Föderalismus als Integrationskonzept


Seminararbeit, 2005

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Zum Begriff „Föderalismus“

2. Der Föderalismus bei Carl Joachim Friedrich
2.1 Der Föderalismus als politischer Prozess
2.2 Organisatorische Merkmale des Föderalismus
2.3 Motive für den Beginn eines Föderierungsprozesses
2.4 Voraussetzungen für eine föderale Entwicklung

3. Weitere Föderalistische Integrationsansätze – Merkmale, Prinzipien, Motivation

4. Unter welchen Umständen und Voraussetzungen eignet sich das föderale Konzept zur Integration heterogener Gesellschaften?

Schluss

Literaturverzeichnis

Einleitung

Der Föderalismus taucht in der öffentlichen Diskussion immer wieder auf, sei es in der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der „Föderalismusreform“ oder im Zusammenhang mit der europäischen Integration. Jedoch wird unter dem Begriff „Föderalismus“ keineswegs immer dasselbe verstanden. Die Zeit sowie der politische Hintergrund haben einen großen Einfluss darauf, wie Politikwissenschafter den Begriff definieren.

In dieser Arbeit soll anhand verschiedener Autoren untersucht werden, auf welchen Prinzipien und Grundsätzen der Föderalismus aufbaut und wie er institutionell umgesetzt wird. Im Mittelpunkt steht dabei der Föderalismus als Konzept zur Integration heterogener Gesellschaften.

Als Grundlage dient die Literatur des Politikwissenschaftlers und Föderalismusforschers Carl Joachim Friedrich, wobei das Hauptaugenmerk auf „Nationaler und internationaler Föderalismus in Theorie und Praxis“ gelegt wird. Hinzu kommen Autoren wie Giering, Karolewski, Reichard u. a.

Als Ziel der Untersuchung dient die Fragestellung „Unter welchen Umständen und Voraussetzungen eignet sich das föderale Konzept für die Integration heterogener Gesellschaften?“ Ich habe diese Fragestellung gewählt, da es mir bei der Untersuchung darum geht, aufzuzeigen, wie man den Föderalismus auf internationaler Ebene anwenden kann und in welchem Falle dies wünschenswert ist.

Das Schwierige an der Fragestellung ist sicher, dass derzeit noch keine internationale Föderation existiert und daher nur anhand von Theorien und nicht empirischer Forschung argumentiert werden kann. Andererseits gibt es mit der Bundesrepublik Deutschland, Belgien, der Schweiz, den USA u. a. zahlreiche Beispiele für nationalen Föderalismus, der in dieser Arbeit als Untersuchungs- und Vergleichsgegenstand dient. Eine Untersuchung dieser Staaten ist unvermeidbar, wenn man den institutionellen Rahmen des Föderalismus darstellen und bewerten möchte. Ich folge damit Friedrich, der ebenfalls die durch die Analyse des nationalen Föderalismus gewonnenen Ergebnisse auf die internationale Ebene überträgt.

Im ersten Kapitel wird ein Überblick über die verschiedenen politikwissenschaftlichen Definitionen des Föderalismus gegeben. Im Anschluss daran werde ich die Position Carl Joachim Friedrichs erläutern und in diesem Rahmen auch auf die Fragestellung eingehen. Im dritten Kapitel werde ich andere Politikwissenschaftler darstellen, ihre Theorien erläutern und Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede zu Friedrich herausarbeiten. In einem letzten Kapitel gehe ich auf die Fragestellung ein, um die konkrete Anwendbarkeit des föderalistischen Konzepts auf heterogene Gesellschaften zu prüfen. In diesem Zusammenhang sollen nicht nur die institutionellen, sondern auch die gesellschaftlichen Aspekte bearbeitet werden.

Im Schluss werde ich die Thesen kurz zusammenfassen und meine eigene Sicht darstellen. Zudem möchte ich einen Bezug zur Europäischen Union schaffen und auf weitere Untersuchungsfragen hinweisen.

1. Zum Begriff „Föderalismus“

Der Begriff „Föderalismus“ als theoretisches Prinzip tauchte in der Politikwissenschaft erstmals im 16. Jahrhundert auf. Als erster Theoretiker des Föderalismus gilt Johannes Althusius[1]. Er verband die Lehre des Konstitutionalismus mit föderalen Elementen. Im Zentrum seiner Lehre stand die Vereinigung, die er sowohl auf staatlicher als auch auf nicht-staatlicher Ebene anwandte. Das Besondere war, dass sich die Macht in seinem System von unten nach oben aufbaute und nicht – wie in der mittelalterlichen Realität üblich – umgekehrt.

Althusius nahm an, dass die Vereinigung auf allen Stufen aus Einheiten der nächstniederen Stufen gebildet wird. Überträgt man dies auf die staatliche Ebene, so sind zum Beispiel die Spitzenmitglieder einer politischen Ordnung keine Individuen oder Familien, sondern Provinzen oder freie Städte. Dieses Prinzip ähnelt sehr dem des Staatenbundes und steht damit im Gegensatz zum heutigen Begriff des Föderalismus, der sich auf Bundesstaaten bezieht. Dennoch kann man aber Parallelen ziehen, zum Beispiel was die Bildung und die Entwicklung föderaler Systeme betrifft.

Ein weiterer bedeutsamer Wissenschaftler, der sich mit dem Föderalismus auseinander gesetzt hat, ist Charles Louis de Montesquieu[2]. Er war der Erste, der den Föderalismus als staatliches Strukturprinzip darstellte und ihm so den Zugang zur politischen Diskussion verschaffte. Den Föderativstaat (république fédérative) beschreibt er als einen Vertrag, durch den mehrere politische Einheiten übereinkommen, Bürger eines größeren Staates zu werden. Er betont die Gewaltenteilung und die föderative Gliederung des Staates, die republikanische Staaten begünstige. Das Hauptanliegen einer Föderation sei die gemeinsame Verteidigung. Die beschriebene Verbindung ist im Vergleich zum heutigen Verständnis von Föderalismus jedoch eher lose, zudem arbeitete Montesquieu die institutionelle Umsetzung nicht näher aus (vgl. Friedrich 1964: S. 157/Reichard 1995: S. 103).

Ein revolutionärer Schritt in der Entwicklung des Föderalismus war der Verfassungskonvent von Philadelphia 1787. In den nachfolgenden und unterstützenden „Federalist Papers“[3] wurde der neue Föderalismusbegriff deutlich: Ein integriertes Regierungssystem, eine institutionalisierte „Einheit in der Verschiedenheit“ untereinander verbundener Gemeinschaften und eine Staatsautorität, die auf mehrere Zentren aufgeteilt wird und die sich dazu bekennt, dass jeder Bürger zwei Gemeinschaften angehört, seinem Bundesstaat und der gesamten Nation (vgl. Friedrich 1964: S. 157f).

Dieses neue Konzept war richtungsweisend: Viele Staaten übernahmen später Teile der neuen Idee des Föderalismus, darunter die Schweiz, Deutschland, Kanada, Australien, Indien u. a.

Große Fortschritte in der Föderalismusforschung wurden insbesondere im 20. Jahrhundert erlangt, wobei vor allem Carl Joachim Friedrich hervorgehoben werden kann.

Der orthodoxe Föderalismus nach Carl Joachim Friedrich geht vom Föderalismus als einem politischen Prozess aus (vgl. Kapitel 2.1). Die Integration sei eine dynamische Entwicklung, bei der sich eine Anzahl getrennter politischer Einheiten zusammenschließe, um politische Probleme gemeinsam zu lösen (vgl. Karolewksi 2000: 60). Nach Friedrich ist der Föderalismus umgekehrt aber auch ein Mittel zur Auflockerung zentralisierter politischer Organisationen (Desintegration).

Im „Lexikon der Politik“ definiert Wolfgang Reichard den Föderalismus folgendermaßen: „Unter Föderalismus (F., von lat. foedus: Bund, Vertrag) ist im allgemeinen Sinne die – vertikal und horizontal – gegliederte Struktur gesellschaftlicher, politischer oder staatlicher Zusammenschlüsse zu verstehen, in der alle Einheiten über je eigene Rechte, Autonomie und Legitimität verfügen“ (Reichard 1995: 102). Hier geht es also vor allem um das besondere Verhältnis von Zentralstaat und Gliedstaaten und die Aufteilung von Kompetenzen und Ressourcen zwischen verschiedenen politischen Ebenen, nicht jedoch um einen politischen Prozess wie bei Friedrich. Reichardt unterscheidet zwei systematische Formen des Föderalismus: Erstens ist der Föderalismus ein Strukturprinzip der gesellschaftlichen und politischen Organisation im Ganzen. Dieses Prinzip reicht bis Althusius zurück. Zweitens versteht er den Föderalismus als staatliches Strukturprinzip. Erst als dieser Aspekt aufkam, wurde die föderalistische Idee in die politische Diskussion aufgenommen.

Bernd Reissert[4] geht mit seiner Aufteilung noch einen Schritt weiter. Gegenwärtig sieht er verschiedene Grundmodelle des Föderalismus (vgl. Reichard 1995: 104f). Hierzu gehören:

- Der institutionell-funktionalistische Ansatz: Hier wird der Föderalismus als politische Organisationsform verstanden, bei der staatliche Aufgaben zwischen verschiedenen regionalen Gliedstaaten aufgeteilt wird. Jeder staatlichen Ebene fallen bestimmte Aufgabenbereiche zu, in denen sie die letztendliche Entscheidungsgewalt besitzt.
- Der verfassungsrechtliche Ansatz: Dieser Ansatz beschreibt den Föderalismus als Staatsordnung, in der die drei Gewalten – Legislative, Exekutive und Judikative - sowohl im Gesamtstaat als auch in den Gliedstaaten vorhanden und verfassungsrechtlich geschützt sind und durch Eingriffe der jeweils anderen Ebene nicht beseitigt werden können.
- Der sozialphilosophische Ansatz: Hier ist der Föderalismus ein gesellschaftliches Ordnungsmodell, das sich durch die Existenz autonomer, interaktiver und dezentraler Einheiten auszeichnet, die gesellschaftliche Aufgaben erhalten und erfüllen. Dieser Ansatz wird durch das Subsidiaritätsprinzip gestützt, nach dem eine höhere gesellschaftspolitische Ebene nur dann eine Aufgabe übernimmt, wenn die untere Ebene diese nach eigenem Bekunden nicht mehr erfüllen kann.

[...]


[1] Johannes Althusius (1557 – 1638), deutscher Rechtslehrer und Politiker, Anhänger der Munizipalselbstverwaltung und des Kalvinismus. Sein Hauptwerk ist „Politica Metodice Digesta“, 1603.

[2] Charles Louis de Montesquieu, französischer Jurist und Philosoph, 1689 – 1755.

[3] Serie von 85 Artikeln, die 1787/88 in verschiedenen New Yorker Zeitungen erschienen, um die 1787 in Philadelphia entworfene Verfassung zu verteidigen. Die Verfasser sind John Jay, James Madison und Alexander Hamilton.

[4] Prof. Dr. Bernd Reissert, deutscher Wirtschafts- und Politikwissenschaftler, Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.

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Details

Titel
Föderalismus als Integrationskonzept
Hochschule
Universität Osnabrück
Veranstaltung
Theorien und Geschichte der Europäischen Integration
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
21
Katalognummer
V89388
ISBN (eBook)
9783638030663
Dateigröße
447 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Föderalismus, Integrationskonzept, Theorien, Geschichte, Europäischen, Integration
Arbeit zitieren
Bachelor of Arts Wiebke Jürgens (Autor:in), 2005, Föderalismus als Integrationskonzept, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89388

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