Die bildliche Darstellung der Afrikamission in den Karikaturen des "Kladderadatsch" und "Simplicissimus"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2019

27 Seiten, Note: 1.7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Bilder als Quelle

3. Die Karikatur

4. Die satirischen Zeitschriften im 19. Jahrhundert
4.1. Der „Kladderadatsch“ (1848-1944)
4.2. Der „Simplicissimus“ (1896-1944)

5. Mission und Kolonialismus im 19. Jahrhundert

6. Mission und Kolonialismus im „Kladderadatsch“ und „Simplicissimus“

7. Quellenanalyse
7.1. Karikatur 1 „Mission in Afrika“ („Kladderadatsch“)
7.2. Karikatur 2: „Moderne Apostel“ („Simplicissimus“)
7.3. Karikatur 3: „Die Entstehung der Kolonien“ („Simplicissimus“)

8. Fazit

9. Bibliografie
9.1. Quellenverzeichnis
9.2. Literaturverzeichnis
9.3. Internetseiten

10. Anhang

1. Einleitung

In der bildorientierten Mediengesellschaft des 21. Jahrhunderts zeichnen sich Bilder vor allem durch ihre Allgegenwart aus. Auch das geschichtswissenschaftliche Interesse und die Beschäftigung mit Bildern als historische Quellen hat sich intensiviert und sich im Laufe der Jahrzehnte einem Wandel unterzogen. Bildern wurde lange Zeit nicht der gleiche Status der historischen Quelle zugeschrieben, wie es bei den meisten schriftlichen der Fall ist, da sie unter anderem für ihren mangelnden Quellenwert kritisiert wurden. Außerdem wurde dem Medium Bild vorgeworfen, dass es sich eher für die Illustration und weniger für die Rekonstruktion von Vergangenheit eigne. Mittlerweile haben sich Bilder in der Geschichtswissenschaft als anerkannte Quelle und Gegenstand historischer Erkenntnis etabliert.1

Diese Arbeit befasst sich mit der Karikatur als historische Quelle und analysiert die bildgestaltenden und humoristischen Mittel, die von den Zeichnern eingesetzt werden, um beim Betrachter unterschiedliche Reaktionen auszulösen. Analysiert wird der historische Kontext, in dem die Karikaturen entstanden sind, sowie ihre Botschaft, die sie der zeitgenössischen Gesellschaft zu vermitteln versuchen. Die Karikatur setzte sich in Deutschland, angesichts der Zensurvorschriften des Vormärz bis 1848, erst im Verlaufe des 19. Jahrhunderts durch. Die Anfänge der Karikatur sind allerdings im Italien des 17. Jahrhunderts zu vermerken. Studien zu Karikaturen als historische Quelle lassen sich erst seit den 1980er Jahren auffinden, da das Interesse von Historikern und Forschern verwandter Fachdisziplinen in Deutschland erst seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert besteht. Besonders die Arbeiten des deutschen Historikers Ebert Demm zu Karikaturen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs gelten als wegweisend für die historische Nutzung von Karikaturen als Quellen.2

Politische Karikaturen sind an die Aktualität gebundene Zeichnungen, die „aktuelle Ereignisse, Prozesse, Entscheidungen, Positionen und Verhalten“, die mit der politischen Einflussnahme in Verbindung stehen, thematisieren.3 Im ausgehenden 19. Jahrhundert war die Aktualität von deutschen Unternehmen in Afrika geprägt. Infolgedessen entstanden zahlreiche Karikaturen über die Kolonialeroberung afrikanischer Gebiete und die Missionierung der afrikanischen Bevölkerung. Vor allem der „Wettlauf um Afrika“4, seine Begleiterscheinungen sowie seine Auswirkungen wurden von satirischen Zeitschriften kritisch beleuchtet und künstlerisch dargestellt.5 Anhand auserwählter Karikaturen aus deutschen Satirezeitschriften des 19. Jahrhunderts soll die bildliche Darstellung der Afrikamission untersucht werden. Der Fokus der Untersuchung soll auf deutschen Missionaren und ihrer Tätigkeit auf dem „schwarzen Kontinent“6 liegen. Aufgrund der engen Verknüpfung von Mission und Kolonialismus wird diese Personalunion ebenfalls bei der Analyse berücksichtigt. Untersucht werden Karikaturen aus den mitunter einflussreichsten Satirezeitschriften des 19. Jahrhunderts, dem „Kladderadatsch“ und dem „Simplicissimus“.

Ziel dieser Arbeit ist es, anhand der bildlichen Darstellung der Afrikamission, die Intention der Karikaturisten nachzuvollziehen und zu verstehen, mit welchen Mitteln die Zeichner arbeiteten, um die zeitgenössische Leserschaft über die Geschehnisse auf dem „schwarzen Kontinent“ aufzuklären.

2. Bilder als Quelle

Obschon Bilder im historiografischen Diskurs stets eine Rolle spielten, lässt sich das geschichtswissenschaftliche Interesse für das Medium in unterschiedliche Phasen einteilen.7 Bereits im 19. Jahrhundert beschäftigten sich Historiker mit Bildern, um unter anderem den Mangel an Textquellen in ihren Untersuchungsbereichen zu kompensieren.8 Die aufgrund des Zweiten Weltkriegs abgebrochene Forschungskontinuität9 wurde erst in den 1980er Jahren mit Wohlfeils Historischer Bildkunde wieder fortgeführt. Seine, auf ikonologischen Prinzipien basierende, Analysemethode stieß jedoch nicht überall auf Anerkennung.10 In den 1990er Jahren folgte die paradigmatische Wende des „pictorial“, auch „visual“ oder „iconic turn“, deren Vertreter den Hegemonieanspruch der Sprache ablehnten und eine Neubestimmung des Status des Bildes forderten.11 Diese Wende zog eine regelrechte, visuelle Revolution nach sich. Die Historiker erkannten die Bedeutung von Bildern für die Geschichtswissenschaft und wurden dazu angeregt, ihre Erkenntnisinteressen, Themen sowie ihre Arbeits- und Präsentationsformen zu verändern.12 Auch die Bilderflut des späten 19. Jahrhundert und das sich zu diesem Zeitpunkt etablierende Forschungsfeld der „Visual History“ trugen zu diesem Mentalitätswandel bei.13 Das transdisziplinär angelegte Forschungsdesign der „Visual History“ befasst sich mit der Visualität von Geschichte und der Historizität des Visuellen. Dies tut es, indem es Bilder sowohl als Quellen als auch als eigenständige Gegenstände der historiografischen Forschung betrachtet und sich dabei Methoden anderer Disziplinen, wie denen der Kunstgeschichte, der Medien- und der Kommunikationswissenschaft, bedient.14

Die deutsche Geschichtswissenschaft schloss sich der Erforschung der Visualität und Medialität des Historischen vergleichsweise spät an.15 Nichtsdestotrotz liegt im Umgang mit Bildern als Quellen historiografischer Erkenntnis mittlerweile ein Methodenpluralismus vor, der das gesamte Feld der Bilder in Betracht zieht.16

3. Die Karikatur

Die „kritische Graphik“ thematisiert politische Ereignisse, gesellschaftliche Zustände oder kritisiert Menschen und deren Handlungen.17 Sie stellt Objekte und Sachverhalte in veränderter, verfremdeter oder überzeichneter Form dar.18 Die Aufgabe der Karikatur liegt nicht allein in der Vermittlung von Informationen, sie dient auch dazu Sachverhalte, Ereignisse oder Handlungen anzuprangern und den Betrachter somit zum Nachdenken oder gar zum Handeln anzuregen.19 Die Karikaturforschung gilt als interdisziplinärer Forschungsgegenstand, für den mehrere Wissenschaften zuständig sind, da im Umgang mit kritischen Graphiken nicht nur historische, sondern unter anderem auch psychologische, didaktische und politische Komponenten zu berücksichtigen sind.20

In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich das Interesse und Engagement der Geschichtswissenschaft in diesem Bereich verstärkt. Erkennbar ist dies unter anderem an der steigenden Anzahl neuer Publikationen.21

4. Die satirischen Zeitschriften im 19. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert trug das kontinuierliche Wachstum des lese- und schreibkundigen Publikums zu einem dauerhaften Anstieg der Auflagen, der Verkaufszahlen und des Einflusses von Zeitschriften bei. Der Journalismus des 19. Jahrhunderts sprach zugleich das Interesse an Politik, die Sensationslust und das Verlangen nach Neuigkeiten der Leser an. Im Laufe des 19. Jahrhunderts veränderten sich dann die Lesegewohnheiten der Menschen, denn es wurden weniger Bücher und mehr Zeitschriften gelesen.22

Die Presse gewann vor allem in Zeiten von politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen an Bedeutung. Der „Pressefrühling“ war, als Ergebnis der Revolutionsbewegung von 1848, ein Ausdruck des Bewusstseins über die neu errungene Pressefreiheit der Bevölkerung Deutschlands.23 Die Satire entwickelte sich mit dem Fall der Zensur im 19. Jahrhundert zum wirkungsvollsten, revolutionären Ausdrucksmittel. Sie ermöglichte den Publizisten der Zeitschriften, Einfluss auf die öffentliche Meinung auszuüben, indem diese die komplexen Themen der Alltagswelt für Menschen eines jeden Bildungsstands verständlich machten.24

Die politischen Witzblätter entwickelten sich als Ausdrucksmittel für skeptische, kritische und von der Mehrheit abweichende Haltungen zum „publikumswirksamsten Periodikum“ dieser Zeit.25 Bei den 1848 gegründeten satirischen Blättern handelte es sich allerdings nicht um ein neues journalistisches Medium, da es Vorläufer wie die „Münchener Fliegenden Blätter“ oder den „Punsch“ gab.26 Zur Jahrhundertwende hin übte die Presse mehr Einfluss auf die öffentliche Meinung aus als je zuvor, denn die universale Bildung und Urbanisierung hatten ein Massenpublikum geschaffen. Vor allem der Humor galt zu dieser Zeit als Ventil für Protest und als Antriebskraft für sozialen Wandel.27

4.1. Der „Kladderadatsch“ (1848-1944)

Das politisch-satirische Witzblatt „Kladderadatsch“ wurde am 7. Mai 1848 vom Berliner Possendichter David Kalisch und dem Berliner Verlagsbuchhändler Albert Hofmann, in einer Weinstube am Alexanderplatz, gegründet.28 Der so viel wie „Zusammenbruch“ bedeutende, lautmalerische Berliner Ausruf „Kladderadatsch“, stiftete den Titel für das satirische Blatt und fungierte zudem als Anspielung auf die politische Situation in Deutschland und den Zerfall „des alten Systems im spätfeudalen Absolutismus“.29

Die politische Orientierung des Witzblattes war liberal und demokratisch, wobei den Begriffen in der damaligen Umbruchszeit nicht die heutige Bedeutung zukam. Als führender Protagonist der bürgerlichen Revolutionsbewegung engagierte sich der „Kladderadatsch“ unter anderem für den gesellschaftlichen Fortschritt und prangerte jegliche Form von Konservatismus an.30 Das satirische Blatt nutzte verbale Mittel, um sich gegen die Autorität aufzulehnen und bediente sich des Humors und des Spotts, um seine Opposition gegen die politischen Machthaber zu verdeutlichen. Allerdings wurde die Pressefreiheit nach der Deutschen Revolution wieder schrittweise eingeschränkt, was dazu führte, dass radikale Konsequenzen für Normverstöße wie Konfiszierungen oder Gefängnisstrafen, eingeführt wurden.31 Die Evolution des „Kladderadatsch“ fasste das Witzblatt mit der Selbsternennung zum „Spiegelbild der deutschen Geschichte“ zusammen, da das Witzblatt, als zeitbezogenes Presseorgan, die fast hundertjährige Entwicklung Deutschlands und seiner Gesellschaft wiederspiegelte.32

4.2. Der „Simplicissimus“ (1896-1944)

Eine weitere Satirezeitschrift des 19. Jahrhunderts, die „Mittel der Unterhaltung für die politische Aufklärung“ nutzte ist der 1896 in München gegründete „Simplicissimus“.33 Gemeinsam mit dem sozialistischen Witzblatt „Der Wahre Jakob“ hatte der liberale „Simplicissimus“ dem „Kladderadatsch“ den Titel des Monopols über die politische Satire aberkannt.34 Aus der Zusammenarbeit zwischen dem Herausgeber des Blattes Albert Langen und Künstlern wie dem Leipziger Thomas Theodor Heine ging am 1. April 1896 die erste Ausgabe hervor. Der Name des Witzblattes wurde in Anlehnung an die Romanfigur des Christoffel von Grimmelshausen aus dem 17. Jahrhundert ausgewählt.35

Das Witzblatt stand für Unabhängigkeit und Liberalität und zeichnete sich vor allem durch seine systemkritische Haltung und Konfrontationen mit der religiösen Autorität aus. Auch das Militär, Handelsgesellschaften und politische Persönlichkeiten blieben nicht von der humorvollen Kritik des „Simplicissimus“ verschont.36 Wiedererkennungswert erlangte der „Simplicissimus“ vor allem durch seine Karikaturen, deren Aufgabe es war, lächerliche Objekte nicht zu verzerren, sondern zu verdeutlichen. Das Lachen über diese Karikaturen deuteten die Gründer als eine ästhetische Wirkung.37 Der „Simplicissimus“ bezeichnete sich als „Kunst- und Kampfblatt ohne politische Tendenz“, das sich nicht für ein politisches Ziel einsetzte, sondern die negativen Aspekte des Wilhelminischen und des Weimarer Systems zu denunzieren versuchte.38 Während der „Kladderadatsch“ sich mit komplexen und scharfsinnigen Themen an eine Leserschaft richtete, die den intellektuellen Stil des Witzblattes zu schätzen wusste, illustrierte der „Simplicissimus“ den Wandel des Journalismus im ausgehenden 19. Jahrhundert, um ein Massenpublikum in einer dynamischen, städtischen Umgebung anzuziehen. Zudem galt der bayrische Humor des „Simplicissimus“ als vulgärer und weniger subtil als der lakonische Berliner Humor.39

5. Mission und Kolonialismus im 19. Jahrhundert

Im ausgehenden 19. Jahrhundert wendete sich das Deutsche Reich den Praktiken des Kolonialismus zu und wurde 1884 selbst zur „neuzeitlichen Kolonialmacht“, die in kürzester Zeit wichtige Gebiete auf dem afrikanischen Kontinent besetzte.40 Die Christianisierung der Afrikaner hatte schon vor der Kolonialausbreitung begonnen, allerdings intensivierte sich die missionarische Aktivität mit der fortschreitenden europäisch-westlichen Kolonialeroberung.41 Die Zusammenarbeit zwischen christlicher Missionsausbreitung und europäischer Welteroberung resultierte aus der Überzeugung der Missionare, dass Kolonien und Kolonialismus ein von der göttlichen Vorsehung bestimmtes Mittel der Unterstützung für die Verbreitung der Reichsgottesidee darstellten.42 Mit der im 19. Jahrhundert fortsetzenden Erschließung der Welt sahen sich die Missionare in ihrer Annahme bestätigt. Die Eroberung und Aufteilung von Gebieten unter den mächtigsten europäischen Staaten interpretierten sie als verborgene Botschaft Gottes, der zur Bekehrung der gesamten Welt aufrief.43

6. Mission und Kolonialismus im „Kladderadatsch“ und „Simplicissimus“

Als „Mittel der politischen Auseinandersetzung“ erfuhr die Karikatur vor allem während bedeutenden historischen Phasen eine Blütezeit. Unter anderem die „törichten und vergeblichen“ imperialen Unternehmen der deutschen Regierung im 19. und 20. Jahrhundert und der dazugehörende Aspekt der Mission in Afrika und Asien riefen Satiriker und Karikaturisten auf den Plan. Auch die satirischen Zeitschriften „Kladderadatsch“ und „Simplicissimus“ prangerten die Inkompetenz und Brutalität der deutschen Kolonialadministration in Afrika an, allerdings unterschieden sich die beiden Witzblätter hier in Ausführung und Schwerpunktsetzung.44

7. Quellenanalyse

7.1. Karikatur 1 „Mission in Afrika“ („Kladderadatsch“)

Bei der ersten ausgewählten Karikatur45 handelt es sich um eine dreiteilige Zeichnung, die den Titel „Mission in Afrika“ trägt. Beim Bildautor handelt es sich um den deutschen Karikaturisten, Illustrator und Zeichner Franz Jüttner (1865-1926), der Mitarbeiter des „Kladderadatsch“ und der „Lustigen Blätter“ war.46 Das exakte Entstehungsdatum der Karikatur ist nicht bekannt. Veröffentlicht wurde die vorliegende Karikatur allerdings am 17. Februar 1889 im Heft Nummer 7/8 des 42. Jahrgangs des „Kladderadatsch“. Beim Ort der Veröffentlichung handelt es sich um den Standort der Redaktion des politischen Witzblatts, die preußische Hauptstadt Berlin.47

Die „Mission in Afrika“-Karikatur stellt eine Streitsituation zwischen zwei Personen dar, in deren Mittelpunkt sich ein dritter Protagonist befindet. Sie ist in drei, situativ zusammenhängende Bildabschnitte eingeteilt, die die jeweilige Entwicklung der Lage veranschaulichen. Das Betrachten der Karikatur muss, um die vom Karikaturisten beabsichtigte Chronologie zu berücksichtigen, von oben nach unten verlaufen. In der ersten Szene werden drei Persönlichkeiten dargestellt, deren Beziehung zueinander auf den ersten Blick schwer zu deuten ist. Die erste Figur ist ein Mann mit schwarzer Kopfbedeckung und knöchellanger Robe. Mit erhobenem Zeigefinger und nach oben gerichteten Blick steht die Figur einer zweiten Person gegenüber, deren Hand der Mann mit seiner rechten festhält. Bei der zweiten Persönlichkeit handelt es sich um einen dunkelhäutigen, leicht bekleideten Mann. Seine linke Hand wird von der dritten Figur ergriffen, bei der es sich um einen rundlichen Mann handelt, der ein knöchellanges, schwarzes Gewand und eine gleichfarbige Kopfbedeckung trägt. Über dem Gewand trägt er ein weißes Obergewand aus Spitze und ein schalartiges Gewandstück über beiden Schultern, das fast bis zu den Knien reicht und mit einem Kreuz versehen ist. Im zweiten Teil der Zeichnung ist ein Atmosphärenwechsel festzustellen. Die Protagonisten scheinen aufgebracht, was der Karikaturist mithilfe verärgerter Gesichtszüge und hochgeworfener Hände veranschaulicht. Außerdem scheinen die Männer zu versuchen, die dunkelhäutige Person in gegensätzliche Richtungen zu reißen. Diese scheint erregt, denn ihre Körperhaltung wirkt nicht mehr so gelassen, wie in der ersten Szene. Die Füße des Mannes scheinen nicht mehr den Boden zu berühren und es wirkt so, als ob er in Bewegung sei oder gar aufspringen würde. In der letzten Szene ist die dunkelhäutige Person flüchtend dargestellt. Die streitenden Männer scheinen das Verschwinden der Person, die von großer Wichtigkeit für die beiden Protagonisten zu sein scheint, nicht zu bemerken. Ihre Aufmerksamkeit und ihre Wut gelten ihrem Gegenüber, während die dritte Figur im Hintergrund davonläuft. Die Zeichnung liefert keine Indizien über den Ort des Geschehens, da die drei handelnden Individuen vor einem weißen Hintergrund agieren. Allein eine Palme im dritten Teil der Karikatur deutet auf eine tropische Szenerie hin.

Bei den Gestaltungsmitteln der Karikatur hat der Zeichner auf eine beliebte Satiretechnik zurückgegriffen, nämlich die Charakterisierung gesellschaftlicher Gruppen durch geschickt ausgewählte Attribute und Allegorien. Durch die häufige Verwendung haben sich für diese Gruppen unterschiedliche Typen eingebürgert, von denen auch der Karikaturist dieser Zeichnung Gebrauch gemacht hat. Durch den Rückgriff auf für eine Gesellschaftsgruppe typische Kleidungnormen sowie Stereotype sind die Protagonisten für den Betrachter leicht identifizierbar, insofern er über die nötigen Kenntnisse verfügt. Die verwendete Perspektive ist die eines außenstehenden Beobachters. Auffallend ist ebenfalls, dass die Größenverhältnisse nicht mit der Realität übereinstimmen. Die Persönlichkeiten sind in überzeichneter Weise dargestellt, um eine komische Wirkung beim Betrachter auszulösen.48

Das Ende des 19. Jahrhundert, in dem die Karikatur publiziert wurde, stand für den imperialistisch geprägten „Wettlauf“ um Afrika und den Beginn der planmäßigen Mission im subsaharischen Afrika.49 In den 1880er Jahren, in denen die Karikatur entstand, wurde das Deutsche Reich zur Kolonialmacht und erwarb unter anderem die afrikanischen „Schutzgebiete“ Deutsch-Südwestafrika, Togo, Kamerun und Deutsch-Ostafrika. Zeitgleich fand der deutsche Expansionismus Unterstützung durch die christliche Mission, die in der Zusammenarbeit mit dem Kolonialregiment eine Gelegenheit für die Verbreitung des Evangeliums in Afrika sah.50 Im ausgehenden 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfuhr die katholische Mission somit, im Rahmen europäischer Kolonialherrschaft, eine neue Blütezeit.51 Allerdings waren die katholischen Missionare nicht die einzigen Verbreiter des christlichen Glaubens in Afrika, da auch die protestantischen Missionsgesellschaften im 19. Jahrhundert die Wichtigkeit der Verkündigung des Evangeliums erkannt hatten und ihren Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent auszubreiten begannen. Die Mission der Neuzeit war nicht von Beginn an von konfessioneller Vielfalt geprägt, da die protestantischen Kirchen sich mit zeitlicher Verzögerung an der Ausbreitung des Christentums außerhalb Europas beteiligten.52 Das Erstarken der protestantischen Mission im 19. Jahrhundert führte dann, aufgrund zeitlicher und geographischer Parallelaktionen, zu Konflikten zwischen katholischer und protestantischer Mission in Afrika, die der Karikaturist in der vorliegenden Zeichnung zu verdeutlichen versucht.53

Auch in den deutschen „Schutzgebieten“ führten die konfessionellen Parallelaktionen oftmals zu Konkurrenzsituationen und Konflikten unterhalb der Missionsgesellschaften. In Deutsch-Südwestafrika, zum Beispiel, verweilte die protestantische Rheinische Missionsgesellschaft bis zum Herero-Nama-Aufstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einer Monopolstellung.54 Nach dem Aufstand änderte sich die Situation allerdings, da die katholische Konkurrenz auf die Erlaubnis für einen Vorstoß ins Ovamboland hoffte, jedoch wurde die Anfrage der Hünfelder Oblaten abgelehnt.55 Es gelang der katholischen Mission dennoch, die Missionsfreiheit in Südwestafrika zu erlangen, denn im Jahre 1905 erhielt die katholischen Mission die Erlaubnis, unter denselben Bedingungen wie die Rheinische Missionsgesellschaft, die Missionierung im deutschen Schutzgebiet umzusetzen.56

Die Typen, die in der Karikatur dargestellt werden, lassen sich anhand der vom Karikaturisten gewählten, äußerlichen Merkmale identifizieren. Das schwarze Gewand der ersten Figur erinnert vor allem aufgrund des weißen Beffchens, einem Kragenstück, das am Halsausschnitt befestigt ist, an einen Talar, die Amtstracht der evangelischen Geistlichen.57 Dies deutet darauf hin, dass es sich bei der Persönlichkeit um einen protestantischen Missionar handelt. Der dunkelhäutige Mann weist die stereotypischen Attribute eines Afrikaners auf. Die Tatsache, dass er nur einer Unterhose bekleidet dargestellt wurde, geht auf die kolonialzeitliche, stereotypische Auffassung zurück, nach der Afrikaner oftmals als unzivilisierte „Wilde“ dargestellt wurden, die zunächst zu „Menschen“ gemacht werden mussten.58 Die Kleidung des dritten Protagonisten erinnert an die prunkvollen liturgischen Gewänder, wie sie von katholischen Geistlichen getragen werden.

Der Kommentar unterhalb der Zeichnung lautet „Von Levetzow rät, die Neger in Einvernehmen mit der katholischen Kirche dem Christentum zu gewinnen. Ja, wenn der Konkurrenzneid nicht wäre!?“. Zum Zeitpunkt der Publikation der Karikatur war Albert Erdmann Carl Gerhard von Levetzow konservatives Mitglied des Reichtags und Reichstagspräsident.59 Der Kommentar deutet auf die, in der Karikatur abgebildeten, Konkurrenzsituation zwischen protestantischer und katholischer Mission auf dem afrikanischen Kontinent im 19. Jahrhundert hin.

[...]


1 Christoph Hamann: Visual history und Geschichtsdidaktik. Bildkompetenz in der historisch-politischen Bildung, Herbolzheim 2007. (= Reihe Geschichtswissenschaft, Bd. 53), S. 17.

2 Christine Brocks : Bildquellen der Neuzeit, in: Ziemann, Benhamin (Hrsg.): Historische Quellen interpretieren, Paderborn 2012, S. 46-47.

3 Ebd. S. 46.

4 Horst Gründer: Welteroberung und Christentum. Ein Handbuch zur Geschichte der Neuzeit, Gütersloh 1992, S.519

5 Ebd. S. 519.

6 Ebd. S. 520

7 Jens Jäger/ Martin Knauer (Hrsg.): Bilder als historische Quellen? Dimension der Debatten um historische Bildforschung, München 2009, S. 8.

8 Brocks: Bildquellen der Neuzeit, S. 9.

9 Brigitte Tolkemitt/ Rainer Wohlfail (Hrsg.): Historische Bildkunde. Probleme – Wege – Beispiele, in: Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 12, Berlin 1991, S. 7.

10 Gerhard Paul (Hrsg.): Visual History. Ein Studienbuch, Göttingen 2006, S. 10-11.

11 Brocks: Bildquellen der Neuzeit, S. 12. & Martina Heßler: Bilder zwischen Kunst und Wissenschaft. Neue Herausforderungen für die Forschung, in: Geschichte und Gesellschaft 31 (2005), H. 2., S. 270.

12 Paul: Visual History, S. 10.

13 Brocks: Bildquellen der Neuzeit, S. 12.

14 Paul: Visual History, S. 10.

15 Ebd. S. 7.

16 Jäger/ Knauer: Bilder als historische Quellen?, S. 128.

17 Ulrich Schnakenberg: Die Karikatur im Geschichtsunterricht, Schwalbach 2012, S. 12.

18 Michael Sauer: Bilder im Geschichtsunterricht, Seelze-Velber 32007, S. 100.

19 Schnakenberg: Die Karikatur im Geschichtsunterricht, S. 12.

20 Ebd. S. 20. & Franz Schneider: Die politische Karikatur, München 1988, S. 9.

21 Priska Jones: Europa in der Karikatur. Deutsche und britische Darstellungen im 20. Jahrhundert, in: Baberowski, Jörg et al. (Hrsg.): Eigene und fremde Welten. Repräsentationen sozialer Ordnung im Vergleich, Bd. 15, Frankfurt [u.a.] 2009, S. 36.

22 Ann Taylor Allen: Satire and society in Wilhelmine Germany, Kladderadatsch & Simplicissimus 1890-1914, Kentucky 1984, S. 2f.

23 Ingrid Heinrich-Jost (Hrsg.): Kladderadatsch. Die Geschichte eines Berliner Witzblattes von 1848 bis ins Dritte Reich, Köln 1982, S. 8.

24 Allen: Satire and society, S. 3.

25 Heinrich-Jost: Kladderadatsch S. 9.

26 Ebd. S. 10.

27 Allen: Satire and society, S. 1.

28 Allen: Satire and society, S. 2. & Heinrich-Jost: Kladderadatsch, S. 16.

29 Heinrich-Jost: Kladderadatsch, S. 16.

30 Ebd. S. 21 & Allen: Satire and society, S. 17.

31 Heinrich-Jost: Kladderadatsch, S. 85.

32 Ebd. S. 44.

33 Ebd. S. 10.

34 Allen: Satire and society, S. 32.

35 Hermann Heinzelmann (Hrsg.): Simplicissimus 1896-1944. Original-Grafiken und Drucke aus den Jahren 1896-1933. Mit einem Essay von Fritz Arnold Reutlingen 1996, S. 6-7.

36 Ebd. S. 41.

37 Ebd. S. 8.

38 Ebd. S. 26.

39 Allen: Satire and society, S. 35-37.

40 Horst Gründer: „Neger, Kanaken und Chinesen zu nützlichen Menschen erziehen“ – Ideologie und Praxis des deutschen Kolonialismus, in: Post, Franz-Josef/ Küster, Thomas et al. (Hrsg.): Christliche Heilsbotschaft und weltliche Macht. Studien zum Verhältnis von Mission und Kolonialismus. Gesammelte Aufsätze von Horst Gründer, Europa-Übersee. Historische Studien Bd. 14, Münster 2004, S. 227.

41 Gründer: Welteroberung und Christentum, S. 519.

42 Gründer: Welteroberung und Christentum. S. 316f.

43 Ebd. S. 317.

44 Allen: Satire and society, S. 125.

45 Abb. 1 (Anhang)

46 Kurt Flemig: Karikaturisten-Lexikon, München [u.a.] 1993, S. 138.

47 Heinrich-Jost: Kladderadatsch, S. 16f.

48 Schnakenberg: Die Karikatur im Geschichtsunterricht, S. 60.

49 Michael Sievernich: Katholische Mission, in: Europäische Geschichte Online (2011), URL: http://ieg-ego.eu/de/threads/europa-und-die-welt/mission/michael-sievernich-katholische-mission/?searchterm=sievernich&set_language=de#Afrika (27.03.2019).

50 Gründer: Ideologie und Praxis des deutschen Kolonialismus, S. 227, 229.

51 Sievernich: Katholische Mission.

52 Andreas Feldtkeller: Protestantische Mission, in: Europäische Geschichte Online (2013), URL: http://ieg-ego.eu/de/threads/europa-und-die-welt/mission/protestantische-mission/andreas-feldtkeller-protestantische-mission/?searchterm=feldtkeller&set_language=de&set_language=de&set_language=de (27.03.2019).

53 Sievernich: Katholische Mission.

54 Horst Gründer: Christliche Mission und deutscher Imperialismus. Eine politische Geschichte ihrer Beziehungen während der deutschen Kolonialzeit (1884-1914) unter besonderer Berücksichtigung Afrikas uns Chinas, in: Kluxen, Kurt (Hrsg.): Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart, Paderborn 1982, S. 115.

55 Ebd. S. 131.

56 Gründer: Christliche Mission und deutscher Imperialismus. S. 133.

57 Gerhard Krause/ Gerhard Müller: Theologische Realenzyklopädie, Berlin 1984, Band 13, S. 165.

58 Gründer: Christliche Mission und deutscher Imperialismus, S. 333.

59 http://www.payer.de/religionskritik/karikaturen133.htm (Kladderadatsch; 30.03.2019)

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Die bildliche Darstellung der Afrikamission in den Karikaturen des "Kladderadatsch" und "Simplicissimus"
Hochschule
Universität Trier
Veranstaltung
Mission und Kolonialismus im 19. und 20. Jahrhundert
Note
1.7
Autor
Jahr
2019
Seiten
27
Katalognummer
V900343
ISBN (eBook)
9783346185259
ISBN (Buch)
9783346185266
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mission, Missionar, Missionarsarbeit, Karikatur, Karikaturen, Afrikamission, Quellenanalyse, pictorial turn, visual turn, visual history, Kladderadatsch, Simplicissimus, Satire, Kolonialimus, Christianisierung
Arbeit zitieren
Lisa Krack (Autor:in), 2019, Die bildliche Darstellung der Afrikamission in den Karikaturen des "Kladderadatsch" und "Simplicissimus", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/900343

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