Die Motivation der Meierstochter zum Selbstopfer in Hartmann von Aues Werk: "Der arme Heinrich"


Seminararbeit, 2006

13 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Die Figur der Meierstochter und ihre Funktion im „Armen Heinrich“
1. Charakterisierung des Mädchens
2. Die Rolle der Meierstochter in Heinrichs Leben

III. Die Motive der Meierstochter zum Selbstopfer
1. Die Existenzsicherung der Familie
2. Die Sehnsucht nach der uneingeschränkten Seligkeit
3. Ihr Erbarmen für Heinrich und die wahre Liebe zu ihrem Herrn

Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Das „Werden des Mannes“[1] steht in den Epen Hartmann von Aues im Mittelpunkt. Trotzdem sind weibliche Charaktere ein fester Bestandteil in Hartmanns Werken und spielen auch eine tragende Rolle.

Die Epen Hartmanns verlaufen immer nach einem ähnlichen Muster. Der Held fällt durch sein schuldhaftes Leben von der erlangten Scheinhöhe auf einen Tiefpunkt. An diesem muss er durch Umorientierung und Selbstfindung zu einer neuen Lebenseinstellung gelangen, um der ihm von Gott vorgesehene Position gerecht zu werden.[2] Hartmann verdeutlicht, dass die erfolgreiche Suche nach sich selbst „nur in der Selbstaufgabe, in der Beziehung möglich ist.“[3] Die Beziehung zwischen Mann und Frau ist für den Reifeprozess des Helden daher von zentraler Bedeutung.[4]

In den Artusromanen und im „Gregorius“ stellt eine Frau die „Initialzündung“ für die weitere Handlung dar. Die Scheinhöhe ist erreicht, wenn erstmals erfolgreich um die Frau geworben wurde. Der „Arme Heinrich“ fällt aus diesem Schema heraus, denn der Held trifft erst nach seinem Fall, der Erkrankung am Aussatz, auf die Meierstochter. Erst durch das aufopferungsvolle Verhalten der Heldin ist es Heinrich möglich, die Erkrankung zu überwinden und sich als neu legitimierter Herrscher zu installieren.[5] Im Vergleich zu den Frauengestalten in den anderen Werken Hartmanns ist die Meierstochter der Figur der Enite aus dem „Erec“ am ähnlichsten. Beide sind zu Beginn Jungfrauen, „noch unter dem Schutz des Vaters stehend“[6] und greifen erst in der Mitte der Handlung aktiv in das Geschehen ein. Am erneuten Aufstieg des Helden sind sie unmittelbar beteiligt, hat dieser seine höchste Daseinsstufe erreicht, treten sie wieder in den Hintergrund.

Im Folgenden soll nun der Charakter der Meierstochter im „Armen Heinrich“ betrachtet, ihre Rolle in Heinrichs Leben veranschaulicht und auf die Motive ihres Selbstopferungswillens näher eingegangen werden.

II. Die Figur der Meierstochter und ihre Funktion im „Armen Heinrich“

Die Tochter des Meiers, auf dessen Hof sich Heinrich nach dem Verkauf all seiner Besitztümer zurückzieht, ist neben Heinrich die wichtigste Person in Hartmanns Epos. Nur durch ihre Bereitschaft zum Selbstopfer hat Heinrich eine Chance auf Genesung und damit auch auf die Zurückgewinnung seines sozialen Status und schließlich die Erlangung des Seelenheils.

1. Charakterisierung des Mädchens

Das Mädchen, das keinen Eigennamen trägt, wird in Vers 303 erstmals erwähnt und sein Alter mit acht Jahren angegeben (V. 303). Es folgt eine erste Beschreibung ihres gütigen Wesens und ihrer Zuneigung für Heinrich.

daz kunde gebâren

sô rechte güetlîchen:

diu wolde nie entwîchen

von ir herren einen vouz. (V. 304 – 307)

Besonders liebevoll und gütig ist es in seinem Handeln und im Umgang mit ihren Mitmenschen. Da Heinrich ständig in seiner Nähe ist, wird ihm seine besondere Aufmerksamkeit zuteil und er erfährt von ihm liebevolle Pflege[7] (V. 310). Es hat stets nur das Wohl seines Herren im Sinn und so vlôch sî zallen stunden / zim und niender anderswar (V. 318f.). Sein ganzes Handeln ist auf Heinrich gerichtet, es weicht nicht von seiner Seite und ist ihm in seinen schweren Tagen Unterhaltung und Trost (V. 321 – 327). Von den Menschen, mit denen Heinrich auf dem Meierhof in Kontakt kommt, ist sie die einzige, die sich ihrem Herrn ohne Scheu zuwendet (V. 315 – 317). Heinrich erwidert die ihm entgegengebrachte Zuneigung und macht dem Mädchen immer wieder Geschenke: er gewan ir, swaz er veile vant (V. 335).

Es lässt sich eine ganze Reihe positiver Züge im Charakter des Mädchens anhand von Textstellen belegen: rehte güetlîchen (V. 305), güetlîchen phlege (V. 310), süezer unmuoze (V. 326), guote maget (V. 342) und reine maget (V. 460) sind nur ein paar Beispiele, die für seine vorbildlichen Charakterzüge stehen.

Auch zeichnet sich die Meierstochter durch besondere Schönheit aus, die der Schönheit der Kinder des Kaisers in nichts nachsteht und sie durchaus adelig und Heinrich damit sozial ebenbürtig erscheinen lässt (V. 311 – 314).[8]

Ihre Motivation für die hingebungsvolle Pflege des aussätzigen Heinrichs sind einerseits die ihr dargebrachten Geschenke (V. 345f.), vor allem aber ein ihr von Gott gegebener süezer geist (V. 348).

2. Die Rolle der Meierstochter in Heinrichs Leben

In den drei Jahren, die Heinrich bei der Familie des Meiers verbringt, ist das Mädchen seine einzige Gesellschaft (V. 320) und Verbindung zur alltäglichen Welt auf dem Hof. Der Bauer hat zwar noch andere Kinder (V. 299), Hartmann erwähnt aber nicht, dass sich außer dem Mädchen noch eine weitere Person so um Heinrich bemüht. Vielmehr versuchen die anderen Menschen in Heinrichs Umgebung ihren Herrn zu meiden (V. 315 – 318). In der Nähe des Mädchens bleibt er jedoch der adlige Herrscher, wenn es untertänig zu seinen Füssen sitzt (V. 324, V. 461 – 463). Das Mädchen sieht es als selbstverständlich an, seinem Herren zu helfen, denn ihm erschient der vom Aussatz gezeichnete Heinrich immer noch als reine (V. 344), als höfisch.[9] Zum Dank für seine Pflege macht Heinrich dem Mädchen Geschenke, er kauft für es spiegel unde hârbant (V. 336), gürtel unde vingerlîn (V. 338), Dinge, die besonders junge Mädchen erfreuen (V. 337). Durch seine Zuwendung wird es ihm so vertraut, dass er es schließlich sein gemahel (V. 341) nennt, was die Zusammengehörigkeit von Meierstochter und Heinrich verdeutlicht.[10] Das Mädchen verhält sich gegenüber Heinrich wie ein Ritter einer Dame, es wirbt, wie es in der höfischen Minne-Terminologie heißt, um Heinrichs hulde und sînen gruoz (V. 308). Zwischen Heinrich und dem Mädchen herrscht ein ausgeglichenes Geben und Nehmen, seine Geschenke, sein dienste (V. 339) stehen seiner stetigen Zuneigung, seinem dienest, gegenüber. Das Mädchen nimmt die Geschenke Heinrichs dankend an und bestärkt Heinrich in seinem Glauben an die Macht des Geldes.[11] Die ständige Fürsorge und Unterhaltung durch die Meierstochter erleichtert Heinrich das elende Dasein und macht ihm die Qualen seiner Erkrankung erträglicher.

[...]


[1] Carne, Eva-Maria: Die Frauengestalten bei Hartmann von Aue. Ihre Bedeutung im Aufbau und Gehalt der Epen. Marburg: Elwert 1972 (=Marburger Beiträge zur Germanistik 31). S. 11.

[2] Ebd., S. 12.

[3] Ebd., S. 12.

[4] Ebd., S. 12.

[5] Ebd., S. 15.

[6] Ebd., S. 16f.

[7] Carne: Die Frauengestalten bei Hartmann von Aue. S. 49.

[8] Carne: Die Frauengestalten bei Hartmann von Aue. S. 49.

[9] Henne, H. 1982: Herrschaftsstruktur, historischer Prozeß und epische Handlung: Sozialgeschichtliche Untersuchung zum `Gregorius´ und `Armen Heinrich´ Hartmann’s von Aue. Göppingen: Kümmerle 1982 (= Göppinger Beiträge zur Germanistik 340). S. 60.

[10] Carne: Die Frauengestalten bei Hartmann von Aue. S. 50.

[11] Henne: Herrschaftsstruktur, historischer Prozeß und epische Handlung. S. 67.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Die Motivation der Meierstochter zum Selbstopfer in Hartmann von Aues Werk: "Der arme Heinrich"
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Deutsche Philologie)
Veranstaltung
Proseminar: Hartmann von Aue: "Gregorius" und "Der arme Heinrich"
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
13
Katalognummer
V88581
ISBN (eBook)
9783638025058
ISBN (Buch)
9783638924795
Dateigröße
399 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Motivation, Meierstochter, Selbstopfer, Hartmann, Aues, Werk, Heinrich, Proseminar, Hartmann, Gregorius, Heinrich
Arbeit zitieren
Christopher Späth (Autor:in), 2006, Die Motivation der Meierstochter zum Selbstopfer in Hartmann von Aues Werk: "Der arme Heinrich", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88581

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