Pointenbildung in der Anekdote


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

23 Seiten, Note: 2,4


Leseprobe


Gliederung

1 Einleitung

2 Theorie der Anekdote
2.1 Historische Fakten
2.2 Merkmale der Anekdote
2.3 Aufbau der Anekdote

3 Die Theorie der Pointe
3.1 Definition
3.2 Anekdote und Pointe

4 Beispiele und Analysen
4.1 Anekdote mit Amphibolie
4.2 Anekdote mit Anaklasis
4.3 Anekdoten mit Metapher
4.4 Anekdoten mit Sachpointe
4.6 Anekdote mit verpfuschter Pointe
4.7 Anekdoten ohne Pointe

5 Schlussbetrachtung

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit der Anekdote, genauer mit der Pointenbildung in der Anekdote, wobei die Hausarbeit drei große Abschnitte unterscheidet. Der erste Teil wird sich auf theoretischer Ebene mit der Anekdote auseinandersetzen, um generell eine Klassifizierung für diesen Typus einer Erzählung zu erarbeiten. Betrachtet man die hierzu vorliegende Forschungsliteratur, sind größere Differenzen und Uneinigkeiten darüber zu finden, was eine Anekdote überhaupt charakterisiert. Selbst der Begriff unter dem diese Art von Literatur zusammengefasst wird ist variabel und andererseits ist nicht alles, welches unter der Überschrift Anekdote läuft auch wirklich eine solche. Insgesamt präsentiert sich die Forschungsgemeinschaft auf diesem Gebiet erstaunlich heterogen und bisher scheint auch kein uneingeschränkt einheitlicher Konsens über die Definition der Anekdote möglich gewesen zu sein. Diese Hausarbeit wird sich dementsprechend an dem bereits für das Paper erarbeiteten Ansatz orientieren, dabei aber auch versuchen, abweichende Angaben in der Forschungsliteratur mit darzustellen, soweit dies für den Gesamtzusammenhang von Bedeutung ist. Der zweite Teil befasst sich auf theoretischer Ebene mit der Pointe, bezieht sich hier aber auch bereits auf die jeweiligen Spielarten und Realisierungen in den Anekdoten. Der letzte Block besteht aus insgesamt 10 Beispielen für Anekdoten und einer jeweiligen Analyse, in der die, in den beiden ersten Teilen besprochenen, theoretischen Grundlagen herausgearbeitet und analysiert werden sollen.

2 Theorie der Anekdote

2.1 Historische Fakten

Der Begriff Anekdote entstammt dem griechischen Wort „an-ekdidomi“ und bedeutet so viel wie: „>nicht herausgegeben< oder >das Nicht-Herausgegebene<“ und entspricht dann im Lateinischen sinngemäß >inedita<. Es meint aber auch: >noch nicht bekannt gemachte Vorgänge<. Aufgrund dessen unterscheidet sich die ursprüngliche Bedeutung der „ aus irgendwelchen Gründen nicht publizierten oder absichtlich geheimgehaltenen Aufzeichnungen“ von der heutigen Bedeutung, die unter 2.2 noch herausgearbeitet werden soll.[1] „In diesem Sinn von inedita kennt die gelehrte Sprache Europas das Wort noch bis ins 18. und 19. Jahrhundert hinein“.[2] Im Französischen hat sich die Wortbedeutung der >L´anecdote< im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts herausgebildet und sich allmählich zu der heutigen Bedeutung hin gewandelt. „Hinfort kann etwas anecdote heißen, was längst nicht mehr unbekannt oder unveröffentlicht ist, und in dieser Bedeutung von >Geschichtchen< wird das Wort auch im 18. Jahrhundert ins Deutsche übernommen“.[3]

Dem entsprechend bedeutet es aber auch, dass die Anekdoten, die es im deutschsprachigen Raum ohne Zweifel bereits vor dem 18. Jahrhundert gegeben hat, nicht von den Verfassern als solche eingeordnet worden sein können, sondern nur von den „moderneren Herausgebern“.

Die moderne Bedeutung der Anekdote hat ihre Entsprechung im griechischen Begriff >Apophthegmata< (Sinnspruch, Redewendung), bei dem es sich „ ‚um eine kurze Geschichte [handelt], die Menschen in einer bestimmten Situation zeigt, die auf ein geschlossene Äußerung hinausläuft’, wobei es gleichgültig bleibt, wie es um die geschichtliche Wahrheit aussieht, wenn nur ‚eine Übereinstimmung zwischen der Aussage und dem Charakter des Aussagenden’ besteht“.[4]

Im 18. Jahrhundert gewinnt das Private dem Öffentlichen gegenüber immer mehr an Bedeutung, so dass sich der Begriff Anekdote an die Stelle des Apophthegmata setzt. Im Gegensatz zu den Apophthegmen bedeutet dies, laut Rudolf Schäfer, ein Abwenden vom Gewichtigen, Grundsätzlichen und eine Hinwendung zum Privaten und Trivialen.

„In Deutschland entwickelte sich die >Anekdote< mit dem Aufkommen der Facetien- Literatur […] als anekdotischer Schwank bzw. als schwankhafte Anekdote. Das wirkte fort bei Autoren wie Tünger, Wickram, Kirchhof, Pauli u.a., deren Schwankliteratur stark von Anekdotischem durchsetzt ist. Predigergestalten wie Geiler von Kaisersberg oder Abraham a Santa Clara benutzten, um ihren derben, kraftvollen Ansprachen gleichnishafte Bildkraft und Volkstümlichkeit zu geben, gern anekdotische Beispiele. Danach >versickert< zunächst die deutsche Anekdotenliteratur, und es scheint fast so, als existiere sie nicht mehr. In der 2. Hälfte des 18. Jhs. aber und besonders im 19. Jh. erlebt sie eine neue Blüte.“[5]

„Sollte es nun die Anekdote als echten Typus überhaupt geben, so ist also klar, daß dieser Typus nicht aus dem Namen, sondern nur aus der geduldigen Betrachtung der Sprache selbst bestimmt werden kann“.[6] Deshalb sollen in dem nun folgenden Abschnitt die Kategorien aufgezeigt werden, anhand derer die Anekdote als eine solche erkennbar ist.

2.2 Merkmale der Anekdote

Arbeitet man die zu diesem Thema vorhandene Forschungsliteratur durch, fällt schnell auf, dass eine abschließende Definition der Anekdote schwieriger zu sein scheint, als man erwarten würde. Es werden immer wieder neue Versuche der Definition gemacht, dies geschieht häufig auch nur durch eine Abgrenzung von anderen Gattungen. Auf vielen Seiten wird erarbeitet, was die Anekdote nicht ist, diese Frage scheint leichter zu beantworten als diejenige, was sie denn nun ist. Die Autoren nehmen immer wieder auch Bezug aufeinander und stellen Querverweise her, die es dem Leser teilweise erleichtern die Ansätze in Beziehung zu setzen und subjektiv zu bewerten, um so zu einer vertretbaren eigenen Definition zu gelangen, die im Folgenden präsentiert werden soll.

Die Anekdote gehört als Literaturform zur Kleinepik und ist daher als episch-fiktional einzuordnen. Ein zentraler Punkt ist die Faktizität, also die Glaubwürdigkeit. Die Anekdote erhebt einen Wahrheitsanspruch, indem sie entweder ein historisch belegtes Ereignis oder aber eine historische Persönlichkeit zur Grundlage hat. Ungeachtet der Tatsache, dass sich eben dieser Anspruch auf erzählte Wahrheit häufig als unbegründet und das Erzählte als erfunden erweist. Die Anekdote präsentiert das zu Grunde gelegte Ereignis, welches in ihrem Mittelpunkt steht, jedoch nicht in seiner historischen Verkettung, denn der menschliche Charakter steht im Mittelpunkt. Es ist die „Wesensäußerung eines Menschen in der Begegnung mit einem Stück Umwelt“ und dessen überzeitlichen Belang, die den Kern der Anekdote darstellen.[7] Neureuter bezeichnet dieses Merkmal, welches für ihn eins von vier, für die Anekdote wesentlichen Merkmalen, ist, als „Repräsentanz“.[8] Das erzählte einzelne Ereignis steht sowohl für die typisierten Züge eines Individuums als auch für etwas Allgemeines, also pars pro toto.

Ebenfalls wichtig für die Gattung Anekdote ist, dass sie sich stofflich konzis und abgeschlossen präsentiert. Das bedeutet, dass die Anekdote nur aus einer einzelnen Handlung besteht, die in sich geschlossen sein muss.

Eben diese Handlung muss in der Anekdote als selbständige und abgeschlossene Erzählung gelten und aus dem Zusammenhang herausgenommen werden können.

Es ist also nur dann eine Anekdote, wenn es für sich selber stehen und erzählt werden kann, ohne einer weiterreichenden Erklärung zu bedürfen.

Dies setzt auch eine gewisse Kürze der Anekdote voraus. Es wird keine große Ausarbeitung des Milieus o. ä. geleistet, die Anekdote beschränkt sich sowohl sprachlich als auch inhaltlich auf das Nötigste, was sie von anderen Gattungen, wie zum Beispiel der Kurzgeschichte abgrenzt.

Neureuter nennt ebenfalls als wesentliche Kategorie der Anekdote die Nachdenklichkeit, die eine „Probe darauf [sei], ob sich das ungewöhnliche kleine Ereignis mit dem was es repräsentiert, wirklich zum Typus Anekdote verbunden hat.“[9] Wenn eben diese Nachdenklichkeit beim Leser oder Hörer nicht eintritt, ist das Erzählte, seiner Meinung nach, keine Anekdote, da „das besondere Ereignis hinter seiner Repräsentanz völlig verschwindet“.[10]

Grothe nimmt auf eben diese von Neureuter entwickelten Kategorien Bezug und kritisiert Neureuters Postulat, dass eine von Autoren literarisch hergestellte Anekdote, ihre Faktizität und somit ihren Gattungsanspruch verlieren würde, denn „bei der Anekdote spricht der Kunstverdacht gegen die Erfüllung des Typus“.[11] Grothe jedoch weist in seine Analyse daraufhin, dass es einem Autor möglich sei, die möglichen Formen zu einer bestimmten Idee „ab[zu]spulen“, ohne dass das Wesen der Anekdote verfehlt oder zerstört würde.[12]

[...]


[1] Grothe, Heinz: Anekdote. Stuttgart, 1984: 7.

[2] Neureuter, Hans Peter: Zur Theorie der Anekdote. In: Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts 1902-1940. Tübingen, 1973: 459.

[3] Ebd.: 460.

[4] Grothe, Heinz: Anekdote. Stuttgart, 1984: 8.

[5] Ebd.: 8f.

[6] Neureuter, Hans Peter: Zur Theorie der Anekdote. In: Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts 1902-1940. Tübingen, 1973: 460.

[7] Neureuter, Hans Peter: Zur Theorie der Anekdote. In: Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts 1902-1940. Tübingen, 1973: 463.

[8] Ebd.: 468.

[9] Neureuter, Hans Peter: Zur Theorie der Anekdote. In: Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts 1902-1940. Tübingen, 1973: 477.

[10] Ebd.: 478.

[11] Ebd.: 465.

[12] Grothe, Heinz: Anekdote. Stuttgart, 1984: 16.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Pointenbildung in der Anekdote
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel
Note
2,4
Autor
Jahr
2006
Seiten
23
Katalognummer
V89418
ISBN (eBook)
9783638028912
ISBN (Buch)
9783638926959
Dateigröße
448 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pointenbildung, Anekdote, Witz
Arbeit zitieren
Janina Kieckbusch (Autor:in), 2006, Pointenbildung in der Anekdote, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89418

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