Der Quintenzirkel und seine Farb-Klang-Assoziationen. Malinowskis Music Animation Machine und Skrjabins Lichtorgel


Seminararbeit, 2017

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretische Basis der Farb-Klang-Assoziationen
2.1 Farbenlehre nach Goethe und Itten
2.2 Synästhesie
2.2.1 Synästhesie aus phänomenologischer Perspektive
2.2.2 Synästhesie aus wahrnehmungspsychologischer Perspektive

3. Visualisierungstools mit Farb-Ton-Assoziationen auf Basis des Quintenzirkels
3.1 Der Quintenzirkel
3.2 Die Lichtorgel von Skrjabin
3.3 Die Music Animation Machine von Malinowski
3.4 Vergleich der Visualisierungstools hinsichtlich theoretischer Ausgangsüberlegungen

4. Zusammenfassung und Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Modell der Verknüpfungsebenen von Haverkamp (eigene Darstellung nach Haverkamp 2006, S. 35)

Abbildung 2: Darstellung des Quintenzirkels mit Dur- und parallelen Molltonarten (Pilhofer/Day/Fehn 2012, S. 100)

Abbildung 3: Farb-Klang-Assoziationen der MAM anhand des Quintenzirkels (Malinowski 2017a)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Farbzuweisungen Skrjabins nach Sabanejew (1976) (vgl. Freyler 2000, S. 138)

1. Einleitung

Wenn man in grelles Licht blickt, wird oft ein Kitzeln in der Nase verspürt. Mit dieser Überlegung zum medizinischen Diskurs im ausgehenden 19. Jahrhundert prägte Vulpian den Begriff „Synästhesie“ (vgl. Koch 2010, S. 7). Heute wird er für alltägliche Phänomene verwendet, bei denen intermodale Sinnerfahrungen auftreten. Zu den häufigsten Arten der Synästhesie zählen vor allem Musik-Farbe-Synästhesien, bei denen die Erfahrungen auf unterschiedlichen Reizen beruhen können (vgl. Day 2006, S. 19). Notennamen, gehörte Tonhöhen oder -arten, ganze Klangfarben oder auch akkordische Strukturen und Musikstile können zu intermodalen Sinnerfahrungen führen. Das „Farbenhören“ ist dabei die seit 1980 in der Literatur am häufigsten berichtete und untersuchte Form, bei der die entsprechenden Personen zwangsmäßig Farben beim Hören von Tönen und Geräuschen mitempfinden (vgl. Haverkamp 2004, S. 112; 2006, S. 40). Diverse Versuche musikalischer Künstler wie Alexander Skrjabin, Alexander László oder Olivier Messiaen, dem Publikum Farbassoziationen beim Musikhören näherzubringen (vgl. Sidler/Jewanski 2006, S. 9), entwickelte sich zu einem eigenen Forschungsfeld der Farbe-Ton-Synästhesie, sodass 1917, 1927 und 1930 eigene Kongresse hierzu stattfanden (vgl. Hörmann 1982, S. 32).

Das Ziel dieser Arbeit ist die Untersuchung von Farb-Klang-Assoziationen anhand von zwei Visualisierungsansätzen, die beide die Methode verwenden, den Tonarten im Quintenzirkel Farben zuzuweisen. Diese Visualisierungstechniken werden dahingehend untersucht, wie Farbassoziationen dort Anwendung finden und eingesetzt werden und ob es diesbezüglich Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt. Die theoretische Basis für diese Analyse bildet das Phänomen der Synästhesie aus einer phänomenologischen als auch aus einer (wahrnehmungs-)psychologischen Perspektive. Für das Phänomen des „Farbenhörens“ bildet Goethes und darauf aufbauend auch Ittens Farbenlehre den Ausgangspunkt dieser Arbeit. Anschließend wird die phänomenologische Perspektive der Synästhesie erklärt und im Zuge der wahrnehmungspsychologischen Perspektive werden schließlich die Begriffe „Synästhesie“ und „intermodale Analogie“ abgegrenzt und Gesetzmäßigkeiten dargelegt. Die Visualisierungsansätze der Music Animation Machine (MAM) von Malinowski und des Synästhetikers Skrjabin (Farbenklavier, Lichtorgel) werden im darauffolgenden Teil untersucht, indem zunächst der Aufbau des Quintenzirkels als Grundlage beider Ansätze erklärt wird. Anschließend werden die Visualisierungsformen hinsichtlich ihrer Farbzuweisungen beschrieben und schließlich hinsichtlich synästhetischer und der Farbenlehre entsprechender Assoziationen auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Farbassoziationen verglichen.

2. Theoretische Basis der Farb-Klang-Assoziationen

2.1 Farbenlehre nach Goethe und Itten

Im Gegensatz zur Farbwahrnehmung als das Sehen von Farbtönen, deren Helligkeit, Intensität und Sättigung durch das Sinnesorgan Auge ist die Farbempfindung die psychologische Verarbeitung der Sinnesreize. Goethe hat hierzu mit seinem Werk „Zur Farbenlehre“ einen entscheidenden Beitrag zur Psychologie des Sehens gegeben (vgl. Steincke 2007, S. 89–92).

„Da die Farbe in der Reihe der uranfänglichen Naturerscheinungen einen so hohen Platz behauptet, indem sie den ihr angewiesenen einfachen Kreis mit entschiedener Mannigfaltigkeit ausfüllt, so werden wir uns nicht wundern, wenn wir erfahren, daß sie auf den Sinn des Auges, dem sie vorzüglich zugeeignet ist, und durch dessen Vermittelung auf das Gemüt in ihren allgemeinsten elementaren Erscheinungen, ohne Bezug auf Beschaffenheit oder Form eines Materials, an dessen Oberfläche wir sie gewahr werden, einzeln eine spezifische, in Zusammenstellung eine teils harmonische, teils charakteristische, oft auch unharmonische, immer aber eine entschiedene und bedeutende Wirkung hervorbringe, die sich unmittelbar an das Sittliche anschließt.“ (Goethe 2014 1810, S. 152)

Farben sind für Goethe sinnliche Wesen, die eine eigene charakteristische Atmosphäre erzeugen, was direkt mit unserem Empfinden zusammenhängt (vgl. Steincke 2007, S. 92–97). Er spricht von einer „sinnlich-sittlichen“ Wirkung von Farben auf unsere Psyche, die jedoch kontextabhängig und teilweise gesellschaftlich erlernt ist. Goethe (2014 1810, S. 153–157) ordnet die Farben in einem kontinuierlichen Kreis an, bei dem das Gelb als Pol des Sauren die Assoziation Licht hervorruft, die zu einem warmen Gefühl führt und eine heitere und edle Wirkung hat (Anhang I). Zu dieser Seite zählt auch das Orange als mächtige Farbe, die für ihn eine harmonische, fröhliche Stimmung erzeugt. Rot bildet für Goethe eine Sonderstellung, da sie alle Farben enthält und er sie mit Wärme, Energie und Freude assoziiert. Der Gegenpol, das Alkalische, bildet das Blau, welches er mit Kälte, Leere, Traurigkeit und Dunkelheit verbindet, da diese Farbe vom Schwarz abgeleitet wird. Hierzu zählt er auch Violett als Farbe der Unruhe, die etwas Lebhaftes, jedoch ohne Fröhlichkeit, mit sich zieht. Grün nimmt für Goethe eine Sonderstellung ein, da diese Farbe für ihn die natürlichste ist und demnach für Ruhe, Ausgeglichenheit und Harmonie steht, der man nicht entfliehen möchte.

Itten (1962, S. 23) knüpft in seiner Arbeit zur „Kunst der Farbe“ an Goethe an und hat einen Farbkreis mit zwölf Farben entwickelt, der sich aus drei Grundfarben zusammensetzt und zur Erzeugung von harmonischen Drei- und Vierklängen eingesetzt werden kann.

Die Grundfarben Rot, Gelb und Blau sind Farben erster Ordnung, die in einem gleichschenkligen Dreieck angeordnet sind (Anhang II). Die Farben zweiter Ordnung ergeben sich hiernach aus der Mischung zweier Grundfarben zu gleichen Teilen und Farben dritter Ordnung werden aus einer Farbe zweiter Ordnung und einer Grundfarbe zusammengemischt (vgl. Itten 1962, S. 34). Hierdurch sind alle Farben in gleichen Teilen zusammengemischt. Die Grundfarben definiert Itten als ein Rot, das weder bläulich noch gelblich ist, ein Gelb, das weder grünlich noch rötlich ist und ein Blau, das weder rötlich noch gelblich ist, wobei die Summe aller Grundfarben Schwarz ergibt. Anhand der Stellung einer Farbe im Farbkreis, schreibt Itten dieser einen Charakter zu (vgl. Itten 1962, S. 17–21). Komplementäre Farbe, also Farben, die sich im Farbkreis gegenüberliegen und zusammen ein Grau ergeben, wirken beispielsweise sehr harmonisch, aufgrund dessen, dass das Auge natürlicherweise immer eine Gegenfarbe fordert.

2.2 Synästhesie

2.2.1 Synästhesie aus phänomenologischer Perspektive

Begreift man das Phänomen der Synästhesie aus einer phänomenologischen Perspektive, wird es als Ästhetik bzw. als allgemeine Wahrnehmungslehre verstanden (vgl. Böhme 2013, S. 23–24). Synästhesien werden als Charaktere von Atmosphären deduktiv, also vom ganzheitlichen Eindruck aus, ermittelt. Übertragen auf die Musik ist eine Synästhesie aus phänomenologischer Sichtweise beispielsweise ein erster positiver, warmer oder aber auch ein düsterer, dunkler atmosphärischer Klangeindruck. Auch Goethes Auffassung der sinnlich-sittlichen Wirkung von Farben geht von einem solchen Gesamteindruck aus, wenn er sagt, man könne die Wirkung einer Farbe erst dann begreifen, wenn „Auge und Geist mit sich unisono“ sind (vgl. Goethe 2014 1810, S. 153). Dies wäre beispielsweise in einem einfarbigen Zimmer der Fall, oder wenn man durch ein farbiges Glas sieht. Böhme (2013, S. 25) unterscheidet hierbei fünf Gruppen von atmosphärischen Charakteren als quasi-objektive Stimmungen: gesellschaftliche Charaktere (z.B. Zwanziger Jahre), Stimmungen im engeren Sinn vergleichbar mit szenischen Charakteren (z.B. heiter, ernst, heroisch), kommunikative Charaktere (z.B. gespannte, ruhig, feindlich), Bewegungsanmutungen (z.B. drückend, erhebend, weit, bewegend) und Synästhesien (z.B. Wärme, Helligkeit, Kälte). Synästhesien als eine Gruppe dieser atmosphärischen Charaktere werden häufig nach ihren Bedeutungen für die Sinnesqualitäten bezeichnet.

Die Selbstständigkeit der Atmosphärenwahrnehmung ist nach Böhme (2013, S. 26) durch zwei Tatsachen gesichert. Zum einen werden zwar gewisse Ausdrücke heute einem bestimmten Sinn zugeordnet, diese entspringen diesem aber nicht zwangsläufig, wobei er sich auf Friedrich Kluge und das Wort „süß“ bezieht. Zum anderen bezieht sich Böhme auf Heinz Werner, der den Begriff der „intersensoriellen Eigenschaften“ geprägt hat. Werner (1966, S. 299) beschreibt Helligkeit, Intensität, Rauigkeit oder Dichte als Eigenschaften heteromodaler Charaktere, mit denen alle Sinneseindrücke beschrieben werden können, sodass sowohl ein Ton als auch eine Farbe hell oder rau wahrgenommen werden kann.

Das Phänomen des Farbenhörens kann demnach nicht durch einen sprachlichen Zugang sondern über Empfindungen und Vorstellungen begriffen werden (vgl. Böhme 2013, S. 27). Damit greift Werner den Gedanken Aristoteles der Gemeinsamkeit der fünf Sinne auf. Eine kalte Stimmung durch die Farbe Blau oder eine helle Stimmung durch die Farbe Gelb wird nach Goethe (2014 1810) daher nicht einer einzigen Sinneswahrnehmung zugeschrieben, sondern durch einen synästhetischen Charakter erzeugt (vgl. Böhme 2013, S. 33). Die Erzeugung von synästhetischen Eindrücken ist dadurch substituierbar und ein und derselbe Eindruck kann durch unterschiedliche Sinneseindrücke empfunden werden.

2.2.2 Synästhesie aus wahrnehmungspsychologischer Perspektive

Aus einer wahrnehmungspsychologischen Perspektive werden Synästhesien als Doppelempfindungen verstanden, bei denen Personen zwei (oder mehr) Sinneseindrücke erleben, obwohl lediglich für eine Sinnesmodalität ein Reiz vorliegt (vgl. Behne 2003, S. 97, 2008, S. 223). Behne fasst mit seiner Auffassung den Gedanken von Bleuler und Lehmann (1881) auf, die betonen, dass Synästhesien „zwangsmäßige Lichtempfindungen durch Schall und verwandte Erscheinungen“ sind. Zwar können grundsätzlich alle Sinnesmodalitäten miteinander verbunden werden, jedoch überwiegen audiovisuelle Kombinationen, wie beispielsweise das Farbenhören, bei dem der Ausgangspunkt ein akustisch wahrgenommener Reiz ist, der dazu führt, dass zusätzlich eine Farbe gesehen wird oder das Tönesehen, bei dem auf Basis eines visuellen Reizes zusätzlich ein Ton wahrgenommen wird. Bleuler und Lehmann (1881) prägten hierbei die Begriffe „Phonisma“ und „Photisma“.

Dadurch, dass es viele verschiedene Erscheinungsformen von Synästhesien gibt, ist es schwierig, eine einheitliche Klassifizierung zu finden (vgl. Behne 2008, S. 223). Seit der Arbeit von Cytowic (1989) ist jedoch eine Unterscheidung zwischen Synästhesie sensu Cytowic und intermodaler Analogie aufgekommen, die sich bis heute hält. Nach Cytowics Merkmalskatalog spricht man von Synästhesie, wenn folgende sieben Bedingungen der Wahrnehmungserlebnisse erfüllt sind (vgl. Behne 2008, S. 225): 1) ausgelöst, 2) unwillkürlich, 3) räumlich, 4) einprägsam, 5) emotional, 6) beständig und 7) diskret. Solche Phänomene sind sehr selten und neurologisch ungewöhnlich (vgl. Behne 2003, S. 97). Eine intermodale Analogie unterscheidet sich hierbei insbesondere dahingehend, dass diese nicht durch einen Reiz, sondern durch eine Frage ausgelöst wird, wie zum Beispiel „Welche Farbe assoziieren Sie mit diesem Ton?“.

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Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Der Quintenzirkel und seine Farb-Klang-Assoziationen. Malinowskis Music Animation Machine und Skrjabins Lichtorgel
Hochschule
Universität Siegen
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
25
Katalognummer
V899729
ISBN (eBook)
9783346213297
ISBN (Buch)
9783346213303
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Musik, Synästhesie, Farbenlehre, Music Animation Machine, Lichtorgel, Malinowski, Skrjabin
Arbeit zitieren
Janina Reising (Autor:in), 2017, Der Quintenzirkel und seine Farb-Klang-Assoziationen. Malinowskis Music Animation Machine und Skrjabins Lichtorgel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/899729

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