Wenn aus dem X ein U wird - Bildfälschungen in der visuellen Politikvermittlung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Abbildungsverzeichnis

2. Einleitung

3. Warum überhaupt fälschen? Und wie?
3.1 Materialfälschung
3.1.1 Die „analoge“ Methode – Trotzki wird zur Treppe
3.1.2 Die digitale Methode – Der verschwundene Demonstrant
3.2 Kontextfälschung: Jürgen Trittin und die Chaoten
3.3 Interpretationsfälschung: „Grabsch-Gate“

4. Fazit

5. Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Der böse Bert

Abbildung 2: Bert an der Seite Bin Ladens auf einem Transparent während einer Demonstration in Dhaka

Abbildung 3: Lenins Rede zu Rotarmisten

Abbildung 4: Bill Clinton, Helmut Kohl, Bernhard Vogel

Abbildung 5: Jürgen Trittin und „vermummte Chaoten“

Abbildung 6: Das unbeschnittene, schärfere Originalfoto Trittins

Abbildung 7: Bushs „Attacke“ auf Merkel

Abbildung 8: Touch Points

2. Einleitung

Bert ist böse. Mit zusammengezogenen Augenbrauen und finsterer Miene spielt Ernies ananasköpfiger Mitbewohner aus der Sesamstraße bei „so ziemlich jeder Schandtat in der neueren menschlichen Geschichte“[1] eine nicht unwesentliche Rolle: Bert ist Mitglied des Ku-Klux-Klans, pflegt Beziehungen zu Adolf Hitler[2], Osama Bin Laden, sowie der Terrororganisation Al-Quaida[3] und stand in der jubelnden Menschenmenge[4], als John F. Kennedy am 22. November 1963 im Rahmen einer Wahlkampfreise durch die Innenstadt der texanischen Stadt Dallas gefahren wurde und kurz darauf mehreren Gewehrschüssen zum Opfer fallen sollte.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Aber Bert lebt nicht. Die Figur des biederen, kronkorkensammelnden Taubenliebhabers ist fiktiv. Ihre Verkörperung besteht aus Filz, bzw. filzähnlichem Material, sowie Klebstoff und ist ohne eine lenkende Hand[5] gar nicht erst in der Lage, Unheil anzurichten, geschweige denn, sich an Verschwörungen zu beteiligen.

Geistiger Vater des „bösen“ Berts – das „gute“ Original stammt aus der Puppenschmiede Jim Hensons – ist der US-Amerikanische Computergrafiker Dino Ignacio, jahrelanger Betreiber der Website „Bert is evil“[6], welche 1998 einen Webby-Award, eine jährlich verliehene Auszeichnung der weltweit besten Websites, in der Kategorie „weird“ („verrückt“) gewann.[7] Etwa eine Woche nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 erreichte Ignacio ein Bild, welches Bert und Osama Bin Laden zeigte (siehe Abb. 1), aus Gründen der Pietät jedoch nie seinen Weg auf Ignacios vielfach gespiegelte Website fand.[8]

Im darauf folgenden Monat gingen de Berichte einer gewalttätigen antiamerikanischen Demonstration in Bangladesh um die Welt. Islamistische Demonstranten trugen Transparente mit dem Porträt Bin Ladens durch die Straßen der Hauptstadt Dhaka. Auf einem der Transparente, über der linken Schulter des mittig angeordneten, großen Bin Laden-Porträts – besagtes Transparent war eine Collage verschiedener Fotos des Al Quaida-Führers – war ein kleiner, gelber Puppenkopf zu sehen: Bert.[9]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

"I am honestly freaked out!"[10], er sei ehrlich ausgeflippt, war das Statement Ignacios, welcher „Bert is evil“ kurze Zeit später mit der Nachricht „ I am doing this because I feel this has gotten too close to reality (...)"[11] – er tue dies, weil ihm die Seite zu nahe an die Realität herangekommen sei – vom Netz nahm.[12]

Auch wenn bei „Bert is evil“ zweifelsohne der Spaß an der „Verballhornung“ einer Figur aus dem Kinderfernsehen im Vordergrund stand, wirft dieses zugegebenermaßen recht skurrile Beispiel aus der Netzkultur Fragen nach den Beweggründen für (professionelle) Bildfälschungen auf, sind diese in den Massenmedien doch allgegenwärtig. „Bilder lügen immer“[13] kann die Kernaussage dieser Arbeit lauten: Angefangen von der Plakatwerbung an der Bushaltestelle, auf der eine attraktive junge Dame – die ihren makellosen Teint, sowie ihre leberfleckfreie Haut mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einer Bildbearbeitungssoftware zu verdanken hat – ein beliebiges Produkt präsentiert bis hin zur den Schwerpunkt dieser Arbeit bildenden politisch motivierten Bildlüge ist der Rezipient in Zeiten hunderter Fernsehsender, tausender verschiedener Printerzeugnisse, sowie der Datenflut sonstiger elektronischer Kommunikations- und Unterhaltungsmedien täglich einer wahren Bilderflut ausgeliefert, von denen ein sehr großer Teil – wenn nicht gar alle – manipuliert sind, sei es aus ästhetischen Gründen, sei es aus Gründen der Politik. Denn „Bilder lenken die Aufmerksamkeit. Sie lösen Interesse aus und motivieren, ziehen den Betrachter an oder stoßen ihn ab.“ [14]

Da mit dem Wort „Bild“ jedoch eine begriffliche Unschärfe einhergeht, dieses gar für gänzlich unterschiedliche Erscheinungen wie etwa Kunstwerke, Familienfotos, Piktogramme, Traumbilder, Musik (Klangbilder), etc. Verwendung findet[15], ist eine begriffliche Differenzierung erforderlich. Für die hier dargebrachten Beispiele bietet es sich an, zwei Begriffe des Kunsthistorikers Ernst H. Gombrich aufzugreifen: So schrieb dieser von den „man-made-images“ [16], den von Menschen gemachten Bildern (wie etwa Zeichnungen, Gemälden, etc.), sowie von den „machine-made-images“[17], den von Maschinen gemachten Bildern, zu denen beispielsweise Fotos, sowie Videomaterial zu zählen sind, auf die die im folgenden Kapitel beschriebenen Beispiele fußen. Da Bildfälschungen oft nicht sofort – und wenn, dann häufig nur vom geschulten Auge – erkennbar sind, wird das Original stets mit der Fälschung verglichen.

3. Warum überhaupt fälschen? Und wie?

Bilder genießen im Gegensatz zum Text Priorität bei der Selektion von Reizen. Gleichzeitig sind sie dienlich, „die Aussage des Textes eindeutig zu machen.“ [18] Zudem können „gedanklich verkürzte Zusammenhänge durch die Kombination Bild-Text vermittelt werden.“[19] Basierend auf der Tatsache, daß diese Form der visuellen Kommunikation keiner rationalen, sondern einer stark assoziativen Logik folgt[20], die Aufmerksamkeit des Rezipienten sich also stärker auf die „emotional ansprechenderen visuellen Signale“[21] richtet, ist es nicht verwunderlich, daß dem Medium Bild eine zunehmende Bedeutung gegenüber der sprachlichen Information und dessen argumentativer Logik[22] zukommt.

So macht es aus Sicht politischer Akteure durchaus Sinn, das „Tagesgeschäft“ verstärkt visuell zu vermitteln, etwa durch sog. Schlüsselbilder, die der Komplexitätsreduktion politischer Prozesse dienen, wie das seit Jahren zum Repertoir politischer Berichterstattung gehörende „Shake hands“ zweier Politiker, „einer traditionellen Geste der Freundlichkeit, aber auch der Vertragsverbindlichkeit.“[23] Ob derlei arrangierte Bilder nun einen manipulativen Charakter besitzen oder nicht, kann kontrovers diskutiert werden. Definitiv liegt jedoch eine Manipulation vor, wenn das inszenierte Bild nicht mit der politischen Realität übereinstimmt.[24]

[...]


[1] Telepolis: „Osamas Marionette“, http://www.heise.de/tp/r4/artikel/9/9791/1.html – Stand: 21.02.2008.

[2] Ignacio, Dino: „Bert is evil“, http://web.archive.org/web/20010802031241/http://fractalcow.com/
bert/bert.htm – Stand: 20.02.2008.

[3] Telepolis: „Osamas Marionette“, a.a.O.

[4] Ignacio: „Bert is evil“, a.a.O.

[5] Die Bert-Puppe wird bewegt, indem sich eine Hand des Puppenspielers in der Kopföffnung befindet und durch entsprechende Bewegungen der Hand Berts „Ober- und Unterkiefer“ auf und ab bewegt, somit also die Illusion des Sprechens erzeugt. Berts linke Hand ist an einem dünnen, durchsichtigen Stab angebracht, welcher hin und her bewegt wird und es dem Puppenspieler somit erlaubt, Berts Ausdrucksformen um Gesten zu erweitern.

[6] Telepolis: „Osamas Marionette“, http://www.heise.de/tp/r4/artikel/9/9791/1.html – Stand: 21.02.2008.

[7] The Webby Awards: „2nd annual Webby Awards nominees & winners“,
http://www.webbyawards.com/webbys/current.php?season=2 – Stand: 22.02.2008.

[8] Telepolis: Osamas Marionette, a.a.O.

[9] BBC News: „Bert in the frame with Bin Laden“, http://news.bbc.co.uk/2/low/south_asia/1594600.stm – Stand: 23.02.2008.

[10] BBC News: „Bert in the frame with Bin Laden“, http://news.bbc.co.uk/2/low/south_asia/1594600.stm – Stand: 23.02.2008.

[11] Ebd.

[12] Ebd.

[13] Albrecht, Clemens: Wörter lügen machmal, Bilder immer. Die Wissenschaft nach der Wende zum Bild, in: Liebert, Wolf-Andreas / Metten, Thomas (Hrsg.): Mit Bildern lügen, Köln, 2007, S. 29-50, hier: S.30.

[14] Huh, Tina: Moderne politische Werbung – Information oder Manipulation? Werbestrategien im Wahlkampf, dargestellt anhand der Landtagswahlkämpfe in Baden-Württemberg von 1952 bis 1992, Frankfurt am Main, 1996, S. 109.

[15] Albrecht, a.a.O., S. 18.

[16] Müller, Marion G.: Grundlagen der visuellen Kommunikation. Theorieansätze und Analysemethoden, Konstanz, 2003, S. 18, zit. nach: Gombrich, Ernst H.: Standards of Truth: The Arrested Image and the Moving Eye, in: Mitchell, W. J. T. (Hrsg.): The Language of Images, o.O., 1980, S.181-218, hier: S. 182.

[17] Ebd.

[18] Huh: Moderne politische Werbung, 1996, S. 110.

[19] Ebd.

[20] Müller: Grundlagen der visuellen Kommunikation, 2003, S. 22.

[21] Schicha, Christian: „Bildmanipulation. Visuelle Strategien am Beispiel politischer Motive. Vortrag vor dem Fachbereichsrat 09 der Philips Universität Marburg am 8. November 2006“,
http://www.schicha.net/uploads/media/Bildmanipulationhabilpdf.pdf, S. 1, Stand: 20.02.2008.

[22] Ebd., S. 2.

[23] Schicha, Christian: „Bildmanipulation. Visuelle Strategien am Beispiel politischer Motive. Vortrag vor dem Fachbereichsrat 09 der Philips Universität Marburg am 8. November 2006“,
http://www.schicha.net/uploads/media/Bildmanipulationhabilpdf.pdf, S. 4, Stand: 20.02.2008.

[24] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Wenn aus dem X ein U wird - Bildfälschungen in der visuellen Politikvermittlung
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Institut für Politikwissenschaften)
Veranstaltung
Die Macht der Bilder revisited. Visuelle Kommunikation in der Medienrepublik
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
21
Katalognummer
V89803
ISBN (eBook)
9783638035408
ISBN (Buch)
9783638935326
Dateigröße
804 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bildfälschungen, Politikvermittlung, Macht, Bilder, Kommunikation, Medienrepublik
Arbeit zitieren
Cornelius Brandt (Autor:in), 2008, Wenn aus dem X ein U wird - Bildfälschungen in der visuellen Politikvermittlung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89803

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