Verfahrensrecht und Geschichte


Sammelband, 2008

140 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur 1. Auflage

Vorwort zur 2. Auflage

Abkürzungsverzeichnis

Zusammenfassung

Resumo

Einleitung

§ 1. Faktoren, die zur neuen Epoche der deutschen Prozessrechtswissenschaft insbesondere zur Abhandlung über „Die Lehre von den Proceβeinreden und die Proceβvoraussetzungen“ führten
1. Allgemeine Charakterisierung
2. Kritische Reformstudien: eine neue Richtung des Zivilprozessrechts
3. Die Selbständigkeit des Bülowschen Stils

§ 2. Das terminologische Gefüge
1. Der Begriff „Prozess“
2. Der terminologische Unterschied zwischen „Prozess“ und „Verfahren“

§ 3. Das Prozessrechtsverhältnis
1. Die juristische Natur des Prozessrechtsverhältnisses
2. Der Begriff des Prozessverhältnisses im Vergleich zum Begriff der „Prozessrechtslage“
3. Die Parteien als Subjekte des Prozessverhältnisses
4. Das Gericht als dominierender Faktor des Prozessverhältnisses
5. Die Beziehung zwischen dem Gericht und den Parteien:
der Inhalt des Prozessverhältnisses
5.1. Die Haupttheorie über die Entscheidungsgewalt des Gerichts
5.2. Die Anwendung der Hellwigschen Theorie
5.3. Das Fehlen einer prozessualen Verbindung zwischen den Parteien untereinander
im Prozessrechtsverhältnis

§ 4. Winkeltheorie des Prozessrechtsverhältnisses
1. Die Entstehung des Prozessverhältnisses
2. Die Prozessvoraussetzungen

Schluss

Literaturverzeichnis

Litisregulação transitória da lide: a contraposição dos conceitos da provisoriedade e temporariedadeNota do autor

Del Plano Collor al Corralito: episodios marcantes en la historia de la política sudamericana

Viver uma outra língua: o intercâmbio acadêmico na Alemanha

Vorwort zur 1. Auflage

Es ist mit großer Vergnügung, dass ich dieses Werk im Land veröffentlichten lasse, wo ich die zweite Stufe meiner akademischen Ausbildung in der Rechtswissenschaft abgeschlossen habe, namentlich den Magisterstudiengang für ausländischen Juristen an der Universität Tübingen. Dieses Buch ist eine Sammlung aus acht von mir geschriebenen wissenschaftlichen Arbeiten: eine Magisterarbeit und sieben Aufsätze. Manche davon sind bereits im Schrifttum erschienen, andere waren aber bisher noch nie veröffentlichtet worden.

Gegenständlich umfasst die nachstehende Sammlung mehrere Bereichen der Wissenschaft: vom reinen Verfahrensrecht bis zur Literatur. Ausländisches Privat- und Privatverfahrensrecht, Rechtsgeschichte, Linguistik und Literatur in deutscher, portugiesischer und spanischer Sprache gehören also zum Inhalt des Buchs. Zwar wären ursprünglich nur Texte im Deutschen und im Portugiesischen zusammenzufassen, habe ich mich allerdings auch für die Einfügung eines Aufsatzes auf Spanisch („Del Plano Collor al Corralito: episodios marcantes en la historia de la política sudamericana”) entschieden, welchen mir von dem ehemaligen Dekan der Juristischen Fakultät der Päpstlichen Katholischen Universität von Uruguaiana (PUCRS-Uruguaiana) mit dem Ziel bestellt wurde, Gegenstand eines Vortrags in Córdoba (Argentinien) gehalten zu werden.

So eine Sammlung aus gemischten Themen in verschiedenen Sprachen erscheint als Neuigkeit im Büchermarkt und reagiert zugleich auf eine Anfrage, die im jeden Institut, im jeden Seminar und im jeden Lehrstuhl für ausländisches Privatrecht und Rechtsvergleichung in Deutschland gehört werden kann: „Was gibt es in deutscher Sprache zum Recht von…?“ Auch mir erreichten Fragen solcher Art so häufig, dass ich selbst denken musste, dass diese Anfrage gelegentlich umgeändert werden könnte. Nach dieser gedachten Umänderung würde sie so aussehen: „Was gibt es in deutscher Sprache zum Recht von Brasilien und was gibt es in portugiesischer Sprache zum Recht von Deutschland? Die Sammlung hält sich zwar überhaupt nicht in diesen Grenzen, jedoch dieser war den Grundgedanken deren Erscheinung. Würde es mir gelingen, mit meinem Werk die Aufmerksamkeit zukünftiger Doktoranden vermehrt auf die Rechtsordnungen von Ländern zu richten, über die in deutscher Sprache bislang noch allzu wenig vorliegt, dann wäre das eben eine gewollte Nebenwirkung.

Zum Schluss möchte ich dieses Buch für zwei Personen widmen: für meinen ewigen geliebten Lehrer, Prof. Dr. José Maria Rosa Tesheiner und für die wahre Liebe meines Lebens; die Person, die mir stets unabdingbar unterstütze, Viviane Rocha Mathias.

Tübingen, im Juli 2008.

Vorwort zur 2. Auflage

Für die Neuauflage wurde der Band überarbeitet, insbesondere wurde einen Aufsatz aus meiner Zeit als Austauschstipendiat bei der Landesstiftung Baden-Württemberg eingefügt. Der wahren Liebe meines Lebens Frau Viviane Rocha Mathias, LL.M. danke ich für die Mitarbeit und gratuliere für ihr Buch „Das Namensrecht in der Rechtsvergleichung und im Internationalen Privatrecht – Eine Gegenüberstellung des deutschen und brasilianischen Rechts. Ravensburg: GRIN Verlag, 2008“.

Porto Alegre, im Juli 2009.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Entwicklung des Prozessrechtsverhältnisses

Analyse der seit Bülow vertretenen Prozessrechtsverhältnislehre

Zusammenfassung

Der Zweck dieser Arbeit besteht darin, den Begriff des Prozessrechtsverhältnisses zu erklären und diesen unter einer besonderen Perspektive zu analysieren. Ausgehend von den Theorien, aus denen dieses Konzept gebildet wurde, wird dieser für die Lehre des Zivilprozessrechts unentbehrliche Begriff als zentraler Punkt der Arbeit erläutert. Zu diesem Zweck soll ein Überblick über die Entwicklung und die Struktur dieses Rechtsinstitutes, sowie eine Analyse der Beziehungen zwischen dem Prozessgericht und den Parteien gegeben werden. Darüber hinaus wird versucht, das tatsächliche Wesen des Prozessrechtsverhältnisses zu erklären und eine Theorie von dessen Entstehung zu entwickeln. Die Umsetzung der genannten Erklärungen hat natürlich die Vorschriften der ZPO als Grundlage.

Resumo

Este trabalho tem por fim esclarecer o conceito de relação jurídico-processual bem como analisá-lo sob perspectiva histórico-comparada. Partindo das teorias que compuseram tal definição através dos tempos, situa-se a relação jurídica como cerne do Direito Processual Civil. Visando a tal finalidade, procede-se a uma análise não apenas da estrutura e evolução do instituto, senão também das relações jurídicas havidas entre juiz e partes no processo. Ademais, propõe-se elucidar o verdadeiro caráter da relação jurídica processual à luz das teorias que a estabeleceram. Todo o trabalho, como nao poderia deixar de ser, tem por base as regras da ZPO (Zivilprozessordnung).

Einleitung

Die Frage nach dem Wesen und der Bedeutung des Prozessrechtsverhältnisses für die Doktrin des Zivilprozessrechts gehört zu den umstrittensten Problemen der juristischen Literatur. Im Rahmen dieser Streitfrage stehen sich die einzelnen Positionen auch heute noch unversöhnlich gegenüber. Am schärfsten sind die Meinungsverschiedenheiten in der Frage danach, inwieweit die Rechtsfiguren an dem Prozessrechtsverhältnis teilnehmen; wie die Beteiligten dort angeordnet werden und wie und wann (in welchem genauen Moment) dieses prozessuale Rechtsverhältnis entsteht. Zwar hat die Lehre vom Prozessrechtsverhältnis tatsächlich sowohl zur Bildung der Grundbegriffe des Prozessrechts als auch zur Verfeinerung der prozessrechtlichen Wissenschaft wesentlich beigetragen, ihre Wichtigkeit wird aber innerhalb des deutschen Prozessrechts von manchen immer noch in Frage gestellt und im Ausland sogar ganz abgelehnt.[1]

In der Tat datiert die Schrift „Die Lehre von den „Proceβeinreden und die Proceβvoraussetzungen“ vom Anfang der damals modernen und immer noch aktuellen konstruktiven Epoche der deutschen Prozessrechtswissenschaft. Diese aus der Bülowschen Feder stammende Monographie symbolisierte den Startpunkt einer „eigenständigen Prozesssystematik“, deren Folge „das latent fortwirkende strikte Trennungsdenken“ zwischen Zivilrecht und Prozessrecht sei.[2] Obgleich man schon vor Bülow den Zivilprozess als Rechtsverhältnis bezeichnet hatte,[3] wurde die Systematisierung der Lehre vom Prozessrecht erst mit dem Werk Bülows von 1868 in Griff genommen. Er hatte den Anspruch, die Zivilprozessrechtswissenschaft auf derartiges Niveau zu bringen, wo sie die Bezeichnung Wissenschaft wirklich verdienen könnte.

Als sich die Prozessrechtler bemühten, von prozessualen Grundbegriffen aus ein Prozessrechtssystem zu erarbeiten, brach dann eine neue Periode der Prozessrechtswissenschaft an, die sog. konstruktive Epoche. In dieser Epoche, die sich zuerst in Deutschland etablierte und bald auch weltweite Beachtung fand, wurden prozessuale Grundbegriffe in den denkbar verschiedensten Varianten diskutiert.[4] In der Anfangsphase der Literatur des „neuen deutschen Zivilprozessrechts“ trat das Bedürfnis nach allgemeinen Gesichtspunkten für die wissenschaftliche Darstellung des Zivilprozessrechts deutlich zu Tage. Die Ergebnisse dieser Etappe führten hauptsächlich zu zwei Konstruktionen, die sich in diesem Feld durchgesetzt haben. Auf der einen Seite waren Grundbegriffe des materiellen Rechts auch im Zivilprozessrecht angewandt worden. In anderen Worten wurde das ursprüngliche materielle Rechtsverhältnis im Verfahrensbereich nun als Prozessrechtsverhältnis aufgefasst. Und so führte beispielsweise auch das Klagerecht zu einer neuen Sicht des Verhältnisses zwischen materiellem Recht und Prozessrecht.[5] Auf der anderen Seite fand die Lehre von den subjektiven öffentlichen Rechten Anklang in der Prozesstheorie, insbesondere bezüglich des Wachschen Rechtsschutzanspruchs.[6]

Das Bülowsche Werk bezieht sich vor allem auf eine dogmengeschichtliche[7] Gesamtbetrachtung einzelner Prozesssätze und auf ein System, welches auf der Grundlage seiner Lehre von Prozessrechtsverhältnis und Prozessvoraussetzungen aufgebaut wurde.[8] Außerdem bekämpft er allerorts die Verwechslung des materiellen Rechts mit dem Prozessrecht. Laut Vorrede des Buchs enthalten seine Untersuchungen „eine beständige Grenzregulierung zwischen Privatrecht und Civilproceßrecht“.[9] Als Bülow seine Auffassung des Prozessrechtsverhältnisses definierte, sah er den Unterschied zum materiellen Rechtsverhältnis in zwei Punkten: (1) der Prozess sei ein öffentlich-rechtliches Verhältnis,[10] und (2) der Prozess habe einen Entwicklungscharakter,[11] den er ein „sich schrittweise im Verfahren fortentwickelndes und erledigendes Rechtsverhältnis“ nannte.[12] Daraus ergibt sich die Wichtigkeit der Betrachtung seiner Arbeit, die der Prozesswissenschaft großartige Anstöße gab und deren Folgen noch immer spürbar sind.

Nähere Aussagen über das Prozessrechtsverhältnis setzten voraus, dass man sich zunächst über zwei Punkte Klarheit verschafft: erstens darüber, wie sich die Beziehungen zwischen Prozessparteien und Gericht gestalten, und zweitens über die „Winkelform“ des Prozessverhältnisses, d.h. wann, wie und wodurch das Prozessverhältnis „angewinkelt“ wird. Darüber hinaus zielt diese Arbeit nicht, irgendeine Anschauung vom Prozessrechtsverhältnis zu vertreten. Vielmehr will man damit eine besondere Form von dessen Entstehung zu etablieren.

§ 1. Faktoren, die zur neuen Epoche der deutschen Prozessrechtswissenschaft insbesondere zur Abhandlung über „Die Lehre von den Proceβeinreden und die Proceβvoraus- setzungen“ führten

1. Allgemeine Charakterisierung

Mit dem Beginn einer neueren Systembildung und Dogmatik der Zivilprozes-swissenschaft zeichnete sich 19. Jahrhundert eine sich von den vorhergegangenen deutlich abhebende Phase der prozessualen Theoriebildung aus,[13] welche später als eine neue Epoche der deutschen Rechtswissenschaft bekannt wurde.

Man nimmt an, dass die herausragenden Prozessualisten der betreffenden Zeit – wie z.B. Planck,[14] Bülow (der eigentliche Erstbegehrter der gedeihlichsten Phase des deutschen Zivilprozessrechtes, die sog. „moderne Prozesswissenschaft“), Degenkolb, Wach[15] und Kohler – bewusst das Ziel verfolgten, an der Gründung einer neuen Epoche des Rechts mitzuwirken.[16] Sie haben damals die Grundvoraussetzungen geschaffen, die freilich Ausgangspunkt aller weiteren Untersuchungen von Stein, Hellwig,[17] Goldschmidt[18] usw. bildete.[19] Daraus wird klar, wie weitreichend den Einfluss des Bülowschen Werkes „Die Lehre von den Proceβeinreden und die Proceβvoraussetzungen“ auf das deutsche Recht war und noch heute ist. Die Überprüfung dieser Wirkung setzt allerdings die Untersuchung weiterer Fragen voraus, die in naher Beziehung zu der Entwicklung der Ideen des Prozessrechtsverhältnisses steht und demgemäß Gegenstand einer besonderen Analyse in dieser Arbeit wird.

Bevor man mit der Beschreibung vom Rechtsinstitut Prozessrechtsverhältnis anfangen kann, sollte man sich eine detaillierte Auffassung über die Gedanken verschaffen, welche Bülow beim Verfassen seiner berühmten Schrift stark beeinflusst haben.

2. Kritische Reformstudien: eine neue Richtung des Zivilprozessrechts

Nach herrschender Meinung ist die Lehre von Windscheid, welche über Bülows konstruktive Prozesswissenschaft zur modernen Prozesssystematik hinführte, der Ausgangspunkt der Rekonstruktionsphase,[20] die ein ganz neues Zeitalter der deutschen Prozessrechtswissenschaft angebrochen hat. Die Anspruchslehre von Windscheid habe eigenartigerweise einen Umschwung zugunsten einer stärkeren „auf die prozessualen Besonderheiten ausgerichteten Prozeßtheorie“[21] bewirkt, welche die Auflösung der engen Verbindung zwischen subjektiven Rechten und den actiones voraussetzt. Windscheid hat nicht nur die Rechtsverletzung als Voraussetzung einer römischen actio geleugnet, sondern auch bestritten, dass sie ein „Annex des Rechtes“ sei.[22] Er führt dieses Verständnis der römischen actio auf die Forschungsmethode der historischen Schule zurück, die in die Sätze der römischen Gedanken hineingetragen habe und in den nicht zu finden gewesen seien.[23]

Die schroffe theoretische Scheidung zwischen Zivil– und Prozessrecht ist ausschließlich das Produkt der wissenschaftlichen Systembildung, an deren Gründung Bülow beteiligte.[24] Neben dem von Windscheid eingeräumten Freiraum und der inzwischen konzipierten Systematik öffentlicher Rechte wurde diese Systembildung durch eine Strömung wissenschaftlicher Methoden des 19. Jahrhunderts geprägt, die nämlich als Abkehr von der historischen Rechtsschule verstanden werden kann. Bülows Rechtfertigung für die Gründung seiner Prozessrechtsschule war, insbesondere das damalige deutsche Prozessrecht habe noch einen weiten Weg zurückzulegen, um mit den Fortschritten gleichzuziehen, die man schon auf den meisten anderen Rechtsgebieten gemacht habe. Mit diesen Worten fing er an, die Grundbegriffe der Prozesswissenschaft auf bahnbrechende Weise zu konstruieren.[25]

Da Bülow davon überzeugt war, dass eine neue Richtung des deutschen Zivilprozessrechts gegeben werden könnte, verfolgte er unermüdlich das Ziel, kritische Reformstudien[26] vorzunehmen und die Konstruktionsneigung der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu überwinden. Die Vorrede seiner berühmtesten Schrift verdeutlicht genau, dass er die Absicht hatte, eine neue Richtung der Prozesswissenschaft zu geben:

“Noch liegen die wichtigen processualischen Grundbegriffe im Unklaren, verdunkelt durch ungehörige Begriffsconstruktionen und irre führende Terminologien, welche als eine vor der Jurisprudenz des Mittelalters überkommene Erbschaft mit zu großer Beharrlichkeit bewahrt worden sind.“[27]

Zwar lässt sich die Zurückverlegung der modernen Begriffsbildungen in das römische Recht bzw. die Verwertung der angeblichen dogmatischen Konstruktionen der Römer für das geltende Recht in einem Zusammenhang seiner Grundgedanken mit der historischen Schule stellen, das weist aber keineswegs darauf hin, dass Bülow irgendwie zur historischen Schule gehörte oder sie irgendwie verteidigte. Im Gegensatz dazu war diese von Savigny gegründete Schule[28] erst der Ausgangpunkt seiner innovativen Ideen. In seinen Betrachtungen erteilte er eher eine überaus scharfe Absage über die Rechtswissenschaft der historischen Schule.[29] Die Bülowschen Grundgedanken gingen grundsätzlich davon aus, dass obgleich die Römer, insbesondere im römischen Prozess, eine klare Sicht auf die Bedürfnisse des Lebens, eine große prozesspolitische Weisheit und einen praktischen Blick in die Wahl ihrer Mittel zeigen und dass die Prozesswissenschaft aus seinem Studium viel lernen könne,[30] eine Rekonstruktion dieser Verzweigung des juristischen Wissens unbedingt nötig war.[31]

Die Erklärung, warum die Quellenexegese als grundlegender Bestandteil der 1868 von Bülow vorgelegte Monographie sich auszeichnete, kann einfach beantwortet werden, wenn man seine Vorbereitung zur Lehrtätigkeit analysiert.

3. Die Selbständigkeit des Bülowschen Stils

Bevor ein Bild der schriftstellerischen Eigenart und der Persönlichkeit Bülows als Wissenschaftler zu zeichnen, soll eine kurze Zusammenfassung seines Lebenslaufs ab dem Erlangen des Doktorgrades zu skizzieren.

Bülow, der am 11. September 1837 zu Breslau geboren wurde, erlangte im Jahr 1859 an der Universität seiner Heimatstadt den Doktorgrad mit der Dissertation „ de praejudicialibus formulis “. Die Zeit zwischen seinem Vorbereitungsdienst und seiner Habilitation in Heidelberg, in der er ein Jahr (Herbst 1860 bis 1861) als Freiwilliger im Breslau diente, widmete er sich Privatstudien auf dem Fachgebiet des römischen Rechts. Als Abschluss dieser Periode habilitierte er im Herbst 1863 in Heidelberg für römisches Recht und Prozessrecht mit der Schrift „ de praejudicialibus exceptionibus “. Im Frühjahr 1865 erhielt Bülow einen Ruf als etatmäßiger Extraordinarius nach Gießen für römisches Recht und Zivilprozessrecht. Das Ordinariat erlangte er jedoch erst am 9. November 1867. Außerdem entfaltete Bülow als Pandektist und Prozessualist eine sehr erfolgreich Lehrtätigkeit in Tübingen, die 13 Jahre (1872-1885) dauerte. Bemerkenswert sind darüber hinaus seine Ausdauer und sein großes Talent, sich mit historischen Themen zu beschäftigen.[32]

In Gießen ging Bülow eine nahe Freundschaft mit Rudolf von Jhering ein. Diesem ist auch die Monographie „die Lehre von den Proceβeinreden und die Proceβvoraussetzungen“ gewidmet.[33] Die Widmung entsprang weniger einer Nähe der Anschauungen beider Wissenschaftler – dazu waren sie sich in Stil aber insbesondere in wesentlichen inhaltlichen Fragen zu sehr uneins –, als vielmehr aus der erwähnten engen Freundschaft.

Von der theologischen Seite der Jurisprudenz von Jhering, die freilich auch erst in späterer Zeit stärker hervortrat, ist in Bülows früheren Arbeiten wenig zu bemerken, mit Ausnahme der Abhandlung über „civilprozessualische Fiktionen und Wahrheiten“,[34] in der ein gewisser Anschluss an Ideengänge in Jherings „Kampf ums Recht“ wahrnehmbar ist. Obwohl die lichtvolle Darstellung, die Energie des Ausdrucks, die Art und Weise der oftmals ironisch gestimmten Polemik Bülows durchaus an Jhering erinnert, besaß er dessen praktischen Blick nicht, der die Verhältnisse des Lebens stets durchdringt, da das logisch dogmatische Element in seinem, Bülows, Stil immer überwog. „So dürfte sich denn der Einfluß mehr in äußeren Dingen und auf Gebieten, auf denen von Haus aus ähnliche Anlagen und Meinungen vorhanden waren, geltend gemacht haben“.[35]

Was vor allem in den Bülowschen Werken wirkte, war die große Klarheit und logische Geschlossenheit seines Gedankenaufbaus. Überall wurden die Grundlinien und führenden Gesichtspunkte auf bestmögliche Deutlichkeit und Vollkommenheit geprüft. Die Gesamtheit aller historischen Ausführungen, die eingeschaltet wurden, diente immer dem Zwecke des Ganzen. Dabei sind Formulierungen wie Definitionen stets von großer Eigenheit. Zeugnis davon gibt nicht zuletzt sein Hauptwerk, die Abhandlung über „die Lehre von den Proceβeinreden und die Proceβvoraussetzungen“, womit er sicherlich einen großartigen Beitrag zur Rechtsgeschichte der deutschen Rechtswissenschaft geleistet hat.

Man stellt immer wieder fest, dass Bülow doch im Ganzen eher ein Historiker war, und so in seinem dogmatischen Werk die Rechtsgeschichte die Rolle eines regelmäßig wiederkehrenden Motivs einnahm. Das trifft bereits auf seine Erstarbeit bzw. seiner dissertatio inauguralisDe praejudicialibus formulis[36] und die Habilitationsschrift „ De praejudicialibus exceptionibus “ zu. Außerdem wurden Forschung und Wissenschaft des Prozesses zweifellos durch sein Werk auf ein höheres Niveau gehoben, wodurch nicht nur für das deutsche Prozessrecht, sondern auch für die Prozessrechtswissenschaft als Ganze eine neue Phase anbrach.

§ 2. Das terminologische Gefüge

In der Tat wäre eine eingehende sachlich-terminologische Untersuchung des Gegenstandes des prozessualen Rechtsverhältnisses, also dessen Wesen, wenig sinnvoll, wäre die Stellungnahme hierzu nicht von „praktischer“ Bedeutung. Grundbegriffe der Zivilprozesswissenschaft wie „Prozess“, „Prozessrechtsverhältnis“ und „Verfahren“ bedürfen jedenfalls einer vertieften terminologischen Forschung. In den folgenden Abschnitten wird deshalb der Versucht gemacht, über die Bedeutung dieser Termini mehr Klarheit zu gewinnen.

1. Der Begriff „Prozess“

Im Ganzen gesehen unterliegt der Begriff des Prozesses einer doppelten Betrachtungsweise: zum einen als Verfahren und zum anderen als Rechtsverhältnis.[37] Zunächst sind Bedeutung und Eigenart der Wörter „Prozess“, „Verfahren“ und „Prozessrechtsverhältnis“ zu bestimmen, um dann auf dieser Grundlage zur Erörterung der Frage nach dem Wesen des Prozessrechtsverhältnisses übergehen zu können. Die Hauptaufgabe liegt hiernach eher darin, die Wichtigkeit einer richtigen und eindeutigen Anwendung dieser elementaren Prozessbegriffe in der Begründung der Lehre vom Prozessrechtsverhältnis darzustellen, als darin, sich mit einer gesonderten Widerlegung von möglichen Irrlehren aufzuhalten.

Von der Lehre Bekkers konnte man lernen, dass „der Prozess ein Vorgang oder eine Summe von Vorgängen, darum kein Verhältnis, insonderheit Rechtsverhältnis ist.[38] Bülow wiederum fasste denselben Begriff als „ein sich entwickelndes Verhältnis zwischen Gericht und Parteien“[39] auf. Aus der Mischung derartiger Ideen geht also das grundlegende Merkmal des Prozessbegriffes hervor: Der Prozess ist eigentlich dann eine stufenweise vorwärtsschreitende, sich von Schritt zu Schritt entwickelnde Gesamtheit von Rechtsverhältnissen. Des Weiteren sollte man beachten, dass der Prozess nicht etwa als eine Summe von einzelnen, nach dem Wechsel der Rechtslagen sich unterscheidenden Rechtsverhältnissen aufzufassen ist, sondern vielmehr als ein vollständiger Komplex von prozessualen Rechtsverhältnissen.[40] Darüber hinaus hat der Prozess unzweifelhaft einen deutlichen Entwicklungscharakter,[41] der es erforderlich macht, die Entwicklung des Rechtsstreits in Gang zu halten, Rückschritte auszuschließen und das Erreichte nicht wieder umzustürzen.[42]

Dieses fortwährende Wesen taucht im Laufe des Prozesses auf, denn jede prozessuale Beziehung erfährt eine stufenweise Entwicklung, d.h. eine Metamorphose. Daher wird der Begriff des Prozesses richtiger und klarer durch dessen einheitlichen Charakter erfasst; in anderen Worten, durch die Einheitlichkeit verschiedenartiger prozessualer Vorgänge.[43] Da die Prozessordnung Rechtsschutzordnung sei und als solche ein sekundäres Gebilde, nämlich ein Mittel zum Zweck der Privatrechtsbewährung umfasse, stellte Wach dar, dass „Recht nicht nur sei, sondern auch gelte“.[44] Damit meinte er, der Prozess habe nicht den Zweck, subjektive Rechte zu schaffen, sondern den Zweck, Rechte zu schützen, denn „der Zweck des Prozesses ist nicht ein theoretischer, sondern ein praktischer“.[45]

Das Wort „Prozess“ stammt zunächst aus der neulateinischen Rechtssprache, aus dem Wort processus i.S.v. Vor-, Vorwärts-, oder Fortschreiten nach bestimmten Regeln. Es ist bemerkenswert, dass in der römischen Rechtswissenschaft eine Bezeichnung des Gerichtsverfahrens völlig fehlt, denn in diejenigen Quellen kam neben dem Substantiv processus (pro-*zdo) das Verb procedere vor, das allerdings nur die Bedeutung von Handeln im Allgemeinen trug.[46] Die Römer selbst stellten nicht den Prozess als ein rechtlich geregeltes Phänomen, das sich zwischen den Parteien und dem Gericht entwickelt, sondern den Begriff judicium in den Mittelpunkt der damals bereits vollkommen klaren Prozessbetrachtung. Es habe ihnen grundsätzlich ferngelegen, sich den Prozess als eine bloße Reihe auf einander folgender Partei- und Gerichtshandlungen vorzustellen.[47]

Lis, iudicium und iurgum waren Ausdrücke, die im römischen Recht oft angewendet wurden. Lis bedeutet Kampf (lucta, luita, luta); iudicium oder judicium Prozess und iurgum oder jurgum trägt auch die Bedeutung des Kampfes, aber eher des Kampfes, der den Rechtsregeln unterworfenen ist. Das Wort „Prozess“ wird in der technischen Bedeutung noch nicht von den römischen Juristen gebraucht, processus iuris habe damals dem entsprochen, was heute unter Rechtsgeschichte verstanden wird. Angenommen, das iudicium wäre, wie im römischen Recht, ein actus trium personarum, so würde dieses Konzept i.S.d. Prozessrechtsverhältnisses gebraucht. Und tatsächlich wäre dann dieser Begriff kein anderer als eben der des Prozessrechtsverhältnisses. Damit soll selbstverständlich nicht etwa gesagt sein, dass das römische iudicium ein dem Prozessrechtsverhältnisse des modernen Rechts „in Allem und Jedem gleiches Rechtsgebilde“ gewesen sei.[48]

Des Weiteren ist festzuhalten, dass die römischen Prozessualisten nicht etwa von processus schlechthin, sondern nur von processus iudicii sprachen. Dieser Ausdruck sollte schon damals zu einer umfassenderen Idee der Entwicklung des Prozessrechtsverhältnisses führen, eine Erkenntnis, die erst durch Bülow wirklich herausgearbeitet wurde. Das dem Prozess entsprechende Wort sei demzufolge iudicium, denn processus sei erst bei den kanonischen Schriftstellern im heutigen Sinne üblich, nämlich in den Glossen des corpus iuris canonici.[49]

2. Der terminologische Unterschied zwischen „Prozess“ und „Verfahren“

Im juristischen Wortsinne ist das Konzept des Prozesses vom des Verfahrens zu unterscheiden.[50] Letzteres bedeutet schlechterdings bloß das, was vom gesamten Prozessgeschehen in der Gerichtsverhandlung nach außen tritt, während ersteres die Gesamtheit der entstehenden Rechtsbeziehungen zwischen den Prozessbeteiligten bezeichnet, d.h. zwischen den Prozessparteien und dem Gericht, und eventuell auch zwischen diesen und Dritten.[51] Obwohl klar ist, dass der Begriff des Prozesses auch den des Verfahrens einschließt,[52] wird die Gefahr einer Verwirrung vergrößert, wenn man einzig und allein mit solchen Termini, die oft nicht eindeutig angewandt werden, das Wesen des Prozesses zu erklären versucht.

Wenn die streitenden Parteien zu Gericht gehen, suchen sie grundsätzlich „ihr“ Recht. Hiernach erscheint der Prozess als Mittel, vorhandenes Recht festzustellen und zur Geltung zu bringen.[53] Ferner ist das Verfahren eine dem Gericht anhängende Gesamtheit von Handlungen, durch die zwei Parteien auf dem Rechtsweg ihre Rechtsansprüche geltend machen wollen. Darüber hinaus ist ein geordnetes Verfahren, d.h. eine Verhandlung zwischen den beteiligten Personen, erforderlich, um den Zweck des Zivilprozesses[54] zu erreichen. Daraus entsteht der Charakter des Verfahrens als „Werkzeug“ des Prozesses. In diesem Zusammenhang ist die Lehre Weismanns vom Verfahren als „Gesamtheit von Prozesshandlungen“ für die Betrachtung des Konzepts des Verfahrens von großer Wichtigkeit.[55]

Die Einheitlichkeit verschiedener prozessualer Vorgänge dient einem bestimmten Zweck, der aus einer Folge menschlicher Handlungen besteht, die wiederum auf die Herbeiführung der gerichtlichen Rechtsschutzhandlung gerichtet sind und durch dieses gemeinschaftliche Ziel zusammengehalten werden. Zwei gute Beispiele dafür sind die Klage und das Urteil, die sich auf die Beziehung zwischen Anfang und Ende, Eröffnungs- und Schlussakt des Verfahrens beziehen. Diese Beziehung ist eine notwendige Vorbedingung des geordneten Verlaufs, die das einheitliche Verfahren bestimmt und begrenzt.[56] Darüber hinaus ist der prozessuale Rechtsstreit dadurch gekennzeichnet, dass die Gesamtheit der Gerichts- und Parteihandlungen Aufnahme in die Prozessakten findet.[57]

Vor diesem Hintergrund ist die korrekte Anwendung derartiger Terminologien, wie sie in der ZPO anzutreffen ist, besser zu würdigen; so wird z.B. im § 76 Abs. III und IV der Ausdruck „den Prozess übernehmen“ vollkommen richtig angewendet.[58] Daraus ergibt sich ganz klar, dass man in den Prozess eintreten kann, weil er aus einem einheitlichen Rechtsverhältnis besteht, wodurch die verschiedenartig prozessualen Rechtsbeziehungen entstehen. Er ist also keine bloße Handlungsgesamtheit. Schließlich wird mit dem Begriff des Prozesses weder ein einheitliches Verfahren ausgedrückt, das sich schlechthin mit dem Begriff des Verfahrens als einer Handlungsgesamtheit zu begnügen habe,[59] noch ein bloßes Prozessverhältnis. Er wird dagegen durch seinen teleologischen Charakter gekennzeichnet.

Der oben behandelte Unterschied zeigt deutlich, wie wichtig die richtige Verwendung der Fachsprache in der Wissenschaft ist. Aus zwei Gründen kann man also behaupten, dass es von sehr großem Vorteil ist, die Rechtswissenschaft über ihre terminologischen Aspekte zu erlernen, zu behandeln und darzustellen und sich in diesen Bereich zu vertiefen. Zum einen deshalb, weil durch eine richtige Sprachterminologie die Wissenschaft Fortschritte machen kann: Dieser wäre der hier empfohlene Weg zur Erreichung eines leichteren Erlernens. Eine terminologische Behandlung der Fachsprache führt dann zum zweiten zu einem besseren Aufbau der reinen Wissenschaft.

§ 3. Das Prozessrechtsverhältnis

Das Prozessrechtsverhältnis ist ein Grundbegriff der sog. modernen deutschen Zivilprozesstheorie, worüber ein neuer, völlig eigenständiger Forschungszweig durch Bülows bahnbrechende Darstellung entstanden ist.[60] Im Zuge von dessen Ausbreitung sind die Meinungen in vielen Punkten weit auseinandergegangen, am stärksten jedoch in dem Streit über die Beteiligten, aus deren Interaktionen ein Prozessrechtsverhältnis überhaupt besteht.

Es ist nicht selten, dass eine Theorie von Anfang an durch seinen Autor gegebenenfalls später in der Geschichte als Selbstverständlichkeit vorgetragen wird.[61] Genau das ist der Fall bei der Lehre vom Prozessrechtsverhältnis, nämlich als Bülow das moderne Zivilprozessrecht und dessen begriffsjuristische Methode mit der Entdeckung des Prozessrechtsverhältnisses begründete, und später von den Nachfolgern seiner Ideen. Ganz konkret trat die Lehre vom Prozessrechtsverhältnis zum ersten Mal mit den folgenden Zeilen in die juristische Welt ein:

„Es ist noch nie in Zweifel gezogen worden, daß das Civilproceßrecht die Befugnisse und Pflichten bestimmt, welche den Parteien und dem Gericht in ihrem Verhältniß zu einander zukommen. Hiermit ist aber auch gesagt, daß der Proceß ein Verhältniß gegenseitiger Berechtigung und Verpflichtung d. h. ein Rechtsverhältniß ist“.[62]

Die Gründe, die Bülow für diese Definition anführte, sind indessen keineswegs überzeugend, denn er glaubte sie bereits hinreichend gerechtfertigt zu haben mit dem Verweis darauf, dass seine Anschauung von Prozessrechtsverhältnis, die seither nicht nur in der Theorie des Zivilprozesses, sondern auch in anderen Gebieten herrscht, ein „innig zusammenhängende[...] prozessrechtliche[...] Grundbegriff[e]“[63] genauso z.B. wie die Prozessvoraussetzungen. Der Geltungsbereich seiner Theorie reicht über die Fachgrenzen des Zivilprozesses hinaus und umfasst somit sowohl den Bereich des Strafprozesses wie auch den des Verwaltungsstreitverfahrens.[64] Dogmengeschichtlich erscheint die Entwicklung des Prozessrechtsverhältnisses als die notwendige Folge der zunehmenden „Verfeinerung“ der Prozessrechtswissenschaft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts.[65]

Obwohl einige Stimmen dahingehend laut geworden sind, dass der Begriff des Prozessrechtsverhältnisses prozessual unfruchtbar sei,[66] ist das Prozessrechtsverhältnis keineswegs ein „reiner Geist ohne Mark und Knochen“, der „sich nie und nirgends fest greifen läßt“, wie es sich einmal sogar hat nennen lassen muss[67]. Hier wird dagegen die These vertreten, dass das Prozessrechtsverhältnis doch von jener grundlegenden Bedeutung ist, die sein Urheber ihm bereits zuerkannt hatte.[68]

Die bisherige Diskussion über das prozessuale Rechtsverhältnis krankte indessen häufig daran, dass über ihren Gegenstand, also dessen Wesen, weder in terminologischer noch in sachlicher Hinsicht Klarheit geschaffen wurde. Meist findet man in der juristischen Literatur allenfalls Teilantworten auf die Frage nach dem Wesen des Prozessrechtsverhältnisses, das schließlich zur Rechtfertigung der Lehre des Zivilprozesses dient. Ohne dessen umfassende Klärung fehlt es jedoch der systematischen Diskussion des behandelten Fachgebietes an einem soliden Fundament.

Die Analyse des Begriffes des Prozessrechtsverhältnisses soll dementsprechend mit der Erläuterung von dessen juristischer Natur beginnen.

1. Die juristische Natur des Prozessrechtsverhältnisses

Die Antwort auf die wesentliche Frage nach der Rechtsnatur eines Prozessverhältnisses ist im Inhalt derjenigen Rechtsbeziehungen zu suchen, aus denen es sich zusammensetzt. Ist ein prozessuales Rechtsverhältnis entstanden, so sind die Parteien dem Gericht gegenüber berechtigt zu verlangen, dass die Streitsache in dem entsprechenden Verfahren geprüft und entschieden wird. Der Richter ist den Parteien gegenüber gleichermaßen berechtigt und verpflichtet, die Prüfung vorzunehmen und die Entscheidung zu fällen.

Der Ausgangspunkt, den Bülow gewählt hat, um das Prozessrecht zu erarbeiten, war dadurch bestimmt, dass „diese schlichte, immerhin aber für die Wissenschaft recht bedeutsame Wahrheit“ bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts nicht gebührend gewürdigt, „ja wohl kaum klar begriffen worden“[69] sei. Die Prozessrechtslehre hat, ebenso wie die Theorie des öffentlichen Rechts, zunächst auf die vorhandenen privatrechtlichen Kategorien zurückgegriffen. Darüber hinaus sei es kein Wunder, dass sich die damaligen Prozessualisten zuerst auf den Begriff des Rechtsverhältnisses stützen, dessen hervorragende systematische Brauchbarkeit für das materielle Zivilrecht schon von Savigny[70] überzeugend bewiesen worden war.

Da man gewöhnt war, bloß von Privatrechtsverhältnissen zu sprechen und weil Bülow immer das Ziel hatte, eine neue Prozessrechtswissenschaft aufzubauen,[71] erklärte er auch ausführlich, warum die Rechtsnatur des Prozessrechtsverhältnisses publizistisch sei:

„Da die processualischen Rechte und Pflichten zwischen der Staatsbehörde und den Staatsbürger bestehen, da es sich im Prozess um die Funktion von Staatsbeamten handelt und auch die Parteien nur in ihrer Beziehung und Mitwirkung zur richterlichen Amtsthätigkeit in Betracht kommen, so gehört dieses Verhältniß selbstverständlicher Weise dem öffentlichen Recht an: der Proceß ist ein öffentlichrechtliches Verhältiniß“.[72]

Demzufolge wird das Prozessrechtsverhältnis dem Bereich des öffentlichen Rechts[73] zugeteilt. Da die Zugehörigkeit von Prozess- und Vollstreckungsverhältnis zum öffentlichen Recht heute eine Einigkeit in der Lehre des Prozessrechtsverhältnisses ist, mag die Frage nach der Rechtsnatur des prozessualen Rechtsverhältnisses heutzutage unproblematisch zu erscheinen. Das war allerdings nicht immer so. Ein Blick auf den Beginn der modernen deutschen Rechtswissenschaftsgeschichte weist durchaus darauf hin, dass die Rechtsnatur des Prozessrechtsverhältnisses sowie des Prozesses Gegenstand tieferer Untersuchungen waren.

Man hebt darum immer noch hervor, dass dem keinesfalls entgegengehalten werden dürfte, der Prozess sei ein durch ein Rechtsgeschäft erzeugtes Institut.[74] Eine solche Behauptung wäre schon vom Prinzip her unzutreffend, weil durch sie nahegelegt wird, dass die Entstehung des Prozesses für sich genommen bereits ein Rechtsgeschäft zwischen den Parteien sei, was darauf hinweisen mag, dass sich der Prozess im Rahmen einer Privatsphäre der Interessen der Prozessparteien zu einem juristischen Ganzen zusammenfüge. Dabei geht diese Rechtsanschauung davon aus, dass sobald das entsprechende Geschäft vollzogen ist, der Prozess von selbst mit seinen eigenartigen rechtlichen Wirkungen Bestand hätte.

Die Frage nach der Grundlage des Einlassungszwangs lautet, dass der Beklagte deshalb gehalten sei, sich auf die Klage einzulassen, weil er dazu verpflichtet sei. Nichts anderes bedeutet es nämlich, wenn die älteren Prozesstheorien den eigentlichen Sachstreit mit der sog. „ litis contestatio “ beginnen ließen. Die litis contestatio war gewissermaßen eine Streitbefestigung unter Einbeziehung sowohl des Klägers als auch des Beklagten, mit der sich beide Parteien vor dem Gericht darüber einigten, dass sie einen bestimmten Sachstreit austragen wollten und dass das angegangene Gericht zur Beurteilung und Vollstreckung zuständig sein sollte. Falls sich jedoch der Beklagte von vornherein nicht beteiligte, zeigte sich die Problematik des Konzeptes der zweiseitigen Prozessbegründung.

Im Ergebnis ist klar, dass es dem Beklagten nicht gestattet sein kann, durch seine gänzliche Passivität einer Verurteilung auszuweichen. Im Interesse des Klägers muss es vielmehr möglich sein, den Prozess auch ohne und gegen den Willen des Beklagten durchzuführen, denn nur dann hat der Beklagte einen Anreiz, sich über ein Streitprogramm zu verständigen. Diesem Konzept würde es wohl am besten entsprechen, wenn man den Beklagten, der sich einer Mitwirkung gänzlich verweigert, durch Prozessstrafen zu einer Streitbefestigung anhielte. Das würde letztlich bedeuten, dass der Prozess, den der Kläger führen möchte, mangels der Beteiligung des Beklagten an der Prozessgründung zunächst tatsächlich nicht stattfinden würde. Zugleich würde gegen den Beklagten dennoch eine Sanktion verhängt, „die so scharf sein müsste, dass er bei seiner Weigerung kaum bleiben würde“.[75]

Der Ausspruch des Gerichts im Zivilprozess gilt nicht, weil die Parteien unter sich übereingenommen sind, den Ausspruch gelten zu lassen. Er gilt eher, weil die Entscheidungsgewalt des Gerichts das entscheidende Charakteristikum des Prozess-rechtsverhältnisses ist.[76] Eine privatrechtliche Theorie würde hierbei bestimmt die Klarheit des jeweiligen Institutes stören, da die juristische Natur des Prozesses nicht privat, sondern öffentlich ist.[77]

Außerdem soll das Prozessrechtsverhältnis keineswegs mit dem privatrechtlichen Institut des Rechtsgeschäfts vermischt oder verwechselt werden, da ein echtes im 1. Buch des BGB in den §§ 104-185 geregeltes Rechtsgeschäft den Rechtssubjekten in vielfältiger Hinsicht die Möglichkeit gewährt, selbst mit ihrer Privatautonomie ihre Rechtsverhältnisse in eigener Verantwortung zu gestalten. Das prozessuale Rechtsverhältnis ist dagegen keine privatrechtliche Beziehung, wobei die Privatautonomie an die personale Selbstverantwortung der Bürger anknüpft und ihnen die Ausübung und die Gestaltung ihrer Rechte in eigener Entscheidung überlässt.[78] Es begreift vielmehr eine Rechtsbeziehung, welche unter der prozessrechtlichen Regeln der ZPO steht.

Obwohl die Klage eine Willenserklärung des Klägers enthält und er eine Änderung in seinen rechtlichen Beziehungen dadurch herbeiführen will,[79] würde die eigene juristische Natur des Prozesses, die publizistisch ist, eine Analogie mit dem Rechtsgeschäft überhaupt verhindern, wie Schulze einwandte.[80] Seiner Meinung nach ist der Prozess nicht eine Einheit von prozessualen Rechtsverhältnissen, sondern „ein Komplex von Rechtsgeschäften“, welcher Rechtsverhältnisse erzeugt.[81]

Schließlich ist noch herauszustellen, dass alle prozessrechtlichen Pflichten, die das Gesetz den Parteien auferlegt oder die das Gericht ihnen Kraft gesetzlicher Ermächtigung auferlegen kann, der Wahrung des öffentlichen Interesses dienen, was die Rechtsnatur des Prozessrechtsverhältnisses scilicet sichtbar macht.

2. Der Begriff des Prozessverhältnisses im Vergleich zum Begriff der „Prozessrechtslage“

Bülows Lehre vom Prozessrechtsverhältnis blieb aber nicht unverändert. Bereits in den ersten Jahrzehnten nach ihrer Begründung, in denen sie vielfach diskutiert wurde, erfuhr sie manche Modifikation und wurde in verschiedenen Varianten vertreten. Der am umfassendsten angelegten Versuch, die Existenz eines Prozessverhältnisses überhaupt zu leugnen, ist von James Goldschmidt in seinem Werk „Der Prozeß als Rechtslage“ unternommen geworden.

Im ersten Augenblick scheint, dass die Begriffe „Prozessrechtslage“ und „Prozess-rechtsverhältnis“ ähnlich sind; sie umschreiben aber nicht genau dieselbe Rechtserscheinung. Erstens stellt die Prozessrechtslagetheorie ausschließlich auf den Prozess in dessen Entwicklung ab, nämlich auf die Abfolge der einzelnen Prozesshandlungen. Zweitens sind jedoch sowohl Rechte und Pflichten als auch Lasten und Aussichten denkbar, die während der gesamten Dauer des Rechtsstreits in einem Rechtsverhältnis bestehen bleiben.

Die Auffassung vom Prozess als Rechtslage[82] der Parteien in Bezug auf ihr materielles Recht wurde aus diesem Grund von Goldschmidt dem Begriff des Prozessrechtsverhältnisses entgegengestellt.[83] Er erhob gegen die von Bülow begründete Lehre den Einwand, dass der Begriff der Pflicht außerhalb der dynamischen und streng prozessualen Betrachtungsweise stehe. Soweit Gericht und Parteien überhaupt echte Pflichten hätten, was nur selten der Fall sei, würden diese nicht einem Prozessverhältnis entspringen, sondern seien privatrechtlicher oder aber staatsrechtlicher Natur.[84] Den Bülowschen Begriff des Prozessrechtsverhältnisses, den er folglich als unbrauchbar betrachtete, wollte er durch den Begriff der Rechtslage ersetzen.

Die Besonderheit dieser Ansicht liegt in der Verknüpfung des strittigen sachlichen Rechts mit der Realität der prozessualen Vorgänge, die ohne Einfluss auf die Effektivität des sachlichen Rechts ist. Die Prozesslage sei, nach den Goldschmidtschen Worten, „die Lage, in welche die Partei in Bezug auf ihr materielles Recht durch dessen prozessuale Geltendmachung gelangt“,[85] d.h. die Lage einer Partei in Bezug auf das materielle Recht. In seiner bekanntesten Monographie stellte er fest, dass der Begriff der Rechtslage den „Inbegriff von prozessualen Aussichten, Möglichkeiten, Lasten und Befreiungen von Lasten einer Partei“ binde.[86]

Die Theorie des Prozesses als Rechtslage macht eine ganz neue Erklärung der prozessualen Erscheinungen erforderlich. Ihre praktische Bedeutung wird vor allem bei der Bewertung der einzelnen Prozesshandlungen deutlich, insbesondere in der These, dass die Kategorien der Rechtsmäßigkeit und der Rechtswidrigkeit ein der prozessualen Betrachtungsweise ganz fremdes Werturteil seien, da die Rechte im prozessualen Sinne weder mit dem Sollen eines anderen noch mit einem eigenen Dürfen verbunden seien.[87] Dieser Prozessrechtstheorie haben nur wenige in Deutschland zugestimmt.[88]

Goldschmidts Deutung des Prozesses als einer Rechtslage mit Blick auf das sachliche Recht ist der Versuch, das unausweichliche Spannungsverhältnis zu erklären, in welches die sachlichrechtlichen Bezüge unter den Gegebenheiten des Prozesses geraten. Genauso wurde jedoch diese Idee gerechtfertigt. Der Begriff des Prozessrechtsverhältnisses fasst im Gegensatz dazu sämtliche Rechtsbeziehungen unter den Prozesssubjekten zusammen, und zwar diejenigen, die unabhängig vom im Prozess selbst umstrittenen materiellen Recht bestehen. Die beiden Begriffe stehen allerdings überhaupt nicht im Widerspruch zueinander[89] ; jede hat also ihre eigene Bedeutung.

Das Prozessrechtsverhältnis ist während des Prozessablaufs ein sich dynamisch durch Vornahme von Prozesshandlungen fortentwickelndes Rechtsverhältnis. Soweit es sich darum handelt, den Prozess als Ganzes zu begreifen, ist es vielmehr notwendig, neben dem Begriff des Rechtsverhältnisses zusätzlich noch die Vorstellung der Rechtslage zu benutzen, da der Begriff der Prozessrechtslage eine einzelne Stufe der Entwicklung des gesamten Prozessrechtsverhältnisses erfasst.[90] Die Normen für diese Entwicklung bilden die Lehre vom Prozessverhältnis. Diese haben keine selbständige rechtlich Bedeutung oder Wirkung, sie dienen eher lediglich als Vorstufe für die nachfolgende Entwicklung des Verfahrens, d.h. als Grundlage für die gerichtliche Entscheidung. Nur durch die Rechtskraft der Entscheidung wirken sie über den Prozess hinaus.

Im Übrigen kann der Begriff der Rechtslage den des Prozessrechtverhältnisses auch deshalb nicht ersetzen, weil erst dieser die verschiedenen, in einem Prozess aufeinanderfolgenden Rechtslagen zu einer Einheit zusammenfasst, auf die bei einer Gesamtbetrachtung des Zivilprozesses nicht verzichtet werden kann. So lässt sich der Prozess im Ganzen als eine Gesamtheit von Rechtsverhältnissen begreifen und die einzelnen Stadien der Prozessführung als Rechtslagen.[91]

3. Die Parteien als Subjekte des Prozessverhältnisses

Die Stellung als Partei eines Zivilprozesses wird zunächst durch das Verfahren als prozessuale Streitigkeit zwischen zwei den prozessualen Regeln unterworfenen Rechtssubjekten[92] und einer staatlichen Macht geprägt, welcher durch das Zivilgericht repräsentiert wird. Daher wäre ein Prozess bzw. ein Prozessverhältnis ohne Anspruch oder ohne zwei Parteien, die vor einem zuständigen Gericht streiten, absolut undenkbar.

Ist der Parteibegriff im deutschen Zivilprozessrechtssystem formell und nicht materiell zu verstehen, so könnte man sagen, dass für die Parteistellung ohne Bedeutung ist, ob der Kläger Inhaber des Rechts und ob der Beklagte der wahre Verpflichtete oder Betroffene ist.[93] Daraus geht hervor, dass die Parteien im Zivilprozessrecht nicht unbedingt die Träger des strittigen Rechtsverhältnisses werden müssen. Das wird erst am Ende des Prozesses festgestellt, denn sein Ziel hat das Prozessverhältnis im Endurteil und darin findet es seinen normalen Abschluss. Das Urteil ist Gesetzanwendung, die der Prozess kein objektives Recht schaffen, sondern Rechte bewähren soll.[94] Hat der Prozess kein Endurteil d.h. kein Endergebnis, so wird nicht klargestellt, welche von den Parteien Recht hat, ob es die Tatsachen, die behauptet sind, eigentlich gaben und ob diese behaupteten Tatsachen mit der Realität stimmen.[95] Die Abwesenheit der Rechtskraft bedeutet außerdem, dass der Urteilsinhalt noch bestreitbar ist und folglich dass die bindende „Frage nach der Existenz des Klagrechts nochmals aufgeworfen und ventiliert“ werden kann.[96]

Daraus ergeben sich ebenfalls die Grundbegriffe der Prozessparteien im deutschen Recht, wo Kläger ist, wer das sachliche Recht behauptet, und Beklagter derjenige, gegen den er es in Anspruch nimmt.[97] Die beiden Parteien werden dann mit dem Staatsorgan Subjekte des Prozessrechtsverhältnisses. Dem Kläger, d.h. demjenigen, der einen Anspruch angriffsweise vor dem Gericht geltend macht, kommt die Initiative und meistens die Darlegungs- und Beweislast zu. Er zielt nämlich auf die Verurteilung des Beklagten ab. Der Beklagte seinerseits hat eine verteidigende Stellung inne, d.h. er wehrt lediglich nur die Ansprüche des Klägers ab, da sein Hauptziel grundsätzlich die Freisprechung ist.[98]

[...]


[1] Vor allem im Bereich der neusten prozessual-italienischen Literatur vgl. Montesano, Luigi; Arieta, Giovanni, Diritto processuale civile. Le disposizioni Generali, Bd. I, S. 56 ff.; Luiso, Francesco P., Diritto processuale civile, Bd. I, insbes., S. 46.

[2] Konzen, Horst, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien, S. 105. Eine der wichtigsten Prämisse für diese Entwicklung habe der Angriff Windscheids auf die von der historischen Rechtsschule geknüpfte Einheit von subjektivem Recht und Aktionsrecht gebildet, welche die Frucht einer Synthese zwischen der im Naturrecht entwickelten sozialen Ordnung subjektiver Rechte und Pflichten und dem rezipierten Aktionensystem der römischen Rechts gewesen sei.

[3] Bethmann–Hollweg, Moritz August von, Der Civilproceß des gemeinen Rechts in geschichtlicher Entwicklung, Bd. I, S. 102 ff. u. Puchta, Georg Friedrich, Cursus der Instituitionen, Bd. II, S. 8 ff.

[4] Hervorzuheben ist der Einfluss der deutschen Prozesswissenschaft auf die italienische Doktrin. Besonders seit Giuseppe Chiovendail padre del processo civile italiano moderno “ (der Vater der modernen italienischen Zivilprozess).

[5] S.i.e. Degenkolb, Heinrich, Einlassungszwang und Urteilsnorm: Beiträge zur materiellen Theorie der Klagen, insbesondere der Anerkennungsklagen. So stellte Vossius den Einfluss des Bülowschen Werkes auf das Werk von Degenkolb dar: „Doch hat Bülows Monographie später den Rechtshistoriker und Prozessualisten Degenkolb dazu angeregt, die Trennung von Zivilrecht und Prozeß im Sinne zweier wissenschaftlich selbständiger Disziplinen zu begründen und durchzuführen“ (Vossius, Oliver, Zu den dogmengeschichtlichen Grundlagen der Rechtsschutzlehre, S. 141; 142-150).

[6] Wach, Adolf. Der Feststellungsanspruch, S. 73-188 u. Der Rechtsschutzanspruch, S. 1-34. In Betracht gezogen werden soll auch Goldschmidt, James und seine Auffassung vom materiellen Justizrecht. Zu den Intentionen und Leistungen der vorangegangenen Zivilprozessrechts, s.i.e. Vossius, Oliver, Zu den dogmengeschichtlichen Grundlagen der Rechtsschutzlehre, S. 132-161.

[8] Allerdings legte er ein solches System erst in seiner Abhandlung „Die neue Prozeßrechtswissenschaft und das System des Zivilprozeßrechts“ dar.

[9] Bülow, Oskar, Die Lehre von den Proceßeinreden und Proceßvoraussetzungen, Vorrede, S. VI.

[10] A.a.O, S. 2 ff. u. auch Die neue Prozessrechtswissenschaft und das System des Civilprozessrechts, S. 230 ff.

[11] Anders als die materiellen Rechtsverhältnisse, die sich schon als fertig abgeschlossen darstellen, befindet sich das Prozessrechtsverhältnis in beständiger Bewegung und Entwicklung. Bülow bezeichnete diesen Charakter als die „hervorstechendste Eigentümlichkeit“, die das Prozessrechtsverhältnis von den übrigen (materiellen) Rechtsverhältnissen unterscheidet (Bülow, Oskar, Die Lehre von den Proceßeinreden und Proceßvoraussetzungen, S. 2.). Nach ihm diese „hervorstechendste Eigentümlichkeit“ möge wohl das meiste zu der Verkennung seines Wesens als eines einheitlichen Rechtsverhältnisses beigetragen haben (a.a.O.).

[12] Wach, Adolf. Handbuch des deutschen Civilprozessrechts, Bd. I, S. 34, zuerst natürlicherweise Bülow, Oskar, Die Lehre von den Proceßeinreden und Proceßvoraussetzungen, S. 2. Aus der besten brasilianischen Rechtslehre, Pontes de Miranda, Francisco Cavalcanti, Tratado das ações, Bd. 1 u. Tucci, José Rogério Cruz e, Tempo e processo.

[13] Überblick über die deutsche Zivilprozesswissenschaft im 19. Jahrhundert bei Nörr, Knut Wolfgang, Wissenschaft und Schrifttum zum deutschen Zivilprozeß im 19. Jahrhundert, S. 141-199.

[14] „Der organische Zusammenhang dieser Änderungen (...) mit dem Gedanken der hier zu besprechenden Rechtsinstitute, kann nur auf dem Weg der Dogmengeschichte gefunden und verstanden werden. Nicht die bloße Freude an historischen Untersuchungen (...) führt uns somit auf diesen Weg; wir suchen vielmehr auf ihm den Schlüssel der heutigen Rechtsinstitute selbst, und verfolgen mithin ein rein practisches Interesse“ (Planck, Julius Wilhelm, Die Mehrheit der Rechtsstreitigkeiten im Prozeß, S. 258 ff.).

[15] Der Feststellungsanspruch: ein Beitrag zur Lehre vom Rechtsschutzanspruch u. Der Rechtsschutzanspruch.

[16] Wie Kohler z.B. in seinem Werk „Prozeß als Rechtsverhältnis“: „Wir konstruieren nicht, um zu konstruieren, sondern um das Innere der Rechtsverhältnisse zu erforschen. Die Konstruktionen sind die Schächte, welche in die Tiefe führen“.

[17] Die hierüber gestellten Grundgedanken weisen auf die Wichtigkeit von Hellwig für den Aufbau der Lehre des Prozessrechtsverhältnisses hin; s.i.e. § 3, Nr. 5.2.

[18] Entdecker des materiellen Justizrechts. Dazu Materiellen Justizrecht u. Zwei Beiträge zum materiellen Justizrecht.

[19] Braun, Johann, Gemeines deutsches Zivilprozeβrecht, S. 1-2.

[20] Dazu Vossius, Oliver, Zu den dogmengeschichtlichen Grundlagen der Rechtsschutzlehre, S. 132-136; Nörr, Knut Wolfgang, Wissenschaft und Schrifttum zum deutschen Zivilprozeß im 19. Jahrhundert, S. 152, 156, 158.

[21] Konzen, Horst, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien, S. 106.

[22] Windscheid, Bernhard, Die Actio des römischen Civilrechts, S. 2.

[23] A.a.O., S. 1-3, 167 ff.

[24] Windscheid, der mit seiner Lehre vom Anspruch 1856 für diese Probleme eine andere Lösung suchte und damit die endgültige Trennung vom Zivilprozessrecht und materiellem Zivilrecht herbeiführte, hat zuerst die eigenständige Natur des Prozessrechts erkannt und seine Loslösung vom Privatrecht betrieben.

[25] I.d.S. Goldschmidt, James, Prozeß als Rechtlage, S. 1, 146; Simshäuser, Wilhelm, Zur Entwicklung des Verhältnisses von materiellem Recht und Prozeßrecht seit Savigny, S. 89 ff. und Konzen, Horst, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien, S. 107 ff. Nach ihm sei die von Bülow eingeleitete Übertragung auf das Zivilprozessrecht, zumindest ein „revolutionierender Fund“, wie der allgemeine „Übergang von historisch-rezeptiver zu dogmatisch produktiver Jurisprudenz“. Dagegen kritisch Hippel, Fritz von, Zur modernen konstruktiven Epoche der „deutschen Prozeßwissenschaft“, S. 462.

[26] Bei der Einführung des neuen deutschen Zivilprozessrechts, so Stintzing, habe es sich einerseits um kritische Reformstudien (hier könne auf Endemann, Renaud, Osterloh und Leonhard verwiesen werden) und auf der anderen Seite um Einflüsse der alten historischen Schule, in unmittelbarer Anlehnung an Bethmann-Hollweg, Briegleb und Wetzell, gehandelt (Stinizing-Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, 3. Abt., 2. Halbband, S. 953-954).

[27] Bülow, Oskar, Die Lehre von den Proceßeinreden und Proceßvoraussetzungen, Vorrede, V.

[28] Über die Begründung der historischen Schule, Stinizing-Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, S. 186-253.

[29] Bülow, Briefe eines Unbekannten über die Rechtswissenschaft, S. 140.

[30] Mit anderem Verständnis und in engerem Sinne Schott, Richard, Römischer Zivilprozess und moderne Prozesswissenschaft, S. 10-13.

[31] Offensichtlich ist, dass Bülow sich von der historischen Rechtsschule entfernen wollte, sodass er den übertriebenen Kultus des Gewohnheitsrechts und in Verbindung damit die ablehnende Haltung gegenüber der Kodifikation niemals mitmachte. Er wurde später noch ein erfolgreicher Bekämpfer der Lehren von der Entstehung des Rechts und sollte dadurch zur Überwindung der Konstruktionsjurisprudenz von Savigny und Puchta wie von Windscheid beigetragen.

[32] Vgl. Heinsheimer, Karl, Oskar Bülow, S. V ff.

[33] Dass Jhering einen intensiven Einfluss auf Bülow ausübte, war im Vorwort zum „Geständnisrecht“ wahrnehmbar: „Die Schrift ist in häufigem und innigem Gedenken an den Gelehrten, dessen mächtiger Forschergeist der Rechtswissenschaft unseres Zeitalters neues, gesünderes Leben eingehaucht hat, entstanden und daher auch seinem Andenken gewidmet. Ich möchte ihm damit auch öffentlich den Dank nachrufen, den ich ihm für alles das, was er mir nicht bloß durch seine Werke, sondern auch in vertrautem persönlichen Verkehr aus der Tiefe seines Denkens und der fülle seines Wissens gespendet hat, und für das Glück schulde, das mir durch seine warmen Herzens geschenkte, langjährige treu und zarte väterliche Freundschaft zu Theil geworden ist“. Bülow, Oskar, Geständnisrecht, S. VII-VIII.

[34] In: AcP 62, S. 1 ff.

[35] Rümelin, Max, Oskar Bülow, S. 6.

[36] Im Jahr 1858 erlangte Bülow den Doktorgrad mit der Inauguraldissertation, die günstig von Windscheid im Kritischen Vierteljahrschrift Bd. I, S. 292 rezensiert wurde.

[37] Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, S. 11 ff.

[38] Bekker, Ernst Immanuel, System des heutigen Pandektenrechts, I, 36.

[39] Bülow, Oskar, Die Lehre von den Proceßeinreden und Proceßvoraussetzungen, S. 3.

[40] Vgl. Cintra, Antônio Carlos Araújo; Grinover, Ada Pellegrini; Dinamarco, Cândido Rangel, Teoria Geral do Processo, S. 101.

[41] Dieser Charakter sei gleichwohl sehr problematisch, inwieweit „man dem Rechnung tragen soll“. Nach der Meinung von Nakano (Das Prozeßrechtsverhältnis, S. 103 ff.) sei die Frage, ob der Entwicklungscharakter des Prozesses einen spezifisch-prozessuale Rechtsbetrachtungsweise fordere, mit Bestimmtheit zu vermeiden.

[42] Der Prozess erschöpft sich nämlich nicht in der Dynamik. Er hat keineswegs nur ein rein prozessuales Wesen, das man ausschließlich mit der prozessualen Betrachtungsweise erklären könnte. Es ist vielmehr eine von Staats wegen eingerichtete Institution zur Verwirklichung des materiellen Zivil- und Strafrechts. Bei jeder prozessrechtswissenschaftlichen Fragestellung muss also zunächst geklärt werden, ob das Problem nur das Prozessrecht betrifft, oder ob es den staatsrechtlichen Aspekt berührt, oder ob das Verhältnis zum materiellen Prozessgegenstand im Vordergrund steht.

[43] Schulze gelangte im Gegensatz dazu zur Erkenntnis, dass der Prozess nicht ein einheitliches Rechtsverhältnis, sondern ein Komplex „sehr verschiedenartiger Processrechtsgeschäfte, beziehungsweise höchst mannigfaltiger Handlungen rechtsgeschäftlicher Natur“ sei (Schulze, August. Privatrecht und Process in ihrer Wechselbeziehung, Bd. 1, S. 294).

[44] Wach, Adolf, Handbuch des deutschen Civilprozessrechts, Bd. I, S. 4.

[45] A.a.O., S. 1-24.

[46] Vgl. Pontes de Miranda, Francisco Cavalcanti, Tratado das ações, Bd. I, S. 297 ff.; Hellwig, Konrad, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, Bd. II, S.28, Fußnote 1.

[47] Ein solches Verständnis war seit dem Mittelalter bis zum Ende der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts üblich, als die erste große Schrift von Bülow und konsequenterweise die Lehre vom Prozessrechtsverhältnis erschien haben. Dieser selbst Schriftsteller schrieb bezüglich der romanischen Jurisprudenz des Mittelalters, dass sie sich in dem Worte „Prozess“ leider ein Denkmal und eine schwer zu beseitigende Stütze geschaffen habe und „wer aus dem Wort auf den Begriff schließen will, wird durch den Ausdruck Proceß von vorn herein in eine, wenn nicht falsche, so doch zu enge Bahn gelenkt“ (Die Lehre von den Proceßeinreden und Proceßvoraussetzungen, S. 4).

[48] Bülow, Oskar, Die neue Prozessrechtswissenschaft und das System des Civilprozessrechts, S. 227.

[49] Über die Entwicklung des corpus iuris canonici, Nörr, Wolfgang Knut, Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, S. 835 ff.

[50] Das Wort Prozess wird oft irrtümlicherweise in der Fachliteratur sowohl i.S.v. Verfahren als auch vom Prozessverhältnis gebraucht.

[51] z.B. die Beteiligung eines Dritten am Rechtsstreit (Buch I, Titel 3, ZPO). Bei dem § 64 der ZPO ist sichtbar, dass eine Rechtsbeziehung mit einem Dritten im Rahmen des Prozesses entstehen kann, da er im besonderen Fällen in denjenigen eintreten darf. S.i.e. § 64 ZPO: „Wer die Sache oder das Recht, worüber zwischen anderen Personen ein Rechtsstreit anhängig geworden ist, (...) ist bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses berechtigt, einen Anspruch durch eine gegen beide Parteien gerichtete Klage bei dem Gericht geltend zu machen“.

[52] Man kann sagen, dass der vom Prozess im allgemeinen einen Oberbegriff ist, da viele anderen umfasst und zu einer Summe von Vorgängen und Rechtsbeziehungen also zur einen Einheitlichkeit führt.

[53] Bekker nahm ein realistisches Erklärungsprinzip für das römische Recht im Gegensatz zur „modernen idealistischen“ in Anspruch. „Wir können diese Anschauung als die idealistische bezeichnen, da sie das Wesen des Prozesses, aus der ihm zugrunde liegenden Idee herleitet (...) Bei den Römern aber überwog die realistische Betrachtungsweise: nicht was er wirken sollte, sondern was der Prozess wirklich wirkt, war für ihre Auffassung entscheiden. Und da liess sich denn nicht verkennen, dass das Gericht irren kann und irren muss ab und zu (...) und dass wann (...) der letzte Spruch über diese Sache gesprochen ist, dass dann nur noch für das Recht aus dem Spruche Platz ist in der Welt, nicht mehr für das Recht über welches gesprochen worden“ (Die Aktionen des römischen Privatrechts, Bd. II, S. 174-175).

[54] Über den Zweck des Prozesses u.a. Sauer, Wilhelm, Allgemeine Prozessrechtslehre, S. 1 ff. u. Kuchinke, Kurt, Zivilprozessrecht, S. 1 ff.

[55] „Was die mannigfachen Handlungen, aus denen sich ein Rechtsstreit oder eine Zwangsvollstreckung zusammensetzt, zu einer Einheit, zu einem ‚Verfahren’ verbindet, ist nicht bloß ihr einheitlicher Zweck, sondern auch ihre Grundlage und der innere Zusammenhang, in welchem Zweck und Grundlage miteinander stehen“ (Weismann, Jakob, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechtes, Bd. I, S. 9-11)

[56] Im römischen Prozess entspricht dem Verhältnis zwischen Klage und Urteil das Verhältnis von litiscontestatio und sententia. Die formula, auf die sich die litiscontestatis im Formularprozess bezieht, soll „durch die sententia befolgt und gleichsam purifiziert werden“ (Keller, Friedrich Ludwig, Der römische Zivilprozess und Actionen, S. 344).

[57] Prozessakten sind die gesammelten und geordneten Schriftstücke, die durch die Prozessparteien oder sonstige Interessenten das gerichtliche oder behördliche Verfahren gestalten.

[58] § 76 Abs. III Satz 1: „Wird die Behauptung des Beklagten von dem Benannten als richtig anerkannt, so ist dieser berechtigt, mit Zustimmung des Beklagten an dessen Stelle den Prozeß zu übernehmen“.

§ 76 Abs. IV Satz 1: „Hat der Benannte den Prozeß übernommen, so ist der Beklagte auf seinen Antrag von der Klage zu entbinden“.

[59] Weismann, Jakob, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechtes, Bd. I, S. 9 ff.

[60] Obwohl Bülow selbst anmerkte, dass Bethmann-Hollweg (Der Civilproceß des gemeinen Rechts in geschichtlicher Entwicklung, Bd. I, S. 22 u. 102 ff.) einige Jahre zuvor bereits formuliert hatte, dass die Gesamtheit der Prozesshandlungen ein „Rechtsverhältnis organischer Natur“ bilde, welches nach einem eigentümlichen ihm innewohnenden Gesetze entstehe, sich fortschreitend entwickle und erlösche, wird er zu Recht als Urheber der Lehre vom Prozessrechtsverhältnis bezeichnet. Denn Bethmann-Hollweg hatte es unterlassen, aus der neuen Einsicht in das Wesen des Prozesses weitere Konsequenzen zu ziehen, wohingegen Bülow den praktischen Nutzen derselben erkannte und den Begriff des Prozessrechtsverhältnisses in seinen Einzelheiten entfaltete und ihn als prozessrechtlichen Grundbegriff in die Prozesstheorie einführte.

[61] Nakano, Teiichiro, Das Prozeßrechtsverhältnis, S. 99.

[62] BÜLOW, Oskar, Die Lehre von den Proceßeinreden und Proceßvoraussetzungen, S. 1.

[63] Bülow, Oskar, Die neue Prozessrechtswissenschaft und das System des Civilprozessrechts, S. 235-236.

[64] Goldschmidt, James, Prozeß als Rechtslage, S. 1.

[65] Wie Stinizing ausführlich beschrieb, versuchte die Prozesskunde in der Zeit des gemeinen Rechts lange, zunächst den Inhalt des positiven Prozessrechts selbst festzustellen, da das römisch-kanonische Prozessrecht im Gegensatz zum materiellen Zivilrecht über kein einheitliches allgemeines Gesetzbuch verfügte und infolge der gerade hier voneinander stark abweichenden Partikulargesetzgebung sehr verworren war. Erst gegen Mitte des 19. Jahrhunderts war nach Abschluss dieser Feststellungsarbeit und auch im Hinblick auf die allgemeine Tendenz zu einer einheitlichen Kodifikation des Zivilprozessrechts der Grund zur dogmatischen Verfeinerung der Prozessrechtslehre gelegt (Stinizing-Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, S. 953 ff.).

[66] Wie lautet heutzutage Teil der modernen italienischen Doktrin, seien die Begriffe des Prozessrechtsverhältnisses und der Prozessvoraussetzungen in Krise und deswegen verfallen. Derartige Auffassung lässt sich aber kaum akzeptieren. Über den Horizont der Fragestellung, ob der klassische Begriff des Prozessrechtsverhältnisses noch aktuell ist, wird die italienische „Verneinung des prozessualen Rechtsverhältnis und der Prozessvoraussetzung“ gar nicht weitergeholfen. Dazu v.a. Montesano/Arieta, Diritto processuale civile. Le disposizioni Generali, Bd. I, S. 56 u. Luiso, Francesco, Diritto processuale civile, Bd. I, S. 46.

[67] Schott, Richard, Römischer Zivilprozess und moderne Prozesswissenschaft, S. 67.

[68] Dagegen Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, S. 12.

[69] Bülow, Oskar, Die Lehre von den Proceßeinreden und Proceßvoraussetzungen, S. 1.

[70] Savigny, Friedrich Carl von, System des heutigen römischen Rechts, I – VIII.

[71] Dazu s.o. § 1, 2 u. Hegler, August, Zum Aufbau der Systematik des Zivilprozeßrechts, S. 216 ff.

[72] Bülow, Oskar, Die Lehre von den Proceßeinreden und Proceßvoraussetzungen, S. 2.

[73] Da die Selbsthilfe im Interesse des Rechtsfriedens gesetzlich verboten ist, darf sich grundsätzlich (abgesehen von den Ausnahmen der §§ 229 f, 562b, 859 BGB) niemand ihrer bedienen oder vermittels ihrer einen bürgerlich-rechtlichen Anspruch durchzusetzen versuchen. Daraus ergibt sich, dass der Staat für sich in Anspruch nimmt, das Rechtspflegemonopol inne zu haben. Darüber hinaus können Einzelne ihre Privatansprüche nur befriedigen, wenn sie den (öffentlichen) Rechtsweg beschreiten.

[74] U.a. Kohler, Josef, Der Prozess als Rechtsverhältnis, S. 2 u. Schulze, August S., Privatrecht und Process in ihrer Wechselbeziehung, S. 48-49; 287-288.

[75] Braun, Johann, Gemeines deutsches Zivilprozeβrecht, S. 18. Ders. Autor schreibt, dass die bekannteste Prozessstrafe dieser Art die missio in bona des römischen Rechts sei: „Wenn der Beklagte sich dem Prozeß nicht stellte, wurde der Kläger kurzerhand in sein Vermögen eingewiesen“ (a.a.O. S. 18-19). Das war dann das beste, was dem Kläger passieren konnte, und traf zugleich den Beklagten so empfindlich, dass er sich wohl überlegt haben wird, ob er es dahin kommen lassen, oder sich lieber an einer litis contestatio beteiligen sollte.

[76] In modernem Staat ist die „Rechtsprechende Gewalt“ nach Art. 92 GG und die richterliche Gewalt nach § 1 GVG ausschließlich Sache des Staates.

[77] Dieses Verständnis wurde von Schulze widersprochen (Schulze, August S., Privatrecht und Process in ihrer Wechselbeziehung, S. 294 ff.).

[78] Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, S. 2, 393. Noch zu klären ist, dass die Privatautonomie überhaupt nicht unbeschränkt ist. Es ist natürlich, dass die Privatautonomie, die durch Art. 2 Abs. 1 GG auch ihre Grenzen, vor allem durch die Interessen der Allgemeinheit an einem geordneten Zusammenleben in der Gemeinschaft. Die Beschränkung der privatautonomen Freiheit ist aber nicht beliebig möglich, sondern bedarf jeweils einer besonderen Rechtsfertigung.

[79] Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, S. 226.

[80] Schulze, August S., Privatrecht und Process in ihrer Wechselbeziehung, S. 48-49; 287-288.

[81] Mit selbem Argument halte Schulze im Gegensatz zu Bülows Auffassung über die Einheitlichkeit des Prozessrechtsverhältnisses (Konkursrecht, S. VIII u. 139).

[82] Der Begriff der Rechtslage (Situation) wurde durch Kohler in die Prozessrechtswissenschaft eingeführt. Kohler versteht unter Rechtslage „eine für die Rechtsbildung maßgebende Lage der rechtlichen Dinge“, ein „Element“ oder eine „Stufe“ der Entstehung oder Entwicklung eines subjektives Rechts (Vgl. Der Prozeß als Rechtsverhältnis, S. 62 ff. u. Gesammelte Beiträge zum Zivilprozeß, S. 219.).

[83] Goldschmidt, James, Prozeß als Rechtlage, S. 253 ff.

[84] A.a.O., S. 76 ff.

[85] A.a.O. S. 5.

[86] A.a.O., S. 259.

[87] Goldschmidt, James, Prozeß als Rechtlage, S. 290 ff., 353; hiervon ausgehend versuchte Niese (Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen, S. 136ff.), die Überschneidung von materiellen und prozessualen Bewertungen zu erklären. So ist z.B. der Ansicht, dass das auf rechtswidrige Weise erzwungene Erscheinen und die Anwesenheit des Beschuldigten im strafprozessualen Erkenntnisverfahren stets beachtlich seien, weil sich die materielle Rechtswidrigkeit dieser Zwangsmaßnahmen im prozessualen Raum niemals auswirken könne. Trotzdem sind seine Lösungen nicht immer einheitlich. So solle nach seiner Ansicht z.B. die Verletzung der Schweigepflicht des Arztes die Beachtlichkeit seiner Zeugenaussage im Prozess unberührt lassen, während die im Strafprozess unter Verletzung der Verschwiegenheitspflicht gemachte Aussage eines Beamten nicht verwertbar sein solle.

[88] In Japan, wo die alte deutsche ZPO fast ganz aufgenommen wurde, habe diese Prozessrechtslagetheorie von der herrschenden Meinung sie dargestellt. Vgl. hierzu Nakano, Teiichiro, Prozeßverhältnis und Prozeßhandlungen, S. 1 ff. u. ders. Das Prozeßrechtsverhältnis, S. 103.

[89] So BLOMEYER, Arwed, Zivilprozeßrecht, S. 62.

[90] Vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, S.10.

[91] So Blomeyer, Arwed, Zivilprozeßrecht, S. 62 ff. u. LÜKE, Gerhard, Betrachtungen zum Prozeßrechtsverhältnis, S. 431 ff.

[92] Die Bestimmung der Parteien, die im Rahmen des Zivilprozesses um gerichtlichen Rechtsschutz streiten, ist nach dem Zweiparteienprinzip erforderlich. Dazu Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, S. 239 ff.

[93] A.a.O., S. 235

[94] Wach, Adolf, Handbuch des deutschen Civilprozessrechts, Bd. I, S. 6.

[95] Über dieses Thema siehe v.a. die Abhandlung vom Bülow „Civilprozessualische Fiktionen und Wahrheiten“.

[96] Hellwig, Konrad, Klagrecht und Klagmöglichkeit, S. 93.

[97] Diese Konzepte bilden auch die internationale Literatur, u.a. Chiovenda, Giuseppe, Istituzioni di Diritto Processuale Civile, Bd. I, S. 234 u. Pontes de Miranda, Francisco Cavalcanti, Comentários ao Código de Processo Civil, S. 171.

[98] Allerdings kann der Beklagte auch, um sich zu verteidigen, aktiv werden. Das ist der Fall, wenn er Vorschützen mittels Einreden erhebt; sie dienen aber lediglich zur Verteidigung der Partei.

Ende der Leseprobe aus 140 Seiten

Details

Titel
Verfahrensrecht und Geschichte
Autor
Jahr
2008
Seiten
140
Katalognummer
V89787
ISBN (eBook)
9783638035392
ISBN (Buch)
9783638932042
Dateigröße
1017 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
2. erweiterte Auflage von 2009
Schlagworte
Verfahrensrecht, Geschichte
Arbeit zitieren
LL.M. Maurício Ferrão Pereira Borges (Autor:in), 2008, Verfahrensrecht und Geschichte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89787

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