Verschriftlichung und kognitiver Wandel im Mittelalter und in der frühen Neuzeit


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

20 Seiten, Note: 1,9


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretische Vorüberlegungen
2.1 Medien und Verschriftlichung
2.2 Kognition und Kognitiver Wandel

3 Untersuchung: Verschriftlichung und kognitiver Wandel
3.1 Verschriftlichung und Kognitiver Wandel im Mittelalter
3.1.1 Vorbemerkungen und Kontext
3.1.2 Verschriftlichung, Medien und Medienwandel im Mittelalter
3.1.3 Kognitiver Wandel im Mittelalter
3.2 Verschriftlichung und kognitiver Wandel in der frühen Neuzeit
3.2.1 Vorbemerkungen
3.2.2 Medien und Medienwandel in der frühen Neuzeit
3.2.3 Kognitiver Wandel in der frühen Neuzeit

4 Nachwort und Resümee

5 Verwendete Literatur

1 Einleitung

Als eine der gesellschaftlich prägenden technischen Entwicklungen in der Geschichte der abendländischen Kultur wird häufig der mit dem Namen Gutenberg verbundene Buchdruck betrachtet. Auch in wissenschaftlichen Betrachtungen (z.B. Hirner 1997) wird häufig von der „Erfindung des Buchdrucks“ und einer damit verbundenen „Revolution“ gesprochen und damit ganze Epochen charakterisiert, wie etwa in der Medientheorie von Marshall McLuhan, der die frühe Neuzeit bis zum Ende des 20. Jahrhunderts als Zeitalter des Buchdrucks, die „Gutenberg Galaxy“, betrachtet (McLuhan 1962).

Ausgelöst durch die in der Vorlesung „Postmoderne, Informationsgesellschaft, Wissensgesellschaft“ mit der Moderne assoziierten Schlagwörtern wie „Zweckrationalisierung“ und „Entzauberung“, möchte ich in dieser Arbeit die Bedeutung der mit dem Druck verbundenen zunehmenden Verschriftlichung als historische Wurzel der Entwicklung zur Moderne genauer untersuchen. Angeregt durch die Thesen Mc Luhans, der den Entwicklungen der Medien eher die mit ihnen verbundenen kognitiven Wirkungen auf individueller Ebene als die gesamtgesellschaftlichen Wirkungen gegenüberstellt, sollen dabei weniger die von anderen historischen Kausalitäten schwerer zu trennenden gesellschaftlichen Wirkungen als vielmehr die möglichen Änderungen am Einzelnen untersucht werden. Nach einer kurzen einleitenden Reflexion über die Grundbegriffe sollen dazu im Mittelalter und in der frühen Neuzeit die Entwicklung der Schriftmedien vermuteten oder vermutbaren kognitiven Folgen gegenübergestellt werden; vor jedem der beiden Abschnitte soll der historische Kontext kurz umrissen werden. Wegen der von mir unterschätzen Menge an Medien und Literatur zu Medien und Medienwandel in diesen beiden Perioden der europäischen Geschichte bleibt diese Arbeit nur überblickshaft; dennoch hoffe ich, die Grundtendenzen in Medienwirkung und Medienwandel von 800-1700 skizzieren zu können.

2 Theoretische Vorüberlegungen

2.1 Medien und Verschriftlichung

Die anfängliche Idee, Medien und kognitive Medienwirkung im Mittelalter und in der frühen Neuzeit zu untersuchen, mußte bald reelleren Vorstellungen bezüglich des Umfanges der Arbeit weichen. Diese Schwierigkeit ist mit dem Begriff des „Mediums“ verwoben: Im Sinne der heutigen Massenkommunikation als technische Mittel zur Verbreitung von Aussagen (Maletzke 1998: 50) ist er beispielsweise auf frühmittelalterlich handschriftliche Bücher kaum anwendbar und müßte außerdem auch „Kunst“ wie christliche Bilder umfassen; dies gilt natürlich noch mehr für weitergesteckte Definitionen wie „personale und technische Vermittlungsinstanzen von Kommunikation“ (Maletzke 1998: 53). Die derart zu berücksichtigenden Einzelmedien würden den Umfang einer solchen Arbeit sprengen, so daß ich deshalb das die zunehmende Alphabetisierung der Bevölkerung berücksichtigende Wort „Verschriftlichung“ zur Kennzeichnung des Bedeutungsgewinnes von Schrift transportierenden Medien gewählt habe; dieser Prozeß ist hier bezogen auf das zentrale Europa des Zeitraumes von 800-1700.

2.2 Kognition und Kognitiver Wandel

Während im allgemeinen Sprachgebrauch der Begriff Kognition eher im Sinne von höheren geistigen Prozessen gebraucht wird[1], gibt es im wissenschaftlichen Sprachgebrauch eine Reihe von verschiedenen differenzierten Bedeutungen. Im Rahmen dieser Arbeit soll der Begriff aber ziemlich undifferenziert als „Sammelbegriff für alle Prozesse des Wahrnehmens, des Denkens, des Vorstellens sowie des Erinnerns“ (Gabler 1995: 34) verstanden werden. Mit diesem Begriff soll der Schwerpunkt dieser „Medienwirkungsuntersuchung“ auf die individuelle Ebene gelegt werden; die aus individuellen Veränderungen resultierenden gesellschaftlichen Veränderungen sollen allein aus Gründen des Umfanges dieser Hausarbeit weniger berücksichtigt werden.

3 Untersuchung: Verschriftlichung und kognitiver Wandel

Alle der folgenden Untersuchungsabschnitte sind gleich strukturiert, neben der gesellschaftliche Situation, demographische Entwicklung und wichtige historische Tendenzen umreißenden Einführungen werden die relevanten Medien in ihrer Entwicklung beschrieben und in einem letzten Teil ihre kognitiven Auswirkungen beschrieben.

3.1 Verschriftlichung und Kognitiver Wandel im Mittelalter

Im folgenden ersten Abschnitt soll der mit dem Medienwandel verbundene kognitive Wandel im europäischen Mittelalter[2], das hier mit Werner Faulstich (1996: 13) mit der Zeit von 800 bis 1400 nach Christus verbunden werden soll, untersucht werden.

3.1.1 Vorbemerkungen und Kontext

Am Anfang einer Betrachtung der Medien des Mittelalters und ihrer Auswirkungen muss auf die Quellensituation aufmerksam gemacht werden, ist doch hauptsächlich das Spätmittelalter, insbesondere die Situation in den Städten, dokumentiert; von dem Frühmittelalter und der ländlichen Situation ist weit weniger bekannt (Faulstich 1996: 84).

Von weiterer Bedeutung erscheint die demographische Entwicklung. Obwohl diese nur geschätzt werden kann und die Einschätzungen variieren, wird eine Bevölkerungszahl von circa 27 Millionen Menschen für das Europa des 8 . Jahrhunderts und eine Bevölkerungszunahme auf 60-75 Millionen (Faulstich 1996: 19) bis etwa 1200 n. Chr. von mehreren Autoren (Faulstich 1996: 19-20) angenommen; mit dem Aufkommen von Pestepedemien im 14. Jahrhundert gab es allerdings einen massiven Bevölkerungsrückgang von 30-50 % (Faulstich 1996: 20). Die Gesellschaft des Mittelalters wird in historischen Studien meist in verschiedene Bereiche oder Berufsgruppen unterteilt (Faulstich 1996: 7); etwa in Stadt, Kloster, Land und Hof oder gemäß der auch im mittelalterlichen Selbstverständnis gebräuchlichen Ständeordnung von „Wehrstand, Lehrstand und Nährstand“(Faulstich 1996: 7) in Adel, Geistlichkeit und Volk (Faulstich 1997: 7).

Gemeinsamer Nenner der unterschiedlichen sozialen Gruppen war sicherlich das Christentum (Giesecke 1992: 227), dessen führende Institution, die (heutzutage so bezeichnete) römisch-katholische Kirche, ungefähr mit der Krönung Karl des Großen im Jahr 800 durch den Papst Leo den Dritten in Rom die dominierende Macht dieser Zeit wurde (Faulstich 1996: 15), auch wenn es immer wieder zu Machtkonflikten mit den „weltlichen“ Herrschern kam. Zentren der intellektuellen Tätigkeit waren die Klöster; die Idee der Bildung einer christlichen intellektuellen Elite, die Benedikt von Nursia schon im 6. Jhdt. nach dem Ende von Rom mit der Gründung seines Ordens im Sinn hatte, wurde allerdings erst mit der Gründung des Karolingerreiches im 8 Jhdt. und der offenen Unterstützung intellektueller Tätigkeit durch Karl den Großen möglich (Eliade 1997: 211). Zweiter großer intellektueller Impuls war die Rückeroberung Spaniens von den Muselmanen und die damit verbundene Übersetzung sowohl arabischer Werke wie auch antiker Autoren wie Platon oder Aristoteles, die sowohl die scholastische Theologie neu beflügelten wie auch später die Renaissance einleiten sollten (Eliade 1997: 211). Jenseits intellektueller Beschäftigung mit dem Christentum war der christliche Glaube durch Taufe, Gottesdienste und seine Symbolwelt für den größten[3] Teil der Bevölkerung einigendes Element[4] (Giesecke 1992: 227), wenn auch der Grad des individuellen Verständnisses meines Erachtens dank lateinischen Kirchensprache und einer weitgehend analphabetischen Bevölkerung (Faulstich 1996: 34) geschwankt haben dürfte.

3.1.2 Verschriftlichung, Medien und Medienwandel im Mittelalter

Im Mittelalter wurden manche der gesellschaftliche Funktionen, die in unserer Zeit von Massenmedien ausgeübt werden, von sozialen Ereignissen oder auch bestimmten Berufsgruppen wahrgenommen. Beispiele für letzteres ist der Narr (Faulstich 1996: 55 ff.), der in klerikalen wie adelige Kreisen als Unterhalter wie böszungiger Kritiker für den jeweiligen sozialen Kontext Funktionen hatte, die heute durch Medien wie beispielsweise Illustrierte oder Satirezeitungen wahrgenommen werden; neben ihm sind an dieser Stelle auch Epensänger für „gehobene Unterhaltung“ (Faulstich 1996: 75), und das Volk unterhaltenden Spielleute (Faulstich 1996: 222) zu nennen.

Neben den grundsätzlichen menschlichen Ausdrucksformen Sprache und Körpersprache war im europäischen Mittelalter natürlich auch schon die lateinische Buchstabenschrift bekannt; im Verlauf des Mittelalters wurde auch zunehmend in Nationalsprachen geschrieben (Faulstich 1996: 265). Wichtigstes Material für Dokumente aller Art war ab dem 4. Jahrhundert Pergament. Bei der Erstellung von Dokumenten, insbesondere von Büchern, diktierte der Autor seinen Text meist einem Schreiber, der diesen provisorisch auf eine Wachstafel übertrug; diese Tafel wurde abschließend auf Pergament gebracht (Faulstich 1996: 110). In sogenannten Skriptorien wurden in Klöstern Bücher kopiert, wobei die Schreiber nicht einmal unbedingt Latein lesen können mußten, ein Abmalen der Buchstaben genügte (Faulstich 1996: 111); der Zeitaufwand für eine solche Kopie lag selten unter einem Jahr (Faulstich 1996: 110).

[...]


[1] Etwa die Definition des Dudens: „Das Erkennen, das Wahrnehmen“.

[2] Der Begriff „Mittelalter“ ist eine abwertende Bezeichnung der humanistischen Gelehrten ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts für die Zeit zwischen dem Ende der Antike und der beginnenden Neuzeit und als historische Periodisierung eher eine Verlegenheitslösung (Faulstich 1996: 12), die hier aber dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend behalten werden soll.

[3] Ausnahmen bilden die jüdische Bevölkerung, die ab dem 12. Jhdrt. tätigen Reformbewegungen wie etwa die Waldenser sowie die ebenfalls im 12 Jhdrt im Süden von Frankreich tätige Religionsgemeinschaft der Katharer (Eliade 1997: 210-212).

[4] Diese Erkenntnis verleiht Giesecke (1992:227) dazu, die christliche Gemeinschaft im Mittelalter als Informationssystem –und Kommunikationssystem zu begreifen: „Indem sie als Ziel ihrer Wahrnehmung die Erkenntnis Gottes und als Ziel ihres Handelns seine Lobpreisung und ein gottgefälliges Leben ansehen, bilden alle Gläubigen auch gemeinsam ein Informationssystem“.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Verschriftlichung und kognitiver Wandel im Mittelalter und in der frühen Neuzeit
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Publizistik und Kommunikationswissenschaften)
Veranstaltung
Postmoderne, Informationsgesellschaft, Wissensgesellschaft
Note
1,9
Autor
Jahr
2002
Seiten
20
Katalognummer
V89797
ISBN (eBook)
9783638039420
ISBN (Buch)
9783640858323
Dateigröße
442 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verschriftlichung, Wandel, Mittelalter, Neuzeit, Postmoderne, Informationsgesellschaft, Wissensgesellschaft
Arbeit zitieren
M.A. Christopher Knapp (Autor:in), 2002, Verschriftlichung und kognitiver Wandel im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89797

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