Frühling in Damaskus. Die Reformdebatte in Syrien seit der Machtübernahme durch Baschar al-Asad.

Sommer 2000 bis Herbst 2003.


Magisterarbeit, 2006

127 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

I. Einleitung
1.1. Thema und Fragestellung
I.2. Untersuchungsgegenstand und Zielsetzung der Arbeit
I.3. Vorüberlegungen und Konzeptionalisierung
Annahmen
Wandlungsfähigkeit als Prämisse
Stabilität und Wandel
Thesen
Vorgehen und Aufbau
I.4. Literatur und Forschungsstand

II. Rahmenbedingungen der Reformdebatte
II.1. Das politische und sozioökonomische System Syriens
Neopatrimoniale Herrschaft
Präsidiale Monarchie
Die Bürokratie
Der Sicherheitsapparat
Die Partei
Volksorganisationen
Populist Authoritarianism
Staatskapitalismus und Rentierökonomie
Schlussfolgerung
II.2. Die Akteure
II.2.1. Die Staatsführung
Die Regimeelite unter Hafiz al-Asad
Die Regimeelite unter Baschar al-Asad
Zwei Strömungen in der Regimeelite
II.2.2. Die Opposition
Die Opposition unter Hafiz al-Asad
Die Opposition nach Hama
Die Zivilgesellschaftsbewegung
Schlussfolgerung
II.3. Externe Faktoren
II.3.1. Gescheiterte Gespräche mit Israel und zweite Intifada
II.3.2. Erzwungener Abzug aus dem Libanon
II.3.3. Assoziationsabkommen mit der EU
II.3.4. Die regionale US-Politik
Schlussfolgerungen
II.4. Die innenpolitische Konstellation
II.4.1. Politische Nachfolge
II.4.2 Die wirtschaftliche Lage
Eingeschränkter Handlungsspielraum
Schlussfolgerung
II.5. Ergebnisse von Teil II

III. Die Reformdebatte seit der Machtübernahme durch Baschar al-Asad
III.1. Der Damaszener Frühling (Juli 2000 – Februar 2001)
III.2. Rücknahme der Liberalisierung (Februar 2001 – Frühjahr 2003)
III.3. Wiederaufleben der Debatte (ab Frühjahr 2003)
Entwicklungen seit 2003
III.4. Ergebnisse von Teil III

IV. Fazit

Literaturverzeichnis
Sekundärliteratur
Lexika und Nachschlagewerke
Dokumente
Zeitschriften
Interviewpartner

A. BayÁn al-99 (Manifest der 99), Damaskus, 27.9.2000

B. al-FawÁz, A½mad Faiz: Al-iÈlÁ½ as-siyÁsÍ fÍ sÚriyÁ (Die politische Reform in Syrien), Vortrag im „Forum Jamal al-Atasi für demokratischen Dialog“, Damaskus, 7.9.2003

C . al-MÁli½, HaiÝam: RisÁla ilÁ ar-raÿÍs ad-duktÚr BaÊÊÁr al-Asad (Brief an den Präsidenten Dr. Baschar al-Asad), Damaskus, undatiert

D. Inaugural Address by President Bashar al-Asad, Damaskus, 17.7.2000

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

“I have noticed that many articles appearing in the Arab and

Western press have used the term spring.

However, I am not convinced that ‘spring’ is indeed

the preferred season of the year.”[1]

I. Einleitung

1.1. Thema und Fragestellung

„Der schwierige Job des Bashar Assad“[2], „Der Frühling in Damaskus, der seltsame Blüten treibt“[3], „Das bisschen Freiheit ist kaum mehr als Kosmetik“[4] – stand in den letzten vier Jahren ein Artikel über Syrien in der Zeitung, behandelte dieser mit großer Wahrscheinlichkeit das Phänomen des gescheiterten innenpolitischen Reformprozesses und das jähe Ende des so genannten „Damaszener Frühlings“(rabÍþ dimaÊq), jener gut sechs Monate andauernden Phase der Öffnung, die auf die Amtseinführung von Baschar al-Asad[5] im Jahr 2000 folgte und in der sich eine breite öffentliche Debatte über politische und wirtschaftliche Reformen entwickelte.

Auslöser für diese öffentliche Debatte war die Amtsantrittsrede von Baschar al-Asad am 17. Juli 2000 vor dem syrischen Parlament (maºlis aÊ-Êaþb). In dieser betonte der erst 34-jährige Präsident die Notwendigkeit von demokratischem Denken[6], das auf dem Prinzip basiere, die Meinung des anderen zu akzeptieren: „This means that democracy is our duty towards others before it becomes a right for us.“[7] Er forderte konstruktive Kritik und Rechtsstaatlichkeit, Kampf gegen Korruption und Verschwendung, die Ausbildung von neuen Kadern und verwies auf die Dringlichkeit einer wirtschaftlichen und administrativen Modernisierung. Baschar al-Asad betonte, dass man nicht die Demokratie anderer, westlicher Staaten übernehmen könne, sondern eigene demokratische Erfahrungen sammeln müsse. Außerdem deutete er mit keinem Wort an, das autoritäre politische System Syriens grundlegend verändern zu wollen. Die Rede war jedoch Ausdruck eines neuen liberalen Diskurses der Staatsführung, der in vielen Syrern, aber auch ausländischen Beobachtern, Hoffnungen auf politischen Wandel schürte.[8] Asad nährte diese Hoffnung in den ersten Monaten seiner Amtszeit durch Maßnahmen wie der offiziellen Genehmigung von Satellitenschüsseln, der Freilassung von rund 600 politischen Gefangenen des islamistischen und linken Spektrums und der Schließung des berüchtigten Gefängnisses von Mezze. Aber auch durch die Genehmigung nicht-staatlicher Presseerzeugnisse, der Berufung eines neuen liberaleren Chefredakteurs der staatlichen Zeitung ath-Thawra[9] und der Einführung einer jüngeren Generation in die politische und administrative Elite. Im Laufe des Jahres 2000 entstanden zunächst in Damaskus, dann über das Land verteilt, zahlreiche Diskussionszirkel (muntadayÁt), in denen offen über politische Reformen debattiert wurde. Vereinigungen der sich neu formierenden „Zivilgesellschaftsbewegung“(½araka al-muºtamaþ al-madanÍ) forderten in Petitionen, Vorträgen und Artikeln die Abschaffung des seit 1963 geltenden Ausnahmezustandes, die Freilassung von politischen Gefangenen und politische Reformen. Eine nationale Debatte über den notwendigen Wandel und die Zukunft des syrischen Regimes entwickelte sich, welche „was neither totally open nor all-encompassing, but involved voices and views that had hitherto been marginalised.“[10]

Im Februar 2001 jedoch kam der Wendepunkt: Regimevertreter, wie der damalige Vizepräsident Abdelhalim Khaddam[11] oder Verteidigungsminister Mustafa Tlas[12], aber auch der Präsident selber attackierten die Zivilgesellschaftsbewegung in Zeitungsinterviews und öffentlichen Reden und beschuldigten sie der Gefährdung der nationalen Einheit und Stabilität. Den Diskussionsforen wurden Maßnahmen auferlegt, die zur Schließung nahezu aller Zirkel führten. Einige Wochen später folgten Verhaftungen von zehn prominenten Aktivisten der Zivilgesellschaftsbewegung. Der syrische Industrielle, ehemalige Parlamentarier und Reformaktivist Riyad Seif, einer der zehn Inhaftierten, konstatierte im Februar 2001: „Damascus´ spring has come to an end.“[13]

Zwar betonen gerade syrische Aktivisten immer wieder, dass sich das politische Klima in Syrien trotz der Rückschritte gewandelt habe, dass die Debatten hinter verschlossenen Türen weiter gehen und der „Damaszener Frühling“ Entwicklungen angestoßen habe, die nicht mehr zu revidieren seien.[14] Zu Beginn des Jahres 2006 jedoch sind zahlreiche politische Gefangene in syrischen Gefängnissen[15], alle Diskussionszirkel des „Frühlings“ sind geschlossen, der Ausnahmezustand ist nach wie vor in Kraft und oppositionelle Parteien sind verboten. Die öffentliche Debatte verstummte weitgehend. Zudem fällt die wirtschaftliche Reformbilanz nach fast sechs Jahren Herrschaft Baschar al-Asads mager aus.[16]

Angesichts der Tatsache, dass der Präsident durch seine Rede, seine Maßnahmen und die Toleranz gegenüber der Zivilgesellschaftsbewegung die Entwicklungen zunächst zu unterstützen schien, drängen sich folgende Fragen auf:

1. Warum reagierte die Staatsmacht ab Februar 2001 mit repressiven Maßnahmen und verantwortete somit das öffentliche Verstummen der Debatte? Und damit einhergehend: Was waren die Gründe für die kurze politische Öffnung „von oben“?
2. Warum wurden im Zuge der Debatte wirtschaftliche und politische Reformen so zögerlich bzw. gar nicht umgesetzt?

I.2. Untersuchungsgegenstand und Zielsetzung der Arbeit

Die vorliegende Arbeit soll diese Fragen nach der repressiven Reaktion der Staatsmacht und der zögerlichen Umsetzung von Reformen im Rahmen der Reformdebatte seit der Machtübernahme durch Baschar al-Asad beantworten. Hierzu wird die Reformdebatte, die, wie sich weiter unten zeigt, Ausdruck einer Liberalisierung des autoritären Systems ist, dargestellt und analysiert. Also, per definitionem, eine systematische Untersuchung der Debatte hinsichtlich einzelner sie bestimmender Komponenten durchgeführt .[17]

Der Begriff „Debatte“ wird im Folgenden definiert als eine

verbale Auseinandersetzung über ein Thema (…), die sich von unverbunden nebeneinander stehenden Positionsbestimmungen und Interpretationen einzelner oder einer Gruppe abgrenzt.[18]

Gemäß dieser Definition muss in einer Debatte eine vielfältige Reaktion durch Dritte erfolgen, die unterschiedlichen Positionen müssen gegenseitig rezipiert sowie ein gewisses Maß an Öffentlichkeit, durch Veröffentlichung und Kommentierung der Positionen in Konferenzen und/oder den Medien, erreicht werden.[19]

Unter Reform wird eine Umgestaltung, Neuordnung oder Verbesserung des Bestehenden verstanden. Auf das politische System bezogen können Reformen auf „bewusst und planvoll herbeigeführte Veränderungen im politischen Institutionensystem (polity) und/oder im Bereich der Staatstätigkeit (politics)“ definiert werden[20], die zum Abbau von Defiziten und der Reduzierung von Problemen beitragen.[21]

Um die Untersuchung aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Arbeit und der Tatsache, dass die Debatte ein bis in die Gegenwart andauernder Prozess ist, operationalisieren zu können, muss der Untersuchungsgegenstand sowohl zeitlich als auch inhaltlich eingegrenzt werden. Die Untersuchung widmet sich deshalb der Reformdebatte seit der Machtübernahme Baschar al-Asads im Juli 2000 bis zum Jahr 2003. Der Debattenverlauf bis Ende 2003 umfasst die für die Untersuchung wichtigsten Entwicklungsphasen: Nach dem Aufleben der Debatte reagierte das Regime ab Februar 2001 mit repressiven Maßnahmen gegen die zivilgesellschaftlichen Aktivitäten, woraufhin die öffentliche Debatte weitgehend verstummte. Mit Beginn des Irak-Krieges im März 2003 wurde die Debatte wieder belebt, jedoch nicht in dem öffentlichen Maße wie zur Zeit des Damaszener Frühlings; diese Phase hält bis heute an.

Was die inhaltliche Eingrenzung betrifft, so bezieht sich diese auf die Themen und Träger der Reformdebatte. Der syrische Politikwissenschaftler Hassan Abbas bezeichnet nach einer Befragung syrischer Intellektueller politische Reformen als das zentrale Debattenthema aus Sicht der Zivilgesellschaftsbewegung.[22] Aus Sicht des Regimes haben wirtschaftliche und administrative Reformmaßnahmen Priorität, wie unter anderem in der Amtsantrittsrede des Präsidenten deutlich wurde.

In Berücksichtigung dieser Eingrenzungen soll im Folgenden also die Debatte um politische und wirtschaftliche Reformen zwischen Vertretern der Regimeelite und der Opposition in Syrien von Mitte 2000 bis Ende des Jahres 2003 in Hinblick auf die eingangs gestellten Fragen untersucht werden.

I.3. Vorüberlegungen und Konzeptionalisierung

Annahmen

Eine von Faath herausgegebene, umfassende Analyse politischer und gesellschaftlicher Debatten in Nordafrika und Nahost[23] nennt folgende Rahmenbedingungen, die Inhalt, Reichweite und Auswirkungen der Debatten beeinflussen: gesellschaftliche Tabuthemen, die Position der Staatsführung in einzelnen Debatten sowie innen- und außenpolitische Konflikte und Problemlagen. In Bezug auf die Akteure in Debatten kommt die Untersuchung zu folgenden für diese Arbeit wichtigen Ergebnissen:[24]

- Aufgrund des intakten Gewalt-, Sanktions-, und Distributionsmonopols des autoritären Staates wird dieser zum Schlüsselakteur der Debatte. Da nur die Staatsführung die Mittel hat, den Spielraum für Debatten auszuweiten oder einzuschränken, ist das Verhalten der Regierungen für den Debattenverlauf ausschlaggebend.
- Der Einfluss nicht-staatlicher säkularer Träger auf Debatten ist begrenzt.
- Oppositionelle Träger von Debatten sind bereit, bei Angeboten der Staatsführung einen Kooperations- und Integrationskurs einzuschlagen.
- Aufgrund struktureller Bedingungen finden Debatten nur innerhalb einer begrenzten Schicht statt und verlaufen im Idealfall „von oben nach unten“.

In Anlehnung an diese Ergebnisse geht die vorliegende Untersuchung von der Annahme aus, dass Inhalt, Reichweite und Auswirkungen der Reformdebatte von 2000 bis 2003 hauptsächlich von folgenden Rahmenbedingungen beeinflusst wurden:

- Den Akteuren (Regimeelite, Opposition), wobei die Regimeelite den maßgeblichen Einfluss auf Inhalt, Reichweite und Auswirkungen der Reformdebatte ausübt,
- dem politischen und sozioökonomischen System des autoritären Staates, in welchem die Debatte stattfindet (Autoritarismus, Neopatrimonialismus, Rentierökonomie),
- externen Faktoren (Israel, Libanon, Irak-Krieg, Demokratisierungsinitiativen, Euro-Mediterrane Partnerschaft),
- der innenpolitischen Konstellation (Politische Nachfolge, Wirtschaftslage).

Wandlungsfähigkeit als Prämisse

In keinem arabischen Staat hat bisher eine Transition, das heißt ein Übergang von einem autokratischen zu einem demokratischen System stattgefunden.[25] Entgegen einer in den Sozialwissenschaften verbreiteten Meinung, die die autoritären arabischen Regime aufgrund kultureller Dispositionen (Islam) als resistent gegen Wandel beschreibt[26], hat sich das politische und wirtschaftliche System Syriens, wie das anderer Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas, in den letzten zwei Jahrzehnten gewandelt.[27] Dieser Wandel (Transformation)[28], kann als Pluralisierung oder Liberalisierung[29] der autoritären Systeme beschrieben werden. Merkmal einer Liberalisierung (im Gegensatz zu einer Demokratisierung) ist dabei der begrenzte Umfang der Öffnung des Systems, die zudem stets von der Systemspitze gelenkt wird und jederzeit revidiert werden kann.[30] Die Liberalisierung der Systeme äußert sich unter anderem in der Umsetzung politischer Reformen, so zum Beispiel in der Stärkung individueller Freiheiten, der Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit, der Minderung staatlicher Kontrolle und Gleichschaltung in einigen Bereichen des Systems oder der Erweiterung des Spektrums für öffentlich geführte Debatten.[31] Debatten über wirtschaftliche und auch politische Reformen finden so seit einigen Jahren auch in den Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas statt und stoßen, wie die Sozialwissenschaftlerin Salwa Ismail bereits 1995 bemerkt, auf großes intellektuelles Interesse in der arabischen Welt.[32] Seit der offensiveren Außenpolitik der USA nach dem 11. September 2001 und insbesondere seit der Demokratisierungsinitiative der USA bzw. der G8[33] beschäftigen sich die staatlichen arabischen Medien verstärkt mit dem Thema politische Reformen.[34]

Die Reformdebatte seit der Machtübernahme durch Baschar al-Asad kann somit als Ausdruck einer politischen Liberalisierung des autoritären Systems identifiziert werden

Stabilität und Wandel

Die politische Praxis der Regimeeliten in den durchgängig als autoritär[35] und neopatrimonial beschriebenen Staaten des Nahen Ostens ist auf maximale Machtsicherung und somit die Sicherung der Stabilität des politischen Systems ausgerichtet.[36] Diese hängt unter anderem von der Leistungskraft der Regierung, der Loyalität von Schlüsselgruppen, der Legitimität des Systems aber auch der Regelung der Nachfolgefrage ab.[37] Sinkt etwa die wirtschaftliche Leistungskraft, so kann sich das im neopatrimonialen Staat, der durch die Verteilung von Gütern die Loyalität seiner Klientel sichert, bedrohlich auf die Legitimation des Regimes und somit seine Stabilität auswirken.[38]

Das Fazit einer Analyse von Prozessen politischer Liberalisierung in arabischen Staaten, die Brynen, Korany und Noble vorlegten[39], ist, dass die Transformationsprozesse als Reaktion der Regime auf eine politische oder ökonomische Krise betrachtet werden können.[40] Diese Prozesse werden als verteidigende (defensive) top down Prozesse beschrieben, die nicht linear ablaufen, nicht irreversibel sind und zudem auf regionaler Ebene unterschiedlich ablaufen. Wie zahlreiche Länder der Region (Ägypten, Jordanien oder Tunesien) kämpfte auch das syrische Regime unter Hafiz al-Asad[41], Ende der 80er Jahre mit den Folgen einer wirtschaftlichen Krise, die es zu wirtschaftlichen Reformmaßnahmen zwang.[42] Während diese in vielen Staaten im Rahmen eines Strukturanpassungsprogramms des Internationalen Währungsfonds (IWF) oder der Weltbank durchgeführt wurden,[43] waren die Reformen in Syrien selbst verordnet, glichen aber denen der offiziellen Strukturanpassungsprogramme: Austeritätspolitik, begrenzte Privatisierung und Anwerbung von Auslandsinvestitionen.[44] Mit dieser wirtschaftlichen Öffnung (al-infitÁ½ al-iqtiÈÁdÍya)[45] des staatskapitalistischen Systems, ging so bereits in den 90er Jahren eine begrenzte politische Liberalisierung einher. In Syrien äußerte sich diese in einer Parlamentsreform 1990, die den Volksrat von 165 auf 250 Sitze vergrößerte, der Freilassung politischer Gefangener, der Zulassung von Anwälten bei Prozessen gegen politische Gefangene und der Ankündigung, die Notstandgesetze (qÁnÚn aÔ-ÔawÁrÍ) auf Angelegenheiten der staatlichen Sicherheit und öffentlichen Ordnung einzuschränken.[46] Hinnebusch resümiert, dass das Regime in den 90er Jahren eine Politik der calculated decompression und der Entspannung gegenüber der Unternehmerschicht verfolgte um seine Machtbasis zu erweitern und so das Regime zu stabilisieren.[47] Ein provisorisch sanierter ökonomischer Kontext Anfang der 90er Jahre (Finanzhilfe aus den Golfstaaten, gestiegene Ölrente) ermöglichte es dem Regime unter Hafiz al-Asad, weitere wirtschaftliche Reformen zu verschieben.[48] Laut Brumberg haben diese Reformen in allen Staaten der Region den Charakter einer „politischen Überlebensstrategie“. Diese limited response gegenüber den Gefahren einer wirtschaftlichen Krise sei, so Brumberg, dabei weder die Reflexion einer kulturellen Neigung zum Autoritarismus oder die Manifestation des Wiedererwachens der Zivilgesellschaft:

Instead, it mirrored the enduring legacies of ‘populist authoritarianism’ and the strategies that elites used to reimpose their hegemony without undertaking major economic or political reforms.[49]

Thesen

Begrenzter Wandel bedingt somit zu einem gewissen Grad die politische Stabilität des Systems.[50] Aus akteurstheoretischer Perspektive[51] ist solch eine politische Liberalisierung das Produkt einer vielschichtigen Veränderung innerhalb des Herrschaftsblocks, „in deren Verlauf sich die Bedrohungsperzeptionen der regimestützenden gesellschaftlichen Schichten gegenüber den oppositionellen Gruppierungen verringert“.[52] Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass das Regime mit einer Rücknahme der Liberalisierung reagiert, wenn sich die Bedrohungsperzeption gegenüber oppositionellen Gruppierungen erhöht.

In Bezug auf die erste Frage der Arbeit lautet folglich These I:

Die Öffnung des autoritären Systems nach der Machtübernahme durch Baschar al-Asad war die Reaktion der Regimeelite auf eine Krise. Als die Folgen der Öffnung von der Regimeelite als Bedrohung für die Stabilität wahrgenommen wurden, reagierte diese mit repressiven Maßnahmen.

In engem Zusammenhang mit der ersten steht die zweite Frage nach der zögerlichen Umsetzung der Reformen seit der Machtübernahme durch Baschar al-Asad. Dabei ist festzuhalten, dass Eliten, die oben als maßgeblicher Akteur in der Debatte bestimmt wurden, als Akteursgruppe keine homogene Einheit bilden, sondern aus verschiedenen Strömungen (hardliner – softliner) bestehen. Der erfolgreiche Verlauf einer Liberalisierung ist akteurstheoretisch unter anderem davon abhängig, ob die softliner innerhalb der Regimeelite die hardliner vom Erfolg einer Liberalisierung überzeugen können, d.h. ob der Nutzen einer Liberalisierung, die Kosten einer Schließung des Systems übersteigen.[53] Neben der begrenzten Bereitschaft und dem Nutzenkalkül der Eliten, wirken sich jedoch auch andere Faktoren hinderlich auf eine Liberalisierung und somit die Umsetzung von Reformen aus. So stellen mehrere Autoren strukturelle Faktoren in den autoritären arabischen Staaten als hemmend für die Umsetzung von politischen und wirtschaftlichen Reformen dar, etwa hierarchische und klientelistische Gesellschaftsstrukturen, eine schwache Opposition, kooptierte gesellschaftliche Gruppen, Rentierökonomie, aber auch regionale Konflikte.[54]

In Bezugnahme auf die oben dargestellten Rahmenbedingungen der Debatte (Akteure, System, externe Faktoren und innenpolitische Konstellation) lautet folglich These II:

Die Rahmenbedingungen der Debatte wirken hemmend auf die Umsetzung von politischen und wirtschaftlichen Reformen.

Vorgehen und Aufbau

Um nun die Fragen zu beantworten und die Thesen auf ihre Gültigkeit zu überprüfen, sollen zunächst in einem analytisch-deskriptiven Teil (II. Rahmenbedingungen der Reformdebatte) die vier Rahmenbedingungen dargestellt und ihr Einfluss auf Inhalt, Umfang und Auswirkungen der Reformdebatte untersucht werden. Da die Eliten als maßgeblicher Akteur in der Reformdebatte identifiziert wurden, sollen die Zusammensetzung und die Ziele der syrischen Regimeelite eingehend betrachtet werden.

Im dritten Teil der Arbeit (III. Die Reformdebatte seit der Machtübernahme durch Baschar al-Asad) sollen die Auswirkungen der Rahmenbedingungen auf die Debatte anhand einer ereignisgeschichtlichen Skizzierung der Reformdebatte von Juli 2000 bis Ende 2003 dargestellt werden.

In einem Fazit (IV.) sollen die Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst und eine Einschätzung zukünftiger Entwicklung gegeben werden.

Die Untersuchung bezieht sich dabei hauptsächlich auf die europäischsprachige Sekundärliteratur zum syrischen System und den Entwicklungen seit 2000. Bei der Darstellung des Damaszener Frühlings und der folgenden Ereignisse stützen sich die Autoren dabei hauptsächlich auf zwei Quellen: Artikel und Interviews in arabischen Zeitungen[55] sowie auf persönliche Interviews mit internen Beobachtern.[56] Syrische Autoren beziehen sich zudem auf ihre persönlichen Erfahrungen. Um den Vorwurf einer eurozentristischen Beurteilung der innersyrischen Ereignisse zu entkräften und in der Überzeugung, dass für die Bearbeitung eines „ausländischen“ Forschungsgegenstandes die Erfahrungen vor Ort erheblich zum Verständnis beitragen, stellen Interviews mit Aktivisten der syrischen Zivilgesellschaftsbewegung, die im Rahmen eines Forschungsaufenthaltes in Syrien geführt wurden, eine weitere Quelle dieser Untersuchung dar.[57] Zeitschriften, offene Briefe und Redemanuskripte bilden die schriftlichen arabischen Quellen dieser Arbeit.

I.4. Literatur und Forschungsstand

Was generell in Bezug auf Syrien als Forschungsgegenstand festzustellen ist[58], gilt auch für das Thema dieser Arbeit: Die Zahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen ist überschaubar. Zwar gibt es zahlreiche kürzere Artikel zu Baschar al-Asads Amtszeit, zu erwähnen sind an dieser Stelle die Veröffentlichungen des israelischen Historikers Eyal Zisser[59] und zwei Berichte der International Crisis Group (ICG). Was Monografien betrifft, so ist die Anzahl der Publikationen gering. Flynt Leverett hat mit „Inheriting Syria. Bashars Trial by Fire“ ein eher populärwissenschaftliches Buch verfasst, in dem er die Herausforderungen des neuen Präsidenten analysiert und auf die Ereignisse des Damaszener Frühlings eingeht.[60] Die wohl umfangreichste, wenn auch eher populärwissenschaftliche und ereignisgeschichtliche Darstellung der Reformdebatte (2000 bis 2003) lieferte der britische Journalist Alan George, der für „Syria: Neither bread nor freedom“ zahlreiche Vertreter der syrischen Zivilgesellschaftsbewegung interviewt hat.[61] Volker Perthes beleuchtet in einer Publikation drei Faktoren, die die Herrschaft Baschar al-Asads prägen – Ressourcen, Generationenwechsel und die sich wandelnde Regionalpolitik – und geht auf die innenpolitischen Ereignisse nach der Amtsübernahme ein.[62] Im Rahmen einer Untersuchung des Elitenwandels in der arabischen Welt analysiert Perthes die Veränderungen innerhalb der syrischen „politisch relevanten Elite“ und erörtert die Frage nach dem begrenzten Wandel seit der Machtübernahme durch Baschar al-Asad.[63] Den Einfluss des Irak-Krieges auf die innersyrischen Entwicklungen behandeln unter anderem die Untersuchung des langjährigen Syrienexperten Raymond A. Hinnebusch[64] und die Veröffentlichung von Carsten Wieland.[65] Zwei wichtige Aufsätze, die in deutscher Übersetzung vorliegen, verfasste der syrische Politologe Hassan Abbas im Rahmen eines Forschungsprojektes des Deutschen Orient Institutes. In einem kurzen Artikel thematisiert er die Inhalte und Träger der innersyrischen Debatte[66], in einem zweiten, längeren Beitrag untersucht er die Auswirkungen externer Demokratisierungsinitiativen, wie die GMEI, auf die innersyrische Reformdebatte.[67] Wie die Untersuchungen von Abbas, ist die Ausgabe der französischen politikwissenschaftlichen Zeitschrift Confluences Méditerranée vom Herbst 2002/03 von besonderem Wert, da hier Beiträge von syrischen Intellektuellen und Aktivisten der Zivilgesellschaftsbewegung zu verschiedenen Aspekten des printemps syrien aus dem Arabischen übersetzt und veröffentlicht wurden.[68]

Die hier aufgeführten, meist deskriptiven Arbeiten liefern Interpretationen für die Unterdrückung der Reformdebatte und den stockenden Reformprozess sowie wertvolles empirisches Material, auf das sich diese Arbeit stützt.[69]

Sigrid Faath kritisiert, dass es immer noch anstehe, Wandlungsprozesse in den arabischen Staaten systematisch zu untersuchen.[70] Zwar rechtfertige die Tatsache, dass in keinem arabischen Staat bisher eine Transition stattfand die Nichtbeachtung der Staaten im Rahmen der demokratischen Transitionsforschung, nicht aber im Fall der Transformationsforschung, „schließlich eignen sich die Staaten, um der Frage (…) nach dem „was stattfand“ und „warum es so und nicht anders stattfand“ nachzugehen. Weiter heißt es:

Es fehlen Untersuchungen, die nach den Auslösern und Ursachen für die Rücknahme von Liberalisierungsmaßnahmen und den Einsatz von staatlicher Repression fragen.[71]

Durch die Analyse der Reformdebatte in Syrien will die vorliegende Arbeit einen Beitrag zur Verringerung dieses Defizits leisten.

II. Rahmenbedingungen der Reformdebatte

II.1. Das politische und sozioökonomische System Syriens

Das politische System[72] Syriens kann zunächst ganz allgemein als autoritäres[73] Regime bezeichnet werden und ist in seiner gegenwärtigen Form das Produkt der dreißigjährigen Herrschaft Hafiz al-Asads. Zwar veränderten sich seit der Machtübernahme Baschar al-Asads die Zusammensetzung der Regimeelite und die des Kabinetts, der neue Präsident agiert jedoch innerhalb derselben Strukturen, die zum einen sein Vater maßgeblich geprägt hat und die zum anderen für Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas typische Merkmale beinhalten.

Mit dem Putsch bzw. der „Revolution“ baathistischer und nasseristischer Offiziere am 8. März 1963 (Ýaura aÝ-ÝÁmin min ÁÝÁr) entstand in Syrien eine Doppelherrschaft der Arabisch Sozialistischen Baath Partei (ASBP: ½izb al-baþÝ al-þarabÍ al-iÊtirÁkÍ)[74] und der Armee. Die oberste Gewalt im Staat lag bis 1971 bei häufig fraktionierten Kollektiven, in deren internen Machtkämpfen sich schließlich der militärische Flügel der Baath-Partei um Hafiz al-Asad gegen den zivilen Flügel um den amtierenden Präsidenten Salah Jadid durchsetzte. Seit der Machtübernahme Hafiz al-Asads im November 1970 wurde die Herrschaft in Partei und Staat so umstrukturiert, dass sich per Verfassung alle Macht in den Händen des Präsidenten bündelt.[75]

Wie Hinnebusch feststellt, herrscht „considerable controversy over how the Syrian Ba´th regime may best be conceptualised, perhaps reflective of its complex nature.”[76] Aufgrund der Doppelherrschaft von Partei und Militär spricht Itamar Rabinovich von einer army-party symbiosis.[77] Die Tatsache, dass der Asad-Clan der alawitischen Sekte[78] angehört und Alawiten seit 1966 überproportional in Militär und Geheimdiensten vertreten sind, rückte zudem den Konfessionalismus (ÔÁÿifÍya) in das Interesse der Syrienforschung.[79] Zwar war die Herrschaft Asads durch zunehmenden politischen Konfessionalismus gekennzeichnet und verstärkte die vertikale Segmentierung der Gesellschaft.[80] Dennoch kann das Regime nicht als reines Alawiten-Regime verstanden werden: Hafiz al-Asad begann bereits kurz nach seiner Machtergreifung die städtische, sunnitische Bourgeoisie in das System zu inkorporieren (cross-sectarian coalition), wichtige Positionen an der Regimespitze sind bzw. waren mit Sunniten besetzt.[81] Aufgrund der Machtfülle in den Händen des Präsidenten ist in der Literatur in Bezug auf Syrien häufig von einer presidential monarchy die Rede, doch institutionell stützt sich die Herrschaft des Präsidenten im syrischen politischen System auf die drei wesentlichen Machtapparate im Staat: Bürokratie, Partei und Sicherheitskräfte.[82] Entscheidungen werden zudem im inneren Kern der Machtelite getroffen. Hinnebusch stellt jedoch fest, dass das politische System Syriens trotz seiner Komplexität nicht einzigartig sei, sondern als Version eines im Nahen Osten weit verbreiteten Staatstypus betrachtet werden kann: dem populist-authoritarian regime.[83]

Im Folgenden sollen die wichtigsten Merkmale des vielschichtigen syrischen Systems und die Folgen, die sich daraus auf Inhalt, Umfang und die Auswirkungen der Reformdebatte ergeben, dargelegt werden.

Neopatrimoniale Herrschaft

Analysen des syrischen politischen Systems, die sich auf die typischen Elemente der Herrschaftsform beziehen, orientieren sich meist am autoritären oder neo-patrimonialen Modell.[84] Zu den Merkmalen neopatrimonialer Herrschaft zählen, dass

- das Machtzentrum eine enge Herrschaftselite bildet, die ihre Gemeinschaft durch bestimmte, nicht-erwerbbare Merkmale, wie die Zugehörigkeit zu einer bestimmten religiösen Gruppe oder Ethnie definiert.
- die Zentralgewalt sich einer wachsenden Bürokratie bei der Herrschaftsausübung bedient.
- auf horizontaler Ebene verschiedene Gruppen um die größtmögliche Nähe zur Macht konkurrieren. Durch die Schaffung einer Wettbewerbssituation auf horizontaler Ebene wird die vertikale Bedrohung des Herrschaftszentrums abgewendet.
- der Zugang zur Macht in erster Linie informell und personalisiert ist, wodurch persönliche Beziehungen und Klientelismus[85] wichtiger werden als staatlich festgelegte Ansprüche des Bürgers.
- der Erwerb knapper Ressourcen nicht aufgrund von Leistung, sondern auf Grundlage von Patronagebeziehungen[86] und der relativen Nähe zum Machtzentrum erfolgt, das deren Allokation kontrolliert, wodurch eine autonome Organisation der Gesellschaft nur schwach ausgebildet ist.

Der Präsident stützt seine Herrschaft folglich auf ein System von Patronage- und Klientelbeziehungen, die sich vorwiegend, aber nicht ausschließlich entlang traditioneller (konfessioneller, tribaler und regionaler) Bindungen formieren. Strategisch wichtige Positionen an der Regimespitze sind mit Personen besetzt, die in einem direkten Loyalitätsverhältnis zum Präsidenten stehen.[87]

Dieses Verhältnis kann sich neben den genannten traditionellen auch auf berufliche oder freundschaftliche Beziehungen gründen.[88] Diese Gruppe um den Präsidenten steht an der Spitze einer Pyramide von Patronage-Netzen, die sich durch alle gesellschaftlichen Ebenen ziehen. Durch die politische Macht werden die Mitglieder der Elite ihrerseits zu Patronen, die ihre als Blöcke (kutal) oder Cliquen (Êilal) bezeichneten Gefolgschaften im Staatsdienst unterbringen. Diese Bindungen verlaufen quer zu den formalen Strukturen von Bürokratie, Militär, Partei oder Gewerkschaften und rivalisieren mit diesen. Patronage ersetzt fehlende öffentliche Zustimmung zur Politik und aktiviert Unterstützung in Bevölkerungsschichten, die nicht zur eigentlichen Anhängerschaft des Regimes gehören. Zwei bedeutende Nachteile ergeben sich aus der Verwendung von Patronage als Herrschaftsmittel: Zum einen wirkt sie kontraproduktiv in Bezug auf die Effektivität politischen und administrativen Handelns, zum anderen besteht die Gefahr, dass bestimmte Blöcke sich zu unabhängigen Machtzentren entwickeln.

Ein weiteres Problem ist die Korruption (fasÁd), ein Phänomen, das auf allen gesellschaftlichen Ebenen verbreitet ist und das sich während der Amtszeit Hafiz al-Asads ausgeweitet hat. Eine Tatsache, die unter anderem auf die niedrigen Löhne im Staatsdienst zurückzuführen ist.[89] Dabei sind die Grenzen zwischen Patronage und Korruption fließend.[90] Korruption ist jedoch, da sie dem Regime Gefolgschaft sichert, geplant und geduldet und wird erst dann bekämpft, wenn sie die Autorität des Regimes schmälert, in dem sie unabhängige Machtzentren unterstützt.[91] Um der öffentlichen Empörung entgegen zu wirken finden jedoch in regelmäßigen Abständen Antikorruptionskampagnen statt.[92]

Präsidiale Monarchie

Laut der Permanenten Verfassung (ad-dustÚr ad-dÁÿim) von 1973,[93] die Syrien als eine volksdemokratische, sozialistische Republik beschreibt (Art. 1), ist der Präsident Oberbefehlshaber der Streitkräfte (Art. 103) und Vorsitzender des Obersten Verfassungsgerichts (Art. 139). Er ernennt und entlässt die Regierung, die ihm verantwortlich ist (Art. 95), kann das Parlament auflösen (Art. 107), außerordentliche Sitzungen einberufen (Art. 108) und ernennt Offiziere, Beamte (Art. 109) und Richter (Art. 139). Er kann ein Veto gegen vom Parlament beschlossene Gesetze einlegen (Art. 98) und Dekrete mit Gesetzeskraft (marÁsÍm taÊrÍþÍya) erlassen (Art. 99), wohingegen das Parlament eine Zweidrittelmehrheit benötigt, um Dekrete und Vetos des Präsidenten abzulehnen (Art. 111). Nach dem Kriegsrecht ernennt er zudem Staatssicherheitsgerichte, deren Urteil er bestätigen, aussetzen oder verändern kann. Der Präsident ist Generalsekretär der Baath-Partei und somit Vorsitzender der obersten Parteiorgane der je 21 Mitglieder umfassenden „Nationalen Führung“(al-qiyÁda al-qaumÍya) und „Regionalen Führung“(al-qiyÁda al-qutrÍya)[94]. Des Weiteren ist er Präsident der NPF und ernennt seit 1985 das 90 Mitglieder starke Zentralkomitee (al-laºna al-markazÍya)[95], aus dessen Mitte sich die Regionale Führung konstituiert. Die Herrschaft des Präsidenten stützt sich jedoch nicht alleine auf die ihm per Verfassung zugeschriebenen Kompetenzen, sondern auf drei zentrale Institutionen der Macht, an deren Spitze er jeweils selbst steht: Bürokratie, Partei und Sicherheitsapparat. Die Konstruktion der Macht im politischen System Syriens ist darauf ausgerichtet, dass Partei und Bürokratie sich nicht zu unabhängigen Machtzentren entwickeln.[96]

Die Bürokratie

Der bürokratische Apparat expandierte seit der Machtübernahme Hafiz al-Asads im Jahr 1970 enorm. Dies ist zum einen begründet durch die zunehmenden Aufgaben des Staatsapparates im Rahmen der gesamtökonomischen, industriellen Entwicklung: Seit 1970 betreibt der Staat den Großteil der Industrie. Zum anderen zeigt sich, wie der Staatsapparat als Instrument zur Vergabe von Ressourcen und somit Anbindung von Klientel genutzt wird. Die Hauptprobleme des Staatsapparates, verschuldet durch neopatrimoniale und autoritäre Strukturen, sind Korruption, personelle Überladung, Inkompetenz der Angestellten, Überzentralisierung, Kompetenzkonkurrenz verschiedener Behörden und eine Führungsstruktur, die keinen Raum für Partizipation lässt. Besonders durch die Überzentralisierung kommt es zur zähen Umsetzung von Beschlüssen; unterhalb der Ministerebene haben die Beamten kaum Befugnisse. Laut einer Erhebung der EU beschäftigt der öffentliche Sektor 73 Prozent der Arbeitskräfte, trägt jedoch nur 33 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei.[97] Trotz mangelhafter Effizienz und hoher Kosten stellt der bürokratische Apparat aber ein wichtiges Instrument zur Integration und Kontrolle der Gesellschaft dar.

Die aktive Basis des Regimes in der Bürokratie hat mit dem Absinken eines Teils der Beamtenschaft an die Armutsgrenze jedoch ab- und die Interessenunterschiede in der Beamtenschaft zugenommen: Während die unteren und mittleren Schichten ihre Interessen zwar mit dem Staat nicht aber dem Regime verbinden, koppeln die oberen Schichten und die Spitze der Bürokratie und ihre Klientel ihre Interessen mit dem Regime, das ihnen unter anderem durch die Möglichkeiten einer Kooperation mit dem Privatsektor, legale aber auch illegale Profite sichert. In dieser Schicht ist das Reforminteresse daher gering, würden doch jegliche Maßnahmen der Effizienz- und Leistungssteigerung die privilegierte Stellung der Staatsbourgeoisie beschneiden (siehe S. 29f). Da weiter gehende wirtschaftliche Reformen jedoch langfristig eine Modernisierung und Straffung des aufgeblähten bürokratischen Apparats zur Folge haben, haben auch die mittleren und unteren Schichten kein Interesse an einer Reform.[98]

Der Sicherheitsapparat

Die zentrale institutionelle Säule der Macht ist der Sicherheitsapparat, bestehend aus Polizei, Militär[99] und Sicherheitsdiensten. Obwohl der Baath-Partei laut Verfassung eine übergeordnete Rolle in Staat und Gesellschaft zukommt, kann die zivile Staatsmacht das Militär nicht kontrollieren. Das 1963 in Kraft getretene Kriegsrecht (qÁnÚn al-½arb ) gesteht den Sicherheitskräften weite Befugnisse zu.[100] Der vom Präsidenten ernannte martial law governor (der Premierminister) kann die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit der Bürger einschränken und jede Person verhaften, die verdächtigt wird, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gefährden. Briefe, Publikationen und Rundfunksendungen können zensiert werden. Zudem wurden im Jahr 1965 außerordentliche Militärgerichte (ma½Ákim al-þaskarÍya) eingerichtet, die zur „Verhandlung“ politischer Fälle dienen. So entstand eine die gesamten Streitkräfte durchziehende Militärorganisation der Baath-Partei, auf die der zivile Apparat keinen Einfluss hat. Zisser bezeichnet diese zwei Aspekte des Regimes als formal governmental system auf der einen Seite, das dem Regime einen legalen Anstrich verpassen soll, und einem informal ruling apparatus auf der anderen Seite, in dem die wirklichen politischen Entscheidungen getroffen werden. Dieser informelle Herrschaftsapparat besteht hauptsächlich aus Führern des Sicherheitsdienstes und hohen Militärs und garantiert die Stabilität des Regimes.[101] Auch Ghalioun spricht von der „doppelten Natur des syrischen Regierungssystems“: Zum einen existieren die „Institutionen des Putsches“ (Präsident, Sicherheitsdienste, Kriegsrecht, Staatssicherheitsgericht), zum anderen die schwächeren „neuen Institutionen“ (Parlament, NPF, Verfassung, Verfassungsgericht). Die weit reichenden Befugnisse des Präsidenten sichern die Verknüpfung beider Systeme und die Stabilität des Regimes.[102] Neben der Verteidigung gegen äußere Feinde – allen voran Israel – dient ein Großteil des Sicherheitsapparates dem Schutz gegen Feinde von innen. Sechs bis acht eigenständige, teilweise mit sich überschneidenden Kompetenzen ausgestattete Geheimdienste überwachen die Gesellschaft.[103] Durch die gegenseitige Kontrolle der Dienste und die überlappenden Kompetenzen wird vermieden, dass sich in ihnen zu viel Macht ansammelt. Die kollektive Privilegierung des Sicherheitsapparates (Wohnraum, Dienstfahrzeuge, höhere Einkommen und bessere Sozialleistungen als Beamte des öffentlichen Sektors) garantiert Zusammenhalt und Loyalität zum Regime.

Das Militär kontrolliert zudem Schlüsselbereiche der staatlichen Wirtschaft. So unterstehen dem Verteidigungsministerium die zwei größten Bauunternehmen Syriens, was den Angehörigen des Sicherheitsapparates Möglichkeiten zur illegalen Bereicherung durch Schmuggel oder durch Geschäfte mit dem Privatsektor bietet.

Die Partei

Die Baath-Partei ist gemäß Artikel 8 der Verfassung die „führende Partei in Gesellschaft und Staat“(al-½izb al-qÁÿid fÍ-l-muºtamaþ wa-d-daula) und somit die „höchste politische Autorität im Staat“.[104] Sie führt die „Nationale Progressive Front“ (NPF: al-ºabha al-waÔanÍya at-taqaddumÍya), der alle weiteren legalen Parteien angehören und für die zwei Drittel der 250 Sitze des Parlaments reserviert sind.[105] Da die Parteien innerhalb der Front loyal zum Regime sind, existiert somit keine legale Opposition in Syrien.[106] Unter Hafiz al-Asad machte die Partei einen Funktionswandel durch und ist heute eher ein Mobilisierungsinstrument und großes Patronagenetz als eine am politischen Entscheidungsprozess beteiligte Institution.[107] Nach Hafiz al-Asads Amtsübernahme wurde die Partei von Anhängern des alten Regimes gesäubert, die innerparteiliche Demokratie weitgehend abgeschafft (Ernennung von Funktionären, personale statt kollektive Führung) und die zentralistischen, autoritären Strukturen gestärkt. Auf den regionalen Parteikonferenzen, die in der Regel alle fünf Jahre stattfinden, werden die allgemeinen Linien der Politik, insbesondere der Wirtschafts- und Sozialpolitik, zwar relativ offen diskutiert, Außen- und Sicherheitspolitik sind jedoch ebenso tabu wie die Person des Präsidenten.[108] Die Ideologie der Baath[109] (arabischer Nationalismus, Panarabismus, Sozialismus) bleibt zwar legitimer Bezugsrahmen des Regimes[110], wie auch der Islam, alles in allem hat nach 1970 aber eine Entideologisierung der Politik stattgefunden. Unter Asad entwickelte sich die Partei so,

aus einer radikalen politischen Kraft (…) zu einer von der Spitze kontrollierten und gelenkten Organisation, (…) die politische Grundsatzentscheidungen einer Führungsgruppe aus Bürokratie, Militär und Regionalführung überlässt, deren Zusammensetzung der Präsident weitgehend selbst bestimmt.[111]

Volksorganisationen

Gemäß der Konzeption als Volksdemokratie sollten in Syrien neben Bürokratie, Partei und Militär, repräsentative, gewählte Volksorganisationen und Volksräte treten. Die wichtigsten dieser Organisationen sind der Bauernverband und der Allgemeine Gewerkschaftsbund. Die meisten der Volksorganisationen, z.B. der Frauen-, der Bauernverband und die „Revolutionsjugend“(ÊabÍba aÝ-Ýaura), wurden in den Anfangsjahren der Baath-Herrschaft gegründet. Sie dienen der direkten Anbindung weiter Teile der Gesellschaft an das Regime, der Verbreitung der Baath-Ideologie sowie der Kontrolle gesellschaftlicher Aktivität. Gewerkschaften, Bauernverband, berufsständische Organisationen und der Frauenverband spielen auch die Rolle einer Interessenorganisation für ihre Mitglieder. Insbesondere die Gewerkschaften geben, wenn auch begrenzt, Raum für die Artikulation von Kritik, sei es auf Veranstaltungen oder in Gewerkschaftszeitungen. Für das Regime dient dies als Sicherheitsventil, birgt jedoch auch die Gefahr, dass sich diese Organisationen gegen das Regime wenden.[112]

Populist Authoritarianism

Hinnebusch beschreibt das autoritäre politische System Syriens näher als populist authoritarianism (PA), ein Regimetyp, der seinen Ursprung in einer „Revolution von oben“ hat.[113] Diese Revolution von oben ist ein reformistischer Putsch, der eine massive Umwandlung der Eliten, politischen Institutionen und der Sozialstruktur mit sich bringt, jedoch ohne die gewalttätige Beteiligung der Massen abläuft, die typisch für Revolutionen „von unten“ ist. In Syrien erfolgte dieser Putsch im Jahr 1963 durch eine anti-oligarchischen Allianz verschiedener Elemente der unteren Mittelklasse: Vertreter des Offizierskorps, marginalisierte Minderheiten (Alawiten, Christen) und ein beträchtlicher Teil der Bauernschaft, die durch einen Landkonflikt mit den Großgrundbesitzern mobilisiert wurden. Diese Allianz wurde durch die pan-arabische, nationalistische und sozialistische Ideologie der Baath-Partei zusammengehalten und richtete sich zum einen gegen den Imperialismus, zum anderen gegen die Herrschaft der städtischen herrschenden Klasse (Großgrundbesitzer, städtische, sunnitische Notabeln).

Nach dem Baath-Putsch 1963 wurde diese industrielle Bourgeoisie durch Verstaatlichungen und eine Landreform nahezu eliminiert. Während so die Bourgeoisie als Klasse absank, expandierten die Kleinbauernschaft und die lohnabhängige Mittelklasse. Das „populistische“ Element beschreibt Hinnebusch wie folgt:

Insofar as the PA regime uses its concentrated power chiefly to attack the old dominant classes while seeking legitimacy through egalitarian ideology and the political incorporation of middle and lower strata, it is arguably ‘populist’, that is, an ‘authoritarianism of the left’ which challenges rather than defends the traditional, privileged status quo.[114]

Im Gegensatz zu so genannten „konservativen autoritären Regimen“ (u.a. Chile), deren Basis die großen Landbesitzer sind und die deshalb Unterstützung bei einer wirtschaftlichen Liberalisierung und der Stärkung des Privatsektors erfahren, erschweren Basis (und Ideologie) des Baath-Regimes eine Öffnung auf wirtschaftlicher Ebene. Die Basis der Baath ist die Bauernschaft, die städtische Bourgeoisie hingegen der natürliche Rivale des Regimes. Das Regime muss also zu einem gewissen Grad seine soziale Basis wandeln, um eine Liberalisierung umsetzen zu können.[115] In der so genannten „post-populistischen Phase“ suchen populist authoritarian regimes nach Stabilisierung durch eine begrenzte wirtschaftliche Liberalisierung, was der Bourgeoisie den Zugang zur Politik eröffnet. In Syrien geschah dies durch die Einbindung der sunnitischen Bourgeoisie seit 1970. Diese Öffnung wird jedoch sehr vorsichtig betrieben und ist begrenzt. Zum einen um die Unterstützung durch die Bauernschaft und Arbeiter nicht zu gefährden. Zum anderen weil das Regime fürchtet, dass diese Gruppe ein zu hohes Maß an Autonomie auf Kosten des staatlichen Herrschaftsmonopols zukommen könnte. Das Regime muss also die Bevorteilung der Landbevölkerung und der Arbeiter des öffentlichen Sektors bewahren, d.h. die Inflation zurückhalten und Arbeitsplätze sichern und schaffen, auch wenn diese Maßnahmen einer wirtschaftlichen Entwicklung zuwider laufen.[116] Die Bauernschaft verfügt zudem durch den bereits erwähnten Allgemeinen Bauernverband über einen institutionalisierten Zugang zum Regime. Der Verband wurde organisiert um den Großgrundbesitzern entgegentreten zu können und förderte ein System landwirtschaftlicher Kooperativen. Heute wird er in den Augen vieler Investoren, die eine liberalere Gesetzgebung fordern, als großes Hindernis betrachtet.[117]

Neben den strukturellen Eigenschaften des Baath-Regimes – ein stark ausgebautes Institutionengefüge, zentralisierte, personalisierte Herrschaft – und der Herrschaftssicherung durch Patronage, Kooptation und Repression, stellt auch die soziale Basis des Regimes ein Hindernis bei der Umsetzung von Reformen dar. Ein weiterer reformhemmender Aspekt ist zudem die relativ unabhängige wirtschaftliche Basis des Regimes.

Staatskapitalismus und Rentierökonomie

Gemäß Artikel 13 der Verfassung ist die staatliche Wirtschaft eine sozialistische Planwirtschaft, die das Ziel verfolgt, jegliche Form der Ausbeutung zu beenden. Neben öffentlichem und kollektivem Besitz ist Privatbesitz legal, der jedoch der Staatswirtschaft im Rahmen des Entwicklungsplanes dienen soll (Art. 14).

Nach Perthes kann das syrische ökonomische System am besten als staatskapitalistisches System beschrieben werden.[118] Für die 1963 an die Macht gekommene Führung war der staatliche Wirtschaftssektor das zentrale Instrument, um den erstrebten politischen und gesellschaftlichen Wandel durchzuführen. Zwar wurde durch die Verstaatlichungen die Macht der alten herrschenden Klasse zugunsten von Bauern, Arbeitern und Kleinbürgertum gebrochen, die Verfügungsgewalt über den öffentlichen Sektor lag jedoch ausschließlich in den Händen der politischen und militärischen Führungsschicht.[119] Mit der Machtübernahme durch Hafiz al-Asad wurden die sozialistischen Ziele zwar nicht aufgegeben, es wurde jedoch eine wirtschaftliche Öffnung verfolgt, um die Machtbasis des Regimes zu erweitern.

[...]


[1] Baschar al-Asads Antwort auf die Frage, wie er die Ereignisse während seines ersten Amtsjahres einschätzt. Interview in El-Pais vom 1.5.2001, zitiert nach Zisser (2003a), S. 39.

[2] Heidenheimer Zeitung vom 6.4.2005.

[3] Das Parlament vom 31.1.2005.

[4] Stuttgarter Zeitung vom 15.3.2004.

[5] Eigentlich: BaššÁr al-Asad. Um die Verständlichkeit und den Lesefluss zu erleichtern, werden im Folgenden arabische Namen und bekannte Presseerzeugnisse nicht in Umschrift, sondern gemäß der in der europäischen Presse üblichen Schreibweise wiedergegeben. Arabische Begriffe, die nicht im Duden aufgeführt sind sowie unbekannte Periodika werden gemäß den Umschriftregeln der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft geschrieben.

[6] Wie auch Leca anmerkt, darf die Verwendung des Begriffs „Demokratie“ bzw. „demokratisch“ in diesem Kontext nicht als Verweis auf ein liberal-demokratisches Modell westlicher Prägung interpretiert werden, vgl. Leca (1996), S. 81.

[7] Syrian Arab News Agency (SANA) vom 18.7.2000, siehe Anhang D, S. 120.

[8] „The new president´s inaugural speech was widely regarded as a declaration of reform intentions“, zitiert nach Perthes (2004b), S. 13.

[9] Tishreen („Oktober“) , al-Baath („Das Wiedererwachen“) und ath-Thawra („Die Revolution“) sind die drei staatlichen Presseorgane Syriens.

[10] Perthes (2004b), S. 14.

[11] Khaddam trat im Juni 2005 von seinem Amt zurück und lebt jetzt im Pariser Exil, der langjährige zweite Vizepräsident Zuhair al-Maschariqa ist 2006 noch im Amt.

[12] Mustafa Tlas ging am 11.5.2004 nach dreißigjähriger Amtszeit aus Altersgründen in Rente, amtierender Verteidigungsminister ist Hasan Turkmani.

[13] Vgl. RiyÁ½ barÍda tahubb þalÁ rabÍþ dimaÊq, http//:www.middle-east-online.com, Stand: 18.2.2001, zitiert nach Ghadbian (2001), S. 637.

[14] So u.a. der syrische Politologe Hassan Abbas in einem Interview mit der Verfasserin, 23.5.2005.

[15] Die in London ansässige „Syrian Human Rights Committee“ (SHRC) spricht in seinem Jahresbericht 2005 von ca. 3000 politischen Gefangen in syrischen Gefängnissen. Mindestens 13 Gefangene starben 2005 an den Folgen von Folter.

Vgl. http://www.shrc.org.uk/data/aspx/d5/2285.aspx, Stand 4.3.2005.

[16] Im Bericht der Weltbank über die wirtschaftliche Entwicklung in den Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas von März 2005 werden der gegenwärtige Status und die Reformschritte der Länder in einem Zeitraum von 2000 bis 2004 bewertet (The World Bank: Middle East and North Africa. Economic developments and prospects 2005. Oil booms and revenue managment, Washington D.C., 2005). Bezüglich des Status der Unternehmens- und Regulierungsreform erhielt Syrien den Wert 17 (Wert 100=Beste Policy-Leistung/Maßnahme, Wert O=restriktivste Politik). Bei den Reformschritten in diesem Bereich lediglich den Wert 2 (100=sehr gute Verbesserung, 0=stärkste Verschlechterung). Bei der Reform der Regierungstätigkeit hat Syrien den Status-Wert 21, Reformschritte in diesem Bereich sind nicht zu verzeichnen, zitiert nach Faath (2005), S. 49. Siehe auch Raphaeli, Nimrod: The Syrian Economy under Bashar al-Asad, MEMRI Inquiry and Analysis Series, No. 259, (13 January 2006).

[17] Die vorliegende Arbeit wird im Fach Islamwissenschaften angefertigt, das jedoch keine der Thematik und Fragestellung dieser Untersuchung angemessene Methodik parat hält. Aus diesem Grund bedient sich die Arbeit sozialwissenschaftlicher Definitionen, Methoden und Konzepte. Dabei wird die Arbeit von einem „technischen Erkenntnisinteresse“ geleitet, d.h. Ziel der Arbeit ist eine Beschreibung und Erklärung des Untersuchungsgegenstandes, gemäß des empirisch-analytischen Ansatzes in den Sozialwissenschaften. Es wird kein deterministischer Ansatz verfolgt, der nach Bedingungen für eine weitere Liberalisierung des Systems bzw. eine Demokratisierung fragt.

[18] Faath (2004), S. 16.

[19] Ebd.

[20] Nohlen/Schultze (2004), S. 789.

[21] Vgl. Faath (2005), S. 55f.

[22] An zweiter Stelle steht das Thema Globalisierung, an dritter Stelle die Frauenfrage. Abgeschlagen an vierter Stelle steht die Kurdenfrage, gefolgt von Debatten zur Jugend, Zivilgesellschaft und Säkularisierung. Abbas zitiert in: Faath (2004), S. 19.

[23] Faath (2004). Analysiert wurde u.a. die länderspezifische Ausprägung aktueller Debatten in Marokko, Algerien, Ägypten, Saudi-Arabien, Jordanien, Libanon, Syrien, den palästinensischen Gebieten und Iran.

[24] Vgl. Faath (2004), S. 486f.

[25] Brynen/Korany/Noble (1998), S. 4; Faath (2004), S. 8; Faath/Mattes (1999), S. 233.

[26] So etwa Samuel Huntington. Diese auf einer statischen Kultursicht basierende Annahme entbehrt zum einen jeglicher empirischer Überprüfung durch Vertreter dieser These, zum anderen widerspricht ihr der feststellbare sozioökonomische Wandel in den Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens seit der Unabhängigkeit dieser Staaten.

[27] Vgl. Jacobs/Mattes (2005), S. 20; Faath/Mattes (1999), S. 233; Brynen/Korany/Noble (1995), S. 5.

[28] In der Wissenschaft herrscht eine oft synonyme Verwendung von Begriffen wie Transition, Transformation, Liberalisierung, Regimewandel oder Systemwechsel, wie Wolfgang Merkel feststellt. Während bei einem „Systemwandel“ offen bleibt, ob dieser Prozess zu einem anderen Systemtyp führt, beschreibt der Begriff „Systemwechsel“ (Transition) Transformationsprozesse, die definitiv zu einem anderen Systemtypus führen. Herrschaftszugang, -struktur, -anspruch und -weise müssen sich grundlegend verändert haben. „Transformation“ hingegen wird „als Oberbegriff für alle Formen, Zeitstrukturen und Aspekte des Systemwandels und Systemwechsels benutzt“. Vgl. Merkel (1999), S. 74-76.

[29] Politische Liberalisierung beinhaltet die Erweiterung des öffentlichen Raumes durch die Anerkennung und den Schutz bürgerlicher Freiheiten, insbesondere jener, die sich auf die Möglichkeit des Bürgers beziehen, sich in freien politischen Diskursen zu engagieren, um gemeinsame Interessen zu verfolgen. Vgl. Brynen/Korany/Noble (1995), S. 3.

[30] Vgl. Dieterich (1999), S. 46.

[31] Vgl. Jacobs/Mattes (2005), S. 10.

[32] Vgl. Brynen/Korany/Noble (1995), S. 10.

[33] Auf dem G8-Gipfel in Sea Island im Juni 2004 wurde die von der Bush-Regierung initiierte Greater Middle East Initiative (GMEI) angenommen und zur Broader Middle East and North Africa Initiative (BMENAI) erweitert.

[34] Vgl. Ghawi/Sass (2005), S. 3; Faath (2004), S. 273.

[35] Vgl. Bertelsmann-Transformation-Index 2003 und 2005.

[36] Vgl. Faath (2003), S. 335.

[37] Nach Siegmar Schmidt hängt die „relative Stabilität autoritärer Systeme“ neben den bereits genannten Faktoren vom intakten Gewaltmonopol staatlicher Institutionen, der Existenz funktionsfähiger Institutionen, den Besonderheiten der politischen Kultur und einem stabilen regionalen Umfeld ab. Vgl. Faath (2003), S. 334.

[38] Vgl. Jacobs/Mattes (2005), S. 135.

[39] Vgl. Brynen/Korany/Noble (1998), S. 5.

[40] Siehe auch Jacobs/Mattes (2005), S. 135.

[41] Am 16. November 1970 stürzte der damalige Verteidigungsminister Hafiz al-Asad den amtierenden Präsidenten Salah Jadid durch einen Militärputsch, der im Nachhinein mit dem Euphemismus „Korrekturbewegung“(al-haraka at-taȽͽÍya) bezeichnet wurde. Asad fungierte zunächst als Ministerpräsident und wurde im März 1971 durch ein Plebiszit zum Präsidenten der Syrischen Arabischen Republik gewählt. Seine Amtszeit endete mit seinem Tod am 10. Juni 2000.

[42] Vgl. Picard (1994), S. 222. Gründe waren die Ineffizienz des öffentlichen Sektors, stagnierende Renteneinnahmen und akuter Devisenmangel. Vgl. Lobmeyer (1995), S. 82-85. Lobmeyer beschreibt die Öffnung als politische Strategie des Regimes, um den Status Quo zu erhalten (S. 85).

[43] Vgl. Jacobs/Mattes (2005), S. 135.

[44] Vgl. Perthes (1996), S. 248.

[45] In Anlehnung an die erste wirtschaftliche Öffnung Syriens 1971 (al-infitÁ½ al-awwal), wird diese Phase als zweite Infitah (al-infitÁ½ aÝ-ÝÁnÍ) bezeichnet.

[46] Vgl. Hinnebusch (1995a), S. 225; Picard (1994), S. 228.

[47] Hinnebusch (1998), S. 223.

[48] Vgl. Picard (1994), S. 222. Nach der Verabschiedung eines Gesetzes zur Anwerbung von Auslandsinvestitionen im Jahr 1991 (Gesetz Nr. 10) kam es zu keinen weiteren wirtschaftlichen Reformschritten in den 90er Jahren. Zur Wirtschaft unter Asad siehe Perthes (1995).

[49] Vgl. Brumberg (1995), S. 229f.

[50] Zur Korrelation von Wandel und politischer Stabilität siehe Faath (2003), S. 331.

[51] Aufgrund der zentralen Rolle der Akteure (Eliten) bietet sich bei der Untersuchung von Transformationsprozessen ein akteurstheoretischer Ansatz an. Vgl. Merkel (1999), S. 102; Mattes/Faath (1999), S. 213.

[52] Vgl. Merkel (1999), S. 103.

[53] Vgl. Merkel (1999), S. 105.

[54] Vgl. Dieterich (1999), S. 381-391; Wünsch (2005), S. 125; Jacobs/Mattes (2005), S. 140.

[55] Insbesondere al-Hayat, as-Safir, al-Quds al-Arabi, ash-Sharq al-Awsat.

[56] Aktivisten der syrischen Zivilgesellschaftsbewegung, in seltenen Fällen auch Regimevertreter.

[57] Der Aufenthalt erfolgte vom 1.5. bis 30.6.2005 im Rahmen des Programms „Kurzfristige Studienaufenthalte für Abschlussarbeiten“ des Deutschen Akademischen Austausch Dienstes (DAAD). Eine Liste der Gesprächspartner, mit denen halbstrukturierte Interviews geführt wurden, findet sich im Anhang. Zudem fanden informelle Gespräche statt, die einen wertvollen Einblick in die gesellschaftliche Wirklichkeit und die staatlichen Restriktionen, denen diese unterlegen ist, geliefert haben.

[58] Für eine etwas ältere, in ihrer Aussage m.E. jedoch noch gültige Diskussion Syriens als Forschungsgegenstand siehe Perthes (1990), S. 13.

[59] Zisser (2003a), S. 39-61; S. 44-56; Zisser (2004), S. 239-256.

[60] Leverett (2005).

[61] George (2003).

[62] Perthes (2004b).

[63] Perthes (2004a).

[64] Hinnebusch (2004).

[65] Wieland (2004), siehe auch Zisser (2003b); Strindberg (2004); Perthes (2004c).

[66] Abbas (2004), S. 127-136. Abbas selbst hat im April 1999 in Damaskus ein Diskussionsforum, („Zirkel für kulturellen Dialog“) gegründet.

[67] Abbas (2005), S. 407-442.

[68] Éditions L´Harmattan : Confluences Méditerranée, Un printemps syrien, 44 (Hiver 2002-2003).

[69] Neben deskriptiven Arbeiten gibt es analytische Literatur zum politischen und sozioökonomischen System Syriens. Verwiesen sei an dieser Stelle insbesondere auf die Arbeiten von Volker Perthes und Raymond A. Hinnebusch (siehe Literaturverzeichnis). Zwar haben sich die Machtverhältnisse innerhalb der Elite seit dem Tod Hafiz al-Asads verändert, nicht aber das System an sich, weshalb diese Arbeiten nicht an Gültigkeit verloren haben.

[70] Vgl. Faath/Mattes (1999), S. 191. Auf das Defizit systematischer Erforschung von Debatten und politischem Wandel in der arabischen Welt verweisen auch Brynen/Korany/Noble (1995), S. 5.

[71] Eine der wenigen Arbeiten, die den Wandel in arabischen Staaten systematisch analysieren sind die beiden von Brynen, Korany und Noble herausgegeben Bände sowie Salamé (1996). In den letzten Jahren gab es zudem Veröffentlichungen des deutschen Orient-Institutes zu Transformationsprozessen in den arabischen Staaten (siehe Literaturliste). Für Jordanien lieferte Renate Dieterich eine umfangreiche Darstellung und Analyse der Liberalisierungspolitik seit 1989 (Dieterich (1999)).

[72] Entsprechend dem dreidimensionalen Politikbegriff umfasst das politische System die Gesamtheit der politischen Institutionen, Prozesse und Inhalte politischer Entscheidungen. In Abgrenzung zu Begriffen wie Staat, Verfassung, Regierungssystem ist der Begriff politisches System enger festgelegt auf Herrschaftsformen, Regimetypen, gesellschaftliche und politische Repräsentation in einem Staat. Vgl. Nohlen/Schultze (2004), S. 732-734. Im Folgenden wird der Begriff „Regime“ synonym benutzt.

[73] Autoritäre Systeme sind eine Unterform autokratischer Systeme. In Unterscheidung zu demokratischen und totalitären Regimen verfügen diese nach Juan Linz über einen eingeschränkten politischen Pluralismus und legitimieren sich nicht über eine allumfassende Weltanschauung, sondern über den Rückgriff auf einzelne Werte und „Mentalitäten“ (wie Nationalismus, nationale Sicherheit), was eine pragmatischere Orientierung in der Politikformulierung erlaubt. Die politische Partizipation ist eingeschränkt und die Gesellschaft demobilisiert. Vgl. Merkel (1999), S. 36; Nohlen/Schultze (2004), S. 55-58.

[74] Im Folgenden bezeichnet als Baath-Partei. Die Partei entstand um 1952 aus einem Zusammenschluss der Arabischen Baath Partei, gegründet von Michel Aflaq und Salah ad-Din al-Bitar und der Arabischen Sozialistischen Partei Akram Hauranis. Zur Enstehung der Baath siehe Devlin (1976). Zum Baath-Putsch: Olson (1982), S. 81-106; Hinnebusch (2001).

[75] Vgl. Perthes (1990), S. 237. Zu Syrien unter Asad siehe auch Olson (1982), S. 121-158; Seale (1988), S. 169-495; Van Dam (1996); Zisser (2001); Hinnebusch (2001), S. 65-166; Perthes (1990), S. 70-313.

[76] Vgl. Hinnebusch (2001), S. 1.

[77] Vgl. Rabinovich (1972).

[78] Die Alawiten (auch Nusairier) sind eine ethnisch-religiöse Gruppe, die vor allem in Syrien, Libanon und der türkischen Region um Antakya vorkommt. In Syrien macht diese schiitische Sekte 12 % der Bevölkerung aus (Sunniten 74%, Schiiten 16%, Christen 9%). Da Alawiten an eine Dreiheit von Muhammad, Ali und Salman, einem Prophetengefährten, glauben und eine Geheimlehre pflegen, wurden sie von Sunniten als Häretiker bezeichnet. So lautete auch der Vorwurf der Muslimbrüder an das Asad-Regime in den 70er Jahren.

[79] Perthes definiert Konfessionalismus als Zusammenhang von konfessioneller, tribaler oder regionaler Zugehörigkeit und politischer Macht. Vgl. Perthes (1990), S. 225.

Es herrscht jedoch Uneinigkeit über den Einfluss des Konfessionalismus auf die syrische Politik unter Hafiz al-Asad. Für eine Diskussion siehe: Perthes, Volker: Einige kritische Bemerkungen zum Minderheiten-Paradigma in der Syrien-Forschung, in: Orient 31/4, (1990), S. 571-582.

[80] Alawiten erfahren zudem keine kollektive Privilegierung und stellen keine geschlossene, soziale Gruppe dar. Konfessionalismus kann, so Perthes, eher als Mittel, nicht als Inhalt der Politik Asads betrachtet werden, vgl. Perthes (1990), S. 227.

[81] So Außenminister Faruq Shara´, Ex-Vizepräsident Abdelhalim Khaddam und Ex-Verteidigungsminister Mustafa Tlas.

[82] Vgl. Seale (1988), S. 85; Perthes (1990), S. 240.

[83] Vgl. Hinnebusch (2001), S. 1.

[84] Im Folgenden nach Dieterich (1990), S. 102ff.; Perthes (1990), S. 223ff.

[85] Als Klientelismus wird definiert „ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis zweier Akteure (Individuen oder Gruppen), die über ungleiche Ressourcen verfügen, die sie zum beiderseitigen Nutzen einsetzen.“ Nohlen/Schultze, S. 408.

[86] „Günstlingswirtschaft“, Kennzeichen von Patronage ist die Verfügungsgewalt der Patrone über öffentliche Ressourcen, die sie an ihre Anhänger verteilen können. Vgl. Nohlen/Schultze, S. 637f. Perthes definiert Patronage als Machttechnik, die eine politische Hierarchie schafft und sich auf ein Tauschverhältnis gründet, etwa Leistungen oder Zugänge gegen Loyalität. Vgl. Perthes (1990), S. 227.

[87] Vgl. Perthes (1990), S. 228. Verwandte Asads haben zentrale Positionen in Armee und Sicherheitsdiensten inne, alle putsch-relevanten Armee-Einheiten stehen auch unter Baschar al-Asad unter dem Kommando von Alawiten.

[88] Vgl. Zisser (2001), S. 33.

[89] Vgl. Seale (1988), S. 448.

[90] Laut Perthes kann man von Korruption sprechen, sobald „ die Beziehungen eines Beamten vorwiegend den privaten, materiellen Interessen dienen“. Vgl. Perthes (1990), S. 232.

[91] Vgl. George (2003), S. 14; Perthes (1990), S.237.

[92] Ein weiterer Zweck der Kampagnen ist die Entfernung unliebsamer Personen aus Politik und Verwaltung. Kritik an Korruption war auch unter Hafiz al-Asad schon gestattet und dient als Ventil für den Unmut der Bürger. Diese richtet sich seit den 70er Jahren, so Lobmeyer, häufig gegen die „parasitäre Klasse“(aÔ-Ôabaqa aÔ-ÔufailÍya), eine kleine Gruppe von Geschäftsleuten, die ihren Reichtum illegalen Geschäften mit Vertretern des Regimes verdanken. Vgl. Lobmeyer (1994), S. 84.

[93] Vgl. Constitution of the Syrian Arab Republic, Ministry of Information, Damascus, 2002, abrufbar unter http://www.loc.gov/law/guide/syria.html, Stand: 18.04.2005.

[94] Faktisch ist die Nationale Führung der Baath-Partei der Regionalen Führung übergeordnet. Während erstere Führungsaufgaben in den nicht-syrischen Parteiregionen wahrnimmt, ist die Regionale Führung für die syrische “Region“ zuständig. Da die Baath-Partei außerhalb Syriens eine marginale Rolle spielt, ist auch die Rolle der Nationalen Führung zu vernachlässigen. Vgl. Zisser (2001), S. 26.

[95] Dieses Parteiorgan wurde erstmals auf der 7. Regionalkonferenz der Baath-Partei 1980 gewählt.

[96] Vgl. Perthes (1990), S. 240. (Die folgende Beschreibung folgt weitgehend seiner Darstellung.) Ein weiteres Merkmal der Herrschaft Hafiz al-Asads war der Personenkult in Form von unzähligen Wandgemälden, Plakaten und Bildern mit dem Konterfei des Präsidenten. Ein Phänomen, das unter Baschar al-Asad auf seinen Wunsch hin zwar nachgelassen hat, jedoch immer noch zu beobachten ist. Siehe hierzu Wedeen (2000).

[97] Euro-Med Partnership, “Country Strategy Paper”, zitiert nach ICG II, S. 6.

[98] Vgl. ICG II, S. 6.

[99] Zum Militär siehe Syria´s Praetorian Guards: A Primer, Middle East Intelligence Bulletin, Vol. 2, No. 7 (5 August 2000); Bennet, Richard M.: The Syrian Military: A Primer, Middle East Intelligence Bulletin, Vol. 3, No. 8 (August/September 2001).

[100] Das Kriegsrecht trat durch den Ausnahmezustand in Kraft, der am 8. März 1963, dem Tag des Baath-Coups, durch den Revolutionären Kommandorat erklärt wurde. Offiziell wird der Ausnahmezustand mit der militärischen Bedrohung durch Israel gerechtfertigt, gilt aber als „the central legal mechanism and justification for the Syrian repressive system“. Middle East Watch (1991), S. 23.

[101] Vgl. Zisser (2001), S. 25ff.

[102] Vgl. Ghalioun (2003), S. 14f.

[103] Die syrischen Sicherheitskräfte bestehen unter anderem aus der Politischen Sicherheit (al-amn as-siyÁsÍ), dem Militärischen Geheimdienst (al-mu¿ÁbarÁt al-þaskarÍya), der unterteilt ist einen palästinensischen, einen investigativen und einen regionalen Flügel, der Allgemeinen Sicherheit (al-mu¿ÁbarÁt al-þÁmma), die in einen investigativen, inländischen und ausländischen Flügel unterteilt ist und dem Geheimdienst der Luftwaffe (al-mu¿ÁbarÁt al-ºawwÍya). Vgl. ICG II, S. 2; Syria´s Intelligence Services: A Primer, Middle East Intelligence Bulletin, Vol. 2, No. 6 (1 July 2000); Middle East Watch (1991), S. 38-53.

[104] Perthes (1990), S. 257.

[105] Der 1972 gegründeten NPF gehören neben der Baath-Partei folgende Parteien an: Der Baqdash- und der Faisal-Flügel der Kommunistischen Partei Syriens (KPS), die Arabische Sozialistische Partei (ASP), die Arabische Sozialistische Union (ASU), die Sozialdemokratischen Unionisten, die Sozialistischen Unionisten und seit 2003 die Syrische Sozialistische Nationalistische Partei (SSNP).

[106] Vgl. Lobmeyer (1994), S. 84.

[107] Vgl. Perthes (1990), S. 257. Die Partei ist parallel zur Bürokratie strukturiert und reicht bis in die Dörfer und Betriebe des öffentlichen Sektors. So müssen Parteikomitees etwa Beförderungen im öffentlichen Dienst befürworten und Unbedenklichkeitserklärungen abgeben, wodurch auch kleinere Funktionäre über Bereicherungsmöglichkeiten und soziale Macht verfügen. Vgl. Perthes (1990), S. 263.

[108] Unter Hafiz al-Asad fand der letzte (8.) Parteikongress im Jahr 1985 statt, er verstarb kurz vor dem 9. Parteikongress 2000. Der jüngste Kongress fand im Juni 2005 statt (siehe IV.).

[109] Zur Baath-Ideologie siehe Olson (1982), S. 3-19; Freitag (1991), S. 162-178, 248-255.

[110] In seiner Schlussrede auf dem 9. Baath-Kongress im Jahr 2000, bekannte sich Baschar al-Asad zur sozialistischen Ideologie der Baath-Partei und widersprach der Auffassung, dass Ideologien keine Rolle mehr spielten. Der Sozialismus müsse jedoch, wie etwa in China, flexibel gehandhabt werden. Vgl. Koszinowski (2001), S. 156.

[111] Vgl. Perthes (1990), S. 266.

[112] Asad versuchte deshalb während der innenpolitischen Krise Ende der 70er Jahre die Loyalität von Gewerkschaften und Bauernverband zu sichern: Die Vorsitzenden beider Verbände wurden in die Zentrale Führung der NPF aufgenommen, die Beteiligung am politischen Entscheidungsprozess blieb aber auf ihre Repräsentation beschränkt, es kam also zu keiner wirklichen Teilhabe an der Macht. Vgl. Perthes (1990), S. 272f.

[113] Vgl. Hinnebusch (2001), S. 2; Pawelka (1993), S. 80-81.

[114] Vgl. Hinnebusch (2001), S. 2.

[115] Vgl. Hinnebusch (1998), S. 226.

[116] Vgl. Picard (1994), S. 225.

[117] Zwar ist der Großteil des syrischen Landbesitzes in privater Hand, zwei Drittel des Landes ist jedoch in den vom Staat abhängigen Kooperativen organisiert. Vgl. Hinnebusch (1998), S. 229.

[118] Vgl. Perthes (1990), S. 282.

[119] Vgl. Perthes (1990), S. 283.

Ende der Leseprobe aus 127 Seiten

Details

Titel
Frühling in Damaskus. Die Reformdebatte in Syrien seit der Machtübernahme durch Baschar al-Asad.
Untertitel
Sommer 2000 bis Herbst 2003.
Hochschule
Universität Hamburg
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2006
Seiten
127
Katalognummer
V89527
ISBN (eBook)
9783638043878
ISBN (Buch)
9783638940795
Dateigröße
7458 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Frühling, Damaskus
Arbeit zitieren
M.A. Julia Jaki (Autor:in), 2006, Frühling in Damaskus. Die Reformdebatte in Syrien seit der Machtübernahme durch Baschar al-Asad., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89527

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