Reformpädagogik 1900 - Jugendbewegung und Bildung am Beispiel von Waldorfsschulen


Seminararbeit, 2007

13 Seiten, Note: 12,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Die Anfänge der Reformpädagogik
2.1. Was steckt hinter den Waldorfschulen? Konzept und Praxis
2.2. Zusammenhänge von Jugendbewegung und Reformpädagogik
2.3. Bildung heute – Was von der Utopie übrig blieb

3. Fazit

4. Literatur

1. Einführung

PISA hat es gezeigt, Bildungspolitiker haben es vernommen und mit der Stimme der Entrüstung, die kaum zu überhören ist, schreit Deutschland in die Welt hinaus: Es muss etwas passieren. So geht es nicht weiter. Wir brauchen eine Reform unseres Bildungssystems.

Doch was da scheint wie eine neue, geradezu fantastische Idee, ist in Wahrheit eine Reproduktion dessen, was das deutsche Bildungswesen bereits 100 Jahre zuvor erlebte.

1900 ist das Geburtsjahr der Reformpädagogik Deutschlands. Das kommende Jahrhundert ist, des Buchtitels von Ellen Key zufolge „Das Jahrhundert des Kindes“ und soll dazu bestimmt sein dem Kind selbst die freie Entwicklung zu überlassen und es nicht in vorgefertigte Konzepte zu pressen.

Im Zuge der herrscheden Lebensreform, resultierend aus dem „fin de siecle“, kann sich auch das alt hergebrachte Bildungssystem dem Reiz des Neuen nicht verschließen. Traditionen werden in Frage gestellt, Statuten überdacht und es wird immer klarer: Das Ziel ist nicht mehr nur die Bildung allein. Vielmehr steht die Formung von Individuen im Vordergrund. Das bloße Lehren und Lernen kann und soll nicht mehr vorherrschend sein. Die Schüler sollen zu guten Menschen erzogen werden und nicht für die Schule sondern für das Leben unterrichtet werden. Es bilden sich in dieser Zeit die Kernbegriffe von Erziehung und Sozialisation heraus und werden immer mehr zum Innbegriff der angestrebten Bildung im frühen 20. Jahrhundert.

Eine Wunschvorstellung von einem einheitlichen Schulsystem, das den Anforderungen von interlektueller und sozialer Bildung in gleichem Maße nachkommt und für jedermann, ungeachtet dessen sozialer Herkunft zugänglich ist, wird geboren.

Als Exikutive kristalisieren sich in dieser Entwicklungsphase einer neuen Reformpädagogik die Vorstellungen Rudolf Steiners heraus.

Im folgenden werde ich mich mit der Pädagogik Rudolf Steiners und der Waldorfschule näher befassen und mich der Frage zuwenden, wie realistisch eine derartige Utopie ist und ob sie in Hinblick auf die damalige und heutige Gesellschaft überahaupt als erstrebenswert angesehen werden kann.

Dabei befasse ich mich insbesondere mit den Zusammenhängen von Reformpädagogik und Jugendbewegung um 1900 und werde gleichsam das heutige Bildungssystem der Bundesrepublik Deutschland mit einbeziehen.

Schließen werde ich mit einem Fazit.

2. Die Anfänge der Reformpädagogik

2.1. Was steckt hinter den Waldorfschulen? Konzept und Praxis

Zunächst einmal muss geklärt werden, was überhaupt mit „Reformpädagogik“ gemeint ist, bevor ich mich im folgenden genauer mit dem Phänomen Waldorschule auseinandersetzte.

Unter Reformpädagogik wird die Bewegung zur Veränderung des Schulsystems am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zusammengefasst, die eine Neuerung von Schule, Unterricht und Erziehung beinhaltete. In ihrem Kern stand diese Bewegung im krassen Gegensatz zu der bis dahin herrschenden „Paukschule“. Wichtige Maximen der Reforpädagogik stellten die Selbsttändigkeit der Schüler sowie das freie Gespräch und das Lernen duch Handeln dar.

Als Rudolf Steiner im Jahre 1919 die erste Waldorfschule in Stuttgart gründete stützte er sich auf eben jene noch immer andauernde Reformbewegung. Bereits 1907 hatte er in seinem Werk „Die Erziehung des Menschen vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft“ Gedanken zur Reformpädagogik und Anthroposophie veröffentlicht, jedoch keine Erfolge damit erzielen können. Den Begriff „Anthroposophie“ erschuff Steiner hierbei selber. Unter diesem Begriff verstand Steiner einerseits eine umfassende Betrachtung des Menschen und der Welt, andererseits aber auch eine Erkenntnislehre und eine „wissenschaftliche“ Methode zur Erforschung des Metaphysischen, die zu einer eigenständigen, nicht durch andere Personen gestörten, Forschung anleiten soll. „Steiner definiert Anthroposophie als einen „Erkenntnisweg, der das Geistige im Menschenwesen zum Gesitigen im Weltall führen möchte“ (Steiner, Anthropos. Leitsätze S.14)“[1]

Hierbei steht das Spirituelle und die okkulte Weltanschauung im Vordergrund der praktizierten Pädagogik[2][3].

Der Begriff der Anthroposophie bildet den Kern der noch heute praktizierten Waldorfpädagogik, die ich nun eingehender untersuchen möchte:

Wie bereits erwähnt nutzt Rudolf Steiner die Anthroposophie als Grundlage und Grundkonzept zur Gründung der ersten Waldorschule in Stuttgart. Dabei liegt es in Steiners Interesse, die Pädagogik nicht mehr länger von der Gesellschaftsrelevanz her zu definieren sondern vielmehr an den Ansprüchen der kindlichen Entfaltung fest zu machen. Die Bestimmung dieser Anforderungen erfolgt jedoch wiederrum durch seine anthroposphorischen Denkweisen. Im Vordergrund stehen hierbei die Drei- und Viergliedrigkeit des Menschen.

1917 beschreibt Steiner in seiner Schrift „Von Seelenrätseln“ zunächst die „drei Grundfunktionen des Seelischen: Denken, Fühlen und Wollen“, denen er dann drei Körperregionen zuordnet. Anknüpfend hieran kennzeichnet er 1921 die Viergliedrigkeit „des Menschenwesens in physischen Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich in getreuer Entsprechung zu den vier Stufen der Erkenntnis“.[4] Aus diesen beiden Grundlagen ergibt sich folgerichtig das didaktische Prinzipt der Waldorfschulen, dass eine gleichberechtigte Förderung der intellektuell-kognitiven („Denken“), der künstlerisch-kreativen („Fühlen“) und der handwerklich-praktischen („Wollen“) Fähigkeiten der Schüler beinhaltet, so dass hier ein deutlich höheres Angebot an handwerklichen und künstlerischen Fächern entsteht, als dies an den Regelschulen der Fall ist. Zu dem soll dieser künstlerische Aspekt in jedem Unterricht Verwendung finden.[5]

Charakteristisch für die Waldorfschulen ist die freie Trägerschaft, die sie als staatlich genehmigte Ersatzschule auszeichnet sowie das zwölfklassige Schulsystem ohne Sitzenbleiben, dass zu einem Abschluss führt (Waldorfschulabschluss). Wie bereits erwähnt orientiert sich der Lehrplan der Waldorschulen vorwiegend an dem anthroposophischen Konzept seines Begründers. Dies wirkt sich gleichermaßen auf die Unterrichtsmethoden aus, welche sich an den Entwicklungsgang der Schüler anpasst. Interessant ist, dass in den Jahrgangsstufen Eins bis Acht, der Lehrer maßgeblich die Funktion eines Erziehers einnimmt.[6]

Der Unterricht an Waldorfschulen erfolgt im Klassenverband im Haupt- und Fachunterricht. Im Hauptunterricht unterrichtet der Klassenlehrer jene Fächer, die Sachgebiete beinhalten, die geschlossen behandelt werden können. Dazu gehören Mathematik, Deutsch, Geschichte und die Naturwissenschaften. Die übrigen Fächer werden im Fachunterricht von Fachlehren unterrichtet. Dazu gehören Musik, Religion, Kunst, Sport und Fremdsprachen, da diese einer fortwährenden Übung bedürfen.[7]

[...]


[1] Ullrich, H. (1986): Waldorfpädagogik und okkulte Weltanschauung. München: Juventa, S.77.

[2] Vgl. Prange, K.(1987): Erziehung zur Anthroposophie. Darstellung und Kritik der Waldorfpädagogik, 2.Aufl., Heilbrunn: Klinkhardt.

[3] http://www.anthroposophie.net/ 10.09.2007

[4] Vgl.Ullrich, H. (1986): Waldorfpädagogik und okkulte Weltanschauung. München: Juventa, S. 87.

[5] Vgl.Leber, S. (1996): Die Pädagogik der Waldorfschule und ihre Grundlagen, 4. Aufl., Darmstadt: Wiss.

Buchges.

[6] Vgl. Ullrich, H. (1986): Waldorfpädagogik und okkulte Weltanschauung. München: Juventa, S. 17.

[7] http://www.waldorfschule.info/go/waldorfpaedagogik/ 10.09.2007

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Reformpädagogik 1900 - Jugendbewegung und Bildung am Beispiel von Waldorfsschulen
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Jahrhundertwende 1900 – Gesellschaft im Umbruch
Note
12,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
13
Katalognummer
V89594
ISBN (eBook)
9783638040549
Dateigröße
404 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Reformpädagogik, Jugendbewegung, Bildung, Beispiel, Waldorfsschulen, Jahrhundertwende, Gesellschaft, Umbruch
Arbeit zitieren
Julia Kriebel (Autor:in), 2007, Reformpädagogik 1900 - Jugendbewegung und Bildung am Beispiel von Waldorfsschulen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89594

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