Motive und Hintergründe des Demontagestopps durch Clay, Mai 1946


Zwischenprüfungsarbeit, 2007

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltverzeichnis

I. Einleitung
1. Thematik und Fragestellung
2. Quellen, Literatur und Methode

II. Hauptteil
1. Die Vorgeschichte des Demontagestopps
1.1 Reparationspläne der Siegermächte
1.2 Die Konferenz von Jalta
1.3 Die Konferenz von Potsdam
1.4 Die sich verschlechternde Zusammenarbeit zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion
2. Der Demontagestopp durch Clay am 03.05.1946

III. Ergebnisse

IV. Bibliographie

I. Einleitung

1. Thematik und Fragestellung

Mit dem Demontagestopp erlebte die Nachkriegszeit einen der ersten offiziellen Brüche in den Ost-West-Beziehungen. Die Umsetzung der Reparationsregelungen von Jalta und Potsdam verlief nicht reibungslos. Was genau war geschehen um das drastische Handeln des amerikanischen Militärgouverneurs zu provozieren? War Clay ein erklärter Gegner der Sowjetunion oder hatte sein Handeln rein pragmatische Gründe? Wie ist sein Handeln in Bezug auf die rechtliche Legitimation zu beurteilen? Welche Bedeutung hatte der Demontagestopp für die zwischen den Großmächten bisher getroffenen Vereinbarungen?

2. Quellen, Literatur und Methode

Die vorliegende Arbeit soll die Entwicklungen in der alliierten Reparationspolitik in der Zeit vom Beginn der Konferenz von Jalta am 04.02.1945 bis zum Demontagestopp auf Initiative von Lucius D. Clay am 03.05.1946 beleuchten. Das Hauptaugenmerk wird dabei zunächst auf den, von den verschiedenen Besatzungsmächten verfolgten politischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Absichten liegen. Um diese deutlich zu machen, werden verschiedene Standardwerke zum Thema Verwendung finden, welche sich seit vielen Jahren als umfassende Nachschlagewerke zur Thematik des Ost-West-Konflikts und der Nachkriegszeit bewährt haben, darunter „Die Teilung der Welt“ von Wilfried Loth, „The United States and the Origins of the Cold War 1941-1947“ von John Lewis Gladdis und das von Wolfgang Benz herausgegebene Handbuch „Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55“. Die spezielle Thematik der Demontagen durch die Sowjetunion wird mit Hilfe mehrerer wissenschaftlicher Aufsätze von Jochen Laufer bearbeitet werden, sowie unter Einbeziehung des Standardwerks „Deutsche Wirtschaftsgeschichte“ von Werner Abelshauser. Ein Auszug aus der amtlichen Verlautbarung der Potsdamer Konferenz soll Aufschluss über die dort getroffenen Reparationsregelungen geben. Zur Annäherung an die Thematik des Demontagestopps durch Clay wird Wolfgang Kriegers Werk „General Lucius D. Clay und die amerikanische Deutschlandpolitik“ herangezogen werden, ebenso wie Band 1 der von Jan Edward Smith herausgegebenen Sammlung der Briefe und Unterlagen des Generals. Am Ende soll die Frage nach den Gründen für den Demontagestopp ebenso beantwortet werden, wie die Frage danach, ob das Handeln Clays in seiner damaligen Situation nachvollziehbar und gerechtfertigt war, wobei letzteres – sofern eine Antwort überhaupt möglich ist – selbstverständlich mit der aus der historischen Distanz gebotenen Vorsicht zu geschehen hat.

II. Hauptteil

1. Die Vorgeschichte des Demontagestopps

1.1 Reparationspläne der Siegermächte

Abgesehen davon, dass sich die Sowjetunion, Großbritannien und die USA aufgrund der schlechten Erfahrungen mit den Reparationsfolgen nach dem ersten Weltkrieg darüber einig waren, dass man auf Geldzahlungen Deutschlands als Reparationen verzichten wollte, gab es zahlreiche Divergenzen auf diesem Gebiet.[1]

Da die Sowjetunion unter den Kriegshandlungen sowohl personell als auch materiell am stärksten zu leiden hatte, erhob sie auch die massivsten Forderungen. Um die eigene Wirtschaft ohne Verzögerungen wieder aufzubauen, war der Sowjetunion an sofortigen, direkten Maßnahmen gelegen. Das Interesse am Lebensstandard der Bevölkerung in den besiegten Ländern oder an einer funktionsfähigen Weltwirtschaft war eher gering.

Großbritanniens Priorität lag bei der Verhinderung einer künftigen deutschen Aggression, wofür die Zerstörung der deutschen Rüstungsindustrie notwendig war. Aufgrund der eigenen desolaten Wirtschaftslage war es für Großbritannien aber ebenfalls wichtig, rasch zu normalen Handelsbeziehungen zurückzukehren. Deshalb lehnten die Briten hohe und langfristig veranschlagte Reparations-Leistungen ab. Daraus resultierte das von den Sowjets heftig attackierte

„First charge“-Prinzip[2], nach dem Gegenleistungen Deutschlands für lebensnotwendige Importe den Vorrang vor Reparationen haben sollten.

Für die USA stellte sich die Situation ähnlich dar wie für Großbritannien, allerdings eher aufgrund einer „übermäßig angekurbelten“ Wirtschaft als aufgrund wirtschaftlicher Schwäche. Angesichts ihrer in Kriegszeiten stark ausgebauten Produktionskapazitäten war es für die USA von größter Wichtigkeit, einen reibungslosen Übergang von der Kriegs- zur Friedensproduktion zu vollziehen. Hierfür waren ausländische Absatzmärkte wichtig, was das Drängen auf den Abbau von Handelsschranken verständlich machte. Frieden und Wohlstand ließen sich nach US-amerikanischen Vorstellungen am besten durch ein liberales Weltwirtschaftssystem sichern. Herkömmliche Reparationen wurden ökonomisch betrachtet sogar eher als hinderlich eingestuft und sollten fast nur zur Ausschaltung des gegnerischen Kriegspotentials dienen. Das amerikanische Interesse galt aber durchaus auch den Auslandsguthaben und dem spitzen-technologischen Know-how der Deutschen.[3]

Die radikalen Vorstellungen von einer „Deindustrialisierung“ und darauf folgender „Agrarisierung“ Deutschlands, wie sie der amerikanische Finanzminister Henry Morgenthau vertrat, konnten sich in der US-amerikanischen Deutschlandpolitik nicht durchsetzen, wenngleich ihr Einfluss in stark abgeschwächter Weise in der Form der Besatzungsdirektive JCS 1067 fortbestand, deren Ziel eine industrielle Entwaffnung, die Bestrafung aller Nazi-Verbrechen und die Entflechtung von Großindustrie und Banken war. Hierbei darf Erwähnung finden, dass Morgenthaus radikale Vorschläge – so etwa die „völlige Entindustrialisierung“ des Ruhrgebiets – wohl mit der Absicht gezielter Provokation formuliert wurden:

„Wie Morgenthau seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen verstanden wissen wollte, machte er in einer Mitarbeiterbesprechung deutlich. Gefragt, ob er tatsächlich die Verbannung aller Industrien aus dem Ruhrgebiet fordern und damit die Tür zu einem Kompromiß zuschlagen wolle, definierte Morgenthau seine Rolle als die eines Provokateurs. Wenn nicht jemand wie er die Debatte mit einem Paukenschlag eröffne, würden jene die Oberhand behalten, die aus wirtschaftlichen Interessen oder politischer Kurzsichtigkeit über den Anteil der deutschen Industrie am Vernichtungskrieg der Nationalsozialisten nicht reden wollten. Ihm persönlich gehe es nicht um eine ‚Entindustrialisierung’, sondern um eine ‚industrielle Entwaffnung’, also darum, der Nutzung wirtschaftlicher Kapazitäten für militärische Zwecke einen Riegel vorzuschieben. Um dieses Minimum zu erreichen, müsse er nach Lage der Dinge aber ein Maximum fordern. Einen verwässerten Kompromiß würde es dann ohnehin geben.“[4]

Präsident Roosevelt stimmte dem „Morgenthau-Plan“ zunächst zu, doch letzten Endes verwarf er ihn. Allerdings blieb der Einfluss des Plans innerhalb der US- Besatzungspolitik spürbar.[5]

Im September 1944 wurde durch die amerikanischen Oberbefehlshaber die provisorische Direktive JCS 1067 erlassen, um die amerikanischen Truppen für den Fall eines Zusammenbruchs des Deutschen Reiches, welcher sich Ende 1944 schon deutlich abzeichnete, nicht ohne Handlungsanweisungen zu lassen. Deutschland sollte als besiegte und nicht als befreite Nation behandelt werden. Die Wirtschaft sollte deutschen Amtsträgern überlassen bleiben, jedoch sollten alle nationalsozialistischen oder mit dem Nationalsozialismus sympathisierenden Amtsträger in Gewahrsam genommen werden, was zweifellos eine große Zahl an Personen betreffen musste. All dies entsprach in etwa den abgemilderten Vorstellungen des „Morgenthau-Plans“, welcher ursprünglich gewissermaßen eine Art „geplantes Chaos“[6] in Deutschland vorsah.

General Lucius D. Clay, der Militär-Gouverneur der amerikanischen Besatzungszone, war sich schnell über die Unlogik einer Verhinderung der Wiederaufnahme industrieller Aktivität im Klaren. Lewis Douglas, Clays Finanzberater, äußerte sich hierzu „unmissverständlich“:

„This thing was assembled by economic idiots! It makes no sense to forbid the most skilled workers in Europe from producing as much as they can for a continent which is desperately short of everything!“ [7]

Aufgrund der Tatsache, dass er Washington nicht zu einer erneuten Revision der Direktive bewegen konnte, trat Douglas zurück. Clay blieb und versuchte fortan, Schlupflöcher in der Direktive zu nutzen, um ihr den „strafenden“ Charakter zu nehmen.

1.2 Die Konferenz von Jalta

Schon im zweiten Weltkrieg zeichnete sich ab, dass die Reparationsfrage ein Krisenpunkt der alliierten Beziehungen darstellen würde und aus diesem Grunde war sie so lange wie möglich umgangen worden.[8] Auf der Konferenz von Jalta

(4.-11.02.1945) formulierte der stellvertretende Außenminister der Sowjetunion Iwan M. Maisky erstmals offiziell die Reparationsforderungen der Sowjetunion an Deutschland. Diese beliefen sich auf eine Höhe von 10 Milliarden Dollar und sollten maßgeblich aus der deutschen Produktion entnommen werden. Weitere 10 Milliarden Dollar könnten die übrigen Kriegsopfer erhalten. All dies würde die deutsche Wirtschaft nicht nachhaltig schädigen.[9] Reparationen sollten vor allem an jene Länder geleistet werden, die die größten Verluste erleiden mussten und die den Sieg über Deutschland in die Wege geleitet hatten. Im Speziellen sollten die Reparationen in dreierlei Form erfolgen:

„[…] erstens als einmalige Entnahmen aus dem Nationalreichtum Deutschlands im Laufe zweier Jahre nach Kriegsende (Anlagen und Ausrüstungen, Fabriken, Schiffe, bewegliches Material der Eisenbahn, deutsche Investitionen im Ausland, Anteile von in Deutschland verbliebenen Unternehmen usw.), wobei diese Entnahmen hauptsächlich unter dem Aspekt der Beseitigung des Kriegspotentials Deutschlands erfolgen würden; zweitens als jährliche Warenlieferungen nach Kriegsende über eine Reihe von Jahren hinweg, wobei deren Umfang noch festzulegen war; und drittens als Einsatz deutscher Arbeitskräfte.“[10]

[...]


[1] TREUE, Wilhelm, Die Demontagepolitik der Westmächte nach dem Zweiten Weltkrieg, Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung, Hannover 1967, S. 24f

[2] BÜHRER, Werner, Reparationen. In: Wolfgang Benz (Hrsg.), Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55, Akademie Verlag, Berlin 1999, S. 161-166, hier S. 162f

[3] Ebd.

[4] GREINER, Bernd, Morgenthau Plan. In: Benz (Hrsg.), Deutschland, S. 358-360, hier S. 359f

[5] SMYSER, W.R., From Yalta to Berlin – The Cold War Struggle Over Germany, Macmillian Press Ltd, London 1999, S. 12f

[6] TREUE, Demontagepolitik, S. 24f

[6] LOTH, Wilfried, Die Teilung der Welt – Geschichte des Kalten Krieges 1941-1955, 10. Aufl., Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2000, S. 86f

[7] GADDIS, John Lewis, The United States and the Origins of the Cold War 1941-1947, Columbia University Press, New York 1972, S. 236f

[8] TREUE, Demontagepolitik, S. 24f

[9] LOTH, Teilung, S. 70ff

[10] LAUFER, Jochen, Politik und Bilanz der sowjetischen Demontagen in der SBZ/DDR 1945-1950. In: Rainer Karlsch / Jochen Laufer (Hrsg.): Sowjetische Demontagen in Deutschland 1944-1949 - Hintergründe, Ziele und Wirkungen, Duncker & Humblot, Berlin 2002, S. 31-77, hier S. 39f

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Motive und Hintergründe des Demontagestopps durch Clay, Mai 1946
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Veranstaltung
Die Wirtschafts- und Währungsreform 1948
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
22
Katalognummer
V88638
ISBN (eBook)
9783638028592
ISBN (Buch)
9783638927901
Dateigröße
726 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Motive, Hintergründe, Demontagestopps, Clay, Wirtschafts-, Währungsreform
Arbeit zitieren
Christian David Köbel (Autor:in), 2007, Motive und Hintergründe des Demontagestopps durch Clay, Mai 1946, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88638

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