Das historische Erbe Berlins

Stadtplanung und sozial-räumliche Ausgrenzung


Hausarbeit, 2004

15 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Stadtplanung Berlins zur Zeit der Industrialisierung
2.1 Hobrechts Mietskasernenstadt
2.2 Bauverordnungen und sozialer Wohnungsbau

3. Das Sanierungsproblem
3.1 Folgen von Sanierungsmaßnahmen
3.2 Lösungsmöglichkeiten zum Sanierungsproblem

4. Schlussbetrachtung

5. Literaturverzeichnis:

1. Einleitung

Seit dem ersten offiziellen Armutsbericht, der von der Bundesregierung 2001 in Auftrag gegeben und danach veröffentlicht wurde, und der Erklärung durch die amtierende rot-grüne Regierung, sich mit der Bekämpfung von Armut in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) zu befassen, wurde Armut zum öffentlich diskutierten Thema. Wobei für den Begriff „Armut“ keine eindeutige Definition gegeben werden kann. Man kann lediglich Aspekte von Armut beschreiben. Davon ausgehend kann man Armut differenzieren in absolute und relative Armut.[1] In der BRD geht man von einer relativen Armut aus, da sich die Bezeichnung der absoluten Armut auf das physische Überleben bezieht und hauptsächlich in Entwicklungsländern vorkommt, wohingegen es sich bei der relativen Armut um „eine Frage eines menschenwürdigen Lebens“[2] handelt. Den Versuch einer Definition von Armut für moderne Industrieländer wie die BRD findet sich bei dem Rat der Europäischen Union[3]. Hierbei wird deutlich, dass Armut ein mehrdimensionaler Begriff ist. Daher sind es auch zwei Ansätze, die in der Armutsforschung verwendet werden. Zum einen ist dies der Ressourcenansatz und zum anderen der Lebenslagenansatz.[4] Letzterer ist zwar genauer, aufgrund der Datenlage wird allerdings hauptsächlich, wie auch in der vorliegenden Arbeit, der Ressourcenansatz verwendet. Dieser bezieht sich auf die Einkommensarmut und somit auf die Gleichheit bzw. Ungleichheit der finanziellen Mittel, speziell Einkommen als Arbeitsertrag. Anhand des Armutsberichtes und vorherigen Untersuchungen, die sich an Arbeitslosenquoten und Daten über Sozialhilfeempfänger orientierten, lässt sich erkennen, dass seit Mitte der 70er Jahre die Armut und die Arbeitslosigkeit in der BRD angestiegen ist.[5] So stieg die Armutsquote von 7,1% in Westdeutschland 1969 bis 1998 auf 10,9%, unter Einbeziehung Ostdeutschlands von 10,1% 1993 auf 10,4% 1998.[6]

Die Folgen dieser Armutsentwicklung machen sich besonders in großen Städten bemerkbar, in denen sich am Arbeitsmarkt benachteiligte, erfolglose und auf staatliche Hilfe angewiesene Bevölkerungsgruppen konzentrieren.[7] In dieser Arbeit soll nun untersucht werden, wie sich die Verteilung der armen Bevölkerungsgruppen in den Städten als Ballungsgebieten verhält und wodurch sie gesteuert wird. Zur genaueren Untersuchung wurde hierbei die Stadt Berlin gewählt, zum einen wegen ihrer großen Bevölkerungszahl und zum anderen wegen ihrer besonderen Vergangenheit in Bezug auf räumliche Ausgrenzungsprozesse. In Bezug auf die Steuerung von Bevölkerungsverteilung werden die Entscheidungsprozesse der Stadtplanung, die Bautätigkeiten und die jeweiligen mehr oder weniger sozialpolitischen Hintergründe untersucht. Denn wie schon Hoffmeyer-Zlotnik bemerkte, bewirkt „jeder (…) Eingriff in die bauliche Struktur einer Stadt, und sei er noch so behutsam durchgeführt, (…) einen verändernden Eingriff in den Lebensraum der am Ort des baulichen Eingriffes lebenden Bewohner dieser Stadt“[8]. Zunächst wird daher ein Überblick über die Entwicklung Berlins gegeben, mit einer Fokussierung auf die kritische Phase, hinsichtlich der Stadt-, Bevölkerungs- und Armutsentwicklung, während der Industrialisierung. Hierbei wird das damalige Verständnis von Armut, deren Vorkommen und der Umgang mit den armen Bevölkerungsgruppen, speziell ihrer räumlichen Verteilung in der Stadt, näher beleuchtet.

Einen Untersuchungsschwerpunkt stellt in diesem Zusammenhang der so genannte Hobrechtplan dar, anhand dessen und seiner Folgen die Entwicklung von sozial-räumlicher Verteilung dargestellt werden soll. Diese Entwicklungen sind dann in Verbindung zu setzen und zu vergleichen mit den heutigen Eingriffen in die Stadt- und Bevölkerungsstruktur. Wobei ein spezielles Augenmerk auf die in Berlin notwendigen Gebäudesanierungen und deren Folgen für ärmere Bevölkerungsgruppen gelegt werden soll.

2. Stadtplanung Berlins zur Zeit der Industrialisierung

Das heutige Berlin besteht, trotz intensiver Neubautätigkeiten und zwei Weltkriegen, zu ca. 60% aus Häusern und Wohnungen, die vor 1918 erbaut wurden.[9] Die meisten dieser alten Gebäude sind zur Zeit des Baubooms, ausgelöst durch immense Zuzüge während der Industrialisierung, entstanden. Die Industrie begann in Berlin in den 1840er Jahren zu expandieren. Eisengießerei-, Maschinenbau- und Textilunternehmen entstanden an den großen Verkehrswegen, von der Innenstadt ausgehend westwärts zum Stadtteil Moabit, nordwärts zum Stadtteil Wedding und ostwärts entlang der Spree zu den Stadtteilen Neu-Kölln und Spandau.[10] Die große Nachfrage nach Industriearbeitern führte zu einer Wanderungsbewegung, die sich in einer explosionsartig ansteigenden Einwohnerzahl widerspiegelt. Von ehemals ca. 200000 Einwohnern im Jahre 1820 stieg die Einwohnerzahl bis 1877 auf über eine Millionen Einwohner an.[11] Für diese große Masse an Personen mussten nun entsprechende Wohnungen bereitgestellt werden. Um nun den Umgang und die Koordinierung einer so großen Nachfrage nach Wohnungen genauer darstellen zu können, muss man die Stadtplanung und die Bauordnungen dieser Zeit betrachten.

Die Stadtplanung blieb während dem gesamten 19. Jahrhundert in den Händen von Beamten, die vom preußischen Staat eingesetzt wurden. Zuständig für die Bauordnung war der Polizeipräsident, da die private Bautätigkeit nur unter dem Gesichtspunkt der Feuersicherheit überwacht wurde.[12] Das Bauwesen unterlag darüber hinaus keiner weiteren staatlichen Kontrolle und wurde dadurch über privatwirtschaftliche Marktprozesse gesteuert. Das bedeutet, dass die endgültige Gestaltung der Gebäude, hinsichtlich Wohnraumgrößen, Ausstattung mit Hygieneeinrichtungen wie Bad oder WC, fließendes Wasser und Strom, dem jeweiligen Hauseigentümer bzw. Erbauer überlassen blieb. Diese uneingeschränkten Möglichkeiten wurden während der Industrialisierung nun von kapitalistischen Investoren genutzt, die den Wohnungs- und Städtebau als kapitalistische Verwertung betrieben.[13] Die Hausbesitzer waren „reine Geschäftsleute, denen es auf einen raschen Umschlag ihres eingesetzten Kapitals und auf eine möglichst hohe Rendite ankam“[14]. Eine Einschränkung dieses kapitalistischen Bauwesens, dass die menschlichen Bedürfnisse ignoriert, kam vorerst nicht zu Stande, da die für die Bauordnung zuständigen Beamte in den Parlamenten größtenteils selbst Hausbesitzer waren. Denn nach dem Dreiklassenwahlrecht mussten mindestens die Hälfte aller Mitglieder des Parlaments Grundeigentümer sein.[15] Begünstigt wurden diese Bauregelungen zudem durch den Bebauungsplan für die Stadt Berlin von 1862.

2.1 Hobrechts Mietskasernenstadt

Bereits in den 1850er Jahren wurde der Ingenieur und Kanalisationsspezialist James Hobrecht vom damaligen Berliner Polizeipräsidenten mit der Anfertigung eines Bebauungsplanes für die Berliner Umgebung beauftragt, um die steigende Nachfrage nach Wohnungen koordinieren zu können.[16] Dieser Plan orientierte sich hauptsächlich an den feuerrechtlich notwendigen Fluchtlinien und der Vorgabe einer Mindeststraßenbreite von 22 Metern.[17] Entsprechend zur Straßenbreite galt als Höchstmaß eine Gebäudehöhe von 22 Metern, was 5 Wohnungsgeschossen entspricht.[18] Hobrecht orientierte sich bei der Planung außerdem an der Struktur der barocken Friedrichsstadt, die in Blöcke mit 120 Meter Frontlänge und 75 Meter Tiefe eingeteilt war.[19] Allerdings sah er für die neuen Stadtviertel vier bis fünf mal so große Blöcke vor. Das heißt, die entstandenen Blöcke haben eine Frontlänge von 400- 700 Metern und eine Tiefe von 300- 400 Metern. Durch die Anordnung in Vorderhaus, Seitenflügel und Quergebäude entstanden große Hinterhöfe, die meist ebenfalls noch zur Bebauung genutzt wurden, weshalb eine sehr hohe Bebauungsdichte zu Stande kam. „Aufgrund der relativ gleichförmigen und dichten Bebauung ging Berlin als die größte Mietskasernenstadt der Welt in die Geschichte ein“.[20]

[...]


[1] Vgl. Geißler 2002: 246

[2] Geißler 2002: 246

[3] „So definiert der Rat der Europäischen Union verarmte Personen als ´Einzelpersonen, Familien oder Personengruppen, die über so geringe (materielle, kulturelle und soziale) Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedsstaat, in dem sie leben, als Minimum annehmbar ist´.“ (Geißler, Rainer: 246)

[4] Vgl. Geißler 2002: 247

[5] Vgl. Riege 1998: 13

[6] Vgl. Bergmann 2004: 184

[7] Vgl. Riege 1998: 13

[8] Hoffmeyer-Zlotnik, Jürgen 1982: 383

[9] Vgl. Semmer 1970: 1

[10] Vgl. Kapphan 2002: 64

[11] Vgl. ebd.: 61

[12] Vgl. Häußermann/ Siebel 1996: 79

[13] Vgl. Häußermann/ Siebel 1996: 80

[14] Häußermann/ Siebel 1996: 80

[15] Vgl. Häußermann/ Siebel 1996: 80

[16] Vgl. Scarpa 1995: 203

[17] Vgl. Häußermann/ Siebel 1996: 79

[18] Vgl. Semmer 1970: 3

[19] Vgl. Häußermann/ Siebel 1996: 79

[20] Kapphan 2002: 62

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Das historische Erbe Berlins
Untertitel
Stadtplanung und sozial-räumliche Ausgrenzung
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Armut in Deutschland
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
15
Katalognummer
V89174
ISBN (eBook)
9783638025911
ISBN (Buch)
9783638927000
Dateigröße
412 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erbe, Berlins, Armut, Deutschland
Arbeit zitieren
Christoph Monnard (Autor:in), 2004, Das historische Erbe Berlins, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89174

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