Über die Möglichkeit Moral im Philosophie-Unterricht zu vermitteln


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

19 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Bildungsziele im Philosophie-Unterricht

3. Moral im Philosophie-Unterricht
3.1 Moralische Entwicklung nach Kohlberg
3.2 Vermittlung von Moral
3.2 Vermittlung von Moral

4. Schluss

Internetquellen:

Literatur:

1. Einleitung

Der römische Dichter und Philosoph Lucius Annaeus Seneca sagte vor fast 2000 Jahren: „Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir.“[1] Schule wird seit Jahrtausenden dazu benutzt, Wissen zu lehren und die Regeln einer Gesellschaft zu vermitteln. Obwohl der Sinn einer Schulbildung sein sollte, Kinder und Jugendliche auf das Leben vorzubereiten, scheint Senecas Ausspruch bis heute Gültigkeit zu besitzen. In der folgenden Arbeit soll untersucht werden, ob im Philosophie-Unterricht moralische Grundwerte so vermittelt werden können, dass sie einen Einfluss auf das tägliche Dasein des Schülers nehmen.

Der Begriff Bildung hat dabei eine große Bedeutung. Nicht nur die Spezifizierung der Schulbildung, sondern auch die Bildung, die ein Individuum zur Partizipation in einer Gesellschaft formt, spielt im Leben Heranwachsender eine zentrale Rolle. Interessant ist, welche Möglichkeiten dabei der Philosophie-Unterricht hat. Philosophie war ursprünglich dazu gedacht, ethische Grundwerte heraus zu kristallisieren, weswegen der Gedanke nahe liegt, dass die Auseinandersetzung dieser Werte im Philosophie-Unterricht eine Rolle spielen sollte.

Aus diesem Grund soll in dieser Arbeit neben einer Definition von Bildung und Schulbildung, sowie der Vorstellung des Modells der moralischen Entwicklung nach Kohlberg, auch verschiedene methodische Möglichkeiten genannt werden, welche die Auseinandersetzung mit ethischen Legitimitäten unterstützen. Abschließend soll dann ein Vorschlag zur Gestaltung einer Unterrichtseinheit zum Thema Tugend und Moral mit einigen Textbeispielen abgerundet werden. All diesen Untersuchungen liegt die These zugrunde, dass im Fach Philosophie moralische Werte so vermittelt werden können, dass sie Einfluss auf die Lebenswelt des Schülers nehmen.

2. Bildungsziele im Philosophie-Unterricht

Den entscheidenden Durchbruch der Bildung als Grundbegriff der deutschen Pädagogik brachte Wilhelm von Humboldt (1767-1835). Nach der Französischen Revolution und ihren Auswirkungen suchte Humboldt eine Antwort auf die Frage, wie menschliche Ordnung in der Zukunft aufrechterhalten werden könne. Seine Antwort „Nur indem der Mensch als Individuum zu sich selbst findet“[2] basiert auf Kants Ansicht bezüglich des Menschen als Endzweck, auf Rousseaus Grundlage, dass der Mensch frei geboren werde und als Freier einen Sozialkontrakt schließt und auf der Einsicht „Nur in sich ruhende, gebildete Menschen besitzen die Kraft, geistige und gesellschaftliche Unsicherheit zu ertragen.“[3] Auf dieser Grundlage bemühte sich Humboldt, eine Allgemeinbildung für alle durchzusetzen.

Da Bildung eine Vokabel mit sehr komplexer Bedeutung ist, kann man eine Definition am besten beginnen, indem man sich dem Begriff Bildung von verschiedenen Eckpunkten her nähert. Betrachtet man die historische Entwicklung von Schule, wird deutlich, dass Bildung ursprünglich und über einen langen Zeitraum hinweg als Erwerb von Wissen und Fähigkeiten galt, die im herrschenden Gesellschaftssystem von Nutzen waren.[4] Und doch haben mehrere bedeutende Philosophen von der Antike, über die Aufklärung und den Humanismus bis hin zur Neuzeit den Begriff von Bildung erweitert. Bildung ist, unter anderem nach Sokrates[5] und Rousseau[6], nicht die wahllose Anhäufung von Fakten, sondern das auf eigenen Erkenntnissen beruhende und verstandene Wissen. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass Wissen sich stets an der Praxis orientiert, also nicht zu abstrakt wird, da nur so der Schüler zu eigenen Erkenntnissen gelangen und die Kenntnis auch der Gesellschaft nützen kann, in welcher sich der Lernende schließlich zurechtfinden muss.

Um die Definition von Bildung nun zu konkretisieren, werden einige Aspekte aufgezählt, die untrennbar mit diesem Begriff verbunden sind. Es wurde schon erläutert, dass Bildung mehr ist als der reine Wissenserwerb. Neben dem Wissen gehört zu einer angemessenen Bildung auch die Befähigung mit diesem umzugehen. Bildung beinhaltet also sowohl Wissen als auch die Bewertung desselben. Dabei muss gerade in der Schule darauf geachtet werden, dass vom Schüler nicht einfach das Wertesystem des Lehrers übernommen wird, sondern der Lehrer ihn in die Lage versetzt, selbst begründete Wertungen zu vollziehen und den Schüler so auf den Weg zur selbstverantwortlichen Mündigkeit führt.[7] Dadurch ist auch sichergestellt, dass sich die Art der Bildung nicht jedes Mal ändert, wenn eine neue Regierung gewählt wird, denn sie muss unabhängig vom herrschenden Wertesystem sein. Damit wäre ein zweiter wichtiger Aspekt von Bildung genannt worden: sie muss unabhängig sein. Bildung, die den Anspruch als solche erhebt, darf besonders in der Schule nicht von politischen Situationen, den lehrenden Personen oder dem gesellschaftlichen Umfeld beeinflusst werden, sondern muss ohne jede Einflussnahme vermittelt werden. Das heißt, dass auch verschiedene, einander widersprechende aktuelle Theorien vorgestellt und untersucht werden können und dem Schüler die Möglichkeit gewährt werden sollte, sich selbst eine Meinung zu bilden und diese mit anderen zu diskutieren.

Der Oberbegriff Bildung kann wie aufgezeigt in drei Bereiche unterteilt werden. Zum einen Wissen, das nicht auf der puren Aneignung von Fakten beruht, sondern so erfahren, verstanden und durchdacht wurde, dass es dem Individuum und der Gesellschaft von Nutzen ist. Des Weiteren die Fähigkeit sich selbst Wissen anzueignen; selbsttätig zu werden, indem man Fragen stellt, Antworten auf Fragen sucht und Phänomene erforscht. Als letztes die Reife, mit diesem Wissen umzugehen, eigene Wertmaßstäbe zu finden und zu verifizieren, außerdem die Befähigung begründete Wertungen durchzuführen.

Dies zeigt sich auch in der Bewegung der Aufklärung, die versuchte die Lehrpraxis zu revolutionieren. Dabei spielte der Leitspruch der Aufklärung, der von Kant geprägt wurde, Sapere aude! eine große Rolle. Die gängigste Übersetzung lautet Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!, wörtlich könnte man es aber auch mit Riskiere zu verstehen! übersetzen. Damit wird deutlich, dass die Aufklärer Wert darauf legten, dass Wissen verstanden, verinnerlicht, geprüft und kritisch betrachtet wurde und sogar gegen Widerstände zu diesem Wissen aufforderten.

Kant stellt fest: „Eltern erziehen ihre Kinder nur so, daß sie in die gegenwärtige Welt, sei sie auch verderbt, passen. Sie sollten sie aber besser erziehen, damit ein zukünftiger besserer Zustand dadurch hervorgebracht werde.“[8] In seiner Abhandlung über Pädagogik erklärt Kant, dass der Mensch nur durch die Erziehung zum Menschen werden kann. „Er ist nichts, als was die Erziehung aus ihm macht.“[9] Dabei spricht er vier Aspekte an, welche die Bildung erreichen soll: die Disziplinierung, die Kultivierung, die Zivilisierung und die Moralisierung, wobei die letzte seiner Meinung nach zu wenig beachtet wird.[10]

Wie unendlich wichtig ist es aber nicht, die Kinder von Jugend auf das Laster verabscheuen zu lehren, nicht gerade allein aus dem Grunde, weil Gott es verboten hat, sondern weil es in sich selbst verabscheuungswürdig ist! Sonst nämlich kommen sie leicht auf die Gedanken, daß sie es wohl immer würden ausüben können, und daß es übrigens wohl würde erlaubt sein, wenn Gott es nur nicht verboten hätte, und daß Gott daher wohl einmal eine Ausnahme machen könne. Gott ist das heiligste Wesen und will nur das, was gut ist, und verlangt, dass wir die Tugend ihres inneren Werthes wegen ausüben sollen und nicht deswegen, weil er es verlangt.[11]

An der Wahrhaftigkeit dieser Forderungen hat sich seit dem Erscheinen Anfang des 19. Jahrhunderts nicht viel geändert. Zwar wird heute selten Gott sondern vielmehr das Gesetz als oberste Instanz herangezogen, aber die Gefahren werden dadurch eher noch mehr, denn der Mensch kann sich irren. Einem solchen Irrtum blind und unreflektiert zu folgen, kann zu erschreckenden und unerwarteten Konsequenzen führen, wie die Zeit des Nationalsozialismus leider zu deutlich gezeigt hat. Deswegen ist es wichtig, Kindern und Jugendlichen von klein auf zu vermitteln, dass sie nur den Gesetzen gehorsam sind, denen sie aus Einsicht folgen. Ver- und Gebote sollten wegen ihres Wertes befolgt werden und nicht aus Gehorsam. Dies hat zur Folge, dass die Lehrenden und Erzieher mit den Heranwachsenden Anordnungen von vielen verschiedenen Gesichtspunkten aus durchsprechen müssen, bis alle Fragen geklärt sind. Außerdem werden diese so immer auf ihre Aktualität und Allgemeingültigkeit hin überprüft.

Blickt man auf die Geschichte, so stellt sich die Frage, wie nach den hohen Ansprüchen, die Kant, Rousseau und weitere Vertreter der Aufklärung an die Bildung gestellt haben, in einem Land wie Deutschland, dass der Meinung war, distinguiert zu sein, eine Massenvernichtung wie während des Holocausts stattfinden konnte. Bei Adorno lesen wir „Mit dem Mord an Millionen durch Verwaltung ist der Tod zu etwas geworden, was so noch nie zu fürchten war“[12].

Wie konnte so etwas passieren, obwohl sich das deutsche Volk doch gerade zu dieser Zeit als sehr kultiviert und gebildet empfand? Bildung wurde als Statussymbol gesehen, nicht als Werkzeug zur Moralisierung. Die Forderung der Aufklärung Sapere aude! ging völlig unter. Wissen und Bildung waren ein Attribut, durch das man seine Stellung innerhalb der Gesellschaft kundtun konnte. Dies war ein Überbleibsel der früheren Ständegesellschaft, in welcher Bildung ein Privileg der höheren Schichten war. Aber Bildung im Sinne der Aufklärung und im hier geforderten Format bedeutet nicht, möglichst viele Sprachen zu sprechen und in der Lage zu sein eine Kurvendiskussion durchzuführen. Obwohl die Vermittlung dieses Wissens sicher wichtig ist, damit die nächste Generation darauf aufbauen kann. Es bedeutet auch nicht, so zu antworten, wie Höhergestellte es von einem erwarten mögen.[13] Die Forderung an die Bildung lautet, junge Menschen zu erziehen, damit sie in der Lage sind, ihre eigenen Entscheidungen, Wertungen und Gebote und die anderer Menschen mit dem Verstand, der Logik und der Moral zu prüfen, ob sie als Handlungsmaximen zulässig sind und gegebenenfalls aktiv zu werden und diese zu revidieren. Außerdem sollte Bildung Heranwachsende zu Toleranz auffordern und sie deren Sinn lehren, sowie bei der Menschwerdung unterstützen.

[...]


[1] http://www.zit.at/show_name.php3?name=646, abgerufen am 20.10.2006 um 15.43h.

[2] http://www.didaktik.uni-jena.de/did_04/humboldt.htm, abgerufen am 21.10.2006 um 20.07h.

[3] http://www.didaktik.uni-jena.de/did_04/humboldt.htm, abgerufen am 21.10.2006 um 20.07h.

[4] Vgl. Hellinge, Barbara; Jourdan, Manfred & Maier-Hein, Hubertus: Kleine Pädagogik der Antike. Erziehungskonzeptionen und Praxis Band 1 (Hrsg. Gerd-Bodo Reinert). Frankfurt am Main 1984, S. 11 ff.

[5] Vgl. Hellinge u. a., Antike, S. 53 ff.

[6] Rousseau, Jean-Jacques: Emil oder Über die Erziehung. UTB, Schöningh 1998, S. 100.

[7] Vgl. Geister, Oliver: Schule im Umbruch. Zum Problem der Werteerziehung und des Ethikunterrichts in Zeiten der Postmoderne. Münster 2002, S. 71 f.

[8] Kant, Immanuel: Über Pädagogik. in: Kants Werke. Akademie-Textausgabe. Unveränderter photomechanischer Abdruck des Textes der von der Preußischen Akademie der Wissenschaften 1902 begonnenen Ausgabe von Kants gesammelten Schriften. Band IX.: Logik, Physische Geographie, Pädagogik. Berlin 1968, S. 447.

[9] Kant, Pädagogik, in: Kants Werke, Band IX, S. 443.

[10] Kant, Pädagogik, in: Kants Werke, Band IX., S. 449 f.

[11] Kant, Pädagogik, in: Kants Werke, Band IX., S. 450 f.

[12] Adorno, Theodor W.: Negative Didaktik. in: Tiedemann, Rolf (Hrsg.): Theodor W. Adorno. Gesammelte Schriften Band 6. Franfurt am Main 1984, S. 354 f.

[13] Vgl. Reitemeyer, Ursula: Ist Bildung lehrbar? Münster 2003, S. 13 ff.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Über die Möglichkeit Moral im Philosophie-Unterricht zu vermitteln
Hochschule
Universität Münster  (Philosophisches Seminar)
Veranstaltung
Lehren und Lernen der Philosophie
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
19
Katalognummer
V89677
ISBN (eBook)
9783638037976
ISBN (Buch)
9783638935029
Dateigröße
439 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Möglichkeit, Moral, Philosophie-Unterricht, Lehren, Lernen, Philosophie
Arbeit zitieren
Bettina Meyer (Autor:in), 2007, Über die Möglichkeit Moral im Philosophie-Unterricht zu vermitteln, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89677

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