Mein Praktikum am Elisabethinum Axams


Praktikumsbericht / -arbeit, 2004

38 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorbemerkungen
1.1 Das österreichische Schulsystem
1.1.1 Die Schulen im Überblick
1.1.2 Weitere wichtige Merkmale des Schulsystems in Österreich
1.2 Was ist eigentlich ein Förderzentrum?

2. Institutionelle Rahmenbedingungen der Praktikumsstelle
2.1 Organisationsstruktur von Träger und Einrichtung
2.1.1 Organisationsstruktur des Trägers
2.1.2 Organisationsstruktur der Einrichtung
2.1.3 Finanzierung
2.2 Geschichte des Trägers und der Einrichtung
2.3 Personelle Situation
2.4 Das Arbeitsfeld
2.5 Konzeption und Arbeitsmethoden
2.6 Besondere Probleme

3. Der eigene Tätigkeitsbereich
3.1 Meine Arbeit in der Klasse
3.2 Meine Arbeit in der Gruppe
3.2.1 D.
3.2.2 K.
3.2.3 B.
3.2.4 S.
3.3 Das Frühschwimmen

4. Reflexion der Praktikumserfahrungen
4.1 Vorerfahrungen und Erwartungshaltung vor dem Praktikum
4.2 Diskussion des Arbeitsfeldes verbunden mit Kritik an der erfahrenen Praxis
4.3 Rückmeldungen und Einschätzung der eigenen Arbeit
4.4 Perspektiven aus den Praktikumserfahrungen für das weitere Studium und den Beruf

5. Nachbemerkung

6. Literatur

1. Vorbemerkungen

1.1 Das österreichische Schulsystem

Da ich im vorliegenden Bericht gelegentlich auf das Schulsystem in Österreich zu sprechen komme, möchte ich an den Anfang meiner Arbeit eine kurze Einführung darüber geben. Außerdem bin ich der Meinung, dass es zu einem Bericht über eine Tätigkeit im Ausland dazu gehört, dem Leser vor der Lektüre entsprechende Grundlagen zu liefern. Diese Erläuterungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sollen lediglich zum besseren Verständnis des Praktikumsberichtes dienen.

Zur Beschreibung des österreichischen Schulsystems greife ich auf die Ausführungen von Jaksche (1998) und Eder und Thonhauser (2002) zurück.

1.1.1 Die Schulen im Überblick

Die Schulen des österreichischen Schulsystems unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Bildungshöhe (Primar- und Sekundarschulen, Akademien) und ihres Bildungsinhaltes (allgemein bildende, berufsbildende Schulen, Anstalten der Lehrer- und Erzieherbildung[1] ). Schulformen sind die Volks-, Haupt-, Polytechnische Schule und Sonderschule und Sonderpädagogische Zentren und die allgemein bildenden höheren Schulen.

Zu den Primar- oder Grundschulen zählen „die Volksschule bis einschließlich der 4. Schulstufe und die entsprechenden Stufen der Sonderschule“ (Eder & Thonhauser, 2002, 368). Sekundarschulen der Sekundarstufe I beinhalten die Hauptschule, dazu gehören die Oberstufen der Volks- und Sonderschule und die Polytechnische Schule, die den allgemein bildenden Pflichtschulen entsprechen, und die Unterstufen (4 Jahre) der allgemein bildenden höheren Schulen (AHS).

Berufsschulen, berufsbildende mittlere und höhere Schulen (BMS/BHS), Bildungsanstalten für Kindergarten- und Sozialpädagogik und die Oberstufen (4 Jahre) der allgemein bildenden höheren Schulen ergeben zusammen die Sekundarschulen der Sekundarstufe II. Ein Teil der Berufsausbildung zeichnet sich durch ein duales System aus, das heißt diese Ausbildung besteht aus dem Zusammenspiel von Berufsschule und Arbeit im Betrieb. Dieser Zweig wird laut Eder und Thonhauser (2002) von relativ vielen Jugendlichen genutzt.

Die dreijährigen Akademien gliedern sich in „Akademien für Sozialarbeit, die Pädagogischen Akademien und die Berufspädagogischen Akademien (als Institutionen der Lehrerausbildung) sowie die Pädagogischen Institute (als Institutionen der Lehrerfortbildung)“ (Eder & Thonhauser, 2002, 368).

Nun noch einige erläuternde Bemerkungen zu den Schulformen.

Die Aufgabe der Volksschule, die sich als Gesamtschule versteht, besteht laut Schulorganisationsgesetz (siehe Eder & Thonhauser, 2002) darin, den Kindern eine gemeinsame Elementarbildung zu vermitteln, wobei auch in die Schule integrierte behinderte Kinder berücksichtigt werden sollen. Für schulpflichtige aber noch nicht schulreife Kinder besteht die Möglichkeit, in Vorschulklassen betreut und gefördert zu werden. Die Zahl der Schüler in einer Klasse ist auf maximal 30 festgelegt.

An die vierstufige Volksschule schließt sich die Hauptschule mit ebenfalls vier Schulstufen an. Hauptaugenmerk liegt hier auf der Vermittlung einer grundlegenden Allgemeinbildung und der Befähigung der Schüler, in mittlere oder höhere Schulen einzutreten. Auch auf dieser Ebene ist die Schülerzahl auf maximal 30 pro Klasse festgelegt.

Der polytechnische Lehrgang, von dem heute vor allem als Polytechnische Schule gesprochen wird, umfasst eine Schulstufe und soll den Schülern als Hilfe bei der Berufswahl und als Vorbereitung auf die Berufswelt dienen.

Die Sonderschule dient insbesondere der Förderung beeinträchtigter Kinder, wobei die dort vermittelte Bildung und die Vorbereitung auf das Berufsleben nach Möglichkeit dem Niveau der Volks-, Haupt- oder Polytechnischen Schulen entsprechen soll. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben besteht darin, „die Kinder in einer ihrer Behinderung entsprechenden Weise zu fördern“ (Eder & Thonhauser, 2002, 377). Auf Sonderpädagogische Förderzentren werde ich unter Punkt 1.2 noch differenzierter zu sprechen kommen.

Wie schon erwähnt gliedern sich die allgemein bildenden höheren Schulen in eine Unterstufe und eine Oberstufe, die je 4 Schulstufen umfassen. Hier soll die Allgemeinbildung der Schüler vertieft werden und sie sollen schließlich zur Hochschulreife geführt werden.

Unter Abbildung 1 ist ein Schema dargestellt, das das Schulsystem in Österreich im Überblick darstellt.

1.1.2 Weitere wichtige Merkmale des Schulsystems in Österreich

An dieser Stelle möchte ich noch einige Punkte nennen, die das Schulsystem in Österreich kennzeichnen.

Die Schulpflicht haben Schüler in Österreich mit dem Ende des 9. Schuljahres erfüllt. Es bietet sich aber an, eher von Unterrichtspflicht zu sprechen, da Eltern ihre Kinder auch zu Hause selbst unterrichten oder unterrichten lassen können, „so lange der Schulerfolg der betreffenden Schulstufe erfolgreich nachgewiesen wird“ (Eder & Thonhauser, 2002, 369).

Die öffentlichen Schulen sind frei zugänglich und für sie gilt das Prinzip der Koedukation, das heißt Mädchen und Jungen werden gemeinsam unterrichtet.

Um eine ständige Veränderung der Schulgesetze zu vermeiden, fand ihre Eingliederung in das Verfassungsgesetz statt. Das hat bis heute zur Folge, dass sie „nur mit einer qualifizierten Mehrheit im Parlament verändert werden“ können (Jaksche, 1998, 13).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Alter Schulstufe

Abb.1: Schematische Darstellung des österreichischen Schulsystems (nach Jaksche, 1998, 20)

1.2 Was ist eigentlich ein Förderzentrum?

In Deutschland wie in Österreich und anderen Ländern gibt es so genannte „Sonderpädagogische Zentren“, die zur Unterstützung der Betreuung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf eingerichtet sind. Eine besonders wichtige Aufgabe des Förderzentrums besteht in der Integration der Kinder in allgemeine Schulen.

Unter einem Förderzentrum versteht man eine Organisationsform der sonderpädagogischen Arbeit, eine Bildungseinrichtung, die sich auszeichnet durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit von pädagogischen, sonder- und sozialpädagogischen, therapeutischen und medizinischen Diensten (vgl. auch Opp, 1996). Die Interdisziplinarität zeigt sich auf inhaltlicher, institutioneller und personaler Ebene (Schor, 1997). In der Arbeit werden präventive, kompensatorische, integrative und kooperative Elemente der Sonderpädagogik miteinander verbunden (Schor, 2001). Bedingt durch unterschiedliche Schwerpunkte, die sich die einzelnen Einrichtungen setzen, ergeben sich viele verschiedene Ausformungen, so zum Beispiel die „Schule ohne Schüler“, die auf ambulanter Basis arbeitet, die Einrichtung, die sich in ihren eigenen vier Wänden befindet oder auch Mischformen dieser beiden Ausprägungen (siehe u. a. Rasper, 1996; Huber, 1997). Außerdem kann ein Förderzentrum auf Teilbereiche oder eine bestimmte Art von Behinderung spezialisiert sein oder auch nicht, wodurch sich ebenfalls eine Vielfalt an Positionen ergibt. Sonderpädagogische Förderzentren stellen eine Verbindung von Organisations-, Personal- und Unterrichtsentwicklung dar. Sie bieten im günstigsten Falle ein vielfältiges Bildungsangebot und einen vielgestaltigen Lern- und Lebensort für Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen Förderschwerpunkten und unterschiedlichem Förderbedarf (Schor, 2001). Sie streben eine Verflechtung mit anderen vorschulischen, schulischen und außerschulischen Institutionen an (vgl. Schor, 1997). Daraus ergibt sich das Ziel eines Förderzentrums, nämlich das Anbieten und Gestalten der im konkreten Einzelfall erforderlichen sonderpädagogischen Hilfe und Förderung (Hedderich, 1999).

2. Institutionelle Rahmenbedingungen der Praktikumsstelle

2.1 Organisationsstruktur von Träger und Einrichtung

2.1.1 Organisationsstruktur des Trägers

„Der Verein ,Seraphisches Liebeswerk für Tirol und Salzburg’ bildet das Dach über alle Einrichtungen und Privatschulen und alle Organisationsformen innerhalb des Seraphischen Liebeswerkes“ (SLW) (Leitlinien, 16). Es handelt sich hierbei nicht nur um einen gemeinnützigen Verein, sondern auch um ein Werk christlicher Nächstenliebe (seraphisch = franziskanisch, nach Franz von Assisi), das gegründet wurde, um benachteiligten Kindern zu helfen.Heute sieht es seine Aufgabe in der Beglei tung, Unterstützung und Förderung von Kin- dern, Jugendlichen und Erwachsenen, „die

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

besondere Hilfe brauchen“ (Leitlinien, 6). Abb.2: SLW-Logo (Quelle: http://www.slw.at/slw.htm)

Das SLW hat sich seit seiner Geburtsstunde in Deutschland 1889 rasch in anderen Ländern verbreitet, so beispielsweise in Österreich, Ungarn, Italien, Frankreich, Liechtenstein, Nordamerika und in der Schweiz (Walser, 2004; Präg, 1994).

Den Vorsitz des Vereins hat der Provinzial der Nordtiroler Kapuzinerprovinz inne. Unterstützung erfährt dieser durch das Vereinskuratorium (vgl. auch Leitlinien). Die Gesellschaft („Seraphisches Liebeswerk – Sozialeinrichtungen Betriebsgesellschaft mbH“) wird durch einen Geschäftsführer geleitet, der alleinverantwortlich handelt, aber „dem Gesellschafter (= Verein SLW) und dem Beirat der Gesellschaft weisungsgebunden“ ist (Leitlinien, 17). Der Geschäftsführung unterstellt sind die Leiter der einzelnen Einrichtungen. Zu diesen Einrichtungen gehören momentan die Bubenburg in Fügen, ein Kindergarten, das Zentrum St. Franziskus und die crea-reha Werkstätten in Innsbruck und das Elisabethinum Axams. Der Arbeit der einzelnen Einrichtungen liegen dieselben Grundsätze zugrunde. Es wird partnerschaftlich und vertrauensvoll zusammen gearbeitet.

2.1.2 Organisationsstruktur der Einrichtung

Die nun folgenden Worte zur Struktur der Einrichtung verdanke ich Gesprächen mit Mitarbeitern und Leitung sowie den Erfahrungen aus meiner eigenen Arbeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.3: Foto des Elisabethinums Axams

Das Elisabethinum vereinigt unter einem Dach Kindergarten, Schule, Internat, Therapie und einen Arbeitstrainingslehrgang für körper- und mehrfach behinderte Kinder und Jugendliche. Da alle zu diesen Bereichen gehörigen Berufsgruppen innerhalb der Einrichtung tätig sind, wird von einem geschlossenen System der interdisziplinären Zusammenarbeit gesprochen (vgl. Hedderich, 1999). Die Integration von pädagogischer, therapeutischer und pflegerischer Förderung wird so gesichert.

Zum Zeitpunkt meines Praktikums wurden 114 Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 26 Jahren im Elisabethinum betreut. Ich muss aber dazu sagen, dass es sich beim Aufenthalt der 26-jährigen jungen Frau um eine Ausnahme des lebenslangen Wohnrechts handelt, da sie schon ihr ganzes bisheriges Leben im Elisabethinum verbracht hat. In der Regel besuchen die Jugendlichen die Schule bis zur 9. Schulstufe (Polytechnischer Lehrgang), womit ihre Schulpflicht erfüllt wäre. Mit einer Sondergenehmigung können sie noch weitere drei Stufen absolvieren. Um diese Genehmigung zu bekommen, müssen Fortschritte zu erwarten sein, was in vielen Fällen gegeben ist. Wenn freie Plätze vorhanden sind, können die Jugendlichen im Arbeitstrainingslehrgang weitere zwei Jahre vor allem praktisch tätig sein.

Der Kindergarten besteht aus zwei Gruppen. In der einen werden schwerstbehinderte[2] Kinder heilpädagogisch betreut. Die andere stellt eine Integration der besonderen Art dar: Hier werden nicht behinderte Kinder von Mitarbeitern der Einrichtung oder aus der Nachbarschaft in eine Gruppe behinderter Kinder integriert.

Die Schule gliedert sich in zwölf Klassen mit je sechs bis acht Kindern. Dem österreichischen Schulsystem entsprechend gehören dazu Klassen der allgemeinen Sonderschule, Volks- und Hauptschulklassen. Drei dieser Klassen sind rein basal, das heißt hier werden nur schwerstbehinderte[3] Schüler unterrichtet. Es gibt Eingangs-, Kern- und Berufseinstiegsklassen. Diese Differenzierung bezieht sich auf die jeweilige Klassenstufe, in dieser Reihenfolge aufsteigend von der untersten bis zu den oberen. Bei der Aufteilung der Schüler auf die Klassen wird darauf geachtet, dass sich der Förderbedarf der Kinder und Jugendlichen unterscheidet. Ein positiver organisatorischer Nebeneffekt dieser Verteilung ergibt sich aus der Zuteilung von Stunden, die sich auf die Unterrichtsstundenzahl zusätzlicher Lehrer auswirkt. Außerdem wird angestrebt, dass die Schüler nicht länger als vier Jahre von ein und demselben Lehrer unterrichtet werden, was sich aber nicht in jedem Fall ermöglichen lässt.

Nach dem Unterricht in der Schule teilen sich die Kinder und Jugendlichen auf zehn Wohn- bzw. Tagesgruppen auf. Kinder und Jugendliche der Wohngruppen bleiben zum Teil über die ganze Woche in der Einrichtung, während diejenigen der zwei vorhandenen Tagesgruppen ausnahmslos jeden Tag in die Einrichtung kommen und am späten Nachmittag wieder nach Hause fahren. Soweit Schwestern in einer solchen Gruppe arbeiten, ist ihnen die Leitung übertragen. In der Gruppe wird zu Mittag gegessen und der Nachmittag mit unterschiedlichen Angeboten der Freizeitgestaltung verbracht. Gegen 17 Uhr werden zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen von den Fahrdiensten nach Hause gebracht. Die Fahrdienste beinhalten private Busse und Taxen sowie Busse des Förderzentrums.

Da es in Österreich nur eine sehr begrenzte Anzahl spezifischer Fördereinrichtungen wie das Elisabethinum gibt, schauen sich die Eltern die verschiedenen Zentren sehr genau an. Wenn sie sich dann für die ihrer Meinung nach beste entschieden haben, nehmen sie auch lange Wege in Kauf, um ihrem Kind eine optimale Förderung zu bieten. So reicht das überregionale Einzugsgebiet des Elisabethinums beispielsweise bis nach Oberösterreich. Diese großen Distanzen erklären, warum circa ein Drittel der Kinder und Jugendlichen die ganze Woche im Förderzentrum wohnen und nur am Wochenende und in den Ferien nach Hause fahren. Die Kinder, die jeden Tag zur Einrichtung und wieder nach Hause gebracht werden, wohnen schätzungsweise bis zu 40 km entfernt.

Gruppen, deren Kinder ausnahmslos jeden Tag nach Hause fahren, werden Tagesheim- oder Tagesgruppen genannt, was nur auf zwei der zwölf zutrifft.

Auch die medizinisch notwendige Therapie (Physio-, Ergotherapie und Logopädie) wird im Elisabethinum angeboten. Sie findet begleitend zum Unterricht statt. Es handelt sich dabei vorwiegend um Einzeltherapie. Die Ergo- und die Myo-Gruppe[4] sind Beispiele für Therapie mit mehreren Kindern.

Zwischen den einzelnen Bereichen des Elisabethinums herrscht ein relativ guter Informationsfluss. Relativ, weil manchmal auch Probleme auftreten, auf die ich an entsprechender Stelle noch eingehen werde. Dieser Austausch von Informationen wird vor allem durch die klare hierarchische Ordnung erleichtert. Das Leitungsgremium besteht aus dem Leiter der Einrichtung und den einzelnen Bereichsleitern, dazu gehören die Kindergartenleiterin, der Internatsleiter und der Schulleiter. Alle zwei Wochen findet eine Besprechung statt, die einen regen Austausch ermöglicht. Bleiben noch die Gruppenleiter des Kindergartens und des Internats und die Klassenlehrer sowie alle weiteren Mitarbeiter und Assistenten. Trotz dieser hierarchischen Ordnung bleibt ein wichtiger Grundsatz der Arbeit im Elisabethinum die Eigenverantwortung jedes Einzelnen. Denn wir haben es hier laut Franz Preishubers Leitungsverständnis (Leiter des Elisabethinums Axams zum Zeitpunkt meines Praktikums) nicht mit einem „Produktionsbetrieb mit ständiger Kontrolle“ zu tun, sondern „jeder Mitarbeiter besitzt einen klaren Aufgaben- und Verantwortungsbereich, den er eigenverantwortlich wahrnimmt“.

Außerhalb der Bereiche gibt es je nach Interessen der Kinder und Jugendlichen diverse Freizeit- und Therapieangebote, die genutzt werden können. So beispielsweise die Sportgruppe Handicap (Langlauf, Boccia, Schwimmen, Bogen schießen, etc.), die Frechen Raben (v. a. für jüngere Kinder), die Schlauen Füchse, die Wilden Büffel (Motopädagogik-Gruppe) und die Wald-und-Wiesen-Gruppe, die Spielmusik-Gruppe, Halliwick Austria (Schwimmtherapie im hauseigenen Schwimmbad) oder die Hippotherapie[5]. Jedes Kind besitzt seinen eigenen Stundenplan, in dem alle schulischen, therapeutischen und Freizeitangebote vermerkt sind, die von ihm genutzt werden. Die Zuteilung von bestimmten Aktivitäten auf eine bestimmte Zeit innerhalb der Woche dient den Kindern und Jugendlichen zur Strukturierung und Rhythmisierung des Tages und der Woche (vgl. auch Fröhlich, 1998).

Auch für die Eltern gibt es Möglichkeiten, Engagement zu zeigen, so zum Beispiel im Elternverein „Helfende Hände“, dem Verein zur Förderung körperbehinderter Menschen oder der Eltern-Kind-Gruppe.

2.1.3 Finanzierung

Wie schon erwähnt, ist das SLW ein gemeinnütziger Verein. Es geht ihm also nicht darum, „finanzielle Gewinne zu erzielen“(Leitlinien, 17). Dennoch handelt es sich um eine Art von Dienstleistungen, die durch die Einrichtungen des SLW gegen Entgelte geleistet werden.

Die einzelnen Institutionen des SLW sind finanziell unabhängig.

Von den Eltern wird für die Unterbringung ihres Kindes ein Beitrag an das jeweils zuständige Amt entrichtet. Das Elisabethinum finanziert sich zunächst über diese verrechneten Tagessätze. Sie reichen aus, um die laufenden Kosten wie beispielsweise Heiz- und Personalkosten zu decken. Aus den Personalkosten fällt die Bezahlung der Lehrer heraus, da diese vom Land übernommen wird. Werden andere Investitionen für Neuanschaffungen (Computer, Anbau, Bus) oder Sanierungen fällig, so werden diese über Spenden finanziert, da dafür keinerlei Unterstützung aus der „Öffentlichen Hand“ (Pädagogisches Konzept, 5) zur Verfügung steht. Dass diese Spenden auch zweckgemäß eingesetzt werden, garantiert das Österreichische Spendengütesiegel, denn die korrekte und zweckbestimmte Verwendung der Spenden unterliegt der Kontrolle und Überprüfung durch die Kammer der Wirtschaftstreuhänder.

Abschließend noch einige allgemeine Bemerkungen zum Thema Finanzierung im SLW. Ein wesentlicher Grundsatz des SLW ist Sparsamkeit. Das bedeutet, dass die Mittel sparsam und bescheiden eingesetzt werden. Dabei wird besonders auf langlebige und kostengünstige Lösungen Wert gelegt. Zwei weitere Prinzipien des Einsatzes von Mitteln im SLW sind Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (vgl. Leitlinien).

2.2 Geschichte des Trägers und der Einrichtung

Die geschichtlichen Informationen stammen ausschließlich aus Artikeln von Walser (2004) und Präg (1994). Ich werde im Besonderen auf die Entwicklung in Tirol eingehen, da diese für die Geschichte der Einrichtung von besonderer Relevanz ist.

Am 6. Januar 1889 gründete Pater Cyprian Fröhlich (1953-1931), zu dieser Zeit Direktor des Dritten Ordens (heutige Bezeichnung: Franziskanische Gemeinschaft), im Kapuzinerkloster Koblenz-Ehrenbreitstein einen Verein zur „Lösung der sozialen Frage“ (zit. nach Walser, 2004, 8). Den konkreten Anlass dafür gab ein verwaistes Mädchen, das „in Gefahr war, seelisch und leiblich zu verkommen“ (Präg, 1994, 1). Gemeinsam mit Frauen des Dritten Ordens errichtete P. Cyprian das „Seraphische Liebeswerk“, warb dafür und suchte Helfer und Spender. Ziel war es, die Not vieler Kinder zu lindern. 1893 begann der Bau eines Hauses, in dem ein Heim mit christlicher Erziehung und guter Schulbildung entstehen sollte. Auch die Ausbildung der Kinder im handwerklichen Bereich sollte dabei nicht zu kurz kommen. Hier möchte ich kurz bemerken, dass dieser Gedanke noch heute ein wichtiger Bestandteil der Arbeit in den Einrichtungen des SLW ist.

Innerhalb von wenigen Jahren breitete sich das SLW in vielen Ländern aus, darunter die Schweiz (1898), Nordamerika (1899), Österreich (1908 in Tirol) und Ungarn (1909). 1914 beinhaltete es bereits 25 selbstständige Abteilungen in Deutschland und den bereits aufgeführten Ländern sowie in Liechtenstein, Italien und Frankreich.

In Tirol führte Kapuzinerprovinzial Angelus Stummer 1908 das SLW ein, da er die Not der Kinder erkannte. P. Franz Seraph Tischler rief über das „St.-Fidelis-Blatt“ zu aktiver Mithilfe auf. 1911 entstand das St.-Fidelis-Haus in Dorf Tirol bei Meran. Es beherbergte 150 Kinder, die von Schwestern vom Heiligen Kreuz betreut wurden.

Schon am 6. April 1910 ergab sich ein offizieller Anschluss der Erzdiözese Salzburg an das Tiroler Liebeswerk. Es wurde ein Pachthof erworben und in ein Kinderheim umgestaltet. Im St.-Ulrichs-Heim wurden 412 Knaben untergebracht. P. Franz Josef Kramer (1878-1965), von 1919-1923 Direktor des St.-Fidelis-Hauses, übernahm 1924 die Leitung des Heims von den Kapuzinern Theobald Starlinger (1861-1928) und German Ratzenböck (1884-1945). Durch wirtschaftliche Schwierigkeiten entstand die Notwendigkeit, ein neues Haus für die Kinder zu erwerben. Deshalb erfolgte im September 1926 die Übersiedlung der Kinder und der sie betreuenden Schwestern in das „Schloss von Fügen“, das zum Knabenheim St. Josef wurde.

Am 25. Mai 1939 wurde das Heim von Nationalsozialisten beschlagnahmt, sein Direktor wurde für 100 Tage inhaftiert. Die Kinder kamen zum Teil in andere Einrichtungen und wurden von den NS-Erziehern umgeschult und misshandelt. 1946 war das Haus nach weiteren Besetzungen durch Amerikaner und Franzosen im Inneren völlig zerstört und konnte nur durch die starke Unterstützung der Kapuzinerprovinz und vieler Wohltäter wieder hergestellt werden.

Der neue Geschäftsführer des SLW für Tirol und Salzburg wurde der Kapuziner Magnus Kerner (1915-1990), der die Leitung des Werkes bis zu seinem Tode innehatte. Er war außerdem Direktor des in „Bubenburg St. Josef“ umbenannten Heimes in Fügen. Mit 120 Kindern erreichte die Einrichtung in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre ihre höchste Kinderzahl.

1945 wurde in Innsbruck ein Kindergarten mit Hort eingerichtet. Möglich gemacht wurde das durch die freigiebige Unterstützung des SLW Solothurn in der Schweiz und durch die Nordtiroler Kapuzinerprovinz. 1949 fand hier die durchgehende Betreuung von ungefähr 450 Kindern und Jugendlichen statt, die so von der Straße ferngehalten wurden. Das Haus wurde 1953 vom SLW für Tirol und Salzburg übernommen und bietet seitdem Platz für 45 Kindergartenkinder.

1956 entstand im Innsbrucker Stadtteil Saggen eine durch Spendengelder finanzierte „Sonderschule für körperbehinderte Kinder mit angeschlossenem Internat“ (zit. nach Präg, 1994, 4), das „Elisabethinum Innsbruck“. Die medizinische Versorgung wurde durch die Mitarbeit von Ärzten der Universitätsklinik gesichert. 1972 waren bereits 64 Kinder dort untergebracht. Auf Grund der durch den raschen Wuchs der Kinderzahl bald zu knappen Räumlichkeiten wurde im gleichen Jahr ca. 10 km von Innsbruck entfernt mit einem Neubau begonnen und schließlich konnte im Herbst 1974 das „Elisabethinum Axams – Förderzentrum für körper- und mehrfachbehinderte Menschen“ eröffnet werden.

[...]


[1] Personen- und Berufsbezeichnungen umfassen in meinem Bericht weibliche und männliche Personen.

[2] Zur Begrifflichkeit der „Schwerstbehinderung“ siehe Punkt 3.2

[3] siehe Fußnote 2

[4] „Myo“ steht für myofunktionelle Therapie, eine Therapie der orofazialen Dysfunktionen (s. auch Braun, 1999)

[5] Physiotherapeutische Behandlungsmethode mit Pferden, die der Ergänzung oder Ersetzung der klassischen Physiotherapie dient. Sie wird häufig bei Kindern mit cerebralen Bewegungsstörungen eingesetzt. Durch die gleichmäßige Bewegung des Pferdes können neue Bewegungsmuster geübt und Entspannung erleichtert werden (Hedderich, 1999). Das Förderzentrum besitzt zur Umsetzung der Therapie zwei Pferde und einen Reitplatz.

Ende der Leseprobe aus 38 Seiten

Details

Titel
Mein Praktikum am Elisabethinum Axams
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Institut für Rehabilitationspädagogik)
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
38
Katalognummer
V89131
ISBN (eBook)
9783638050838
Dateigröße
619 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mein, Praktikum, Elisabethinum, Axams
Arbeit zitieren
Anna Badstübner (Autor:in), 2004, Mein Praktikum am Elisabethinum Axams, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89131

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