Sind Tiere moralisch zu berücksichtigen?

Das Verhältnis von Mensch und Tier


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Traditionelle Sichtweisen des Verhältnisses Mensch – Tier
2.1. Die Gottesebenbildlichkeit des Menschen
2.2. Die Vernunftfähigkeit des Menschen
2.2.1. Geschichtlicher Überblick
2.2.2. Descartes
2.2.3. Kant

3. Kritik
3.1. Allgemein
3.2. An Descartes
3.3. An Kant

4. Fazit und Ausblick

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Der moralische Status der Tiere ist, da sie einfach nur Mittel sind, gleich Null – sie sind also von der moralischen Gemeinschaft ausgeschlossen.“[1]

Dieses Zitat ist eine treffende Zusammenfassung dessen, was sehr lange Zeit die gängige Auffassung über die Rechte von Tieren war und sogar – teilweise – bis in die Gegenwart hinein ist; so heißt es beispielsweise gleich im ersten Paragraphen des Tierschutzgesetzes bis heute: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“[2] Zwar bezeichnet der diesem Satz vorangehende das Tier als Mitgeschöpf des Menschen, dessen Leben und Wohlergehen es zu schützen gelte, doch wird hier eine Hierarchie aufgestellt, die den Menschen über das Tier stellt. Denn anscheinend hat ersterer das Recht, letzteren Schmerzen oder Leid zuzufügen, wenn er einen vernünftigen Grund vorzuweisen hat, was bedeutet, dass es im Ermessen des Menschen liegt, wann einem Tier Leid zugefügt werden darf. Dass die Entscheidung, wann ein Grund ein vernünftiger ist, problematisch ist, muss und kann an dieser Stelle nicht weiter erläutert werden. Die Tatsache, dass der Mensch scheinbar das Recht dazu hat, und die Frage, woher er dieses Recht nimmt, beschäftigt die Philosophen und Ethiker bis heute.

Die Auseinandersetzung mit dem Verhältnis Mensch – Tier und die Frage, wie dieses sich gestaltet, ob letztere Rechte haben bzw. der Mensch ihnen gegenüber Pflichten – welcher Art auch immer –, reicht bis in die Antike zurück. Die Beantwortung dieser Frage hing und hängt meist mit einer Reihe von Faktoren zusammen, vor allem mit der Stellung des Menschen zum Tier. Im Rückblick wurde der Mensch fast immer weit über das Tier erhoben, und zwar vor allem aus zwei – scheinbaren – Gründen, die jedoch über Jahrhunderte hin quasi Konsens und beinahe unerschütterlich waren: zum einen die Vernunftfähigkeit des Menschen, zum anderen seine Gottesebenbildlichkeit.

Aufgrund der fundamentalen Bedeutung dieser zwei Thesen sollen diese in ihren wichtigsten Zügen dargestellt werden, bevor dann auf die Theorie Descartes’, dessen Denken die frühe neuzeitliche Philosophie in dieser Richtung stark beeinflusst hat, und auf Kant, dessen tierethische Ansätze bis heute einflussreich sind, eingegangen wird. Im Anschluss daran werden alle bis dahin ausgeführten Argumentationsweisen kritisiert sowie ihre Schwachstellen aufgezeigt, bevor zum Abschluss neuere Sichtweisen mit ihren Vor- und Nachteilen kurz diskutiert werden.

2. Traditionelle Sichtweisen des Verhältnisses Mensch – Tier

In der Geschichte hat der Mensch schon seit der Antike zumeist gegenüber dem Tier eine exklusive, sprich ihn über letzteres erhebende Sonderstellung inne, der – aus unterschiedlichen Gründen – die Vorstellung zugrunde liegt, dass Mensch und Tier gänzlich unterschiedlichen Kategorien angehörten[3]. Diese Unterordnung des Tieres wird traditionellerweise auf zwei Wegen begründet, einmal christlich-religiös und zum anderen säkular, jedoch teilweise religiösen Ursprungs, so dass im Folgenden keine eindeutige inhaltliche Abgrenzung getroffen werden kann.

2.1. Die Gottesebenbildlichkeit des Menschen

Die religiöse Argumentation stützt sich einerseits auf den biblischen Schöpfungsbericht:

„Gott sprach:

Machen wir den Menschen in unserem Bild nach unserem Gleichnis!

Sie sollen schalten über das Fischvolk des Meeres, den Vogel des Himmels, das Getier, die Erde all, und alles Gerege, das auf Erden sich regt.

Gott schuf den Menschen in seinem Bilde,
im Bilde Gottes schuf er ihn,
männlich, weiblich schuf er sie.
Gott segnete sie,
Gott sprach zu ihnen:
Fruchtet und mehret euch und füllet die Erde und bemächtigt euch ihrer!“

An dieser Stelle wird die Superiorität des Menschen gleich auf zwei Arten erklärt: Zum einen ist der Mensch und nur der Mensch nach dem Ebenbild Gottes geschaffen, zum anderen wird ausdrücklich gesagt, dass der Mensch über die – anderen – Tiere herrschen solle.

Im Neuen Testament wird die Überlegenheit des Menschen zudem noch weiter ausgebaut bzw. die Geringschätzung der Tiere deutlicher ausgedrückt: „Wie gering der Wert der Tiere eingeschätzt wird, läßt sich bei Paulus selber am deutlichsten erkennen. Auf eine der Passagen des Alten Testaments anspielend, die eine göttliche Sorge für das Wohl der Tiere erkennen läßt (5Mo 25,4) , ruft Paulus aus:

„Im Gesetz des Mose steht doch: Du sollst dem Ochsen zum Dreschen keinen Maulkorb anlegen. Liegt denn Gott etwas an den Ochsen? Sagt er das nicht offensichtlich unseretwegen? Ja, unseretwegen wurde es geschrieben. Denn der Pflüger wie der Drescher sollen ihre Arbeit in der Erwartung tun, ihren Teil zu erhalten.“

So groß ist Paulus’ Gewißheit, Gott werde sich keine Gedanken um einen Ochsen machen, daß er sich um eine metaphorische Deutung der Stelle müht, die auf den eigentlichen – und nach Paulus exklusiven – Gegenstand göttlicher Fürsorge gemünzt ist, nämlich den Menschen.“[4]

Es werden hier zwar keine expliziten Aussagen bezüglich moralischer Handlungen oder Pflichten des Menschen gegenüber Tieren getätigt, doch geht aus dieser Stelle deutlich die Geringschätzung derselben im Vergleich zu den Menschen hervor, so dass entsprechende Schlüsse gezogen und diese Aussagen zur Untermauerung der Superiorität des Menschen genutzt werden können und auch wurden[5], was notwendigerweise Auswirkungen auf die Behandlung der Tiere hat:

Der sogenannte christliche Humanismus, gestützt auf Psalm 8,6 und die eben erläuterte Gottebenbildlichkeit des Menschen, ist „[...] seit dem Renaissancephilosophen Pico della Mirandola untrennbar mit dem Begriff der Menschenwürde verbunden [...]“[6]. Diese humanistische Position mit dem Zentralbegriff der Menschenwürde, der bis in die heutige Zeit prägend ist, beispielsweise im Grundgesetz, geht vom exklusiven Status des Menschen aus, den er aus dem einfachen Grund innehat, weil er ein Mensch ist[7], und leitet daraus ab, „[...] daß er das Recht habe, unterlegene Mitgeschöpfe anderer Spezies für seine Zwecke leiden zu lassen [...]“[8].

Zwar gibt es von dieser Position einige Ausnahmen, wie zum Beispiel die Mitleidsethik des Franz von Assisi[9], der „[...] Mitleid und Sorge um nicht-menschliche Geschöpfe gezeigt [...]“[10] hat, und das Tier „[...] zum Schutzbefohlenen, der ein Anrecht auf entsprechende Behandlung hat [...]“[11], sieht[12].

Meistens jedoch wurden mit den biblischen Passagen Unterwerfung, Misshandlung und Tötung von Tieren durch den Menschen legitimiert; so vertritt beispielsweise Augustinus mit Verweis auf die Bibelpassage, in der Jesus Teufel dazu bringt, in eine Schweineherde zu fahren, die sich daraufhin selbst im Meer ertränkte, die Meinung, dass wir den Tieren gegenüber keine Pflichten hätten[13]. Nach Augustinus trifft das biblische Tötungsverbot nicht auf Tiere zu, da sie im Gegensatz zum Menschen keine Vernunft besäßen. Thomas von Aquin bezieht sich auf Augustinus; Tiere leiden zu lassen ist nach ihm an sich nicht weiter verwerflich, höchstens aus dem Gesichtspunkt, dass Grausamkeit ihnen gegenüber auch zu Grausamkeit dem Menschen gegenüber führen könne[14]. Seiner Meinung nach entspricht es dem göttlichen Gebot, „[...] wenn der Mensch Tiere benutzt, tötet und verspeist.“[15]

2.2. Die Vernunftfähigkeit des Menschen

Die „[...] Doktrin von der Schöpfung und der Ebenbildlichkeit Gottes, die nur den Menschen zugesprochen werde, in Verbindung mit der (Über-)Bewertung von Sprache und Vernunft [...]“[16] stützt die Annahme der scheinbaren Superiorität des Menschen, und, damit einhergehend, die These, der Mensch sei das einzige Wesen, dem moralische Behandlung zustehe bzw. überhaupt zukommen könne.

Zunächst wird ein kurzer Überblick über den geschichtlichen Verlauf des sogenannten „Vernunft-Arguments“ gegeben, um dann die Position der wohl prominentesten Vertreter dieser Sichtweise, nämlich Descartes und Kant, vorzustellen, deren Sichtweise für die ihnen nachfolgende Moralphilosophie bezüglich Tieren besonders prägend war.

2.2.1. Geschichtlicher Überblick

Der Glaube an den Menschen als einziges vernünftiges Wesen zieht sich bis weit in das neuzeitliche Denken hinein; diese These äußert in der Antike zuerst Alkmaion[17]. Weiter verschärft wurde der Gegensatz zwischen Mensch und Tier durch die Transmigrationslehre der Orphiker und Pythagoras, der deren Seelenwanderungslehre und damit deren „[...] Ideale der Heiligung des Lebens und des Vegetarismus übernimmt“[18]. Es besteht ein Leib-Seele-Dualismus, und der Mensch ist, gerade im Gegensatz zum Tier, wesentlich Seele.

Durch Platons Übernahme dieser Idee des Dualismus erhält diese eine große Popularität. Platon teilt zudem die Seele in drei Teile auf, den begehrenden, den muthaften und den vernünftigen Seelenteil, von welchen der Mensch wesentlich der letzte ist, der die anderen Teile der Seele und den Körper beherrschen soll. Gelingt dies, wird er gottähnlich, verfehlt er sein Ziel, „[...] wird er zum wildesten Tier.“[19] Der vernünftige Seelenteil macht ihn auch zum moralischen Wesen, und durch einen moralischen Lebenswandel, d. h. ein Leben unter der Führung des vernünftigen Seelenteils, wird es der Seele ermöglicht, zu dem Gestirn zurückzukehren, das sie verlassen musste.

[...]


[1] Cavalieri, S. 56

[2] Tierschutzgesetz, § 1, vgl. http://bundesrecht.juris.de/tierschg/BJNR012770972.html#BJNR012770972BJNG000303377

[3] vgl. Flury, S. 23

[4] Flury, S. 25

[5] vgl. Wolf 2005, S. 23

[6] Breßler, S. 16

[7] wie schon bei Cicero zu lesen ist, vgl. Teutsch, S. 33

[8] ebd., S. 33

[9] vgl. hierzu ebd., S. 19 f.

[10] Singer, S. 15

[11] Teutsch, S. 20

[12] Jedoch gibt es auch zu Franz von Assisi unterschiedliche Meinungen, vgl. Singer, S. 15

[13] vgl. ebd., S. 15

[14] vgl. Teutsch, S. 15

[15] Breßler, S. 16

[16] Wolf: Tierethik, S. 22

[17] vgl. Flury, S. 25 f.

[18] Breßler, S. 16

[19] Flury, S. 26

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Sind Tiere moralisch zu berücksichtigen?
Untertitel
Das Verhältnis von Mensch und Tier
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Philosophisches Seminar)
Veranstaltung
Mensch und Tier
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
20
Katalognummer
V89060
ISBN (eBook)
9783638025430
Dateigröße
449 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sind, Tiere, Mensch, Tier
Arbeit zitieren
Jessica Werner (Autor:in), 2007, Sind Tiere moralisch zu berücksichtigen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89060

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