Die Entscheidung des Bundesverfasssungsgerichtes vom 5. April 1952 (Fünf-Prozent-Hürde)


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

18 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Ausgangslage und Klage des SSW

3 Argumentation des Gerichts

4 Analyse der Entscheidung des Gerichts

5 Sperrklausel und Grundmandatsklausel in der Wahlgesetzgebung der Bundesrepublik
5.1 Bundeswahlgesetz 1949
5.2 Bundeswahlgesetz 1953
5.3 Bundeswahlgesetz 1956
5.4 Bundeswahlgesetz 1990

6 Fazit und Ausblick

7 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Sperrklauseln gelten in Verhältniswahlsystem als wichtiges Korrektiv, das die Zersplitterung von Parlamenten verhindert und dadurch deren Arbeitsfähigkeit gewährleistet. Die Fünf-Prozent-Hürde ist seit Gründung der Bundesrepublik – wenn auch in unterschiedlicher Ausgestaltung – Bestandteil des Wahlrechts. Der Einfluss solcher Sperrklauseln auf das politische System ist vielfach diskutiert worden. Grundlegend für die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts und anderer Instanzen zu diesem Thema (allerdings nicht nur dazu) ist die Entscheidung 5. April 1952 (BverfGE 1, 208).

In dieser Arbeit soll es um die Frage gehen, welchen Einfluss diese Entscheidung auf die Wahlgesetzgebung hatte. Es handelt sich dabei um die erste Entscheidung[1] des Gerichts zu der Problematik der Sperrklausel. In diesem frühen Urteil stellte der Zweite Senat erstmals Überlegungen zur Verfassungsmäßigkeit von Sperrklauseln und Grundmandatsklauseln an, die die Grundlage für die weiteren Entscheidungen bildeten.

Ich will zunächst die Ausgangslage für die Entscheidung, das Landeswahlgesetz von Schleswig-Holstein von 1951, und die Klage des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) darstellen. Anschließend soll die Argumentation des Gerichts aufgezeigt und analysiert werden. Im letzten Schritt soll dann die Entwicklung der Bundeswahlgesetzgebung von 1949 bis 1990 nachgezeichnet werden.

2 Ausgangslage und Klage des SSW

Im folgenden soll die Ausgangslage und die Verfassungsklage des Südschleswigschen Wählerverbandes dargestellt werden (vgl. neben BverfGE 1, 208 vor allem die umfassende Darstellung bei Kühn 1991).

Das schleswig-holsteinische Landeswahlgesetz sah in seiner ursprünglichen Fassung[2] vor, dass nur Parteien am Verhältnisausgleich teilnehmen, sofern für sie in mindestens einem Wahlkreis ein Abgeordneter gewählt worden ist. 1950 wurde das Wahlgesetz novelliert. Dieses erneuerte Wahlgesetz sah alternativ zum Erfordernis des Direktmandats eine Sperrklausel von fünf Prozent vor. Diese Einschränkungen galten allerdings nicht für Parteien nationaler Minderheiten.

Das Wahlgesetz wurde dann 1951 abermals novelliert und die Sperrklausel von 5 auf 7,5 Prozent erhöht. Das Privileg für Parteien nationaler Minderheiten wurde abgeschafft. Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), die Vertretung der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein, errang bei der Landtagswahl 1947 9,27 Prozent der Stimmen, bei der Bundestagswahl 1949 reduzierte sich der Stimmenanteil des SSW auf 5,4 Prozent, bei der Landtagswahl von 1950 waren es 5,5 Prozent (BVerfGE 1, 208, 215).

Der SSW hat gegen das Landeswahlgesetz in der Fassung von 1951 Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht erhoben. Der SSW hielt die Erhöhung der Sperrklausel von 5 auf 7,5 Prozent für verfassungswidrig. Die Fraktion des SSW im schleswig-holsteinischen Landtag und zwei ihrer Abgeordneten schließen sich der Verfassungsbeschwerde an. Die Richter haben sich in der Entscheidung ausführlich mit der Frage beschäftigt, ob eine Zuständigkeit gemäß § 13 Nr. 10 Bundesverfassungsgerichtsgesetzes gegeben ist[3] (BVerfGE 1, 208, 218ff.) und diese Frage bejaht. Dabei handelt es sich um Verfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Landes, wenn diese Entscheidung durch Landesgesetz dem Bundesverfassungsgericht zugewiesen ist.

3 Argumentation des Gerichts

Der Südschleswigsche Wählerverband hatte mehrere Gründe für die Verfassungswidrigkeit des Schleswig-Holsteinischen Landeswahlgesetzes vorgebracht. Der erste Vorwurf des SSW war, dass es sich bei dem Gesetz um eine Willkürmaßnahme des Landtages handele (BverfGE 1, 208, 238f.). Das Gericht erkannte zwar, dass es „auffällig“ sei, dass der Landtag das Quorum „auf einen Satz erhöht hat, den der SSW aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr erreichen kann, während die FDP mit 7,4 Prozent bei der Bundestagswahl durchaus die Möglichkeit haben dürfte, dieses Quorum zu erreichen.“ (BverfGE 1, 208, 238). Allerdings habe sich das Gericht „nicht davon überzeigen können, daß eine eindeutige Kampfmaßnahme des Landtages gegen des SSW vorliegt“ (BverfGE 1, 208, 239). Als Beleg dafür führen die Richter an, dass die entsprechenden Protokolle des Landtages dafür keine Anhaltspunkte gäben.

Der SSW hielt das Wahlgesetz weiterhin deswegen für verfassungswidrig, weil es allgemeinen Regeln des Völkerrechts widerspreche, die nach Art. 25 Bestandteile des Bundesrechts seien. Die Richter widersprachen diesem Argument jedoch ebenfalls: Es gebe im Völkerrecht keinerlei Sonderrechte bei der Repräsentation im Parlament. Eine privilegierte Stellung für nationale Minderheiten im Wahlverfahren sei nicht vorgesehen.

Das Gericht prüfte nun, ob durch das novellierte Wahlgesetz der Grundsatz der Gleichheit der Wahl verletzt wurde. Dazu stellte der Zweite Senat zunächst fest, dass die Gleichheit der Wahl ein Anwendungsfall des allgemeinen Gleichheitssatzes sei, ein Verstoß gegen die Wahlgleichheit mithin auch eine Verletzung des Art. 3 GG.

Durch die Sperrklausel im schleswig-holsteinischen Wahlrecht nehmen nicht alle Parteien am Verhältnisausgleich teil, sondern nur solche, die die Hürde überspringen. Die Frage, ob diese Unterscheidung mit dem Grundsatz der gleichen Wahl vereinbar ist, musste von den Verfassungsrichtern geklärt werden.

Es ist zu unterscheiden zwischen verschiedenen Auslegungen der Gleichheit der Wahl. Die engen Auslegungen „beschränken die Bedeutung der Wahlgleichheit dahin, daß den Wählern kein verschieden starker Einfluß auf das Wahlergebnis eingeräumt werden darf aus Gründen, die in der Person des einzelnen Wählers liegen “ (BverfGE 1, 208, 243; Hervorhebung im Original). Bei der Mehrheitswahl kommt es nach Auffassung des Gerichts lediglich auf den gleichen Zählwert der Stimmen an, dass also auf jedes Mandat die gleiche Anzahl von Stimmen entfällt. Bei der Verhältniswahl hingegen komme es nicht nur auf den Zählwert der Stimmen, sondern auch auf deren Erfolgwert an, damit ein möglichst getreues Spiegelbild des Wählerwillens abgebildet wird. Dieser Erfolgswert schwankt nach Systemen und muss im demokratischen Wahlsystem nicht gegeben sein.

[...]


[1] Weitere Entscheidungen, die die Sperrklausel thematisieren sind BverfGE 6, 84; 4, 31; 4, 375 6, 84; 11, 266; 13, 243. Für einen Überblick über die Entscheidungen vgl. Meyer 1973 und Becht 1990.

[2] Der Wortlaut der Wahlgesetze von 1947, 1950 und 1951 sowie die Fundstellen sind in BverfGE 1, 208, 212ff. wiedergegeben.

[3] Dieses weitgehend formaljuristische Problem soll an dieser Stelle genau so wenig behandelt wie die vom BverfG in der Entscheidung ebenfalls erörterte Frage der Rechtsfähigkeit von politischen Parteien im Verfassungsstreit nicht näher behandelt werden.

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Details

Titel
Die Entscheidung des Bundesverfasssungsgerichtes vom 5. April 1952 (Fünf-Prozent-Hürde)
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Institut für politische Wissenschaft)
Veranstaltung
Seminar Verrfassungsgerichtsbarkeit im politischen Prozess: Ein Vergleich BRD und USA
Autor
Jahr
2002
Seiten
18
Katalognummer
V8920
ISBN (eBook)
9783638157599
Dateigröße
524 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entscheidung, Bundesverfasssungsgerichtes, April, Seminar, Verrfassungsgerichtsbarkeit, Prozess, Vergleich
Arbeit zitieren
Sebastian Knoppik (Autor:in), 2002, Die Entscheidung des Bundesverfasssungsgerichtes vom 5. April 1952 (Fünf-Prozent-Hürde), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8920

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