Ist das Asperger-Syndrom ein ungünstiger Bedingungsfaktor für die Entwicklung emotionaler Intelligenz?


Hausarbeit, 2020

34 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Asperger-Syndrom und emotionale Intelligenz
2.1 Asperger-Syndrom
2.1.1 Klassifikation und Diagnostik
2.1.2 Epidemiologie und Ätiologie
2.1.3 Verlauf und Behandlung der Erkrankung
2.2 Emotionale Intelligenz
2.2.1 Definition nach Salovey und Mayer
2.2.2 Definition nach Goleman

3. Gütekriterien empirischer Forschung und Messinstrumente
3.1 Gütekriterien empirischer Forschung
3.2 Instrumente zur Messung des Asperger-Syndroms
3.3 Instrumente zur Messung von emotionaler Intelligenz
3.4 Auswahl und Begründung der Instrumente

4. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

ABS Autismus-Beurteilungsskala nach Schopler et al.

APA American Psychological Association

ADI-R Diagnostisches Interview für Autismus

AQ Autismusquotient

DSM-5 Diagnostic and Statistical Manual of Disorders, 5. Aufl.)

EI Emotionale Intelligenz

EI4 Emotional Intelligence Inventar

EEG Elektroenzephalografie

EKF Emotionale-Kompetenz-Fragebogen

EQ emotionaler Intelligenzquotient/Empathisierungsquotient

ICD-10 International Classification of Disorders

MBAS Marburger Beurteilungsskala zum Asperger-Syndrom

MSCEIT Mayer-Salovey-Caruso Emotional Intelligence Test

SQ Systematisierungsquotient

TEACCH Treatment and Education of Autistic and related Communication handicapped Children

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Überblick über Symptome des Asperger-Syndroms

Abb. 2: Verlauf des Asperger-Syndroms

Abb. 3: Emotionale Intelligenz nach Salovey und Mayer (1990)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Messinstrumente Asperger-Syndrom

Tabelle 2: Messinstrumente von emotionaler Intelligenz

1. Einleitung

Im gesellschaftlichen Miteinander, ob in der Familie, in der Schule, in Freundschaften oder im Beruf, soziale Interaktionen und Kompetenzen sind ständig gefordert. Menschen müssen sich gegenseitig nicht nur auf der inhaltlichen, sondern auch auf der emotionalen Ebene verstehen und verständigen können. In der Entwicklung des Menschen werden diese Fähigkeiten vom Kindesalter an bewusst und unterbewusst ständig ausgebaut, trainiert und verfeinert. Bei Asperger-Betroffenen sind genau diese Fähigkeiten nur eingeschränkt erlern- und verfügbar. Das Syndrom gilt als schwere Entwicklungsstörung, die lebenslang nicht heilbar ist, jedoch durch geeignete Therapiemaßnahmen in ihrer Symptomatik zumindest in Teilen beeinflusst werden kann.1

Die anfangs beschriebenen Fähigkeiten, die ein soziales Miteinander überhaupt ermöglichen bzw. erleichtern, können unter den Bereich der emotionalen Intelligenz gefasst werden, deren Ausprägung die Art und Weise der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinflusst.2

Die hier deutlich werdenden Überschneidungen zwischen dem Asperger-Syndrom mit seiner großen Bandbreite an Auswirkungen und emotionaler Intelligenz mit seiner Bedeutung für soziale Interaktionen führten zu folgender Forschungsfrage, die im Rahmen einer quantitativen Untersuchung beantwortet werden soll: Ist das Asperger-Syndrom ein ungünstiger Bedingungsfaktor für die Entwicklung emotionaler Intelligenz?

Dafür werden zunächst die Begriffe Asperger-Syndrom und emotionale Intelligenz genauer erläutert, um die für diese Arbeit relevante abhängige sowie unabhängige Variable dem Leser zugänglich zu machen. Darauffolgend werden ausgewählte Gütekriterien empirischer Forschung dargestellt und die Messinstrumente für das Asperger-Syndrom und emotionale Intelligenz erklärt. Die Auswahl der Instrumente wird anhand der beschriebenen Gütekriterien begründet. Im letzten Kapitel findet sich ein Fazit sowie ein Ausblick.

2. Asperger-Syndrom und emotionale Intelligenz

2.1 Asperger-Syndrom

2.1.1 Klassifikation und Diagnostik

Das Asperger-Syndrom stellt in dieser wissenschaftlichen Arbeit die unabhängige Variable dar und wird unter die Kategorie der lebenslang anhaltenden schweren Entwicklungsstörungen gefasst, die sich besonders auf die Persönlichkeitsentwicklung auswirkt.3 Da Autismus verschiedene Formen umfasst, wird häufig vom Autismus-Spektrum geredet, welches nach ICD-10 (International Classification of Diseases) frühkindlichen Autismus (F84.0), Asperger-Syndrom (F84.5) und den atypischen Autismus (F84.1) beinhaltet. In der DSM-5-Klassifikation (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 5. Aufl.) bilden diese drei Krankheiten zusammen mit der desintegrativen Störung eine Erkrankung (299.00). Um die Diagnose Autismus-Spektrum-Störung aufstellen zu können, müssen drei Symptomkriterien erfüllt sein. Das sind:

1. Probleme in sozialer Interaktion und
2. Probleme in Kommunikation, non-verbaler Kommunikation und pragmatische Sprachprobleme. Bei frühkindlichem oder atypischem Autismus häufig auch Sprachentwicklungsverzögerungen.
3. Repetitive sowie stereotype Verhaltensweisen und besondere Interessen.4

Die Ausprägungen dieser Symptome können sich bei Kindern und Jugendlichen mit der Autismus-Spektrum-Störung sehr unterschiedlich darstellen.

Im Folgenden wird das Asperger-Syndrom als eine Form des Autismus genauer definiert.

Asperger-Syndrom (ICD-10: F84.5)

Das Asperger-Syndrom ist eine angeborene Kontakt- sowie Kommunikationsstörung, die, wie bereits erwähnt, unter die Kategorie der schwerwiegenden Entwicklungsstörungen gefasst wird. Von der Norm abweichende Veränderungen und Defizite in der sozialen Interaktion und stereotype Verhaltensweisen stehen hier im Vordergrund. Betroffene haben zudem häufig spezielle Interessen. Im Gegensatz zum frühkindlichen Autismus, der sich auch an Entwicklungsstörungen vor dem 3. Lebensjahr erkennen lässt, sind ausgeprägte Entwicklungsstörungen beim Asperger-Syndrom nicht typisch, weshalb die Störung meist erst nach dem 3. Lebensjahr diagnostiziert wird. Aufgrund der eigenständigen Klassifikation des Asperger-Syndroms in ICD-10 sowie DSM-4, ist die Annahme begründet, dass es sich im Gegensatz zum frühkindlichen Autismus um eine eigenständige Störung handelt.5 Teilweise sind Menschen mit Asperger-Syndrom überdurchschnittlich intelligent oder sogar hochbegabt.6 Solch eine überdurchschnittliche Begabung bei Betroffenen zeigt sich i.d.R. aber nur in bestimmten intellektuellen Bereichen wie z.B. Mathematik oder Informatik wie bspw. Softwareentwicklung. Menschen mit Asperger haben zudem ein überdurchschnittliches Text- oder Zahlengedächtnis und vereinzelt ein fotografisches Gedächtnis, welches ihnen enorme Merkfähigkeiten ermöglicht.7 Heute gibt es bspw. ein internationales IT-Beratungsunternehmen, welches ausschließlich Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen für IT-Abteilungen von Unternehmen sucht und dort entsprechend ihrer teilweise enormen Begabungen einsetzt. Die auticon GmbH beschäftigt mittlerweile über 210 autistische Mitarbeiter und zeigt so, dass ihre Fähigkeiten besonders in der Informationstechnologie von Bedeutung für unsere Gesellschaft und ebenso Wirtschaft sind.8

Weitere charakteristische Merkmale des Asperger-Syndroms sind:

- ein sehr frühes Sprechen, meist vor dem 2. Lebensjahr
- kommunikative und sprachliche Auffälligkeiten ab dem 3. Lebensjahr
- ausgeprägte Sprachbesonderheiten – formeller, perfekter Sprachausdruck
- eingeschränkte Empathie
- mangelnder Transfer von Erlerntem auf ähnliche Situationen
- wortwörtliches Verstehen von Sprache
- Probleme mit organisiertem Verhalten
- motorisches Ungeschick
- extrem intensive Verfolgung spezieller Interessen und stereotyper Verhaltensmuster.9

In Abbildung 2 erfolgt ein Überblick über typische Symptome des Asperger-Syndroms.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Überblick über Symptome des Asperger-Syndroms

Quelle: Eigene Darstellung

Die diagnostischen Kriterien des Asperger-Syndroms sind deutlich weniger genau formuliert als die des frühkindlichen Autismus. Nach ICD-10 wird Asperger definiert als „eine Störung von unsicherer nosologischer Prägnanz, die durch dieselbe Form qualitativer Beeinträchtigungen der gegenseitigen sozialen Interaktion charakterisiert ist, die für den Autismus typisch ist.“10 In der DSM-4-Kategorisierung wird von einer schweren anhaltenden Beeinträchtigung sozialer Interaktionen und der Entwicklung von sich wiederholenden restriktiven Verhaltensmustern gesprochen. Neben vielen Beeinträchtigungen, die Personen mit dem Asperger-Syndrom haben, haben sie auch einige Stärken vorzuweisen, wie die gute Fähigkeit zu systematisieren und Inselbegabungen.11

Zur Diagnose von Asperger bzw. Autismus stehen in der klinischen Diagnostik drei standardisierte Selbstbeurteilungsfragebögen zur Verfügung. Durch die Screeningverfahren Autismusquotient (AQ), Empathisierungsquotient (EQ) und Systematisierungsquotient (SQ) kann die Diagnose Autismus gestellt werden. Aufgrund dessen, dass diese Selbstbeurteilungsfragebögen mit Hilfe des AQ, EQ und SQ keine Abgrenzung zu Differenzialdiagnosen zulassen, ist es unabdingbar, zusätzlich weitere Anamnesemethoden durchzuführen. Darunter fällt auch die Fremdanamnese, psychiatrische sowie testpsychologische Untersuchungen und Verhaltensbeobachtungen durch entsprechend geschulte Fachkräfte in spezialisierten Zentren.

Um Störungen des Autismus-Spektrums zu diagnostizieren, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Darunter fallen Fragebögen, strukturierte Interviews und strukturierte Verhaltensbeobachtungen. Besteht ein Verdacht auf eine Autismus-Spektrum-Störung, dann beinhaltet die Anamnese die Erhebung allgemeiner Entwicklung, der Sprache sowie des Sozialverhaltens des Betroffenen. Des Weiteren sind Verhaltensweisen wie Einhalten von Ritualen, Halten von Augenkontakt, Schlafverhalten, aggressives Verhalten oder Selbstverletzungen zu beobachten und zu analysieren. Zur Beurteilung der Entwicklung im frühkindlichen Alter und um den Grad der Symptomausprägungen zu erfassen, ist es von besonderer Bedeutung, Eltern oder weitere nahe Bezugspersonen zu befragen und ebenfalls herauszufinden, ob es in der Familie bereits Personen mit dem Asperger-Syndrom gibt. Die Verhaltensbeobachtung ist ein weiterer wichtiger Aspekt der Anamnese und sollte zu mindestens zwei verschiedenen Zeitpunkten und in unterschiedlichen Situationen stattfinden. Um die Diagnostik zu vervollständigen, ist ein neuropsychologischer Test hilfreich. Dabei sollen kognitive Funktionen und der Intelligenzquotient erhoben werden. Zudem ist wichtig, bei der Differentialdiagnostik andere mögliche psychische Krankheiten auszuschließen.12 Der Ausschluss anderer Differentialdiagnosen ist bei Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen besonders wichtig, da bei Betroffenen im Vorfeld sehr häufig fälschlicherweise andere Diagnosen, wie Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung oder emotionale Störungen, gestellt wurden.13

2.1.2 Epidemiologie und Ätiologie

Zur Prävalenz des Asperger-Syndroms liegen bisher nicht viele Untersuchungen vor. Durchgeführte Untersuchungen ergaben eine Prävalenz von 28,5 auf 10.000 Kinder zwischen 7 und 16 Jahren, also 0,285%. Die Störung betrifft genau wie frühkindlicher Autismus deutlich häufiger Jungen als Mädchen. Es wird davon ausgegangen, dass Asperger besonders im Erwachsenenalter viel zu selten diagnostiziert wird.14

Zur Ätiologie kann gesagt werden, dass sich Ursachen von Autismus zu 80% in der Genetik finden lassen oder durch pathologische Hirnfunktionsstörungen begründet sind.15 Bei Betroffenen konnte festgestellt werden, dass Veränderungen an bestimmten Chromosomen (Chromosom 11) und am für den Glutamat-Stoffwechsel wichtigen Protein Neurexin 1 vorliegen. „Zwillings- und Familienstudien indizieren eine hohe Heredität von ca. 40 bis 80%.“16 Leidet ein Geschwisterkind am Asperger-Syndrom, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass das andere Kind erkrankt, 50-mal höher als bei der Normalbevölkerung. Es besteht die Annahme, dass nicht nur ein Gen für die Störung verantwortlich ist, sondern, dass mehrere Faktoren zusammenwirken.17 Biologische, psychische und soziale Faktoren spielen eine Rolle bei der Entstehung dieser psychischen Störung. Bei den biologischen Faktoren spielen besonders hirnmorphologische Unterschiede eine große Rolle. Es konnte erkannt werden, dass betroffene Kinder häufig ein vergrößertes Hirnvolumen haben, während allerdings die Wachstumsrate im Verlauf deutlich abnimmt. Das Alter der Eltern bei der Geburt des Kindes, Virusinfekte in der Schwangerschaft oder bestimmte Medikamente sollen zudem Ursachen für die Entstehung der Störung sein.18 Mittels Elektroenzephalografie (EEG) konnte festgestellt werden, dass Personen, die an tiefgreifenden Entwicklungsstörungen leiden, ungewöhnliche Potenzialverläufe besonders bei sprachlich bezogenen Aufgabenstellungen aufweisen. Ein Teil der Betroffenen weist zudem Hirnstoffwechselstörungen auf.

2.1.3 Verlauf und Behandlung der Erkrankung

Das Asperger-Syndrom wird häufig später erkannt als der frühkindliche Autismus, da i.d.R. keine Entwicklungsstörungen vorliegen und Sprachauffälligkeiten erst nach dem 3. Lebensjahr deutlich werden. Die Diagnose wird daher oft erst im späten Grundschulalter gestellt, Studien konnten dazu ein Durchschnittsalter der Diagnose von 11 Jahren ermitteln.19 Zum Verlauf lässt sich sagen, dass zu Beginn im Vorschulalter motorisches Ungeschick festzustellen ist. Soziale Auffälligkeiten und Beeinträchtigungen fallen meist schon im Kindergarten auf und werden dann in der Schule häufig zu einem Problem, da es den Kindern selten gelingt, normale Freundschaften zu führen und mit ihren Mitschülern adäquat umzugehen. Auch die für den Asperger typischen Sonderinteressen werden im Schulalter offensichtlich. Die Reaktionen von Betroffenen auf Konflikterfahrungen und Misserfolge sind häufig von enormem Ausmaß. So kann aggressives oder depressives Verhalten eine Folge sein. ADHS ist zudem komorbid. Mit zunehmendem Alter nimmt die starke Ausprägung der speziellen Interessen häufig ab, wohingegen soziale Einschränkungen, Empathiemangel und motorisches Ungeschick bestehen bleiben. Erwachsene mit dem Asperger-Syndrom werden besonders nach außen hin oft als kontaktgestörte Sonderlinge wahrgenommen, sind aber durchaus dazu in der Lage, durch die teilweise bestehende hohe Intelligenz und durch ihre Sonderbegabungen, beruflich erfolgreich zu sein.20

Bisher war es nicht möglich, eine kausale Behandlung tiefgreifender Entwicklungsstörungen bereitzustellen. Daher ist es von Bedeutung, Kleinkinder schon frühzeitig durch spezielle Förderung, verhaltenstherapeutische Maßnahmen und auch durch pharmakologische Behandlungen zu unterstützen, da eine Heilung nicht möglich ist. Durch solche Fördermaßnahmen ist es häufig möglich, die Betroffenen erfolgreich dabei zu unterstützen, Selbstständigkeit zu erlernen, sich schulisch und beruflich weiterzuentwickeln und auch die soziale Interaktion zu verbessern. Wichtig ist auch, Kindergarten, Schule und die Arbeitsstelle von Betroffenen über die Störung aufzuklären, um so Problemen und Missverständnissen vorzubeugen.21

Unter verhaltenstherapeutische Verfahren wird auch die Neurofeedbacktherapie gefasst, die sich in bisherigen Studien als wirksames Mittel bei autistischen Symptomen herausgestellt hat.22 Das TEACCH-Programm (Treatment and Education of Autistic and related Communication handicapped Children) stellt eine Therapiemöglichkeit dar, in der Kinder durch Begleitung und pädagogische Förderung lernen sollen, Strukturen der Umwelt besser zu erkennen und selbstständiges Handeln zu fördern.23 Besonders die Kombination von Verhaltenstherapie und pharmakologischer Behandlung wird häufig empfohlen und gewählt.24

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Verlauf des Asperger-Syndroms

Quelle: Eigene Darstellung

2.2 Emotionale Intelligenz

2.2.1 Definition nach Salovey und Mayer

Emotionale Intelligenz ist die abhängige Variable in der Fragestellung, ob das Asperger-Syndrom ein ungünstiger Beeinflussungsfaktor der emotionalen Intelligenz ist.

Der Begriff „emotionale Intelligenz“ (EI) entstammt systemtheoretischen Intelligenzmodellen und findet seinen Ursprung bereits in den 20er Jahren durch die Definition des Begriffs „soziale Intelligenz“ (SI) durch Thorndike. SI meint die Fähigkeit, mit anderen Menschen adäquat umzugehen und diese zu verstehen.25 Zudem geht der Begriff der EI, der heute verwendet wird, auch auf Gardners Theorie der multiplen Intelligenzen zurück.26

1990 haben Salovey und Mayer erstmals den Begriff der EI definiert.27 EI ist die Fähigkeit, eigene und fremde Emotionen wahrnehmen zu können und die Fähigkeit, Emotionen regulieren zu können. Voraussetzung für die Regulierung der Emotionen ist dabei, dass diese überhaupt wahrgenommen werden können. Neben dem Vermögen, Emotionen kontrollieren zu können, können emotional intelligente Menschen gut zwischen verschiedenen Emotionen und Gefühlen unterscheiden und gewonnene Informationen nutzen, um ihr Denken und Handeln in eine bestimmte Richtung zu lenken. Zum einen umfasst EI Verstehen und Regulieren verbal ausgedrückter Emotionen, zum anderen umfasst sie aber ebenso den Ausdruck und damit verbundene Bewertung nonverbaler Emotionen.28 Das Erkennen, Verstehen und die Bewertung nonverbal kommunizierter Emotionen und Gefühle anderer Personen kann in sozialer Interaktion von großer Bedeutung sein, da viele Inhalte nonverbal kommuniziert werden. Die Fähigkeit Informationen zu verstehen und diese zu verarbeiten, ist bei allen Menschen unterschiedlich gut ausgeprägt und bestimmt daher auch die Fähigkeit, intellektuelle und zwischenmenschliche Probleme zu lösen.

Nach Salovey und Mayer umfasst EI drei mentale Prozesse:

1. Erkennen und Ausdrücken von Emotionen
2. Regulieren und Kontrollieren dieser
3. Adaptive Nutzung der Emotionen.29

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Emotionale Intelligenz nach Salovey und Mayer (1990)

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Bosley/Kasten (2018), S. 42

Nach diesen Autoren kann EI als ein aus vier Bereichen bestehendes Konstrukt beschrieben werden: Zum einen die Wahrnehmung und der Ausdruck von Emotionen in sich selber und auch in anderen Personen. Zudem die Fähigkeit, seine Emotionen und Bedürfnisse im Zusammenhang ausdrücken zu können. Der zweite Bereich umfasst das emotionale Denken, d.h. die Möglichkeit, durch Emotionen Ansätze zur Problemlösung finden zu können und die Aufmerksamkeit durch Emotionen auf wichtige Informationen zu richten. Des Weiteren können emotional intelligente Menschen drittens Gefühle verstehen und analysieren und so zwischen Emotionen, die ähnlich ausgedrückt werden, unterscheiden, wie z.B. Trauer und Hilflosigkeit und Verständnis dafür aufbringen, dass es möglich ist, Hass und Liebe gleichzeitig zu empfinden. Zum letzten und vierten Bereich, der Regulierung von Emotionen, gehört auch das Annehmen von negativen und unangenehmen Gefühlen und die Fähigkeit, zu analysieren, ob diese angemessen sind oder nicht und so durch Moderation eine Verbesserung zu generieren.30

Außerdem haben Salovey und Mayer beide neben der beschriebenen Definition von EI, den Mayer-Salovey-Caruso Emotional Intelligence Test (MSCEIT) entwickelt, der die Faktoren Wahrnehmung sowie Identifizierung von Emotionen, Verwendung von Emotionen als hilfreicher Beitrag zum Denken, Verstehen der Emotionen und den Umgang mit Emotionen messen soll. Die genannte Messmethode von EI ist eine Alternative zur Messung des emotionalen Intelligenzquotienten (EQ) und stellt mehr eine Art Persönlichkeitstest dar als eine Leistungsmessung, wie es der EQ-Test ist.31

2.2.2 Definition nach Goleman

Durch Goleman hat der Begriff und die Definition von EI an Bedeutung und Bekanntheit zugenommen.32 Seine Definition von EI unterscheidet sich insgesamt nicht wesentlich von der Definition nach Salovey und Mayer. Im Vordergrund der Definition von EI steht bei Goleman das Erfassen von Gefühlen. Die Fähigkeit, Gefühle zu erfassen, wirkt sich dann auch auf die Ausprägungen von Menschenkenntnis, Toleranz und Lebensweisheiten aus. Er ergänzt, dass das Vorhandensein von EI eine Grundlage für harmonische Beziehungen darstellt und bedeutsam ist für die Sicherheit, adäquate berufliche sowie private Entscheidungen zu treffen.

[...]


1 Vgl. Sendera/Sendera (2011), S. 130; Vgl. Warnke/Taurines (2011), S.1171; vgl. Schneider/Habel/Schneider (2017), S. 496

2 Vgl. Becker/- Kamp-Becker (2010), S. 142; vgl. Lehner-Adam (2016), S. 18ff.; vgl. Bosley/Kasten (2018), S. 42

3 Vgl. Sendere/Sendera (2011), S. 126; vgl. Schneider/Habel/Schneider (2017), S. 496

4 Vgl. Freitag/Jarczok (2016), S. 430

5 Vgl. Warnke/Taurines (2011), S.1166

6 Vgl. Sendere/Sendera (2011), S. 131; vgl. Schneider/Habel/Schneider (2017), S. 498

7 Vgl. Sendere/Sendera (2011), S. 131; vgl. Schneider/Habel/Schneider (2017), S. 498

8 Vgl. auticon GmbH (Jahr unbekannt)

9 Vgl. Sendere/Sendera (2011), S. 131; vgl. Sinzig (2011), S. 19; vgl. Dose/Weber (2012), S. 355

10 Dose/Weber (2012), S. 353

11 Vgl. Dose/Weber (2012), S. 353

12 Vgl. Schneider/Habel/Schneider (2017), S. 499

13 Vgl. Kamp-Becker et al. (2010), S. 169

14 Vgl. Warnke/Taurines (2011), S.1164

15 Vgl. Warnke/Taurines (2011), S.1164; vgl. Freitag/Petermann (2014), S. 2

16 Schneider/Habel/Schneider (2017), S. 496; vgl. Sinzig (2011), S. 32

17 Vgl. Sendere/Sendera (2011), S. 131

18 Vgl. Schneider/Habel/Schneider (2017), S. 497

19 Vgl. Becker/Kamp-Becker (2010), S. 142; vgl. Kamp-Becker et al. (2010), S. 169

20 Vgl. Warnke/Taurines (2011), S.1170

21 Vgl. Warnke/Taurines (2011), S.1171

22 Vgl. Sinzig (2011), S. 92f.

23 Vgl. Sendere/Sendera (2011), S. 133

24 Vgl. Freitag/Jarczok (2016), S. 448f.

25 Vgl. Myers (2014), S. 407

26 Vgl. Lehner-Adam (2016), S. 17

27 Vgl. Salovey/Mayer (1990), S. 189

28 Vgl. Mayer/Salovey (1993), S. 433

29 Vgl. Bosley/Kasten (2018), S. 42

30 Vgl. Bosley/Kasten (2018), S. 42

31 Vgl. Furnham (2010), S. 57f.

32 Vgl. Meves (2013), S. 29

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Ist das Asperger-Syndrom ein ungünstiger Bedingungsfaktor für die Entwicklung emotionaler Intelligenz?
Hochschule
SRH Fernhochschule
Note
1,3
Autor
Jahr
2020
Seiten
34
Katalognummer
V889135
ISBN (eBook)
9783346198839
ISBN (Buch)
9783346198846
Sprache
Deutsch
Schlagworte
asperger-syndrom, bedingungsfaktor, entwicklung, intelligenz
Arbeit zitieren
Anna Laura Klues (Autor:in), 2020, Ist das Asperger-Syndrom ein ungünstiger Bedingungsfaktor für die Entwicklung emotionaler Intelligenz?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/889135

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