Latente rechte Tendenz eine empirische Studie


Seminararbeit, 2001

39 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


INHALT

1. Einleitung

2. Rechte Tendenz ohne klare Opfer- bzw. Täter-Zugehörigkeit
2.1 Renate, 54, Künstlerin
2.2 Michi, 30, Angestellter

3. Opfer
3.1 Ausländische Opfer
3.1.1 Terry, 30, Schauspielerin, Dominikanische Republik
3.1.2 Jane, 37, Hausfrau, Virginia (USA)
3.2 Deutsche Opfer
3.2.1 Passive latente Tendenz
3.2.1.1 Sabine, 20, Studentin
3.2.1.2 Alexandra, 18, Schülerin
3.2.2 Aktive latente Tendenz
3.2.2.1 Richard, 23, Azubi
3.2.2.2 Stephy, 23, Studentin

4. Täter
4.1 Ausländische Täter
4.1.1 Corrado, 25, arbeitslos, Italien
4.2 Deutsche Täter
4.2.1 Thomas, 26, Kaufmann
4.2.2 Klaus, 33, Systemanalytiker
4.2.3 Daniel, 22, Student

5. Fazit

6. Folien
Statements
Hypothesen
Täter- Opfer- Bild und rechte latente Tendenz
Gruppendiskussion
Lösungsvorschläge und Meinungen

1. EINLEITUNG

Bei jedem Menschen ist eine gewisse Empfänglichkeit für eine rechte latente Tendenz zu finden. Sie ist scheinbar harmlos und alltäglich, doch ihre Ursache ist rechtes Gedankengut. Es geht hier nicht um den Rechtsradikalismus an sich mit seinen unterschiedlichen Auswirkungen, sondern um dessen kaschierte Form, die bei Alltagsmenschen vorhanden ist. Durch folgende Interviews und Hypothesenerstellung versuchen wir nun empirisch diese Latenz aufzudecken.

Um die latente rechte Tendenz besser veranschaulichen zu können, ordnen wir die Aussagen der von uns interviewten Personen eigens festgelegten Gruppen zu:

Zur Gruppe ohne klare Täter- bzw. Opferzugehörigkeit gehören Renate und Michi.

Die Gruppe der Opfer wird in ausländische Opfer - Terry und Jane - und deutsche Opfer aufgeteilt, wobei die Gruppe der Deutschen nochmals in passive und aktive latente Tendenz untergliedert ist. Sabine und Alexandra zählen danach zu den Vertretern der passiven, Richard und Stephy dagegen zu denen der aktiven latenten Tendenz.

Auch die Täterseite untergliedern wir in ausländische und deutsche Täter. Als Repräsentant der ausländischen Täter betrachten wir Corrado. Der Gruppe der deutschen Täter rechnen wir nach dem Ergebnis der Gruppendiskussion diejenigen Charaktere zu, die alle unter dem „Deckmantel deutsche Täter“ stehen.

2. RECHTE TENDENZ OHNE KLARE OPFER- BZW. TÄTERZUGEHÖRIGKEIT

Die empirische Fallstudie beginnt mit den Personen Renate und Michi, den Repräsentanten der rechten Tendenz ohne klare Opfer- bzw. Täterzugehörigkeit.

2.1 Renate, 54, Künstlerin

Renate ist 54 Jahre alt, von Beruf Künstlerin, hat zwei erwachsene Kinder und lebt in einem ruhigen Wohnviertel in München. Ihr Bekannten- und Freundeskreis setzt sich hauptsächlich aus gutsituierten, mittelständischen Deutschen zusammen; selten findet man eine/n angeheiratete/n Ausländer/in unter ihnen.

Mit ihrer Aussage drückt sie unwissentlich ein weitverbreitetes Verhaltensmuster aus. Durch u.a. fadenscheinige Begründungen hebt sie ungewollt ihren immensen Mangel an Eigenreflexion hervor, der ihre ach so „eigene“ Meinung fragwürdig erscheinen lässt.

Anfangs lehnt sie zunächst strikt eine Heirat ihrer Tochter mit einem Farbigen ab, die sie mit übernommenen, jedenfalls nicht persönlich gemachten Ansichten rechtfertigt wie: “..sie hat dann nichts als Probleme, ob in der Verwandtschaft, im Freundeskreis, vor allen Dingen auch, wenn ein Kind dann mal auf die Welt kommt, und das wird dann gehänselt wenn`s dann im Kindergarten ist..“, „aber ich denke als älterer Mensch hat man doch schon mehr Erfahrung was grad farbige Kinder in Deutschland...noch durchmachen müssen bis sie erwachsen sind“, um letztendlich unter dem Eindruck des Interviewverlaufs eine 180 Grad-Wendung zu vollziehen und ihre Äußerungen mit dem Satz: “..Ich meine im Endeffekt hab ich dann auch nichts dagegen - sie muß mit glücklich sein..“ zu schließen.

Bei Renate, und sie dient hier nur als Repräsentantin dieser Gruppe, zeigt sich deutlich die ihr introjezierte soziale Prägung. Ihre Denkweise formte sich möglicherweise aufgrund ihrer Erziehung bereits im Jugendalter und später durch ihr Umfeld sowie ihren Freundeskreis. Sie scheint gewisse, bereits vorgefertigte Ideologien unkritisch zu übernehmen: „..also, wenn sie in einem Land leben, wo vorwiegend Schwarze sind, dann müssen sie das nicht durchmachen, weil da ist der Rassismus nicht da.. nur wenn sie einen anderen Glauben haben, dann leben die mehr nach ihrem Glauben.. da kann man gar nichts ändern. Islam ist Islam, Katholik ist Katholik und da sind Welten dazwischen“.

Im Laufe des Interviews wurde deutlich, daß sie sozial geprägt, versucht ist bestimmte Fragen mit vorformulierten Antworten unüberlegt, fast automatisch abzuhandeln. So wurde bei untypisch gestellten – z.B. aus einem anderen Blickwinkel heraus betrachteten – Fragen, welche wir mit lebendigen, eigenen Beispielen untermalten, ihre fehlende Selbsterkenntnis sichtbar. Sie begann nämlich, sich in die Situation hineinzuversetzen, also eigenständig zu denken und zu fühlen, und schon urteilte sie konträr zu ihrer bisherigen Einstellung: Anfangs war sie entschieden gegen eine Heirat ihrer Tochter mit einem Farbigen und am Ende zählte auf einmal das Glück ihrer Tochter, unabhängig von der Hautfarbe ihres Partners.

Ihre Meinung ist wie ein Blatt im Wind. Sie ist sehr beeinflussbar, antwortet rückratlos; dies könnte durch den Mangel einer eigenen selbstreflektierten Meinung hervorgerufen worden sein.

Sie stützt sich aufgrund ihres geringen Selbstbewusstseins und der darauf beruhenden Unsicherheit gepaart mit der Angst vor Ablehnung auf gesellschaftlich vorgeformte Allgemein-Meinungen mit dem Ziel, nirgends anzuecken. Sie könnte sich in diesen Situationen eventuell klein und der Masse gegenüber ohnmächtig fühlen. Offensichtlich unterwirft sie sich lieber der gesellschaftlichen Meinung anstatt für ihre eigene einzustehen. Dies zeigt sich bereits daran, daß sie sich von uns ohne nennenswerten Widerstand das Gegenteil aufzeigen ließ; es hat den Anschein, als ob sie sich einem stärker argumentierenden Gesprächspartner lieber unterordnet als aufzufallen.

Es stellt sich somit letztlich die Frage, ob sie eines Tages nicht doch, beispielsweise durch ein von ihrer introjezierten Denkweise abweichendes, sie

überzeugendes Beispiel, den Mut haben wird einer Allgemein-Meinung mit ihrer eigenen Meinung entgegenzutreten oder aber, ob sie - wie bisher - vorgeformte Meinungen toleriert und übernimmt, „da es halt so ist“; sich also anpasst, kuscht und mitläuft.

Ihre latente rechte Tendenz könnte abgesehen von ihrer sozialen Prägung zusätzlich aus der Angst vor Ablehnung durch die Gesellschaft genährt worden sein. Bisher bleibt festzustellen, daß Renate sich mit ihren bekannten Argumenten zu schützen versucht, andererseits aber ihre - eventuell sogar unbewusste - latente rechte Tendenz u.a. verbal verletzend wirken kann.

2.2 Michi, 30, Angestellter

Michi, 30 Jahre alt, Angestellter, lebt seit seiner Scheidung von seiner russischen Frau allein in Schwabing, einem multikulturellen Stadtteil in der Innenstadt Münchens. Er wuchs in Neuperlach, einem ausländerstarken Viertel im Südosten Münchens auf. Sein Schwager ist Grieche, sein bester Freund Holländer.

Michi gehört - wie Renate auch - zur Gruppe der latenten rechten Tendenz ohne klare Täter- bzw. Opferzugehörigkeit, mit dem Unterschied allerdings, daß er situationsbedingt auch zu physischer Gewalt neigt.

Seine Denkweise wurde nicht durch soziale Prägung hervorgerufen, sondern basiert auf Missverständnissen, verursacht durch fehlende Kommunikation und den daraus resultierenden Vorurteilen.

Wir ordnen ihn der ersten von uns erstellten Hypothese zu. Er versuchte zwar sein rechtes Gedankengut zu verstecken, doch im Laufe des Interviews kam seine latente rechte Tendenz unserer Meinung nach klar zum Vorschein: „..Manchmal regen einen halt die Türken mehr auf oder aus den Balkanländern Leute, weil die ne aggressivere Art haben..ein falsches Wort wenn du sagst, ein falsches Wort, die nehmen das gleich sofort persönlich und rasten total aus, he was is.. spinnst du, was hast du gesagt und so reden die dann...wie sie halt so redn..“. Dann, so meint er weiter, kann es zu eventuellen Missverständnissen und infolgedessen aufgrund der Aggressivität, also des Fehlverhaltens seitens der Ausländer, zu verdienter oder notwendiger Schlägerei kommen.

Er versucht seine Einstellung und sein Agieren zu legitimieren, indem er sein Fehlverhalten als Provokation seitens der Ausländer definiert.

Diese Missverständnisse und Vorurteile können auch auf seinen gekränkten Stolz beruhen, denn, wie gleich ersichtlich, wird sein Selbstbewusstsein durch überhebliches Verhalten seitens der Ausländer geschwächt, die Folgereaktion ist Ablehnung, Verachtung, Gefahr und letztendlich Hass. „..Mich hat’s a`mal g`stört, das ich `mal weggegangen bin und mich Einer an der Tür...mich blöd anmacht. Ich, wo in München geboren bin - er, so ein kleiner Pfurz...hässlicher...Manchmal widerstrebt mir halt das Gehabe oder die Arroganz oder die Selbstherrlichkeit oder diese Selbstverständlichkeit und des Aufführen von Nichtdeutschen...so Türken und Jugoslawen widerstreben mir a bisserl. Ich glaub aber des is a ganz normale Grundeinstellung die man hat. Ich hab ja sonst in dem Sinn nichts gegen Ausländer, aber des fällt mir schon auf..“.

Bei Michi, der nicht durch ausländische Gewalttaten vorbelastet ist und auch keine Angst vor Ausländern hat, spielt unseres Erachtens Frust, gekränkter Stolz und das angegriffene Selbstbewusstsein eine tragende Rolle für seine latente rechte Tendenz. Denn diese Empfindungen verstärken offensichtlich seine Missverständnisse und Vorurteile und schüren seine Ablehnung bis hin zum Hass. Sein bereits vorhandenes rechtes Gedankengut könnte ihn schlimmstenfalls zeitweise dominieren und zu physischen Gewalttaten verleiten.

3. OPFER

Die Gruppe der Opfer haben wir, wie eingangs bereits erwähnt, in ausländische und deutsche Opfer unterteilt. Bei den ausländischen Opfern, insbesondere den hier betroffenen farbigen Opfern, stellten wir, wie auch bei den deutschen Opfern, Hilflosigkeit, Ohnmacht und Einschüchterung fest, jedoch – wie nachstehend analysiert - mit voneinander abweichenden Folgen.

3.1 AUSLÄNDISCHE OPFER

3.1.1 Terry, 30, Schauspielerin, Dominikanische Republik

Terry, 30, Schauspielerin, verheiratet, zwei Kinder, Herkunftsland Dom. Republik, lebt seit zehn Jahren in München. Ihr Freundeskreis setzt sich fast ausschließlich aus Freunden ihres Mannes sowie Kindergartenbekanntschaften zusammen.

Anfangs, so berichtete sie uns, fiel es ihr aufgrund ihrer fehlenden Sprachkenntnisse besonders schwer, sich in Deutschland einzuleben: „..meine Körpersprache hat ausgesprochen, daß, ich fühlte mich nicht so sicher..“. Sie war offensichtlich dem Benehmen fremder Menschen auf der Straße hilflos ausgesetzt und interpretierte deren Verhalten anders als aus heutiger Sicht.

Früher fühlte sie sich beobachtet und diskriminiert, heute ist sie der Ansicht „..jetzt kann ich d`rüber steh´n..“. Sie ist also versucht ein solches Verhalten als intolerant zu definieren und es als belanglos zu ignorieren.

Ihre frühere Sprachbarriere könnte der Auslöser für ihre Denkweise gewesen sein, denn Terry empfand und empfindet eine antizipierte Diskriminierung seitens fremder Menschen auf der Straße, früher mehr als heute: „..es ist öfters passiert...ältere Leute sind vorbeigelaufen und hat da irgendwas Rassistisches im Ohr gesagt. Natürlich konnte ich damals nicht verstehen, was sie gesagt hatten, aber es war auf jeden fall irgend was...was nicht Gutes war“.

[...]

Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Latente rechte Tendenz eine empirische Studie
Hochschule
Universität Augsburg  (Betriebswirtschaftslehre)
Veranstaltung
Gesellschaftliche Strukturen und Prozesse (Import: LS für Soziologie und empirische Sozialforschung)
Note
2,3
Autor
Jahr
2001
Seiten
39
Katalognummer
V8933
ISBN (eBook)
9783638157674
Dateigröße
1214 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Studie, ohne Sekundärliteratur. Inkl. 7 Folien. 907 KB
Schlagworte
latente rechte Tendenz, Studie, Rechtsradikalismus, Studie
Arbeit zitieren
Thomas Förster (Autor:in), 2001, Latente rechte Tendenz eine empirische Studie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8933

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