Von der großen Ernte, der Herde und ihren Hirten - Mt 9, 35-38


Quellenexegese, 2007

19 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Allgemeine Einleitung
1.1. Hinführung
1.2. Verfasser
1.3. Gattung
1.4. Entstehungsort, Entstehungszeit
1.5. „Sitz im Leben“
1.6. Fragestellung

2. Hauptteil
2.1. „wie Schafe, die keinen Hirten haben.“
2.2. „Die Ernte zwar ist groß, die Arbeiter aber sind wenige.“
2.3. „Bittet nun den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter aussende in seine Ernte!“

3. Schluss – In unserer Zeit
3.1. Die Kirche als Acker Gottes
3.2. Die Kirche als die Herde

Abkürzungsverzeichnis
I. Allgemeine Abkürzungen, Quellenwerke
II. Die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils
III. Biblische Bücher

Literaturverzeichnis

Mt 9,35-38[1]

V.35 Und Jesus zog umher durch alle Städte und Dörfer und lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium des Reiches und heilte jede Krankheit und jedes Gebrechen.

V.36 Als er aber die Volksmengen sah, wurde er innerlich bewegt über sie, weil sie erschöpft und verschmachtet waren wie Schafe, die keinen Hirten haben.

V.37 Dann spricht er zu seinen Jüngern: Die Ernte zwar ist groß, die Arbeiter aber sind wenige.

V.38 Bittet nun den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter aussende in seine Ernte!

1. Allgemeine Einleitung

1.1. Hinführung

Der ausgewählte Text des Matthäus-Evangeliums ist Teil der Perikope zum 11. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A), d.h. ein Abschnitt, der der Bibel für den liturgischen Gebrauch ent­nommen ist[2].

Um sich exegetisch damit auseinanderzusetzen, ist es unabdingbar, einige allgemeine und einleitende Gedanken anzustrengen, die allerdings schon einen wesentlichen Bestandteil der Auslegung darstellen werden.

Die Verfasserfrage, die Frage nach der Gattung, dem Entstehungsort und der Entstehungs­zeit, der ‚Sitz im Leben’ und die Fragestellung der Textstelle stehen in der allgemeinen Ein­leitung zur Analyse an.

1.2. Verfasser

Das erste von vier Evangelienbüchern wird nach einem Matthäus als Verfasser benannt – „den Zöllner von Kafarnaum, den Jesus [...] in den Kreis der Zwölf berief“[3] (vgl. Mt 9,9; Mt 10,3). Offenbar handelt es sich um jenen Levi, von dessen Berufung auch Markus (vgl. Mk 2,14) und Lukas (vgl. Lk 5,27) berichten.

Heute nimmt man als Verfasser des Mt „einen uns nicht näher bekannten judenchristlichen Lehrer an, der noch Schüler der Apostel war“[4].

Jedoch „ähneln sich Mt, Mk und Lk so stark – bis hinein in den Wortlaut – , dass man nach der weithin akzeptierten ‚Zwei-Quellen-Theorie’ davon ausgeht, dass Mk das älteste Evangelium ist, das Mt und Lk unabhängig voneinander als Grundlage ihrer Darstellungen verwendet“[5] und mit weiteren Inspirationen aus einer sogenannten ‚Logienquelle oder das Spruchevangelium Q’[6], auf deren Geschichte und Rekonstruktion im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen wird, ergänzt haben.

Traditionsgeschichtlich erscheint der gewählte Text demnach aus verschiedenen Steinen zusammengetragen:

V.35 beschreibt Mk mit folgendem Wortlaut: „Und er zog durch die Dörfer ringsum und lehrte“ (Mk 6,6b). Lk schreibt: „Und es geschah danach, dass er nacheinander Städte und Dörfer durchzog, indem er predigte und die gute Botschaft vom Reich Gottes verkündigte; und die Zwölf mit ihm“ (Lk 8,1).

Das Motiv des Mitleides in V.36 findet Mt bereits bei Mk 6,34, jedoch nicht bei Lk.

Umgekehrt verhält es sich mit V.37 und V.38. Eine Vorlage für den Text des Matthäus-Evangeliums trifft man bei Mk nicht an, jedoch schreibt Lk im exakt gleichen Wortlaut (vgl. Lk 10,2). Diese Jesus-Logien, die die Ernte betreffen, stammen offenbar aus ‚Q’.[7]

1.3. Gattung

Fast wortgetreu wiederholt V.35 als Sammelbericht die Stelle Mt 4,23: „Und er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium des Reiches und heilte jede Krankheit und jedes Gebrechen unter dem Volk.“; „ein die Hauptzüge hervor­hebendes Bild des Wirkens Jesu.“[8]

Dabei fällt auf, dass der Berichterstatter die Bezeichnung tr:AfB (Evangelium; Botschaft, die von Gott kommt) an diesen beiden Stellen parallel verwendet, obwohl er insgesamt nur viermal davon gebrauch nimmt.[9]

In einem einfachen Vergleich beschreibt Mt in V.36 die Volksmenge in ihrem elenden Zu­stand mit den Schafen, die keinen Hirten haben.

Nachfolgend nutzt Jesus als rhetorisch ausschmückendes Stilmittel eine Metapher, d. h. ein „Wort mit übertragener Bedeutung, bildlicher Wendung“[10], indem er zu seinen Jüngern spricht: „Die Ernte zwar ist groß, die Arbeiter aber sind wenige“ (Mt 9,37). Er bleibt in seinen Worten wie schon beim vorhergehenden Vers bei einem den Zuhörern gewohnten Umfeld, diesmal dem Ackerbau und der Landwirtschaft, fordert seine Auserwählten aber dennoch zum Nachdenken auf, den Zusammenhang herzustellen.

Der zum Ende hin epideiktische Text schließt mit der Aufforderung, den Herrn der Ernte zu bitten, „dass er Arbeiter aussende in seine Ernte“ (Mt 9,38).

1.4. Entstehungsort, Entstehungszeit

Eigene Angaben über den Entstehungsort oder die Entstehungszeit macht der Autor nicht. Das Matthäus-Evangelium setzt den Untergang Jerusalems (70 nC.) voraus; es ist wohl, unter Berücksichtigung „einer gewissen Zeitspanne für die Verbreitung des Mk“[11] um 80 nC. verfasst worden, „und zwar vermutlich in Syrien (eher als in Palästina). Seinem In­halt ist zu entnehmen, dass es in einem Gebiet entstanden sein muss, in dem Christen und Juden zusammenlebten.“[12]

1.5. „Sitz im Leben“

Mit der ausgewählten Textstelle leitet der Evangelist während der Zeit des Wirkens Jesu in Galiläa die große „Aussendungsrede“[13] ein, die seine Weisungen und Richtlinien für die missionierende und zugleich verfolgte Kirche wiedergibt.

V.35 gibt einen „Rückblick auf die bisher beschriebene Tätigkeit Jesu“[14].

Der Bericht umrahmt quasi das Geschehen, von dem in den Kapiteln 5-9 informiert wird: die Bergpredigt; die Rede von der wahren Gerechtigkeit; die Taten des Messias mit zahlreichen Heilungsberichten. Von den anfänglichen Wanderungen und Lehren in Galiläa (vgl. Mt 4,23) hat sich der Aktionsradius Jesu nun ausgeweitet, er zieht „umher durch alle Städte und Dörfer“ (Mt 9,35; vgl. Mk 6,6b). Der Horizont für den dritten Teil des Mt weitet sich also über Galiläa hinaus.

Nach den Selbstoffenbarungen in Wort und Tat sollte die Erntearbeit beginnen. In jedem Fall setzte Jesus seine Bemühungen um Israel fort; an ihm sollte es nicht liegen, wenn die Ernte ausbleiben würde.

Sein Bekanntheitsgrad hatte sich offenbar gesteigert. Für den Leser ist es leicht verständlich, dass es nunmehr erforderlich wird, Bevollmächtigte, nämlich „seine zwölf Jünger“ (Mt 10,1), auszusenden, die im anschließenden Text dann vorgestellt werden.

[...]


[1] Alle Angaben zur Heiligen Schrift wurden – soweit nicht anders angegeben - entnommen aus:
Die Heilige Schrift. Aus dem Grundtext übersetzt. Elberfelder Bibel. Revidierte Fassung. R. Brockhaus. Wuppertal-Zürich 3. Sonderauflage1992.

[2] Vgl. Nübold, Elmar: Art. Perikopen, in: LThKSonderausgabe 2006 Bd. 8 (2006), S. 33.

[3] EÜ, S. 1086.

[4] Ebd.

[5] Dohmen, Christoph / Hieke, Thomas (Hg.): Das Buch der Bücher. Die Bibel – Eine Einführung, S. 163.

[6] Ebd.

[7] Vgl. HThK, S. 351.

[8] RNT, 1. Bd.: Das Evangelium nach Matthäus, S. 175.

[9] Vgl. Finger, Joachim: Art. Evangelium, Evangelien. A. Evangelium. II. Bibel-theologisch. 2., in: LThKSonderausgabe 2006 Bd. 3 (2006), S. 1059.

[10] Der Duden. Rechtschreibung der deutschen Sprache, S. 489.

[11] Vgl. Sand, Alexander: Art. Matthäus. II. Matthäusevangelium. 5. Ort u. Zeit der Entstehung. in: LThKSonderausgabe 2006 6 (2006), S. 1481.

[12] EÜ, S. 1086.

[13] Vgl. EÜ, S. 1098.

[14] EB, S. 53.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Von der großen Ernte, der Herde und ihren Hirten - Mt 9, 35-38
Hochschule
Hochschule Heiligenkreuz  (Biblische Wissenschaften)
Veranstaltung
Proseminar Bibelwissenschaftliche Methoden
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2007
Seiten
19
Katalognummer
V89253
ISBN (eBook)
9783638037822
ISBN (Buch)
9783638934787
Dateigröße
505 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ernte, Herde, Hirten, Proseminar, Bibelwissenschaftliche, Methoden, Acker, Berufung, Arbeiter, Weinberg, Vatikanisches Konzil, Bibel
Arbeit zitieren
Christian Kalis (Autor:in), 2007, Von der großen Ernte, der Herde und ihren Hirten - Mt 9, 35-38, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89253

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