Identitätsarbeit von Nachkommen Heimatvertriebener

Eine Untersuchung zur grenzüberschreitenden Dialogbereitschaft organisierter und engagierter Sudetendeutscher


Magisterarbeit, 2006

135 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Gliederung

I. Einleitung

II. Das psychosoziale Konzept der Selbst- und Fremdbilder
1. Die sprachtheoretische Erklärung des Begriffs Identität
2. Für oder gegen Erikson?
3. Kritik am Erikson - Modell
4. Basistheorie und Prämisse der Arbeit

III. Zielsetzung der Untersuchung, Anlage, Themenwahl
1. Zielführende Fragen und Thesen
2. Untersuchungsgegenstand und Festlegung der Gruppe
3. Welches Untersuchungsziel folgt aus den Leitfragen?

IV. Empirische Forschungsmethode
1. Vom Text zur Theorie: Auswahl der Forschungsmethode
1.1. Aktion auf dem Klosterfriedhof
1.2. Entwicklung des Interview-Leitfadens
1.3. Leitfaden gestützte Interviews in Tschechien und Deutschland
2. Interviewauswertung: Das Thematische Kodieren
2.1. Motto und Interview-Kurzbeschreibung
2.2. Die Entwicklung der Kategorien
2.2.1.Kategoriensystem, angewandt auf alle Fälle
2.2.2.Thematische Struktur der Fallanalysen

V. Politisch-historische Dimension und aktuelle Diskussion
1.Die aktuelle politische Debatte
2.Bewegung in der Ostpolitik
3. Václav Havel: „Die Zeit der Entschuldigungen ist vorbei“
3.1. Der Odsun aus tschechischer Sicht
3.2. Tschechen deutscher Abstammung:
„Der Schweik´sche Weg“

VI. Darstellung der Forschungsergebnisse
1. Ergebnisinterpretation
1.1. Kategorie: „Starke“ Prägung durch Herkunftsfamilie
1.2. Fallbeispiele: „Starke“ Prägung durch die Familie
1.2.1. „Starke“ Prägung und Ablehnung
1.2.2. „Starke“ Prägung: Ablehnung und Identität
1.2.3. „Starke“ Prägung und Entgegenkommen
1.2.4. „Starke“ Prägung: Entgegenkommen und Identität
1.3. Kategorie: „Geringe - mittlere“ Prägung durch Herkunftsfamilie
1.3.1. Fallbeispiele: „Geringe - mittlere“ Prägung und Entgegenkommen
1.3.2. „Geringe - mittlere“ Prägung und Identität
1.4. Kategorie: „Unbedeutende“ Prägung durch Familie
1.4.1 Fallbeispiele: „Unbedeutende“ Prägung und Entgegenkommen
1.4.2. Fallbeispiel: „Unbedeutende“ Prägung und Gleichgültigkeit
1.4.3. „Unbedeutende“ Prägung und Identität
2. Expertenbewertung
2.1. Cornelia Irmer: Erste Bürgermeisterin der Vertriebenengemeinde Geretsried
2.2. Pater Norbert Schlegel: Seelsorger des Bund der Egerland–Jugend
2.3. Johann Böhm: Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe
2.4. Zusammenfassung
3. Thesenüberprüfung und Schlussfolgerung
3.1. Zu These eins
3.2. Zu These zwei
3.3. Zu These drei

VII. Schlussbetrachtung und Ausblick

VIII. Anhang
1. Leitfaden für die qualitativen Interviews
2. Interview-Kurzbeschreibungen
3. Liste der Interviewpartner
4. Abkürzungsverzeichnis
Tabellen 1; 1a; 2: Fallanalysen und Kategorien

IX. Literaturverzeichnis

I.Einleitende Bemerkungen und Aufbau der Arbeit

Die Diskussionen um den Charakter der deutsch-tschechischen Beziehungen nach 1990 finden bis heute vor dem Hintergrund der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegsgeschichte statt. Immer noch wird um die Überwindung der gegenseitig zugefügten Traumata gerungen. Auf tschechischer Seite um die Aufarbeitung der Verbrechen an der Bevölkerung durch das nationalsozialistische Hitler-Regime; auf deutscher Seite sind die Enteignung und Vertreibung von drei Millionen Menschen deutscher Nation ein scheinbar unüberbrückbares Hindernis für ein entspanntes Verhältnis der beiden Staaten.[1]

In der vorliegenden Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, wie junge und jüngere Nachkommen von Heimatvertriebenen, die sich in landsmannschaftlichen Gruppen und Vereinen engagieren sowie bei einem Sanierungsprojekt in Tschechien mitarbeiten – und demnach eine ausgeprägte kollektive Identität entwickelt haben - in ihrem Alltag mit der deutsch-tschechischen Problematik umgehen.

- Gibt es die mentale und emotionale Schwelle der Älteren, die den Dialog mit den „Anderen“ jenseits der Grenze weitgehend verhindert, noch für die Nachkommen von Heimatvertriebenen der zweiten und dritten Generation?
- Gilt für diese heute 20 bis 50-jährigen noch die Wir-Identität der Erlebnisgeneration mit der Herkunftsregion Egerland (im weiteren Sinn Sudetenland) oder fühlen sie sich mit ihrer aktuellen Heimat Deutschland (im engeren Sinn Bayern) identisch?
- Sind sie bereit zum Dialog mit den „Anderen“, durch Annäherung und Entgegenkommen, oder ist ihr Verhalten durch Distanz, Gleichgültigkeit und Ablehnung bestimmt?

Diese Fragen legen eine Definition des Begriffs Identität nahe, der zunächst mit der Wahrnehmung des Selbst und der (sozialen) Umwelt[2] wie mit der wechselseitigen Abhängigkeit von Selbst- und Fremdbildern zu tun hat.[3] Die Begriffsklärung (II) war zur Entwicklung des Leitfadens notwendig, auf dessen Grundlage die empirische Untersuchung mit 20 qualitativen Interviews in Tschechien und Bayern durchgeführt wurde.

Die Identitätsforschung in ihrer Ausprägung als reflexive Sozialpsychologie sucht ihre Themenstellungen an der Nahtstelle von Subjekt und Gesellschaft.

Sie will nach den Worten des Identitätsforschers und Fachpublizisten Heiner Keupp herausfinden, wie sich Subjekte in dynamischen gesellschaftlichen Veränderungsprozessen positionieren, sich entwerfen und Handlungsfähigkeit erlangen. Das Problem der Herstellung von Identität liegt Keupp zufolge an dieser Nahtstelle. Die Frage der gesellschaftlichen Positionierung und Handlungsfähigkeit von Subjekten hat in der gesellschaftlichen und politischen Umbruchphase Ende der 80er-Jahre die besondere Aufmerksamkeit der Sozialwissenschaftler erregt.[4] Auf der Grundlage der Theorie der Identitätsarbeit, die über die Konstruktion von Teil-Identitäten zur Handlungsfähigkeit führt, ist die vorliegende Untersuchung angelegt.

Im Kapitel „Zielsetzung und Anlage der Arbeit“ (III) wird zunächst begründet, weshalb das Konzept der kollektiven Identität für die Handlungen (Traditionspflege und Friedhofspflege) der untersuchten Gruppe relevant ist. In den vergangenen Jahrzehnten ist intensiv über die historisch-politischen Bedingungen der Entstehung von Spannungen zwischen Menschen deutscher und tschechischer Nation, von Eskalation, NS-Herrschaft, Flucht und Vertreibung aus Böhmen sowie über die Integration der Vertriebenen in den Aufnahmegesellschaften nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geforscht worden.[5] Es liegen jedoch keine Studien darüber vor, in welchem Maße die Nachkommen der unmittelbar Betroffenen - die zweite und dritte Generation - die Erzählungen der Erlebnisgeneration in ihren Lebenszusammenhang eingeordnet hat und welche Folgerungen die Jüngeren aus der Geschichte für die Dialogbereitschaft mit dem tschechischen Nachbarn ziehen. Diese Alterskohorten gerieten bisher nicht in den Focus der sozialwissenschaftlichen Forschung.

Interviewt wurden junge und jüngere, durch Gruppenzugehörigkeit und Herkunftsfamilie geprägte Frauen und Männer zwischen 20 und etwa 45 bis 50 Jahren, die einerseits durch ihre Mitgliedschaft in der Egerland - Jugend und dem Bund der Egerländer Gmoin[6] die Tradition der Herkunftsregion ihrer Ursprungsfamilien pflegen, andererseits zu freiwilligem Arbeitseinsatz in eben dieser Region bereit sind, aus der ihre Eltern und Großeltern vertrieben worden sind. Die ausgewählten Probanden beteiligen sich teilweise schon seit 14 Jahren an der Friedhofs-Sanierungsaktion.[7]

Aus dieser Konstellation lassen sich folgende Annahmen gewinnen und in drei Thesen formulieren:

a) Von ihrer Gruppenzugehörigkeit und durch die Herkunftsfamilie stark geprägte Nachkommen von Heimatvertriebenen sind traditionsverbunden, sie setzen sich intensiv mit ihren Selbst- und Fremdbildern auseinander. Sie sind an geschichtlichen und politischen Prozessen interessiert. Politische und historische Informationen werden reflektiert und beeinflussen die Dialogbereitschaft mit den „Anderen“.
b) Von Gruppe und Familie wenig beeinflusste Nachkommen von Heimatvertriebenen der zweiten und dritten Generation gehen unbelastet mit der Vergangenheit um. Sie interessieren sich wenig für historisch-politische Zusammenhänge. Ihre Arbeit in der Egerland - Jugend und ihr Einsatz bei der Restaurierung in Tschechien werden als geselliges Engagement wahrgenommen. Sie machen sich wenig Gedanken um ihre Identität, der Dialog kommt auf der Ebene gleicher kultureller Interessen zustande.
c) Es besteht kein Zusammenhang zwischen der Prägung durch die Gruppe und die Herkunftsfamilie mit der Identität sowie der Dialogbereitschaft mit dem Nachbarn jenseits der Grenze.

Zur Überprüfung dieser Thesen ist das Datenmaterial aus vierzehn leitfadengestützten Teilnehmer- und vier Experten-Interviews nach der Methode „Thematisches Kodieren“[8] analysiert und ausgewertet worden. Dieser methodische Ansatz (IV) bot aufgrund der fehlenden Quellenlage und im Rahmen des beschränkten Umfangs einer Magisterarbeit die Möglichkeit, auf der Basis von qualitativen Interviews bei Sanierungsarbeiten auf einem Friedhof in der westböhmischen Stadt Tepla das notwendige empirische Material selbst zu erarbeiten. Als Kontrollgruppe wurden Experten in München, Geretsried und Brannenburg befragt. Von ihnen wird vor allem auf die (vermuteten) Motive der Teilnehmer an der vom „Bund der Egerland -Jugend“[9] initiierten Aktion eingegangen.

In den Interviewfragen geht es auch um die Jahrhunderte andauernde gemeinsame deutsch-tschechische Geschichte, die 1946 mit der Vertreibung jäh zu Ende ging. Es wird davon ausgegangen, dass diese letzte Epoche der Gesellschaftsgeschichte nicht nur für die unmittelbar betroffene ältere Generation sondern auch für die Alltagsbewältigung der nach 1945/46 Geborenen konstitutiv ist. Das Interesse an ihr - bzw. das Wissen um sie - ist deshalb im Leitfaden für die Befragung thematisiert worden.[10]

Abgesehen von der Frage, von welcher Volksgruppe das Gebiet als erstes besiedelt wurde, geht es in der historischen und politischen Fachliteratur vor allem um die ideengeschichtliche Entwicklung und Dominanz nationalstaatlicher Ideen im 19. und 20. Jahrhundert. Sie gelten als Auslöser für die sich ergebenden Divergenzen und Irritationen, für die gescheiterte Minderheitenpolitik während der Ersten Tschechischen Republik (1918 bis 1938)) bis zur Eskalation während des NS-Protektorats über Böhmen und Mähren und der sich anschließenden Vertreibung (Odsun).

Die aktuelle politische Diskussion (V), die in den Interviews abgefragt und in den Antworten angesprochen wurde, ist ohne diesen historischen Hintergrund nicht schwer zu verstehen. Die Jahrhunderte andauernde Konfliktgeschichte führte letztendlich zu NS-Terror und Vertreibung und zu den daraus resultierenden immer noch nicht beigelegten Irritationen.

Diese Thematik ist nicht zu trennen von der Verzichtserklärung der Vertriebenen aus den 50er-Jahren, der neuen Ost- und Entspannungspolitik der Regierung Brandt-Scheel ab Ende der 60er- Jahre. Die gemeinsamen deutsch-tschechischen Erklärungen nach 1990 sowie die Debatte über den EU-Beitritt Tschechiens 2004 und die Forderung nach Aufhebung der Benes–Dekrete bestimmen sie ebenso wie die oben angesprochenen jüngsten kontroversen Äußerungen der Politiker und Verbandsprecher.[11]

Im Hauptteil der Arbeit (VI) geht es um Analyse und Interpretation der verschrifteten Interviews. Dabei helfen die Zusammenfassungen der Aussagen in den Kurzbeschreibungen. Das in der Einleitung und in Kap. III formulierte Ziel der Arbeit, die Erforschung der Dialogbereitschaft mit den „Anderen“, wird anhand der Kategorien „Entgegenkommen“, „Distanz“, „Gleichgültigkeit“ und „Ablehnung“ erörtert und durch Zitate aus den Interviews ergänzt. Die Definitionen für diese Kategorien ergeben sich fallübergreifend aus dem kontinuierlichen Vergleich der Interviewaussagen, nach der in Kap. IV erläuterten empirischen Methode des Theoretischen Kodierens. Abschließend werden die formulierten Thesen durch die Untersuchungsergebnisse bestätigt oder widerlegt.

II. Das psychosoziale Konzept der Selbst- und Fremdbilder: Was ist Identität?

„Im Denken sind wir angewiesen auf Anschauung, die uns gegeben werden muss, im Dasein auf andere, mit denen wir in gegenseitiger Hilfe erst unser Leben ermöglichen. Als Selbstsein sind wir angewiesen auf anderes Selbstsein, mit dem in Kommunikation wir eigentlich erst zu uns selbst kommen.“[12] Dieses Zitat von Karl Jaspers weist auf die vielfältigen Prozesse hin, die vom Bewusstsein für die Wahrnehmung des Selbst und der Umwelt geleistet werden müssen. Auch andere Denker wie der in Mähren geborene Philosoph Edmund Husserl haben die Erklärung der Welt auf die Reflexion und Beschreibung der Selbst- und der Fremdwahrnehmung in ihrer Vielschichtigkeit zurückgeführt. Husserl sagt, dass das Ego sich selbst erfasst, „ (...) nicht bloß als strömendes Leben, sondern als Ich, der ich dieses und jenes erlebe, dies und jenes cogito als derselbe durchlebe.“ Die Anderen erfahre ich als „Weltobjekte“ und zugleich als Subjekte für diese Welt, „ (...) als diese Welt erfahrend, und diese Welt erfahrend, diese selbe Welt, die ich erfahre, und dabei auch mich erfahrend“.[13] Das Selbst und die Anderen sind in ihrem Bezug aufeinander angewiesen.

Für die postmoderne Identitätsforschung gilt Identität als „permanente Passungsarbeit zwischen inneren und äußeren Welten“ und als Projektentwurf des eigenen Lebens , die für das Subjekt mit lebenslanger Identitätsarbeit verbunden sind.[14]

1. Die sprachtheoretische Erklärung des Begriffs Identität

Jürgen Habermas findet für den Begriff Identität, der vor allen andern durch George Herbert Mead eine sozialpsychologische Deutung fand,[15] eine sprachtheoretische Erklärung.

... Ich meine aber, dass der sozialpsychologische Begriff der Identität auch einer sprachtheoretischen Erklärung zugänglich ist. Der Heranwachsende bildet in dem Maße eine Identität aus, wie sich für ihn eine soziale Welt, der er angehört und komplementär dazu eine von der Außenwelt der Tatsachen und Normen abgegrenzte subjektive Welt konstituiert, zu der er einen privilegierten Zugang hat.“[16]

Die Verbindung dieser beiden Welten, der gesellschaftlichen und der jeweils subjektiven, bildet sich in den beiden Identitätskomponenten des „I“ und „Me“ ab, wobei das Ich (des Einzelnen) für die geäußerten subjektiven Bedürfnisse, das „Me“ (das Ich überhaupt) für den durch soziale Rollen geprägten Charakter steht.[17] Habermas bezieht sich auch hier auf den Identitätsbegriff Mead`s, wenn er postuliert, dass die Ich-Identität eine Person dazu befähigt „sich unter Bedingungen autonomen Handelns“ selbst zu verwirklichen. Dabei muss der Aktor zu sich selbst ein reflektiertes Verhältnis unterhalten, das heißt, die handelnde Person kann zugleich als autonom und unverwechselbar erscheinen.

In der philosophischen Tradition ist Identität ein Prädikat mit besonderer Funktion: Ein einzelnes Ding oder Objekt wird als solches von anderen gleicher Art unterschieden. Im Kontrast dazu setzt Dieter Heinrich in seinem Essay „Begriffe und Grenzen von Identität“ den sozialpsychologischen Identitätsbegriff scharf ab: Hier ist Identität, nicht „an Einzelnes“ gebunden, das „Identität erwerben oder verlieren kann“. Vielmehr ist Identität eine komplexe Eigenschaft, die Personen in einem gewissen Lebensalter erwerben können. Haben sie diese Eigenschaft einmal erworben, so können sie sich vom Einfluss anderer frei machen:

„Sie können ihrem Leben eine Form und Kontinuität geben, welche sie zuvor, wenn überhaupt, nicht besaßen. In diesem Sinne sind sie Kraft ihrer Identität autonome Einzelne.“[18]

Freilich macht Habermas hierzu geltend, dass der Einzelne gegenüber seiner Herkunftsfamilie keine hypothetische Einstellung einnehmen, dass er seine Biografie nicht in der selben Weise bejahen oder verneinen kann, wie eine Norm, deren Geltungsanspruch zur Diskussion steht. Er sagt damit, dass keiner der Lebensform, in der er sozialisiert ist, in derselben Weise reflektiert zustimmen kann wie einer Norm, von deren Gültigkeit er sich überzeugt hat. Hier berühren sich kollektive und personale Identität, die Habermas mit seiner Theorie des kommunikativen Handelns erläutert:

„Was ... die vergesellschafteten Individuen aneinander bindet und die Integration der Gesellschaft sichert, ist ein Gewebe kommunikativer Handlungen, die nur im Lichte kultureller Überlieferungen gelingen können – und nicht etwa systemische Mechanismen, die dem intuitiven Wissen ihrer Angehörigen entzogen sind. Die Lebenswelt, die die Angehörigen aus gemeinsamen kulturellen Überlieferungen konstruieren, ist koextensiv. Sie zieht alle gesellschaftlichen Vorgänge in den Lichtkegel kooperativer Deutungsprozesse. Sie verleiht allem, was in der Gesellschaft vorkommt, die Transparenz dessen, worüber man sprechen kann - auch wenn man es (noch) nicht versteht.“[19]

Damit ist ausgesagt, dass die Identifikation mit einer von den Individuen konstruierten Lebenswelt oder Gruppe, der sie sich zugehörig fühlen, die Identitätsbildung erleichtert. Der Schlüssel hierfür liegt Habermas´ diskursiver Handlungstheorie zufolge im „Gewebe kommunikativer Handlungen“, also der Diskurse und der daraus resultierenden konkreten Aktionen. Diese „Lebenswelt“ wird aus den allen (Individuen) in der Gruppe gemeinsamen kulturellen und traditionellen Überlieferungen konstruiert. Sie [die Gruppe; H.S.] ist „koextensiv“. Das heißt, die Individuen haben im Lichte ihrer Überlieferungen und Traditionen wenig Mühe, alle gesellschaftlichen Vorgänge zu deuten, sie können in der Gewissheit ihrer gemeinsamen kulturellen Einstellungen „über alles sprechen “, auch über das, was ihnen im Augenblick nicht unmittelbar einsichtig ist.

Für das Thema der vorliegenden Arbeit, die sich mit den Identitäten traditionsgebundener, in Gruppen organisierter Nachkommen von Heimatvertriebenen beschäftigt , könnte dies bedeuten, dass primär die Gruppe (in diesem Fall der Traditionsverein) die Individuen dazu befähigt, Überlieferungen zu reflektieren, die im Diskurs zu konkretem Handeln und darüber hinaus zur Dialogbereitschaft mit den „Anderen“ führen.

2. Für oder gegen Erikson? Die sozialpsychologische Perspektive der Ich-Identität.

Der Psychoanalytiker Erik Erikson hat den Begriff der Ich–Identität im Kontext der empirischen Wissenschaften definiert. Im Laufe seines Wissenschaftler-Lebens erweiterte er seine psychoanalytische Betrachtungsweise, indem er 1946 erkannte und postulierte, dass die Ausprägung des Selbstbildes und der Ich-Identität auch von historisch-gesellschaftlichen Veränderungen abhängig ist.

„Ursprünglich sollte damit [mit dem Begriff der Ich-Identität; H.S.] ein spezifischer Zuwachs an Persönlichkeitsreife angedeutet werden, den das Individuum am Ende der Adoleszenz der Fülle seiner Kindheitserfahrungen entnommen haben muß, um für die Aufgaben des Erwachsenenlebens gerüstet zu sein.“[20]

Seinem interdisziplinären Ansatz entsprechend führte Erikson klinische Untersuchungen durch, in denen er vom Identitätsbegriff Siegmund Freuds ausging. Für Freud sei Identität „etwas im Kern des Individuum Angelegtes“, das einen wesentlichen Aspekt des inneren Zusammenhalts einer Gruppe konstituiert; denn der junge Mensch müsse lernen, dort am meisten er selbst zu sein, wo er auch in den Augen der anderen am meisten bedeutet – jener anderen nämlich, die auch für ihn die höchste Bedeutung haben. Der Begriff „Identität“ drücke demnach eine wechselseitige Beziehung aus, als er sowohl ein andauerndes Sich–Selbst-Gleichsein wie auch ein andauerndes Teilhaben an bestimmten gruppenspezifischen Charakterzügen umfasst.[21] Einmal handle es sich um ein bewusstes Gefühl der individuellen Identität und ein andermal um das unbewusste Streben nach einer Kontinuität des persönlichen Charakters.

Die Erkenntnisse der Psychoanalyse führten Erikson zu seiner Annahme, dass die „Karenzzeit“ zwischen Kindheit und Erwachsenenleben dafür verantwortlich ist, dass „ein nunmehr endgültiger Rahmen für die Identität“ vorgezeichnet wird. Im Laufe der Untersuchungen überzeugte er sich davon, dass sich in dieser Periode des „psychosozialen Moratoriums“ der junge Mensch durch freies Experimentieren in irgendeinem Sektor seinen Platz in der Gesellschaft sucht, „ (...) eine Nische, die fest umrissen und doch wie einzig für ihn gemacht ist.“

So gewinne der junge Mensch das sichere Gefühl innerer und äußerer Kontinuität, das die Brücke bildet von dem, was er als Kind war, zu dem, was er im Begriff ist zu werden. Das Bild, das er von sich selbst wahrnimmt, verbindet er mit dem Bild unter dem er von seiner Gruppe, seiner Sozietät, erkannt wird. Dabei gehe es um mehr als um die Anerkennung der Leistungen des jungen Erwachsenen durch seine Umwelt.

„Es ist für die Identitätsbildung des jungen Menschen wesentlich, dass er ... eine Antwort erhält und dass ihm Funktion und Stand zuerkannt werden als eine Person, deren allmähliches Wachsen und sich Wandeln Sinn hat in den Augen derer, die Sinn für ihn zu haben beginnen.“[22]

Identitätsbildung, so fügt Erikson hinzu, beginne oder ende freilich nicht mit der Adoleszenz. Sie ist vielmehr eine lebenslange Entwicklung, die für das Individuum und seine Gesellschaft jedoch weitgehend unbewusst verläuft.

Die Bedeutung der Anerkennung oder der Ablehnung von Jugendlichen durch die vorhergehende Generation, die in gleichen Lebenswelten sozialisiert war, ist Ende der 60er-Jahre nicht nur von Erikson auf der wissenschaftlichen Agenda thematisiert worden. Dafür, dass es zu ersten Revolten der Jugendgeneration nach dem Zweiten Weltkrieg kam, machte man in der fachübergreifenden Diskussion den technischen Fortschritt und den zunehmenden Wohlstand verantwortlich. Die junge Generation sehe und empfinde die Welt anders als die ältere Generation , „ (...) welche durch die geschichtliche Erfahrung mit Terror, Krieg und realen Spannungen in der Welt daran gehindert ist, unbefangen aus den vorhandenen Strukturen herauszutreten und sich verantwortlich fühlt, das Bestehende zu erhalten, um das Chaos zu verhindern.“[23]

Damals wie heute machen Personen – im Fall der vorliegenden Untersuchung sind es junge und jüngere Personen, die Flucht Vertreibung, Verletzung von Menschenrechten nur aus Erzählungen ihrer Familien kennen - die Entscheidung darüber, wer sie sein wollen, von andern Überlegungen abhängig als ihre Eltern und Großeltern. Sie orientieren sich nicht mehr ausschließlich an den Maßstäben, die für die Erlebnisgeneration an erster Stelle standen: kulturelle Traditionen in der „alten Heimat“, Identifikation mit der Herkunftsregion, Hoffnung auf Rückkehr. Vielmehr haben für sie Maßstäbe des Glücks und des Gelingens ihres eigenen Lebens Priorität.

3. Kritik am Erikson-Modell

An der Behauptung, dass die Identitätsbildung in der Adoleszenz quasi zum Abschluss gekommen ist und später nur noch „weitgehend unbewusst“ vonstatten geht, setzt die Kritik an dem bis in die 80er- Jahre des 20. Jahrhunderts scheinbar unangreifbaren Modell von Erikson ein. Der Identitätsforscher Heiner Keupp formuliert die aktuelle Position seiner Fachkollegen: Eriksons Modell sei unauflöslich mit dem Projekt der Moderne verbunden. Gesellschaftliche Prozesse, die mit den Begriffen der Individualisierung, der Pluralisierung und Globalisierung bezeichnet werden, hätten aber den sicheren Boden der klassischen Moderne, auf dem das Erikson-Modell steht, ins Wanken gebracht.

„In der Dekonstruktion grundlegender Koordinaten modernen Selbstverständnisses sind vor allem Vorstellungen von Einheit, Kontinuität, Kohärenz, Entwicklungslogik oder Fortschritt in Frage gestellt worden. Begriffe wie Kontingenz, Diskontinuität, Fragmentierung, Bruch, Zerstreuung, Reflexivität oder Übergänge sollen zentrale Merkmale der Welterfahrung thematisieren. Es wird davon ausgegangen, dass Identitätsbildung unter diesen gesellschaftlichen Signaturen durch und durch von ihnen bestimmt ist.“[24]

Keupp folgert daraus, dass Identität heute nicht mehr als Entstehung eines inneren Kerns thematisiert werden kann, sondern als ein Prozessgeschehen beständiger alltäglicher Identitätsarbeit, als „permanente Passungsarbeit zwischen innerer und äußerer Welt“.[25]

Die Frage habe sich schon Ende der 80er-Jahre gestellt „ (...) ob wir von Erikson und seinem Modell nicht endgültig Abschied nehmen müssen, weil ihm die gesellschaftliche Basis abhanden gekommen war.“[26]

An Erikson komme zwar niemand vorbei, der sich aus sozialpsychologischer Perspektive mit der Frage von Identität als Begriff und der Genese von Identität beschäftige. Aber seine Antworten müssten weiterentwickelt werden, so Keupp. Seine Kritik richtet sich vor allem gegen ein „fragwürdiges Ideal einer gelingenden Integration von Subjekt und Gesellschaft“.[27] Das Modell der Adoleszenz als Identitätsplattform für das weitere Erwachsenenleben – darin sind sich Keupp und andere einig - sei nicht mehr hinreichend in einer sozialen Welt, deren Grundgestalt sich unter den Bedingungen der Individualisierung, Pluralisierung und Globalisierung dramatisch verändert hat.

4. Basistheorie und Prämisse der Arbeit: Der psychosoziale Ansatz

In den oben skizzierten Modellen älteren und neueren Datums von Erik Erikson, Jürgen Habermas und insbesondere bei Heiner Keupp finden sich Parallelen zur vorliegenden Untersuchung. Sie sollen der Interviewanalyse zugrunde gelegt werden.

Bis zur Adoleszenz der Probanden kann das psychosoziale Modell Erikson zur Klärung der Frage nach der Entstehung von Identität im sehr jungen und im jugendlichen Alter beitragen: Ein großer Teil der Interviewten ist bereits in sehr jungen Jahren durch den Einfluss des Elternhauses in die Kindergruppen der „Egerländer Gmoin“ eingetreten und dort mit Brauchtums- und Traditionspflege in Berührung gekommen. Die Kinder konnten so sehr früh eine gruppenspezifische Identifikation ausbilden, die sie in ihre Teilidentität als „junge Egerländer“ übernehmen und später als Jugendliche in ihr Selbstbild einpassen konnten.

Mit der Diskurstheorie von Habermas lassen sich Aussagen über die Gruppenidentität, also die von den Probanden konstruierte „Lebenswelt“ innerhalb des Vereins, untersuchen. In den Interviews mit den Frauen und Männern sollte deutlich werden, dass für die untersuchten Personen die Bindung an die Gruppe, den Verein, in denen das Brauchtum und die Tradition hochgehalten werden, Sicherheit und Anerkennung bot und oft noch bietet.[28] Die anfangs unreflektierte Übernahme und Akzeptanz der Einstellungen der Eltern und Großeltern war für die meisten zwar ein wesentliches Element der Identifikation und der Identitätsbildung bis in das Jugendalter. Sie wich aber mit dem Beginn des Erwachsenenalters dem Diskurs und der Reflexion darüber, was die Gruppe bzw. die Pflege der Traditionen ihrer Vorfahren, für ihr weiteres Leben bedeuten könnte. Mit der Öffnung der Grenze 1989/90 mündete der theoretische Diskurs in konkretes Handeln: in die Arbeitsaktion in Tschechien und die mehr oder minder ausgeprägte Bereitschaft zum Dialog mit den Anderen.[29]

Mit dem Modell des subjektiven Konstruktionsprozesses von Identität nach Keupp soll schließlich die Frage geklärt werden, wie die Probanden der vorliegenden Studie die traditionsgebundene Prägung durch die Herkunftsfamilie mit den neuen Herausforderungen als junge Erwachsene in Einklang bringen konnten. Für die meisten der Betroffenen begann schon in der Adoleszenz und/oder später mit dem Beginn des Erwachsenenalters eine mehr oder weniger schmerzhafte Identitätsarbeit, die mit der bewussten Anpassung an die „neue Heimat“ der Eltern, mit Selbsterfahrungen in Schule, Lehre, Universität, Beruf und/oder mit der Gründung einer eigenen Familie zur Herausbildung neuer Teilidentitäten führte, z. B. als „Vater“, „Mutter“, als „Deutscher“, „Bayer“, „Württemberger“ u.s.w.. Keupp zufolge müsste es den Subjekten gelingen, für sich eine „stimmige Passung“ zu konstruieren und damit – oft unter Schmerzen - ihre immer wieder neu zu erarbeitende Identität herzustellen.[30]

In wenigen Fällen führte die Identitätsarbeit dazu, dass man sich von der Gruppe, vom Verein und von den Einstellungen der Eltern mehr und mehr distanzierte.[31] In anderen Fällen wurden neue Teil-Identitäten konstruiert als „Politiker“, „Verbandssprecher“, „Vorsteher“, „Kunst- und Kulturwart“, „Vereins-Musiker“, durch die Übernahme von Ämtern und Funktionen.[32]

III. Zielsetzung der Untersuchung, Anlage und Themenwahl

Die vorliegende Untersuchung befasst sich mit den Identitäten, das heißt auch mit den Selbst- und Fremdbildern der Nachkommen von Sudetendeutschen der zweiten und dritten Generation, die seit ihrer frühen Jugend in landsmannschaftsnahen Ortsvereinen (Gruppen) organisiert sind und seit 1991 freiwillige Arbeit beim Wiederaufbau in Tschechien leisten. In den Blick genommen werden auch jüngere Spätaussiedler, die Ende der 60er-Jahre aus der damaligen CSSR nach Westdeutschland kamen.

Am Beispiel eines freiwilligen Arbeitseinsatzes in der westböhmischen Kleinstadt Tepla (Egerland – Region Cheb), der nach dem Ende des Warschauer Pakts vom Bund der „Egerland–Jugend“ initiiert und organisiert worden war und der bis heute fortgeführt wird[33], soll der Zusammenhang zwischen der Prägung durch die Gruppe und der Bereitschaft zum Dialog mit gleichaltrigen jungen Leuten aus Tschechien untersucht werden. Ausschlaggebend für die Gewinnung von verwertbaren Erkenntnissen ist die Intensität, mit der die Erzählungen von Eltern und Großeltern sowie die eigenen Erlebnisse bei den Sanierungsarbeiten in Tschechien das Traditionsbewusstsein und das Geschichtsbild der Jüngeren beeinflussen und somit für die Identitätsbildung wirksam wurden und noch werden.

Als zielführend bietet sich ein interdisziplinärer Ansatz an, der - von der Theorie der sozialpsychologischen Identitätsforschung ausgehend - Themen Internationaler Politik (politikwissenschaftlich), qualitativ-empirische Interviews und Untersuchungen (sozialwissenschaftlich) mit der Skizzierung geschichtlicher Hintergründe (historisch) verbindet.

1. Zielführende Fragen und Thesen

Aus der vorgestellten Thematik ergeben sich die Leitfragen, an denen sich die Untersuchung orientiert:

a. Haben die Ergebnisse des 20. Jahrhunderts – hier vor allem die Erzählungen der Älteren über Enteignung, Flucht und Vertreibung – noch Einfluss auf die Selbst- und Fremdbilder (Wir-Identitäten) der Nachfolgegenerationen von Heimatvertriebenen?
b. Werden diese Erzählungen reflektiert, in eigene Erfahrungen integriert und auf das eigene Leben übertragen?
c. Kommt es aufgrund der Erfahrungen beim Arbeitseinsatz in Tschechien zu Aufgeschlossenheit gegenüber dem „Anderen“, zu Toleranz und Zukunftsorientierung?

Oder verfestigen sich Vorurteile, die zu Abgrenzungsverhalten und Ablehnung führen?

Aus diesen Leitfragen lassen sich folgende Annahmen gewinnen und als Thesen formulieren:

These Eins: Die von ihrer Gruppe, ihrem Verein und der Herkunftsfamilie stark geprägten Nachkommen von Heimatvertriebenen sind traditionsverbunden. Sie setzen sich intensiv mit ihrer Selbst- und Fremdwahrnehmung auseinander. Politische und historische Kenntnisse sind für sie wichtig, aktuelle Informationen werden reflektiert. Diese haben Einfluss auf die Dialogbereitschaft mit den „Anderen“ jenseits der tschechischen Grenze.

These Zwei: Von der Gruppe und der Familie wenig beeinflusste Nachgeborene der zweiten und dritten Generation gehen unbelastet mit der deutsch-tschechischen Vergangenheit um. Sie interessieren sich wenig für historisch-politische Zusammenhänge. Ihre Arbeit bei der Friedhofssanierung in Tschechien wird als geselliges Ereignis wahrgenommen. Sie machen sich wenige Gedanken über ihr Selbstbild und das Bild vom „Anderen“. Der Dialog kommt auf der Ebene gleicher Interessen (Musik, Tanz und Geselligkeit) zustande.

These Drei: Es besteht kein Zusammenhang zwischen der Prägung durch die Gruppe/die Familie und dem Selbstbild, dem Fremdbild und der Dialogbereitschaft mit den „Anderen“.

Zur Überprüfung dieser Thesen ist bisher kein Untersuchungsmaterial vorhanden. Deshalb muss die Empirie in selbst geführten Interviews, die sich an einem Leitfaden orientierten, erarbeitet werden. Der Umfang der Magisterarbeit und der vorgeschriebene Abgabe-Termin legen eine Begrenzung der Untersuchungsgruppe auf maximal 15 - 20 Personen nahe.

2. Untersuchungs-Gegenstand und Festlegung der Gruppe

Der Untersuchungs-Gegenstand, Nachkommen von sudetendeutschen Heimatvertriebenen der zweiten und dritten Generation, die in den Traditionsvereinen der „Egerländer Gmoi“ das Brauchtum ihrer Eltern pflegen, gibt die Alterskohorten vor.[34] Bei der Formulierung des Leitfadens für die qualitativen Interviews, der aus den Leitfragen entwickelt wurde, ergab sich eine weitere Einschränkung des Probandenkreises auf junge Frauen und Männer, die ihre Prägung zuerst in ihrer Herkunftsfamilie und dann schon im Kindes- und frühen Jugendalter in einer der landsmannschaftlich geprägten Gruppen („Egerländer Gmoi“, „Egerland–Jugend“) erfahren haben. Beide Milieus prägen die jungen und jüngeren erwachsenen Nachkommen der Vertriebenen. Die Prägung durch die Gleichaltrigen im Verein und die Identifikation mit der Gruppe scheint den Aussagen einiger Probanden zufolge für die Entstehung der Handlungsfähigkeit und Handlungsbereitschaft (Arbeitseinsatz und Dialogbereitschaft mit den „Anderen“) sowie für die damit einhergehende Identitätsbildung die primäre Rolle zu spielen.[35] Die neue Identitätsforschung sagt hierzu:

„Identität ist nicht etwas, was man von Geburt an hat, was die Gene oder der soziale Status vorschreiben, sondern wird vom Subjekt in einem lebenslangen Prozeß entwickelt. Identität verstehen wir als einen fortschreitenden Prozeß eigener Lebensgestaltung, der sich zudem in jeder alltäglichen Handlung (neu) konstruiert. ... Subjekte arbeiten, (indem sie handeln) permanent an ihrer Identität.“[36]

Nichtorganisierte Nachkommen von Heimatvertriebenen sind in der Untersuchung nicht berücksichtigt worden. Es ist anzunehmen, dass sie heute gar keinen oder nur noch einen marginalen Bezug zur Heimat der Eltern und Großeltern haben. Die Fragestellung der Arbeit zielt jedoch auf die Identität und die Dialogbereitschaft der in Traditions-Vereinen Organisierten und Engagierten ab, auf solche also, die ihre Identität primär über die Gruppenzugehörigkeit ausgebildet haben.

Das zweite Kriterium für den Ausschluss der Nicht-Organisierten: Nachdem seit 1961 die in Bayern lebenden Heimatvertriebenen nicht mehr offiziell gezählt und in Statistiken aufgenommen wurden,[37] lässt sich die Gruppe ihrer Nachkommen nicht mehr eindeutig definieren, es sei denn, sie bekennen sich als Mitglieder in Landsmannschaften, Volksgruppen und deren Organisationen zu ihrer Abstammung.[38] Obwohl auch die Einstellung dieser „Nicht-Engagierten“ von großem Interesse für die Analyse gewesen wäre, konnten sie aus den genannten Gründen nicht in diese Studie aufgenommen werden.

Gesucht wurde nach Frauen und Männern, die sich ausnahmslos von früher Jugend an, angeregt durch das Elternhaus oder durch gleichgesinnte Freunde, für die Traditions- und Brauchtumspflege in den Ortsvereinen der „Egerländer Gmoin“ und später im Dachverband, dem eher politisch-konservativ orientierten „Bund der Egerland– Jugend“, engagieren.[39] Diese traditionell geprägten Nachgeborenen lassen einerseits ein großes Interesse an der Heimat der Großeltern sowie andrerseits an den tschechisch-deutschen Auseinandersetzungen vermuten.

Dies muss andererseits jedoch nicht bedeuten, dass sie stärker als ihre nicht engagierten Gleichaltrigen am Dialog mit dem tschechischen Nachbarn teilnehmen. Ausschlaggebend dafür, wie intensiv die gruppenspezifische und die familiäre Prägung das Verhalten der jungen Erwachsenen bestimmt, sind vielschichtige Prozesse, die im Theorie-Kapitel „Was ist Identität?“ (II) erörtert werden. Eine Antwort auf die Frage nach der Identität - dem Eigenbild und dem Bild des Anderen - soll mit Hilfe der Identitätsforschung (psychosoziale Identität als theoretisches Modell) versucht werden.

Der größte Teil der untersuchten Gruppe bekennt, dass die ehrenamtliche „Arbeit“ in den Vereinen und Organisationen ihre ganze Freizeit in Anspruch nahm und heute noch nimmt. Mit dem Ende des Warschauer Paktes und der Öffnung der Grenze zu Tschechien sei es deshalb für sie ganz selbstverständlich gewesen, sich umzusehen und „dort drüben irgendwas zu machen, was ein Zeichen setzt, dass die deutschen Heimatverbliebenen nicht vergessen sind“.[40] Im Vorstand der Egerland – Jugend habe man dann beschlossen, mit der Unterstützung von Prämonstratenser-Pater Norbert, dem Vorsitzenden des sudetendeutschen Priesterwerks, den verfallenen Friedhof im Kloster Tepla zu sanieren und in den Folgejahren im ehrenamtlichen Arbeitseinsatz zu pflegen. Bei einer dieser mehrtägigen Aktionen, im Frühsommer 2005, wurde der größte Teil der Interviews für die vorliegende Untersuchung geführt. Es konnte dort gezielt nach den persönlichen Motiven der Probanden für die Traditionsverbundenheit, für die freiwillige Arbeit am Klosterfriedhof sowie nach der Bereitschaft zu Kontakten (Dialog) mit der tschechischen Bevölkerung gefragt werden.

Am Leitfaden orientiert wurde auch nach dem Umgang mit der Vergangenheit gefragt, und hier besonders nach der Bewältigung der Vertreibungsgeschichten und ihrer Folgen durch die jüngere Generation Zusätzlich zu den deutschen sind drei tschechische Teilnehmer an der Friedhofsaktion interviewt worden. Die Meinungen von vier Verbandssprechern, Politikern, Kirchenvertretern gehen in die Bewertung ein.

3. Welches Untersuchungsziel folgt aus den Leitfragen?

Ziel der Untersuchung ist es, Erkenntnisse zu gewinnen über die Einstellungen, beziehungsweise den Einstellungswandel und die Dialogbereitschaft der jungen und jüngeren, bei einer freiwilligen Aktion in Tschechien engagierten Frauen und Männer seit dem Fall des sogenannten Eisernen Vorhangs. Ihre Selbstbeschreibung (Narration) und die Perzeption durch die „Anderen“ sollen aufgrund der Aussagen in den leitfadengestützten Interviews deutlich werden. Beide Aspekte, die zur Herausbildung der Identität unerlässlich sind - so wird angenommen - sind mehr oder weniger von der Prägung durch die Gruppe und die Herkunftsfamilie abhängig.

Die qualitativen Interviews mit den 20- bis 45-jährigen Probanden sind transkribiert und methodisch ausgewertet worden. Sie sollen Aussagen darüber zulassen, inwieweit sich die Nachfolgegenerationen von der öffentlich seit sechs Jahrzehnten bis heute mit politischen[41] aber auch mit ethischen Argumenten[42] ausgetragenen Kontroverse um gegenseitige Schuldzuweisungen und Entschuldigungen betroffen fühlen. Es geht in der öffentlich geführten Diskussion nicht nur um die moralische Anerkennung von Schuld und um die Aufrechnung der gegenseitig zugefügten Verletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit: die grausame Rache der Nationalsozialisten als Folge der Ermordung des NS-Politikers Reinhard Heydrich mit der Auslöschung der Zivilbevölkerung des tschechischen Dorfes Lidice, die Lynchjustiz der tschechischen Bevölkerung an den Deutschen bei der sogenannten wilden Vertreibung unmittelbar nach Kriegsende. Es geht aktuell auch immer noch um die Klärung rechtlicher Fragen: um die Forderung nach Opferentschädigung, Aufhebung der Benes-Dekrete, jener Gesetze, die nach 1945 zur Ausbürgerung, Enteignung und Vertreibung der Menschen deutscher Nation geführt hatten.

Nach der Auswertung und Interpretation der Interviews könnte sich herausstellen, dass diese das Verhältnis der Staaten belastenden Themen für die Nachfolgegeneration keine Rolle mehr spielen, dass NS-Terror, Flucht und Vertreibung für sie einer längst vergangenen Epoche angehören. Es könnte sich freilich auch abzeichnen, dass starke Vorbehalte und Abgrenzungsverhalten immer noch bei jenen Jüngeren ein Hindernis für den Dialog mit Gleichaltrigen jenseits der Grenze darstellen, die sich dem Schicksal und den Traditionen der Eltern und Großeltern besonders verbunden fühlen. Immerhin wird die, wenn auch vergebliche, Forderung von Europa-Abgeordneten der CSU und von Sprechern der Vertriebenenverbände, eine Zustimmung zum EU-Beitritt Tschechiens im Jahr 2004 mit der Aufhebung der Benes-Dekrete zu verbinden, von einem Teil der Interviewten befürwortet.[43]

Begrüßt wird vom größeren Teil der Befragten die Durchlässigkeit der Grenze. Für sie sind folgende Argumente maßgebend: die EU-Osterweiterung bringe mehr Flexibilität für junge Menschen, erweitere die Reisemöglichkeit und erleichtere das gegenseitige Kennenlernen sowie die Kooperation in Schule, Studium und Beruf.

Artikuliert wird die Chance zu gegenseitiger Ergänzung vor allem auf wirtschaftlichem und auf kulturellem Gebiet.[44]

Die Eingrenzung der Untersuchungsgruppe auf Personen, die sich in traditionsbewahrende, politisch konservative Organisationen einbinden lassen, sich engagieren und bei einer Sanierungsaktion in Tschechien mitarbeiten, soll konkrete Schlüsse auf den Zusammenhang zwischen der Gruppenidentität („Egerländer Gmoi“, „Egerland – Jugend“), der Prägung durch die Erlebnisgeneration (Herkunftsfamilie) und der Fähigkeit/Bereitschaft zum Handeln (Gruppen- und Vereinsarbeit, Engagement in Tschechien, Dialogbereitschaft) zulassen.

Schließlich sollen die Erkenntnisse aus der wegen der geringen Fallzahl naturgemäß begrenzten Untersuchung dazu beitragen, eine Lücke in den Studien zur Erhellung und Aufarbeitung der deutsch-tschechischen Geschichte zu schließen.

IV. Empirische Forschungsmethode

Das Datenmaterial für die Untersuchung wird aus 18 qualitativen Interviews gewonnen: vierzehn Gespräche wurden anlässlich des Arbeitseinsatzes im Mai 2005 in der tschechischen Stadt Tepla (Region Cheb) geführt. Weitere vier Gespräche mit Experten fanden in München, Brannenburg und Geretsried statt. Für die Interviews wurde – abgeleitetet aus den Forschungsfragen – ein Leitfaden entwickelt. Die Gruppe der Befragten war vorab nach den in Kapitel III. 3. erläuterten Kriterien festgelegt worden. Im Folgenden wird der Weg zur Erhebung der Daten, ihre Verarbeitung und Interpretation beschrieben.

1. Vom Text zur Theorie: Auswahl der qualitativen Forschungsmethode

Dem Thema entsprechend ist die Methode so offen gestaltet worden, dass sie der Komplexität im untersuchten Gegenstand gerecht werden kann. Die Personen, um die es sich in der vorliegenden Untersuchung handelt, sollten in ihrem täglichen Kontext aufgesucht und interviewt werden, das heißt: die Teilnehmer an einer freiwilligen Aktion in Tschechien während ihres mehrtägigen Arbeitseinsatzes auf einem Klosterfriedhof, die Experten der kleinen Kontroll- und Bewertungsgruppe an ihrem jeweiligen Arbeitsplatz.

Die Offenheit gegenüber den Probanden sollte der Verschiedenheit ihres Alltags gerecht werden, gleichzeitig aber eng auf die Fragestellung bezogen bleiben. Hierfür bot sich das leitfadengestützte Interview, ergänzt durch einen standardisierten Fragebogen, als praktikabel an. Die angewandte Methode lässt den Interviewten genügend Spielraum für autobiografische Erzählungen, ohne zu weit vom Thema wegzuführen. Hierüber sollte der Zugang gefunden werden zum zeitlichen und zum lokalen Kontext. Der Forschende muss sich allerdings darüber im Klaren sein, dass er aufbauend auf den Erzählungen seiner Probanden „Texte als Version der Welt“ konstruiert, die „gelebte Erfahrung“ der Untersuchten wird von ihm im „sozialen Text“ produziert .[45] Es handelt sich demnach um soziale Konstruktionen als Ausgangspunkt der Untersuchung. Alfred Schütz bemerkt hierzu:

„Genau genommen gibt es nirgends so etwas wie reine und einfache Tatsachen. Alle Tatsachen sind immer schon aus einem universellen Zusammenhang durch unsere Bewusstseinsabläufe ausgewählte Tatsachen. Somit sind sie immer interpretierte Tatsachen: entweder sind sie in künstlicher Abstraktion aus ihrem Zusammenhang gelöst oder aber sie werden nur in ihrem partikulären Zusammenhang gesehen . Daher tragen in beiden Fällen die Tatsachen ihren interpretativen inneren und äußeren Horizont mit sich.“[46]

Flick zufolge umfassen Sozialwissenschaftliche Erkenntnis und die Darstellung von Zusammenhängen verschiedene Prozesse der Konstruktion von Wirklichkeit:

a) alltägliche subjektive Konstruktion bei den Untersuchten
b) wissenschaftliche, kodifizierte Konstruktion bei der Erhebung, Aufbereitung und Interpretation von Daten
c) sowie bei der Darstellung der Ergebnisse durch den Forscher[47]

Konstruktion (Text als Version der Welt)

Erfahrung (natürliche und soziale Umwelt, Ereignisse, Aktivitäten)

Interpretation (Verstehen, Zuschreibung von Bedeutung)

Eigene Darstellung nach Tabelle Flick: Verstehen zwischen Konstruktion und Interpretation

1.1. Aktion auf dem Klosterfriedhof Tepla

Als „Ort der Erfahrung“ bot sich die seit 1991 durchgeführte Sanierungsaktion auf dem Klosterfriedhof in Tepla an. Die Kleinstadt Tepla in Westböhmen war bis zur Vertreibung 1946 überwiegend deutsch besiedelt. Bedeutung über die Region Cheb (Eger) hinaus erlangte der kleine ländlich geprägte Ort bereits im Mittelalter durch das 1193 von dem böhmischen Gaugrafen Hroznata gegründete Prämonstratenser Stift. Schon im zwölften Jahrhundert um die Zeit der Klostergründung waren deutsche Siedler von böhmischen Herrschern zur Urbarmachung der Gegend angeworben worden. Das Kloster war über die Jahrhunderte kultureller und religiöser Mittelpunkt im heutigen Tschechien und in den an Westböhmen angrenzenden Siedlungsgebieten.[48]

Nach der Schlacht am Weißen Berg (1620) mit dem Sieg der Katholischen Liga wird Böhmen zum Habsburger Erbland[49] und das Kloster durch die katholischen Habsburger Kaiser geschützt. Österreichische und deutsche Chorherren dominierten seitdem den Konvent. Auch während der nationalsozialistischen Herrschaft über das Protektorat Böhmen und Mähren war das Stift von Ordensleuten bewohnt. Nach Kriegsende 1945 wurde das Kloster militärisch besetzt, der Konvent im Stift inhaftiert und die deutschen Konventionalen 1946 vertrieben. Das Stiftsgebäude wurde enteignet und ging in Staatsbesitz über. Fast drei Jahrzehnte lang war das Kloster anschließend als Kaserne der CSSR genutzt worden. Als der Orden 1990 die Gebäude zurückbekam, „glichen sie einem Trümmerhaufen (…) auch der Klosterfriedhof war in völlig verwahrlostem Zustand.[50]

1991, ein Jahr nach der Öffnung der Grenzen, beschlossen junge Frauen und Männer aus Bayern und Baden-Württemberg, Nachkommen von sudentendeutschen Heimatvertriebenen, auf Anregung der „Egerland–Jugend“ in freiwillig geleisteter Arbeit den verfallenen Friedhof zu sanieren.[51] Die Teilnehmer an dieser Restaurierung und Pflegeaktion, die seit 14 Jahren ununterbrochen fortgeführt wird, sind aus unter III.3. dargestellten Gründen für die vorliegende Studie als Untersuchungsgruppe ausgewählt worden.

[...]


[1] Vgl. z. B. Rede des Bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber beim 56. Sudetendeutschen Tag in Augsburg im Mai 2005: „Vertreibung überwinden – Ausgleich schaffen“, in der von der tschechischen Seite die Aufhebung des Gesetzes Nr. 115 v. 8. Mai 1946 (Benes - Dekret) gefordert wird.
Vgl. Bericht in der Süddeutschen Zeitung, Nr. 112, 18. Mai 2005. S. 6: „Stoibers Kritik unbedeutend. Kanzler weist Vorwürfe an Tschechien zurück.“ Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein tschechischer Kollege Jiri Paroubek lobten die Beziehungen der beiden Länder am 17. Mai bei einem Treffen in Prag als „ausgezeichnet“.
Vgl. Rede des Sprechers der Sudetendeutschen Volksgruppe, Johann Böhm: „Die Opfer müssen ins Recht gesetzt werden.“ Geretsried am 17. September 2005.

[2] Edmund Husserl: Cartesianische Meditationen (CM). § 42 – 49. Felix Meiner, Hamburg 1995; S. 91 - 109

[3] Vgl. Michael Weigl: Fremd- und Selbstbilder. Die Bedeutung des Anderen für regionale Identitätskonstrukte im bayerisch-böhmischen Raum. Vortrag am C.A. P., 03.02.2005. Ebd. Bayern-Sachsen-Tschechien: Überlegungen zur wechselseitigen Abhängigkeit von Selbst- und Fremdbildern. Unveröffentlichtes Manuskript, München 2005

[4] Heiner Keupp: Identitätskonstruktionen. Das Patchwork der Identitäten in der Spätmoderne. 2002, S. 8/9

[5] Vgl. neuere Arbeiten von: Rudolf Endres (Hrsg.): Bayerns vierter Stamm. Köln 1998
Michael v. Engelhardt: Lebensgeschichte und Gesellschaftsgeschichte. Biographieverläufe von Heimatvertriebenen. München 2001
Peter Glotz: Die Vertreibung. Böhmen als Lehrstück. München 2003
Markus Mauritz: Tschechien. Regensburg, 2002
Hans August Winkler: Der lange Weg nach Westen II. Deutsche Geschichte 1933 – 1990. München 2002

[6] Selbstständige, von der Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL) getrennte Organisation

[7] Vgl. Leitfaden für die narrativen Interviews und den standardisierten Erhebungsbogen im Anhang

[8] Uwe Flick: Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Hamburg 2002
Andreas Diekmann: Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen. Hamburg 2005

[9] Der „Bund der Egerland -Jugend“ hat ein Pendant in Tschechien, den „Bund der Deutschen - Landschaft Egerland“.

[10] Vgl. Leitfaden im Anhang

[11] Vgl. z. B. H.A. Winkler: Der lange Weg nach Westen II. 2004
Karl Dietrich Bracher (Hrsg.): Nationalsozialistische Diktatur. 1983
Jörg K. Hönsch/Dusan Kovic (Hrsg.): Das Scheitern der Verständigung. Tschechen, Deutsche und Slowaken in der Ersten Republik 1918 – 1938. 1994
Libor Roucek: Die Tschechoslowakei und die Bundesrepublik Deutschland. 1990
Peter Glotz: Die Vertreibung. Böhmen als Lehrstück.2003
Karel Vodicka: Beitrittsreif? In: Osteuropa 4 / 2004 S. 18 - 31
Vàclav Havel: Sommermeditationen. 1992
F. P. Habel: Dokumente zur Sudetenfrage, Sudetendeutsches Archiv. 1984 s. 281 - 428
Wolfgang Benz: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. 1989
Jan Kren: Die Konfliktgemeinschaft Tschechen und Deutsche 1780 – 1918. Übers. Peter Heumos. 2000

[12] Karl Jaspers: Die Unabhängigkeit des philosophierenden Menschen. In: Einführung in die Philosophie. München 1971; S. 89

[13] Edmund Husserl: Cartesianische Meditationen (CM). § 31, S. 42 – 49. und S. 67; 68; 93

[14] Heiner Keupp u. a.: Identitäts-Konstruktionen. 2002, S. 30

[15] G.H. Mead: Mind, Self, and Society. Chicago 1934; dtsch. Geist, Identität und Gesellschaft. Frankfurt /M. 1969 a S. 177 – 26S. 371

[16] Jürgen Habermas: Theorie des kommunikativen Handelns (TkH) 2. Frankfurt / M. 1981; S. 152

[17] Habermas: TkH 2. S. 152

[18] Heinrich: Begriffe und Grenzen von Identität. In: Marquard, O., K. Stierle (Hrsg.), Identität, Poetik und Hermeneutik, Bd. VIII, München 1979

[19] Habermas: TkH 2. S. 224

[20] Erik Erikson: Das Problem der Ich-Identität. In: Identität und Lebenszyklus. Frankfurt 1973; S. 123/124

[21] Erikson weist auch darauf hin, dass Freud den Begriff der Ich-Identität nur einmal verwendet hatte, um seine eigene Bindung an das Judentum zu formulieren.

[22] Vgl. Erikson: Identität und Lebenszyklus. Erikson bestreitet die Auffassung, dass Identität nur die Summe früherer Identifikationen aus der Kindheit sei: Die Identitätsbildung beginne dort, wo die Brauchbarkeit der Identifikationen endet. Sie entsteht dadurch, dass die Kindheits-Identifikationen teilweise aufgegeben, teils einander angeglichen und in neue Konfigurationen absorbiert werden. Was wiederum von dem Prozess abhängt, durch den eine Gesellschaft den jungen Menschen identifiziert, indem sie ihn als jemanden annimmt und anerkennt, der so werden musste wie er ist. Umstritten ist in der neueren Identitätsforschung Eriksons Feststellung, dass dieser Prozess „weitgehend unbewusst“ verlaufen soll. S. 136 - 140

[23] Arnold Buchholz: Die „zwei Kulturen“ in entwicklungsgeschichtlicher Sicht. In: Helmut Kreuzer (Hrsg.): Literarische und naturwissenschaftliche Intelligenz. Stuttgart 1969

[24] Keupp: Identitätskonstruktionen. S. 30

[25] Keupp: Identitätskonstruktionen. S. 30/31

[26] Keupp: Auf dem Weg zur Patchwork-Identität? Verhaltenstherapie und soziale Praxis. 1988a, S. 431

[27] ebd. 2002, S. 29

[28] Vgl. Festlegung der Untersuchungsgruppe: Kap. III.2.

[29] Vgl. Interview-Kurzbeschreibungen: „Volker“, Norbert“, „Lukas“

[30] Vgl. Interview-Kurzbeschreibung: „Richard“. Der „Heimatverbliebene“ fühlt sich sowohl als Deutscher wie auch als Tscheche und Slowake (Sohn eines Slowaken)

[31] Vgl. Interview-Kurzbeschreibungen: „Florian“, „Roland“

[32] Vgl. Interview-Kurzbeschreibungen: „Helmut“, „Volker“, „Marie-Luise“, „Gerhard“, „Erich“

[33] Vgl. Interview-Kurzbeschreibungen: „Volker“, „Helmut“ und Pater „Norbert“

[34] Kohorte der zweiten Generation: von 1945 bis 1960 Geborene; dritte Generation: von 1960 bis 1985 Geborene

[35] Vgl. Interview-Kurzbeschreibungen: „Volker“, „Marie-Luise“, „Helmut“

[36] Keupp: Identitätskonstruktionen. S. 215

[37] Die letzte Volks- und Berufszählung in Bayern, in der Vertriebene getrennt aufgeführt wurden, fand 1961 statt. 17,3 Prozent der Bevölkerung wurden als „Heimatvertriebene“ registriert, 1950 waren es noch 21 Prozent. Quelle: SL-Geschäftsstelle, München

[38] Vgl. SL-Struktur und Mitglieder: http//:www.sudetendeutsche.de

[39] Vorstandschaft und Vertreter der „Egerland–Jugend“ nehmen regelmäßig an den Sudetendeutschen Tagen, den jährlichen Pfingsttreffen der SL, teil. Sie halten engen Kontakt zum „Bund der Deutschen–Landschaft Egerland“ in Tschechien und entsenden ein Mitglied in den erweiterten Vorstand der SL. Gemeinsame Kultur- und Musikveranstaltungen, Vorträge zu historischen und politischen Themen festigen den Zusammenhalt der „Egerländer“ diesseits und jenseits der Grenze.

Vgl. Interview-Kurzbeschreibungen : „Volker“, „Richard“, Elfriede“, „Ernst“

[40] Vgl. Interview-Kurzbeschreibung: „Volker“. Die „deutschen Heimatverbliebenen “ sind die Nachkommen derjenigen Sudetendeutschen, die 1946 als Widerstandskämpfer gegen das Nazi-Regime anerkannt (vgl. Benes-Dekret v. 2. 8. 1946) oder als dringend benötigte Fachkräfte beim Wiederaufbau der Wirtschaft in der CSSR gebraucht wurden und deshalb vom „Odsun“ (Abschub) ausgenommen wurden. Viele von ihnen nutzten in den 60er-Jahren die Gelegenheit zur Spätaussiedlung nach Westdeutschland.

[41] Vgl. Edmund Stoiber: Vertreibung überwinden – Ausgleich schaffen. Rede beim

56. Sudetendeutschen Tag, 15. Mai 2005 in Augsburg

Johann Böhm: 60 Jahre Vertreibung. Rede zur Gedenkveranstaltung Flucht, Verschleppung und Vertreibung, 17. September 2005 in Geretsried

[42] Vgl. Václav Havel: Tschechen und Deutsche auf dem Weg zu einer guten Nachbarschaft. Rede zum deutsch-tschechischen Vertrag im Karolinum zu Prag,

17. Februar 1995

[43] Vgl. Interview-Kurzbeschreibungen: „Cornelia“, „Lukas“, „Ernst“, „Roland“, „Helmut“, „Gerhard“

[44] Vgl. Interview-Kurzbeschreibung: „Richard“, der als junger Tscheche deutsch-slowakischer Abstammung heute ein deutsches Unternehmen in Pilsen leitet und als Vorsitzender des Bund der Deutschen – Landschaft Egerland im Rat der Minderheiten in der tschechischen Regierung in Prag Sitz und Stimme hat.

[45] Flick: Qualitative Sozialforschung. S. 56-57

[46] Alfred Schütz: Gesammelte Schriften (Bd. 1-2). Den Haag 1971 -1972

[47] Flick: Qualitative Sozialforschung. S. 57-58

[48] Vgl. Darstellung der Klosterverwaltung in: Klâster Premonstratu Tepla, S. 1

[49] Markus Mauritz: Tschechien. Regensburg 2002

[50] Vgl. Klâster Premonstratu Tepla, S. 2

[51] Vgl. Interview-Kurzbeschreibung: „Volker“

Ende der Leseprobe aus 135 Seiten

Details

Titel
Identitätsarbeit von Nachkommen Heimatvertriebener
Untertitel
Eine Untersuchung zur grenzüberschreitenden Dialogbereitschaft organisierter und engagierter Sudetendeutscher
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaft)
Note
2,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
135
Katalognummer
V89421
ISBN (eBook)
9783638047340
Dateigröße
940 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Magisterarbeit wurde am Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaft München im Rahmen eines Forschungsprojekts deutsch-tschechischer Kooperation mit der Universität in Usti nad Labem, Tschechien, zum Thema deutsch-tschechische Beziehungen angefertigt. Das bayerische Ministerium für Jugend, Familie und Soziales hat großes Interesse an dem Thema bekundet und Informationen bereitgestellt.
Schlagworte
Identitätsarbeit, Nachkommen, Heimatvertriebener
Arbeit zitieren
Magister Artium / Lic.rer.publ. Helga Sporer (Autor:in), 2006, Identitätsarbeit von Nachkommen Heimatvertriebener, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89421

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