Jugoslawien - Ein gescheiterter Staat


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Definitiv kein Jugoslawien mehr

2. Ursachen in der Historie
2.1. Die erste Phase
2.1.1. Die Jugoslawische Idee und ihr Verwirklichung
2.1.2. Das erste Jugoslawien und sein Niedergang
2.2. Die zweite Phase
2.1.1. Die Tschetniks
2.1.2. Die Ustascha
2.1.3. Titos Jugoslawien
2.1.3.1. Wiederkehrende Konfliktlinie Föderalismus vs. Zentralismus
2.1.3.2. Wiederkehrender Nationalismus und Wirtschaftskonflikt
2.1.3.3. JVA als dritte Staatsmacht?
2.1.3.4. Wirtschaftskrise als trennender Faktor

3. Milošević und serbischer Hegemonismus
3.1. Analyse des Politikers Milošević
3.2. Milošević und der Abriß des jugoslawischen Hauses
3.3. Reaktion von Slowenien und Kroatien

4. Jugoslawien- ein gescheitertes Modell

Quellenverzeichnis:

1. Definitiv kein Jugoslawien mehr

Durch das „Belgrader Abkommen“ vom 14.März 2002 verschwindet der Rest einer Idee: Jugoslawien. Entstehen wird ein neues Kunstgebilde namens „Serbien und Montenegro“ mit einem eindeutig eingeräumten Recht auf Sezession. Auch heute kann man nur staunend auf die Entwicklungen der letzten 13 Jahre zurückschauen und sich fragen: Wie konnte all das passieren?

Vieles ist gesagt und geschrieben worden über die möglichen Kriegs- und Konfliktursachen der Balkankriege der 90iger Jahre. Es wird hierbei aber nicht so sehr ein Ethnienkonflikt betont, sondern das Hauptaugenmerk auf einem chauvinistischen Nationalismus gerichtet, welcher sich zumeist über die Konfliktlinien Zentralismus vs. Föderalismus austrug. Dabei interessiert eben mehr die Akteursebene. Beginnend mit der Entstehungsgeschichte des ersten Jugoslawien bis zum Ende des zweiten, soll dieser Konflikt, welcher sich auch stets im Staatsaufbau widerspiegelt, belegt werden. Dabei fällt den Personen Tito und Milošević eine besondere Rolle zu, welche ebenfalls genauer betrachtet werden müssen. Es spricht doch einiges für die These, das wenn nicht Milošević an die Macht erreicht hätte, so manches anders gelaufen wäre. Diese Arbeit geht nicht von einer historischen Zwangsläufigkeit des Scheiterns des Jugoslawischen Modells aus. Dennoch lassen sich die späteren Entwicklungen nur annähernd verstehen, wenn man auch den Anfang dieser unseligen Geschichte kennt.

2. Ursachen in der Historie

Da diese Historie zwar interessant, zugleich aber auch äußerst komplex ist, beschränkt sich die Darstellung auf das zwanzigste Jahrhundert sowie auf einzelne kritische Aspekte. Obwohl eines zum Vorverständnis elementar ist. Als Kaiser Theodosius im Jahre 395 n. Chr. die Grenze zog, die den Ost- und den Westteil seines Reiches voneinander schied, verlief die Linie von Norden nach Süden mitten durch Jugoslawien. Im Osten, aus dem Byzanz und später das Ottomanische Reich entstanden, waren die heutigen Serben, Makedonier, Montenegriner und Albaner, die zunächst dem orthodoxen Christentum zugehörten und später zum Teil islamisiert wurden. Im Westen verblieben die heutigen Kroaten und Slowenen, die einen Teil der lateinisch-katholischen Christenheit bildeten und später dem Habsburgischen Reich zugehörten. Dabei hat sich der Begriff des europäischen St. Andreasgraben eingebürgert. In der Tat wird der erste Teil der Arbeit bewusst auf diese ethnische und religiöse Bruchstelle eingehen, um zu zeigen, dass sich hier der Konflikt um Hegemonie, Nationalismus sowie der permanente Kampf um Zentralismus oder Föderalismus austrugen. Die Idee eines Jugoslawiens verstanden als “Kitt” reichte nicht aus und versagte erneut zu Beginn der 90iger Jahre.

Drei große Umbruchphasen lassen sich nach Franz Ronneberger ausmachen[1]: Die erste beginnt mit dem Kriegsende 1918 und endet mit dem zweiten Weltkrieg 1945. Die zweite Phase ließe sich auch als die Sowjetphase bezeichnen und findet seinen Ausgang mit Beginn der 90iger Jahre. Gegenwärtig befindet sich speziell das ehemalige Jugoslawien in seinem dritten Umbruch, welcher gegenwärtig noch andauert. Erleichternd darf man am Anfang des neuen Jahres 2003 festhalten, dass der Ausgang dieser Etappe nun nicht mehr so düster wirkt als noch in den Jahren `93, `95 oder `99. Dies sei nur gesagt, um einmal die positiven Errungenschaften des Balkans zu würdigen. Schließlich hat die Demokratisierung mit Auslieferung Milosevics an das Den Haager Tribunal auch das letzte Land auf dem Balkan zaghaft erreicht. Vielleicht könnte man nun von einer vierten, einer europäischen Phase des Balkans sprechen.

Zunächst soll auf den Prozess der ersten Staatsgründung eingegangen werden, denn dabei lassen sich Konfliktlinien erkennen, die wichtig für das Verständnis des Zerfalls des zweiten Jugoslawiens sind.

2.1. Die erste Phase

2.1.1. Die Jugoslawische Idee und ihr Verwirklichung

Die Jugoslawische Idee entstand in Kroatien am Anfang des 19. Jahrhunderts, ohne größere Resonanz allerdings. Zwar gab es eine Phase der Annäherung zwischen Serben und Kroaten, „aber die nationale serbische Bewegung war in ihrem Charakter nach nie eine integrierende südslawische Bewegung gewesen, sondern hatte eine eher expansive und großserbische Ausrichtung“[2]. Trotzdem gewann die südslawische Idee zu Beginn der Jahrhundertwende an Aktualität, da sich Bestrebungen zu einer Magyarisierung und Germanisierung entwickelten und diese schließlich zu einer antihabsburgischen Stimmung in Kroatien führten. Der Grund für die gestiegene Popularität der Serben in Kroatien erklärt sich eher in äußeren Zwängen als durch gegenseitige Liebe.

Von der Geburt der Idee bis zur Verwirklichung war es aber noch ein weiter Weg. Durch das Attentat von Gavrilo Princip, einem jungen Bosnier mit Mitgliedschaft in der Organisation „Zusammenschluss oder Tod“[3], auf Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau, kam es zum Ausbruch des ersten Weltkrieges. Serbien hatte zunächst große Verluste zu verkraften und schuf eine Exilregierung auf der griechischen Insel Korfu. Ministerpräsident Pašić verfolgte stets nur ein Ziel: „Nach Beendigung des Krieges wollte

Pašić die Gründung eines zentralistisch orientierten, orthodoxen Staates unter der Führung der Dynastie der Karađorđevićs durchsetzen. Schon im September 1914 hatte die serbische Regierung gegenüber den Alliierten den Wusch geäußert, einen mächtigen südslawischen Staat zu gründen, der alle Serben, Kroaten und Slowenen umfassen sollte.“ Treffend stellt Monnesland fest: „Wenn von Seiten Serbiens von der Befreiung der Südslawen die Rede war, so war damit primär die Sammlung aller Serben, dann erst, falls es die Verhältnisse ermöglichten, die Involvierung der Kroaten und Slowenen in eine große Lösung, gemeint“.[4] Die Agitation Pašićs für ein Großserbien ging soweit, dass serbische Wissenschaftler beweisen mussten, „dass Serben und Kroaten eine einzige Nation seien“[5].

Auf der anderen Seite mussten die Anhänger der südslawischen Idee innerhalb der Donaumonarchie sich entscheiden: Entweder gegen ihre”Brüder“ kämpfen oder ins Ausland fliehen[6]. So entstand das südslawische Komitee aus ca. zwanzig Exilpolitikern, welche sich durch eine extensive Informationspolitik für die Vereinigung aller Südslawen einsetzte. Zwar war das Komitee an einer Zusammenarbeit mit Serbien interessiert, lehnte aber die Bedingungen Pašićs ab. Die Anführer Trumbić und Supilo verurteilten die Expansionspolitik Serbiens und vertraten die Auffassung, „dass es sich bei den Südslawen de facto um drei unterschiedliche Volksgruppen eines Volksstammes handle, die gleichberechtigt und auf der Basis des Selbstbestimmungsrechtes der einzelnen Nationen einen Staat gründen sollten, (…)[7]. Erwähnenswert dabei ist, dass die Slowenen nicht vertreten waren und eher für eine Autonomie innerhalb Österreichs kämpften.

Zu Beginn war das südslawische Komitee bedeutungslos, was sich durch das Bekannt werden des Londoner Abkommens und dem Sturz des russischen Zaren im März 1917 schlagartig änderte. Serbien verlor einen starken Partner und Kroatien und Slowenien waren durch die Gebietsansprüche Italiens bedroht. So kam es zur Deklaration von Korfu, indem Serbien und das südslawische Komitee bekräftigten, einen gemeinsamen Staat gründen zu wollen. Es gab jedoch Streit darüber, ob dieser Staat zentralistisch (Pašić) oder föderal (Trumbić) aufgebaut sein soll. So entschloss man sich zu folgendem Kompromiss: „Der Staat sollte als konstitutionelle Monarchie organisiert werden, die von der Karađorđevićs- Dynastie angeführt würde. Man erstrebte eine konstituierende Versammlung auf der Basis des allgemeinen Stimmrechts, welche dem Staat eine Verfassung gäbe. Da die Serben die Mehrheit bildeten, würden sie die Möglichkeit haben, die Wahl der Staatsführung wesentlich zu beeinflussen“[8]. Weiter wurde betont, dass die Kroaten, Serben, und Slowenen ein Volk gemeinsamen Blutes und gemeinsamer Sprache seien, sowohl die die mündliche als auch die schriftliche Sprache betreffend. Monnesland fasst dies so zusammen: „Dennoch bedeutet das die Gleichstellung zweier Alphabete, dreier Nationsbezeichnungen, dreier Religionen, dreier Fahnen“[9].

Man darf dabei nicht die südslawischen Politiker innerhalb des Habsburger Reiches vergessen. Ihr Primärziel war stets die Erlangung der eigenen Autonomie. Verhandlungen mit Serbien sollten erst danach erfolgen. Nach dem Tode Franz Josefs I. berief sein Nachfolger Kaiser Karl I. den Reichsrat wieder ein. Der Südslawische Klub, bestehend aus 37 Repräsentanten, erklärte dann Mitte 1917: „Auf Grundlage des Nationalitätenprinzips sowie des historischen kroatischen Staatsrechts verlangen wir die Vereinigung aller Länder innerhalb der Monarchie, die von Slowenen, Kroaten oder Serben bewohnt werden, in einer geeinten autonomen politischen Einheit, frei von jeder Fremdherrschaft, auf der demokratischer Basis unter dem Zepter der habsburgischen Dynastie.“[10] Durch den Eintritt der USA in den Krieg sowie Wilsons Erklärung vom Sommer 1918, die Anerkennung Jugoslawiens sei eine Voraussetzung für weitere Verhandlungen, bildete sich der sog. Nationalrat der Slowenen, Kroaten und Serben. Dieser gab dem südslawischen Komitee die Befugnis, bei internationalen Anlässen eine offizielle Funktion auszuüben. Somit wurde das Komitee nachträglich legitimiert.

Am 16.Oktober 1918 gab die Regierung in Wien endlich ihre Zustimmung zu den Autonomiebestrebungen, was jedoch belanglos war, da zwei Tage später Wilson seine Unterstützung für die Unabhängigkeitsbestrebungen signalisierte. Das einzigste Problem stellte nun Italien dar. „Die Italiener begannen im Oktober 1918 mit der Annexion der ihnen im Londoner Abkommen versprochenen Gebiete.“ Da die Alliierten starkem italienischen Druck ausgesetzt waren, zögerten sie mit der Anerkennung des neuen Staates. Der Nationalrat in Zagreb sah sich gezwungen, wegen der einsetzenden italienischen Annexion die Serben um Hilfe zu bitten.“[11] Letztendlich war dies der Grund der die Kroaten und vor allem die Slowenen dazu veranlasste, direkt an den Prinzregenten Aleksandar mit der Bitte um die Übernahme der Führung des südslawischen Staates heranzutreten. Am 1. Dezember bestätigte der Prinzregent die Errichtung des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS). Zuvor schlossen sich die Vojvodina und Montenegro Serbien an, wobei letzteres durch eine merkwürdige Wahl unter serbisch-militärischer Aufsicht zustande kam. Eben zeigt sich deutlich, dass die Vereinigung aufgrund äußerer Bedrohung zustande kam und nicht aus eigenem Wunsch. Durch Abbildung 1 wird zudem deutlich wie extrem gemischt die einzelnen Ethnien sind. In Abbildung 2 wird das Bild durch die einzelnen Religionszugehörigkeiten komplimentiert. Abbildung 3 zeigt dann das neue Königreich.

2.1.2. Das erste Jugoslawien und sein Niedergang

Die Geschichte der Entstehung des Königreichs der SHS verdeutlicht die Ursachen der Probleme des neuen Staates. Nachdem in der Deklaration von Korfu nur die Äußere, nicht aber die Innere Architektur des Staates bestimmt wurde, musste sich der Konflikt zwischen Föderalismus (Kroatien, Slowenien) und Zentralismus (Serbien) anbahnen. Davon Abgrenzen sollte man noch den Begriff Unitarismus. „Die Bestrebungen der Zentralisten waren auf eine starke Mitte ausgerichtet, ohne lokale Selbstverwaltung, wobei es für sie selbstverständlich war, dass die Serben die Führung übernehmen würden. Die Ideologie des Unitarismus basierte auf der Einheit des jugoslawischen Volkes. Um diese zu erreichen, willigten auch die Unitaristen in einen zentralistisch regierten Staat ein.“[12]

[...]


[1] Ronneberger; München 1991; S.26

[2] Monnesland; Klagenfurt/Celovec 1997; S.191

[3] Anmerkung: auch besser bekannt als die „schwarze Hand“; wurde vom Nachrichtendienst im serbischen Generalstab mitorganisiert

[4] Monnesland; Klagenfurt/Celovec 1997; S.195

[5] ebenda

[6] Anm.: Interessanterweise kämpfte Josip Broz (Tito) in den ersten Kriegsmonaten gegen die Serben an der Dinarfront; etwas dass aus seiner Biographie gänzlich gestrichen wurde.

[7] Monnesland; Klagenfurt/Celovec 1997; S.197

[8] Monnesland; Klagenfurt/Celovec 1997; S.199

[9] ebenda

[10] ebenda

[11] Monnesland; Klagenfurt/Celovec 1997; S.202

[12] ebenda; S. 211

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Jugoslawien - Ein gescheiterter Staat
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Geschwister Scholl Institut)
Veranstaltung
Der Balkan nach der Krise: Peace Keeping, Stabilität, Demokratie
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
25
Katalognummer
V89590
ISBN (eBook)
9783638040518
ISBN (Buch)
9783640972340
Dateigröße
495 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jugoslawien, Staat, Balkan, Krise, Peace, Keeping, Stabilität, Demokratie
Arbeit zitieren
Christian Bliedtner (Autor:in), 2003, Jugoslawien - Ein gescheiterter Staat, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89590

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