legt. Er ist der Ansicht, dass Frauen besser sind als Männer. Er grenzt sich anderen Männern gegenüber stark ab. Er ist im geheimen ein sehr machtorientierter Mensch

„ Seinen Verzicht auf eine ( ihm an sich zustehende) erfolgreiche Rolle in der Männerwelt hält er für sehr edelmütig, wodurch ihm entgeht, wie viel Furcht er davor hat, dass er dort versagen könnte.“ ( SCHNACK/NEUTZLING 1990, S. 98).

Er hat ein sehr enges Verhältnis zu seinem Sohn. Seine Söhne sind im sozialen Leben oft sehr schüchtern, zu Hause hingegen frech und aufmüpfig. Öfters beenden alternative Väter ihr Engagement zu Hause nach geraumer Zeit und stürzen sich ins Berufsleben.

4. Der Frauen-verachtende-Vater meint, seine Frau sei ein Dummchen oder eine Schlampe. Er liebt Männergesellschaften und dreckige Witze. Er kommt abends immer sehr spät nach Hause. Er ist der Meinung, dass seine Frau alles falsch macht und sagt ihr das auch ständig.

„Sein Sohn, der den ganzen Tag mit dieser blöden Frau, die seine Mutter ist, zusammenlebt und von ihr versorgt wird, gerät in unüberbrückbare schwere Loyalitätskonflikte, die ihn oft dazu bringen, die Familiendynamik zu übernehmen und so viel Unfug oder Mist zu produzieren, dass seine Eltern gar nicht anders können, als sich zusammenzutun.“ ( SCHNACK/NEUTZLING 1990, S. 96)

Die Söhne spüren oft, dass ihr Vater eigentlich sehr viel Angst hat.

Der Mythose der männlichen Überlegenheit

„ Jungen müssen überlegen sein und sich durchsetzen können. Sie dürfen keine Angst zeigen, nicht zaghaft oder vorsichtig sein. Ihre Körper sollen gut funktionieren und ständig über sich hinauswachsen.“ ( SCHNACK/NEUTZLING 1990, S.75 )

Die Autoren werten dies als den Mythos der männlichen Überlegenheit. Jungen müssen demnach körperlich stärker sein als die Mädchen, und deswegen schlägt man Mädchen nicht. Unsere ganze Kultur ist insgesamt davon geprägt, dass Jungen bzw. Männer stärker und mächtiger sind. Für Jungen steht von vornherein fest, dass sie besser und mächtiger sind. Alle Erfahrungen, die an der grundsätzlichen Überlegenheit zweifeln lassen, müssen Jungen verdrängen oder umwerten. Gefühle ,die Schwäche zeigen, werden von Jungen bzw. Männern überkompensiert und dies wird als normales männliches Verhalten dargestellt. Männer und Jungen müssen sich immer „cool“ und stark geben, damit man ihre Schwäche niemals erkennen kann. Wie die Gesellschaft die Jungen sieht, zeigen auch die Spielzeuge, die Jungen angeboten werden und nach denen sie verrückt sind, z.B. Pokemon, HeMan, etc..

Die Erwartungen der Eltern an die Söhne

Zu Hause wünschen sich vor allem Mütter einen angepassten und liebevollen Sohn, der sich im Kindergarten aber durchsetzt, hart ist und etwas aushält. Jungen werden schon früh dazu animiert, ängstliche und schwache Gefühle zu unterdrücken. Dieser Identitätskonflikt spiegelt sich in der Realität wider: Jungen sind zu Hause oft anschmiegsam, aber außerhalb lehnen sie Zärtlichkeiten ab. Dies bleibt oft bestehen bis ins Erwachsenenleben. Im Berufsleben als Karrieremann zeigen sie keine Gefühle, weil sie sich keine Blöße geben wollen. Im Privatleben jedoch werden oft regressive Wünsche ausgelebt.

Jungen in der Schule

Theoretisch sollen Jungen und Mädchen gleiche Bildungschancen bekommen. In der Praxis sieht es aber immer noch anders aus: Zahlreiche Untersuchungen haben ergeben, dass die Mädchen in unserem Schulsystem benachteiligt werden. Geschlechtsdifferente Schulforschung wird jedoch fast ausschließlich von Frauen betrieben, so kann eine gewisse Subjektivität sicher nicht ganz ausgeschlossen werden. So kommen Schulforscherinnen zu dem Ergebnis, dass sich die Jungen im Unterrichtsgeschehen in den Vordergrund drängen. Sie werden öfter drangenommen, sie reden öfter und länger. Insgesamt erhalten sie zwei Drittel der Aufmerksamkeit der Lehrer. Sinkt der Aufmerksamkeitsanteil fühlen sie sich sofort benachteiligt und reagieren mit Protest.

Tore SKINNINGSRUD (1984) schreibt, dass Jungen und Mädchen unterschiedliche Interaktionsstrategien verfolgen: Während Jungen eher die Kompetenz der Lehrerin in Frage stellen und konkurrenzorientiert arbeiten, stellen die Mädchen Verständnisfragen, die der ganzen Klasse zugute kommen. Gegenüber den Mädchen verhalten sich die Jungen herablassend. Spricht ein Mädchen, hören weniger Jungen zu. Jungen zeigen eine geringere soziale Kompetenz. Sie sind weniger konfliktfähig und haben Schwierigkeiten über eigene Probleme und Probleme innerhalb der Klasse zu reden. Sie können sich zusätzlich schlechter in Andere hineinfühlen. Weibliche Interessenfelder treten aufgrund der Angst vor männlichem Protest in den Hintergrund. Mädchen nehmen dagegen bestimmte Themen eher stillschweigend hin.

[...]

Ende der Leseprobe aus 91 Seiten

Details

Titel
Gewalt an Schulen, Jugendkriminalität und Sozialstruktur
Untertitel
Einführung in die sozialwissenschaftlichen Theorien abweichenden und kriminellen Verhaltens
Autor
Jahr
2008
Seiten
91
Katalognummer
V90049
ISBN (eBook)
9783638035576
ISBN (Buch)
9783638931588
Dateigröße
1037 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gewalt, Schulen, Jugendkriminalität, Sozialstruktur
Arbeit zitieren
Professor Dr. phil. Karl-Heinz Ignatz Kerscher (Autor:in), 2008, Gewalt an Schulen, Jugendkriminalität und Sozialstruktur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90049

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Gewalt an Schulen, Jugendkriminalität und Sozialstruktur



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden