Ferdinand Lassalle: Über Verfassungswesen

Interpretation und Kritik der vorliegenden Quelle


Hausarbeit, 2007

16 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Form der Quelle

Inhalt der Quelle
Zusammenfassung
Inhaltlicher Kontext
Persönlicher Kontext
Zeitlich und politischer Kontext
Erläuterung von Begriffen
Zusammenführung der Entwicklungslinien

Literaturverzeichnis

Form der Quelle

Bei der vorliegenden Quelle handelt es sich um einen aufgezeichneten „Vortrag über Verfassungswesen“ welcher am 16.04.1862 vor einem fortschrittlich-demokratischen Bezirks-Bürgerverein in Berlin Friedrichsstadt gehalten wurde[1] [2]. Der Vortrag existiert als Abdruck in verschiedenen Schriften unter anderem als Monographie mit einem Kommentar von Ekkehard Krippendorff[3].

Anlass des Vortrags ist die Weigerung der liberalen Abgeordneten in der 2. Kammer im preußischen Landtag das Militärbudget zu bewilligen. Der Landtag war vom König aufgelöst worden und es fand Wahlkampf zur Wahl der Abgeordneten für die zweite Kammer statt.

Der Vortrag reiht sich ein in eine Reihe von Vorträgen Lassalles vor ausgewählten Gruppen von Bürgern im Jahre 1862.[4]

Inhalt der Quelle

Zusammenfassung

Lassalle begann seinen Vortrag über das Verfassungswesen mit Abgrenzungen von bestimmten nur einen bestimmten Staat betreffenden Verfassungen, juristischen Definitionen und Typen von Verfassungen nach dem Staats oder Herrschaftstyp. Er stellte die Frage nach dem Begriff der Verfassung, aus dem heraus sich die anderen Beziehungen ableiteten. Auf der Suche nach der Kraft welche derart auf die Gesetze einwirkte, dass diese nur so und nicht anders in einem bestimmten Lande erlassen wurden, kam er zu der Bestimmung der tatsächlichen Machtverhältnisse in einem Lande. König, Adel, Industrielle, Bankiers die in ihren Bereichen auf die Gesellschaft einwirkten sind seinem Verständnis nach ein Stück der Verfassung und damit der tatsächlichen Machtverhältnisse. Er schlug einen Bogen von den tatsächlichen Machtverhältnissen zu der Schriftform der Verfassung, indem er ausführte wie man diese Machtverhältnisse in Schriftform fasste und normatives Recht daraus schuf.

Des Weiteren führte er aus, dass man diese tatsächlichen Machtverhältnisse und Vorrechte von bestimmten gesellschaftlichen Gruppen nicht in umgangssprachlicher Form fasste, sondern in juristischen Gesetzen erließ. Alsdann nannte er als Beispiel das Dreiklassenwahlrecht von 1849 und erläuterte welche Auswirkungen dies hatte. Nun fasste er das gesagte nochmals zusammen, erklärte dass eine wirkliche Verfassung jedes Land und zu jeder Zeit gehabt hatte und strich den Unterschied zur Gegenwart heraus indem er betonte, dass der Unterschied zwischen damals und heute die Schriftform der Verfassung war. Durch ein Beispiel, dem Versuch einem Apfelbaum einen neuen Namen, nämlich Feigenbaum zu geben und der Tatsache dass sich die Natur des Baumes spätestens bei der Ernte erweisen würde, versuchte er den Sachverhalt nochmals zu erklären. Er ermunterte seine Zuhörer durch Überdenken des Gehörten und eigenen Strebens nach Erkenntnis sich selbst in den Besitz von Verfassungsweisheit zu setzen. Er schloss mit der Feststellung, das Verfassungsfragen ursprünglich nicht Rechts sondern Machtfragen waren und dass geschriebene Verfassungen nur dann von Dauer seien, wenn sie die tatsächlichen Machtverhältnisse wiedergeben würden.[5]

Inhaltlicher Kontext

In der erwähnten Verfassung von 1850 war das Dreiklassenwahlrecht für die zweite Kammer vom König festgelegt worden, nachdem die preußische Nationalversammlung von 1.5.1948 vom König aufgelöst und er selbst am 5.12.1850 eine Verfassung „oktroyiert“ hatte.[6] Lassalle stellte heraus, dass es noch andere Verfassungen gegeben habe und spielte damit auf die verschiedensten Verfassungen der damaligen Zeit wie französische, englische, bayrische etc. im Spannungsfeld zwischen republikanischer, konstitutioneller, scheinkonstitutioneller und absolutistischer Monarchie an. Seine Sicht der Verfassung ist die, der Basis der Grundprinzipien des Rechts zwischen Volk und König und legte damit den Finger in die Wunde der preußischen Verfassung, nämlich unter anderem der nicht vorhandenen Trennung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative. In der Frage nach dem Begriff der Verfassung zieht er Bezüge zur Hegelschen Staatsphilosophie welche den Staat als höchstes Ziel der gesellschaftlichen, kulturellen Entwicklung ansah und die geschichtliche Entwicklung an ihrem Endpunkt wähnte. Als Junghegelianer mit den Bezügen zur Marxistischen Geschichtsbetrachtung sah er die Wirklichkeit als Ausfluss der realen Machtverhältnisse. In diesem Zusammenhang erwähnt er das Dreiklassenwahlrecht welches als Zensuswahlrecht die Zahl der Wahlstimmen an eine bestimmte Höhe des Steueraufkommens knüpfte. Er zeigte sich verwundert warum die Abgeordneten der zweiten Kammer so an der geschriebenen Verfassung hingen und nicht die Frage nach der Kongruenz von geschriebener und wirklicher Verfassung stellten. Mit einem anschaulichen Beispiel aus der Botanik wollte er verdeutlichen dass die nahe Zukunft den Weg Preußens im Verfassungskonflikt zeigen würde. Zum Schluss erfolgte seine Zusammenfassung in der Feststellung, dass Verfassungsfragen nicht Rechtsfragen sondern Machtfragen seien, hierbei spielte er auf das Vertrauen der Liberalen an das geschriebene Recht an, welche schon einmal, 1848 beim Verfassungkonvent, die entsprechenden Erfahrung mit dem Rechtsstaatsbewußtsein der Krone gemacht hatten.

Persönlicher Kontext

Ferdinand Lassalle wurde am 11.04.1825, als Sohn des wohlhabenden Seidenhändlers Heyman Lassal und seiner Frau Rosalie, geb. Heizfeld und als zweites von 3 Kindern in Breslau geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums wechselte er an eine Handelsschule, damalige Mitschülern beschrieben ihn als äußert tatkräftig und durchsetzungsfähig. Die Ausbildung dort brach er jedoch ab weil er nicht als „Ladenschwengel“ enden wollte. Er schloss sich im Haus seiner Eltern mit Erlaubnis und Unterstützung von Mutter und älterer Schwester ein und lernte um als Externer das Abitur abzulegen. Nach dessen Bestehen studierte er zuerst in Breslau und dann ab 1844 in Berlin Philologie, Philosophie und Geschichte mit widerwilliger Unterstützung des Vaters. Er studierte mit verbissener Intensität. Über die Diskussion von philosophischen Themen kam er mit Gräfin Hatzfeldt in Kontakt. Er übersiedelte ins Rheinland wo er 10 Jahre lang deren Scheidungsprozess betrieb. In diesem Zusammenhang studierte er autodidaktisch Jura und führte erfolgreich viele Prozesse. Die Zeit der Revolution von 1848 verbrachte er, großteils wegen diverser Anklagen im Rahmen des Hatzfeldt-Prozesses und politischer Reden angeklagt, in Untersuchungshaft. Dadurch entging er der Verfolgung der Reaktion welche 1851 den „Bund der Kommunisten“, dem er beitreten wollte zerschlug und die führenden Köpfe tötete, einsperrte oder ins Exil jagte.

Endlich neigte sich der Prozess gegen den Grafen von Hatzfeldt zu einem erfolgreichen Ende und er wurde auf Grund einer lebenslangen Rente, welche ihm die Gräfin als Entlohnung gewährte, finanziell unabhängig. Er versuchte 1855 durch die Eingabe, seine wissenschaftliche Arbeit an der Schrift „Heraklit“ vollenden zu wollen, bei der Berliner Polizei eine Aufenthaltserlaubnis für Berlin zu bekommen, was jedoch misslang. Erst nach Fertigstellung des Werkes 1857 erhielt er durch die Notwendigkeit, das Werk in Berlin drucken zu lassen, die argumentativen Mittel um seinen Aufenthalt in Berlin erwirken zu können. Nach dessen Fertigstellung machte er eine Orientreise und kam nach Berlin zurück, als sich der Konflikt um die Erhöhung des Militärbudgets zuspitzte.

Dort kam er in Kontakt mit Lothar Bucher, einem ehemaligen Mitglied der Berliner Nationalversammlung von 1848. Dieser hatte lange Jahre in England im Exil verbracht und dort den Parlamentarismus studiert. Er hatte erfahren müssen dass „immer nur die reale(n) Mächte, nie der Paragraph und das Parlamentsgeschwätz herrschen“[7]. Für die Haltung der liberalen Fortschrittspartei hatte Buchner nur ein Lächeln übrig. Lassalle gab er in dieser Hinsicht interessante Anstöße insbesondere was die Einschätzung des politischen Handelns der Liberalen anging. Zurück in der Hauptstadt Preußens griff Lassalle sofort in die politische Diskussion ein[8], so hielt er im Jahr 1862 eine Reihe von Vorträgen vor liberalen Bürgervereinen , so auch diesen vom 16.4.1862. Schon in seiner Rede vor den Assisen[9] vom 3.5.1849 hatte er ein ähnliches Vorgehen der Monarchie, mit Auflösung der zweiten Kammer des Landtages zur Erzielung von besseren Mehrheiten für die Einsetzung der „oktroyierten“ Verfassung beschrieben.[10]

Die Unterdrückung der politischen Bestrebungen der Bevölkerung durch ein strenges Polizeiregiment führte dazu, dass sich Lassalle sehr vorsichtig politisch betätigen musste, was sich auch in seiner Rede niederschlug, wenn er nicht seine erneute Verbannung aus Berlin riskieren wollte, zumal er der Polizei kein Unbekannter war. Die in der Verfassung von 1850 zugesicherten Rechte der Preußen wurden durch das tatsächliche Handeln der Bürokratie und des Beamtentum mit Füßen getreten, es herrschte „ein polizeilich gehüteter Militärdespotismus“[11].

[...]


[1] Vgl. Hrsg.: Kaeber,Ernst; “Jahrbuch 1951", S. 65-79

[2] Vgl. Jenaczek, Friedrich; Ferdinand Lassalle: Reden und Schriften; S.481

[3] Krippendorff, Ekkehart; Ferdinand Lassalle – Über Verfassungswesen: Rede gehalten am 16.4.1862

[4] Vgl .Kritzer, Peter; Kurze Programmgeschichte der deutschen Arbeiterbewegung; S.28

[5] Vgl. Jenaczek; S. 61

[6] Zippelius, Reinhold; Kleine deutsche Verfassungsgeschichte;S.107

[7] Oncken; Lassalle; S. 186

[8] Oncken, Lassalles Biograph sagte über Lassalle: „Er ist ohne Zweifel einer der bedeutendsten Gerichtsredner Deutschlands gewesen“ und sah darin die Wurzel seiner großen Überzeugungskraft, in Hirsch Helmut; Ferdinand Lassalle – Eine Auswahl für unsere Zeit; S. XVIII

[9] Als Verteidigungsrede während einer der Anklagen im Scheidungsprozeß von Gräfin Hatzfeldt

[10] Hirsch; Ferdinand Lassalle- Eine Auswahl für unsere Zeit; S. 169

[11] Fricke, Dieter, Bismarcks Prätorianer; S. 18

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Ferdinand Lassalle: Über Verfassungswesen
Untertitel
Interpretation und Kritik der vorliegenden Quelle
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Neuere Deutsche und Europäische Geschichte)
Veranstaltung
Bachelor Politik und Organisation Modul 1.4
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
16
Katalognummer
V88913
ISBN (eBook)
9783638034951
ISBN (Buch)
9783638933438
Dateigröße
445 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ferdinand, Lassalle, Verfassungswesen, Bachelor, Politik, Organisation, Modul
Arbeit zitieren
Frank Baumann (Autor:in), 2007, Ferdinand Lassalle: Über Verfassungswesen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88913

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Titel: Ferdinand Lassalle: Über Verfassungswesen



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