Der Fluch natürlicher Ressourcen. Eine wirtschaftspolitische und politökonomische Analyse


Diplomarbeit, 2005

66 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Erklärungsansätze
2.1. Ökonomische Erklärungsansätze
2.1.1. Der spending effect
2.1.2. Der resource movement effect
2.1.3. Weitere ökonomische Ansätze
2.2. Politische Erklärungsansätze
2.2.1. Rent Seeking Ansätze
2.2.2. Policy making
2.3. Natürliche Ressourcen und Bürgerkriege

3. Eine politökonomische Analyse
3.1. Die Akteure
3.2. Das Modell
3.3. Folgerungen
3.4. Das institutionelle Umfeld
3.5. Ergebnis

4. Empirische Evidenz
4.1. Auswahl der Variablen
4.2. Überblick bisheriger Studien
4.3. Ökonometrische Spezifikation
4.4. Ergebnisse und Folgerungen

5. Eine wirtschaftspolitische Analyse
5.1. Politikoptionen für ressourcenreiche Länder
5.2. Natural Resource Funds
5.3. Die Bedeutung institutioneller Faktoren
5.4. Transparenz und Informationsaspekte
5.5. Investititionspolitik

6. Fazit

7. Bibliographie

1. Einleitung

Der Reichtum an natürlichen Ressourcen wurde schon immer als wichtiger Bestimmungsfaktor für den Wohlstand eines Landes angesehen. Als Inputfaktor für die Produktion sowie Möglichkeit für Einnahmen aus deren Verkauf schienen sie als wichtiger Faktor für eine positive Entwicklung eines Landes fast schon unerlässlich. So schrieb Hirschman (1958), dass "for a long time, certainly until 1914 and perhaps until 1929, natural resources held the center of the stage when the chances of a country's development were considered".[1] Jedoch kamen schon bald Zweifel auf, ob ein Reichtum an Ressourcen nicht auch negative Konsequenzen mit sich bringen kann. Gemäß der ricardianischen Theorie der komparativen Vorteile sollte ein ressourcenreiches Land, um seine Wohlfahrt zu maximieren, sich einfach auf diesem Sektor spezialisieren. Allerdings gab es schon früh Zweifel daran, ob eine auf Ressourcen aufbauende Ökonomie wünschenswert ist. So schrieb schon Adam Smith 1776:

“Projects of mining, instead of replacing the capital employed in them, together with the ordinary profits of stock, commonly absorb both capital and profit. They are the projects, therefore, to which of all others a prudent law-giver, who desired to increase the capital of his nation, would least chuse to give any extraordinary encouragement, or to turn towards them a greater share of that capital than that would go to them of its own accord.”[2]

Spätestens seit den 70er Jahren jedoch wurden die Probleme von hohen Ressourcenvorkommen zunehmend erkannt und untersucht. Dabei sollen in der vorliegenden Arbeit die ökologischen und sozialen Probleme, die im direkten, zumeist geographisch begrenzten Zusammenhang mit dem Vorkommen und Abbau von Rohstoffen zusammenhängen, nicht berücksichtigt werden. Vielmehr geht es um den Effekt von Ressourcenreichtum auf das Einkommen bzw. die gesamtwirtschaftliche Produktion eines Landes.

Insbesondere stellte man nämlich fest, dass ressourcenreiche Länder im Vergleich zu ressourcenarmen Ländern ein geringeres Wirtschaftswachstum aufwiesen. Die damit verbundenen Konsequenzen für das Volkseinkommen führten zu einer Verarmung im Vergleich zu vielen ressourcenarmen Ländern, die angesichts des Reichtums an Ressourcen paradox erschien. Dieser als „Fluch der natürlichen Ressourcen“ (Natural Resource Curse) bezeichnete Zusammenhang gilt mittlerweile als sehr gut bestätigt. Die von Corden (1984, S.359f.) benannten Beispiele von Spanien mit seinen hohen Gold- und Silbereinnahmen im 16. Jahrhundert aus Südamerika sowie die Goldfunde in Australien nach 1850 belegen jedoch, dass sich dieser Effekt durchaus schon früher gezeigt hat. Abbildung 1 verdeutlicht diesen Zusammenhang für insgesamt 89 Länder, wobei als Maß für die Ausstattung mit natürlichen Ressourcen der Anteil des Naturkapitals am Gesamtkapital[3], sowie das durchschnittliche reale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf zwischen 1965 und 1990 (GR6590) verwendet wurden.

Abbildung 1: Wachstum und Ressourcenreichtum

Quellen: World Bank (1998), Sachs and Warner (1997) Dataset

Zunächst einmal gilt es jedoch, den Begriff „Natürliche Ressourcen“ einzugrenzen. Üblicherweise werden darunter fossile Brennstoffe (Öl, Kohle, Erdgas,…), Mineralien und Erze (Kupfer, Zinn, Nickel, Silber,…) sowie Agrarprodukte (Weizen, Zucker, Baumwolle,…) verstanden. Daneben spielen jedoch in einzelnen Ländern auch speziellere Produkte wie Diamanten und Drogen eine nicht unerhebliche Rolle, die aufgrund von einem hohen Schmuggelanteil bzw. ihrer Illegalität jedoch nur schwierig in ihrer Bedeutung erfassbar sind. Daneben können im weiteren Sinne auch die Größe der Bodenfläche oder die Verfügbarkeit von Wasser als natürliche Ressourcen betrachtet werden. Im Rahmen dieser Arbeit spielen jedoch die erstgenannten Gruppen von Bodenschätzen und landwirtschaftlichen Produkten die entscheidende Rolle, da sie üblicherweise als Verursacher des „Fluchs“ gelten und in der Literatur wird fast ausschließlich diese engere Definition verwendet. Im Folgenden werden unter natürlichen Ressourcen daher immer solche Ressourcen im engeren Sinne verstanden.

Aus der empirischen Beobachtung des Resource Curse ergab sich eine Reihe von Ansätzen, die zu erklären versuchten, wie dieser scheinbar paradoxe Effekt entstehen kann. Dabei wurden die unterschiedlichsten Modelle verwendet, die die Eigenarten von Ressourcenreichtum und damit verbundenen Effekte zu erklären versuchten.

Eine Besonderheit von natürlichen Ressourcen liegt dabei in der so genannten „Ressourcenrente“, die dem Land, in dem die Ressource liegt, zufällt. Sie ergibt sich, da der Weltmarktpreis aufgrund ihrer weltweit gesehenen Knappheit deutlich über den entstehenden Kosten zur Förderung der Ressource liegt.[4] Die Ressourcenrenten haben nun einen entscheidenden Einfluss auf das Verhalten sowohl von staatlichen als auch privatwirtschaftlichen Akteuren. In der vorliegenden Arbeit soll daher der Resource Curse unter der speziellen Berücksichtigung von Ressourcen auf die ökonomischen Anreizstrukturen untersucht werden.

Dabei ist eine zentrale Fragestellung, wieso manche Länder, wie z.B. Nigeria oder Venezuela aus ihrem Ressourcenreichtum nicht Kapital schlagen können, während andere Beispiele, wie Australien, Chile oder Norwegen, dagegen zeigen, dass „natürlicher“ Reichtum durchaus auch zu wirtschaftliche Prosperität führen kann.

Die Bemühungen von Seiten der internationalen Institutionen, wie z.B. der Weltbank in ihrem „Extractive Industries Review“ (World Bank 2003), zeigen, dass von politischer Seite her die Frage, wie man mit Ressourcenreichtum umgehen soll, aktueller denn je ist. Daneben gibt es auch eine Reihe von NGOs (siehe z.B. den Bericht von OXFAM (Ross 2001)), die die Bedeutung von Ressourcenreichtum für die Entwicklungsansätze einzelner Länder betonen. Sie betonen, dass es für ein ressourcenreiches Land entscheidend ist, die Effekte der hohen Ressourceneinnahmen für die Politikgestaltung zu berücksichtigen, wozu die Forschung in diesem Bereich beitragen kann und soll.

Diese Arbeit ist wie folgt aufgebaut: zunächst werden in Kapitel 2 die bisherige Literatur sowie die vorherrschenden Erklärungsansätze zusammengefasst. Die erste und auch ältesten Erklärungsmodelle, die sog. „Dutch-Disease“-Ansätze sind analytisch zwar hilfreich, erklären jedoch nicht den ambivalenten Effekt von Ressourceneinnahmen.

Daher wird eine Reihe weiterer Modelle betrachtet. Ein Schwerpunkt wird in Kapitel 3 in einer Erklärung liegen, die sich eines Rent Seeking-Ansatzes bedient.

Demnach verändert in unserem Kontext das Auftreten von Einnahmen aus einer natürlichen Ressource die Anreizstrukturen von „Unternehmern“, für die produktive Tätigkeiten relativ unprofitabel werden (im Vergleich zur Konkurrenz um die Ressourcen-Renten). Dabei zeigt sich, dass die institutionellen Rahmenbedingungen in dem jeweiligen Land eine große Rolle spielen, da die möglichen Bereicherungsmöglichkeiten von einem schlechten institutionellen Umfeld stark profitieren.

Auf der Basis der grundlegenden Arbeit von Sachs und Warner (1997) sowie weiterer Datenquellen wird in Kapitel 4 der Zusammenhang empirisch untersucht. Ein besonderes Augenmerk gilt hierbei der möglichen Endogenität von institutionellen Variablen. Es zeigt sich, dass die Frage, ob natürliche Ressourcen einen Fluch oder Segen darstellen, in der Tat von den politischen Institutionen abhängen.

Anschließend sollen anhand der gewonnenen Erkenntnisse politische Handlungsanweisungen abgeleitet werden und unterschiedliche Politiken auf ihre Wirksamkeit zur Vermeidung des Resource Curse untersucht werden. Dabei sollen zunächst die allgemeinen wirtschaftspolitischen Implikationen, die die Debatte bisher auf der Basis von den vorgestellten Dutch-Disease-Modellen dominieren, unter diesem Blickwinkel analysiert und um spezifische Ansätze ergänzt werden. Insbesondere soll das Augenmerk darauf gerichtet sein, wie die beschriebenen Anreizstrukturen transparent gemacht und beeinflusst werden können. Das 6. Kapitel fasst die Ergebnisse zusammen.

2. Erklärungsansätze

Im Rahmen der Erklärung der unterschiedlichen Entwicklungspfade insbesondere seit den 70er Jahren wurde die Frage nach der Relevanz und insbesondere den Gründen und Wirkungsmechanismen des Fluchs natürlicher Ressourcen zunehmend untersucht. Einer dieser frühen Ansätze stellt der in Hirschman (1958) vorgestellten Linkage-Ansatz dar, der bei Produkten mit hohem Anteil von primären Rohstoffen anders als bei Industrieprodukten – nur geringe „Linkages“, d.h. positive „Verbindungen“ sieht. Diese können positive Auswirkungen auf die vor- und nachgelagerten Industrien („backward and forward linkages“) sowie auf die staatlichen Einnahmemöglichkeiten („fiscal linkages“) darstellen. Als weitere Hypothese wurde die unter dem Namen Prebisch-Singer-These bekannte Theorie, dass sich die Terms of Trade langfristig zugunsten der Industrieprodukte und zuungunsten der primären Produkte entwickeln würden (vgl. Singer 1950), aufgestellt. Empirisch wurde dieser Zusammenhang jedoch bestätigt. Die großen Schwankungen von Rohstoffpreisen wurden stattdessen als weitere Erklärung für den negativen Einfluss von Ressourcenreichtum gesehen. Dabei wird argumentiert, dass die Preisschwankungen zu einer unvorhersagbaren Entwicklung der Deviseneinnahmen führen und damit als „externer Schock“ sich negativ auf eine Ökonomie auswirken.

Neben den ökonomischen Ansätzen, die seit den 70er Jahren die Diskussion bestimmt hatten, rückten in den letzten Jahren zunehmend politische und politökonomische Erklärungen in den Mittelpunkt des Interesses. Daneben ergaben sich aus der Erforschung der Ursachen von Bürgerkriegen Erkenntnisse über die Bedeutung von Einnahmen aus Ressourcen für das Auftreten und die Häufigkeit von Konflikten.

Als erster Erklärungsmechanismus fand dabei der als „Dutch Disease“[5] bezeichnete Effekt Einzug in die Literatur.

2.1. Ökonomische Erklärungsansätze

2.1.1. Der spending effect

Der als „Dutch Disease“(DD) bekannte Wirkungsmechanismus beruht auf der realen Aufwertung der inländischen Währung, die durch die Einnahmen aus einer natürlichen Ressource erzeugt wird: Sie entsteht durch die Nachfrage aus den Ressourceneinnahmen, die das inländische Preisniveau im Vergleich zum Ausland erhöht. Dadurch verschlechtert sich die Wettbewerbsfähigkeit, was zu einem Rückgang der Exporte und damit zu Einkommenseinbußen führt. In früheren Theorien war ein solcher gegenläufiger Effekt eines an sich expansiven Impulses nicht vorstellbar. Gemäß der klassischen Handelstheorie sollte ein hohes Angebot an natürlichen Ressourcen einen komparativen Vorteil in diesem Bereich bedeuten und eine Spezialisierung darauf wäre die logische Konsequenz, von einem „Fluch“ könnte also keinesfalls die Rede sein. Im Rahmen der Neoklassik mit flexiblen Preisen und Löhnen sollte ein Anstieg der Rohstoffeinnnahmen folglich keinen negativen Effekt auf das Einkommen haben. Eastwood und Venables (1982) zeigen, dass andererseits unter der Annahme träger Preisanpassungen kurzfristig kontraktive Effekte auftreten können. Langfristig bleibt jedoch auch hier lediglich der expansive Impuls der Nachfrageerhöhung bestehen. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass “the contractionary effect of the exchange appreciation moderates but can in no case outweigh the expansionary effect of the oil generated spending” (S.292).[6]

Dass dies doch möglich ist, wurde als erstes von Van Wijnbergen (1984) modelltheoretisch erklärt. Er zeigt anhand eines 2-Periodenmodells, dass das Auftreten von Einnahmen aus einer natürlichen Ressource zwar zu einem Anstieg des Einkommens in der ersten Periode führt, in der zweiten Periode jedoch zu einem geringeren Niveau der industriellen Produktion und sogar zu einem niedrigeren Gesamteinkommen führt.

Der Wirkungsmechanismus ist dabei der folgende: In Periode 1 führen die Erträge aus der natürlichen Ressource zu einem Anstieg der inländischen Nachfrage, wobei zumindest ein Teil auch die Nachfrage nach international nicht-handelbaren Gütern[7] erhöht. Ein gestiegenes inländisches Preisniveau und damit eine reale Aufwertung sind die Folge. Dadurch verschlechtert sich die Wettbewerbsposition der exportorientierten bzw. mit Importen konkurrierenden Industrie.

In der zweiten Periode wird das alte Zahlungsbilanzgleichgewicht wieder hergestellt (die Erträge aus der Ressource werden als nur kurzfristiger Natur angenommen[8] ), so dass eine reale Abwertung zwangsläufig erfolgen muss, und sich das alte Einkommen dadurch wieder einstellen sollte. Die zentrale Begründung, weswegen das Einkommen jedoch gesunken ist, folgt aus der Annahme über den technischen Fortschritt: In allen auf Van Wijnbergens folgenden Modellen nimmt dieser die Form eines industrie-internen „Learning by Doing-Effektes (LBD)“ an. Es wird also angenommen, dass die Entwicklung des gesamten Sektors von vergangenen Erfahrungen des selbigen profitiert; in den Worten von Paul Krugman (1987): „cumulative past output determines current productivity“(S. 42). Diese Art des technologischen Fortschritts wurde von Kenneth J. Arrow 1962 in die Wachstumsdiskussion eingeführt. In den Dutch-Disease-Modellen führt es dazu, dass die Verdrängung des industriellen Sektors durch die Ressourceneinnahmen zu einer Verringerung des Einkommens in der Folgeperiode aufgrund einer niedrigeren Produktion von handelbaren Gütern führt. Der Grund liegt in den geringeren LBD-Effekten die die technische Entwicklung verlangsamt haben.

Krugman (1987) kommt im Rahmen eines endogenen Wachstumsmodells zu einem ähnlichen Ergebnis: Wenn die Einnahmen aus der Ressource lange genug andauern, wandern Teile der industriellen Produktion ins Ausland ab und kommen auch nicht zurück, wenn die Einnahmen versiegen, da die dortigen technologischen Lerneffekte inzwischen weiter fortgeschritten sind.

In beiden hier vorgestellten Modellen spielt die zusätzliche Nachfrage aus den Ressourceneinnahmen die zentrale Rolle, weshalb dieser Mechanismus auch als „spending effect“ bezeichnet wird. Da sie Einnahmen aus Ressourcen als „Transfer vom Ausland“ betrachten, stellt dies folglich lediglich eine Abwandlung des bereits im Kontext von Entwicklungshilfezahlungen ausführlich diskutierten „transfer problem“ dar (siehe beispielsweise Johnson (1958)).

2.1.2. Der resource movement effect

Eine alternative Kategorie von Erklärungsansätzen setzt bei der Allokation der Produktionsfaktoren an. Das erste Modell dieser Art stammt von Matsuyama (1992). Er verwendet ein endogenes Wachstumsmodell mit dem einzigen Faktor „Arbeit“ sowie einem industriellen und einem Agrarsektor. Auch er nimmt industrie-internes Learning by Doing im industriellen Sektor an (formal erfolgt dies durchAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, wobei Mt die Produktivität im industriellen Sektor und XM dessen Output darstellt). Matsuyama modelliert die Entdeckung von natürlichen Ressourcen durch den Anstieg der Produktivität im Agrarsektor, d.h. höhere Erträge in diesem Bereich je Arbeitskraft. Als Folge steigen die Löhne in diesem Bereich und damit der Anteil der Arbeitskräfte, die im primären Sektor beschäftigt sind, während der Anteil in der Industrie abnimmt. Auch hier spielen die LBD-Effekte wieder die zentrale Rolle und führen aufgrund der abnehmenden Größe des industriellen Sektors zu geringerem Wachstum in der Zukunft. Auch wenn die Produktivität des primären Sektors wieder auf den alten Wert sinkt, d.h. die Ressourceneinnahmen wegfallen, bleibt daher dennoch ein komparativer Vorteil im Agrarbereich bestehen,[9] der zu einer weiteren Deindustrialisierung und damit auch zu einer niedrigeren steady-state Wachstumsrate führt.

Der Grund hierfür liegt jedoch – anders als beim spending effect – nicht in der nachfrageinduzierten Aufwertung durch die Einnahmen aus der Ressource, sondern vielmehr in einer Reallokation der Produktionsfaktoren weg vom industriellen Sektor in den boomenden Ressourcen-Sektor (resource movement effect). Sachs und Warner (1995) erweitern Matsuyamas Modell um die klassische Aufteilung der Dutch Disease-Modelle, einen Sektor für jeweils international handelbare und nichthandelbare Güter. Vom Ergebnis her ändert sich an dem Wirkungsmechanismus jedoch qualitativ nichts.

Sie betonen jedoch, dass das Ergebnis entscheidend davon abhängt, dass die LBD-Effekte nur im industriellen Sektor auftreten. Insbesondere bei der Förderung von Öl oder anderen kompliziert zu gewinnenden Rohstoffen ist diese Annahme jedoch problematisch. Torvik (2001) verwendet daher auch ein Modell des allgemeinen Falles, in dem in beiden Sektoren LBD-Effekte generiert werden können. Zusätzlich nimmt er an, dass auch spill-over Effekte zwischen beiden Sektoren auftreten. Dabei kann er zeigen, dass die Ergebnisse von der Art der relativen Größe der verschiedenen LBD-Effekte abhängen. Je nach der gewählten Spezifikation ist auch ein positiver Effekt der Ressourceneinnahme auf den industriellen Sektor möglich. Torvik (2001) zeigt damit, inwiefern die bisherigen DD-Modelle von der gewählten LBD-Spezifikation abhängig sind.

Eine Alternative zu den beschriebenen Learning by Doing-Effekten zur Erklärung des Ressource Curse besteht in der Annahme von positiven Nachfrageexternalitäten für den industriellen Sektor: Dabei wird auf sog. „Big-Push-Modelle“ zurückgegriffen, wie sie in der Entwicklungstheorie schon länger bekannt sind. So formalisieren Murphy et al. (1989) die seit den 40er Jahren bekannte Theorie des „Big Push“, die annimmt, dass eine Ökonomie nicht einfach „aus sich heraus“ eine umfassende Industrialisierung erreichen kann, sondern dass dazu ein „Big Push“, d.h. ein umfangreicher Anstoß von der Nachfrageseite, z.B. durch staatliche Investitionen, benötigt wird. Als zentrale Annahme für die darauf aufbauenden Modelle unterscheiden Murphy et al. zwischen einem „hinterherhinkenden“ Sektor mit konstanten Skalenerträgen und einem „fortschrittlichen“ Sektor, in dem in der Produktion zunehmende Skalenerträge (IRS) vorherrschen. Dies ist für moderne Industriegüter sicher eine plausible Annahme, wenn man die hohen Entwicklungskosten im Vergleich zu den relativ geringen Grenzkosten in der Massenproduktion sieht. Als Folge dieser beiden konkurrierenden Produktionstechnologien ist die Massenproduktion im „modernen“ Sektor erst ab einer bestimmten Größe d.h. Nachfrage lohnenswert, so dass ein weniger entwickeltes Land aufgrund der geringeren anfänglichen Nachfrage nur geringe Chancen hat, dass sich ein moderner Sektor entwickelt. So schreibt Krugman (1997, S.28) beispielsweise: “...late nineteenth-century California was a resource based economy with limited manufacturing largely because the local market was too small to support much industry”. Jeder einzelne Unternehmer berücksichtigt nämlich in seinem Kalkül nicht, welche positiven Effekte seine Produktionsausweitung auf die Nachfrage der anderen Unternehmer hat. Je höher folglich die gesamte Nachfrage im industriellen Sektor, desto höher ist der gesamte Output und damit das gesamtgesellschaftliche Einkommen. Diese positive Nachfrageexternalität, die sich aus der Annahme der IRS ergibt, spielt hier auch die entscheidende Rolle. Sachs and Warner (1999) erklären anhand eines solchen Modells den Effekt von gestiegenen Ressourceneinnahmen: Ebenso wie im vorherigen Fall führt die Erhöhung der Nachfrage zu einer Bewegung von Produktionsfaktoren - hier Arbeit - weg aus dem Sektor für international handelbare Güter. Wenn man nun, wie Sachs und Warner, IRS für diesen Sektor annimmt, so führt dies zu weiteren Nachfrageausfällen, und eine negative Spirale kommt in Gang, das Gegenstück des „Big Push“, der die beschriebene positive, selbst verstärkende Entwicklung darstellt.

2.1.3. Weitere ökonomische Ansätze

Letztlich sehen alle ökonomischen Erklärungsansätze eine gewisse Form des „Crowding Out” durch die natürlichen Ressourcen (NR) als Problem an: die inländische Produktion wird durch die natürliche Ressource teilweise verdrängt. Neben den bereits genannten Erklärungsansätzen über die Nachfrageseite bzw. die Abwanderung von Arbeitskräften aus dem industriellen Sektor wurden weitere Ansätze diskutiert: Gylfason et al. (1999) und Gylfason (2001) versuchen beispielsweise, ausgehend von dem empirisch signifikanten Zusammenhang zwischen dem Anteil natürlicher Ressourcen und dem Stand des Bildungssystems eine dahingehende Erklärung zu finden. Demnach führt eine Ausweitung der natürlichen Ressourcen, die typischerweise mit wenig bildungsintensiven Arbeitsplätzen verbunden sind (abgesehen von einer geringeren Zahl spezialisierter Arbeitsplätze, z.B. im Bereich der Ölförderung), zu einer weniger starken Bedeutung der Bildung für die gesamte Ökonomie. Als Folge sinken die Anreize, in Humankapital zu investieren, da dessen erwartete Erträge abnehmen. Empirisch ist der Zusammenhang jedoch aufgrund eines Kausalitätsproblems problematisch. Es ist nämlich ebenso plausibel, dass ein niedrigerer Bestand an Humankapital einen größeren komparativen Vorteil im Primärbereich bedeutet und so dessen Ausbau fördert. Ein hoher Anteil des primären Sektors wäre somit die Folge von einer und nicht der Grund für eine schwache Wettbewerbsposition und könnte dadurch mit niedrigeren Wachstumsraten verbunden sein. Zudem bleibt der negative Zusammenhang zwischen NR und Wachstum auch dann noch bestehen, wenn man für diesen indirekten Effekt über das Bildungsniveau kontrolliert, d.h. der Koeffizient von NR bleibt signifikant und erklärt ca. 60% des Gesamteffekts. Insofern kann dieser Ansatz nicht als eine umfassende, den Resource Curse erklärende Theorie gelten.

Ein weiterer von Gylfason und Zoega (2002) vorgeschlagener Ansatz betrachtet die Auswirkungen der Ausweitung des Ressourcen-Sektors auf die Sparquote und dadurch auf den Kapitalstock. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass Naturkapital neben Humankapital auch Realkapital verdrängt, indem es die Nachfrage nach Kapital senkt. Sie verwenden dazu ein einfaches Solow-Wachstumsmodell, dem neben Kapital und Arbeit einfach „Natur“ als Produktionsfaktor hinzugefügt wird. Dabei werden implizit zwei Annahmen getroffen: Erstens ist der Anteil des NR-Sektors am Gesamt-Output konstant und zweitens werden keine speziellen Eigenschaften der natürlichen Ressourcen wie die leichte Appropriierbarkeit und ein hoher Exportanteil berücksichtigt. Zudem sind die empirischen Ergebnisse bislang wenig überzeugend, weshalb diese indirekten Erklärungsansätze des Resource Curse hier nicht weiter verfolgt werden.

2.2. Politische Erklärungsansätze

Neben den vorgestellten ökonomischen Erklärungsansätzen, die zum einen die Nachfrageseite, zum anderen den Effekt auf die Allokation der Produktionsfaktoren als direkten Effekt untersuchen, gibt es weitere, differierende Ansätze.[10] Sie betonen eher die Anreizwirkungen der Ressourceneinnahmen auf Unternehmer und Politiker. Dabei spielen insbesondere zwei Charakteristika von Ressourceneinnahmen eine Rolle: Zum einen werden die Einnahmen zu einem großen Teil vom Staat für sich beansprucht.[11] Zum anderen sind vor allem Ressourcen wie Öl oder Mineralien aufgrund ihres hohen Exportanteils häufig der einzige Fremdwährungslieferant. Dadurch entfallen Währungs- und Inflationsrisiken, wie sie z.B. für die Erlöse auf dem inländischen Markt oder auch für Staatseinnahmen kennzeichnend sind. Daher sind Ressourcenexporte ein besonders umkämpftes Feld. Die Ansätze lassen sich grob in solche, in denen Rent Seeking die entscheidende Rolle spielt, sowie in jene, die das Verhalten des Staates bzw. der Regierung im Wettbewerb um Macht modellieren, unterteilen.

2.2.1. Rent Seeking Ansätze

Anne Krueger (1974) prägte den Begriff des Rent Seeking als Konkurrenz um ökonomische Renten und analysierte die Wohlfahrtsverluste, die durch die unproduktive Aufwendung von Ressourcen entstehen. Bhagwati (1982) bezeichnet derartige Tätigkeiten als „directly unproductive, profit seeking activities“; der gewinnmaximierende Gedanke ist also ein expliziter Bestimmungsgrund. Krueger zeigt, dass die Bedeutung des Rent Seeking enorme Ausmaße annehmen kann. So schätzt sie bspw. die Ausgaben für Rent Seeking um Importquoten in der Türkei auf 15% des BSP im Jahr 1968. Für den Bereich der Natürlichen Ressourcen schätzt Auty (2000), dass die Renten typischerweise 13-23% des BIP ausmachen[12]. Die erwarteten Erträge entstehen dabei aus einer ökonomischen Rente, definiert als „a receipt in excess of the opportunity cost of a resource“ (Tollison 1982, S. 577). Im Kontext natürlicher Ressourcen ist dieser mögliche Ertrag sogar noch offensichtlicher als für die genannten Importquoten: er ergibt sich aus der Differenz zwischen internationalen Marktpreisen und Förderkosten, und kann durch Eigentum der Ressource, Lizenzen zu deren Gewinnung oder umverteilende Maßnahmen des Staates aus Ressourceneinnahmen erreicht werden.

Lane und Tornell (1996) untersuchten als erste den Zusammenhang von Rent Seeking und natürlichen Ressourcen im Rahmen ihrer Analyse des Einflusses „mächtiger“ Gruppen auf die Fiskalpolitik. In ihrem Grundmodell kommen sie dabei zu dem Ergebnis, dass ein Anstieg der Produktivität zwar zu mehr Wachstum und höheren Staatseinnahmen und -ausgaben führt. Unterstellt man jedoch mehrere mächtige Interessengruppen, die sich um staatliche Zuwendungen bemühen, so führt dies zu einer überproportionalen Nachfrage nach Transferleistungen aufgrund des starken Wettbewerbs unter den Interessengruppen. Es entsteht bei den Gruppen eine Art „Futterneid“ (feeding frenzy) um die zusätzlich zu verteilenden Einnahmen. Als Folge steigt der Steuersatz für Investitionen, was zu einer sinkenden Rendite führt und den anfänglich positiven Effekt ins Negative verkehrt, da die gesunkenen Investitionen das Einkommen wiederum negativ beeinflussen. Als einen möglichen Auslöser der Produktivitätssteigerung sehen sie plötzliche Einnahmen aus einer Ressource. Tornell und Lane (1999) argumentieren in einem ähnlichen Kontext, wobei sich bei ihnen der letztendlich negative Effekt daraus ergibt, dass der gestiegene Steuersatz zu einer Verlagerung von Firmen formalen Sektors in den informellen, nicht besteuerbaren Sektor führt. Beiden Modellen ist gemein, dass sie Ressourceneinnahmen lediglich als einen möglichen Fall einer exogenen „Produktivitätssteigerung“ betrachten. Dies ist im Modell von Leite und Weitmann (1999) ebenso der Fall. Sie untersuchen den Zusammenhang von Ressourcenreichtum und Korruption. In der Tat ist insbesondere in Entwicklungsländern Korruption eine der wichtigsten Rent Seeking-Aktivitäten (Mbaku 1992, S. 250) und verdient somit besondere Aufmerksamkeit. Leite und Weitmann betrachten Korruption als endogene Variable die sich – analog zu jeder anderen ökonomischen Aktivität – aus dem erwarteten Gewinn ergibt. Dabei spielt insbesondere der mögliche Ertrag sowie die Wahrscheinlichkeit ertappt zu werden, und die daraus resultierende Strafe eine Rolle. Die „Erträge“ der korrupten Bürokraten entstehen dabei aus Bestechungsgeldern, die als notwendig für Investitionen, sozusagen als „Investititions-Steuer“, betrachtet werden. Im Rahmen eines allgemeinen Gleichgewichtsmodells führt hierbei ein positiver Technologieschock (als solcher kann die natürliche Ressource in diesem Kontext nur modelliert werden) zu einem Anstieg der Korruption aufgrund der Erwartung höherer Erträge. Die gestiegene Korruption wiederum wirkt wie eine erhöhte Steuer auf Investitionen, so dass im langfristigen Gleichgewicht ein niedrigerer Kapitalstock (und damit auch ein geringerer Output) die Folge ist.

Neben der Berücksichtigung von Rent Seeking-Aktivitäten quasi als „Steuer“ gibt es einen weiteren Ansatz, der als kritischen Faktor den Produktionsfaktor „Unternehmertum“ betrachtet. So argumentieren Murphy, Shleifer und Vishny (1991), dass insbesondere die Berufsentscheidung von talentierten und gut ausgebildeten Menschen über die Produktivität und damit über das Wirtschaftswachstum entscheiden. Sind aus gesellschaftlicher Sicht unproduktive Tätigkeiten, wie z.B. Rent Seeking, im Vergleich zu produktiven Tätigkeiten rentabler, so führt dies zu einer weniger produktiven Entwicklung. Murphy, Shleifer und Vishny (1991) illustrieren ihre Theorie, indem sie „produktiven“ Ingenieuren „unproduktive“ Rechtsanwälte gegenüberstellen. Dieser Vergleich lässt sich ohne weiteres auf Rent Seeking-Aktivitäten gegenüber produktiven Tätigkeiten als Unternehmer anwenden.

Baland und Francois (2000) verwenden eine ähnliche Argumentation, indem sie ein klassisches Dutch Disease-Modell um diesen Effekt erweitern. Dabei gehen sie von der unter 2.1.1. beschriebenen Nachfrageerhöhung aus, die infolge von Ressourceneinnahmen auftritt, und bestimmen endogen den Wert von Importquoten (d.h. Rechten, Importe bis zu einer bestimmten Menge zu verkaufen). Da die gestiegene Nachfrage wie unter 2.1.1. beschrieben zu einer Preissteigerung gegenüber dem Ausland führt (reale Aufwertung), steigt der Wert der Importlizenzen. Daher werden die Rent Seeking-Aktivitäten um diese Lizenzen attraktiver. Die gestiegenen Erträge aus dieser unproduktiven Tätigkeit wiederum veranlassen einige Unternehmer, die zuvor noch produktiv tätig waren, dazu, stattdessen in den Wettbewerb um die Importquoten einzutreten. Dadurch sinken die Gewinne im produktiven Sektor und damit auch die Nachfrage, so dass sich das Einkommen verringert.

Torvik (2002) entwickelt ein ähnliches Modell, wobei jedoch die Rente direkt die Erträge des Rent Seeking bestimmt. Diese Annahme erscheint plausibler als der „Umweg“ über den Wert von Importquoten, zumal die Erlöse aus dem Verkauf von natürlichen Ressourcen zumeist staatlich kontrolliert werden können. Dies geschieht in der Praxis auf unterschiedlichste Weise: Verkauf von Lizenzen zur Extraktion der Ressource, Förderung durch staatliche oder halbstaatliche Unternehmen bis hin zum Verkauf von sog. „booty futures“ (Ross 2002), d.h. Optionen auf die Erschließung von Ressourcen im Falle einer Machtübernahme. Daher kann die Annahme des direkten Wettbewerbs um die Ressourcenrenten als sinnvoll angesehen werden. Torvik (2002) kommt zu einem ähnlichen Ergebnis wie Baland und Francois (2002), allerdings ohne die Annahme über die Nachfragewirkungen treffen zu müssen. Die gestiegenen Ressourcenrenten erhöhen direkt die Erträge aus (unproduktiven) Rent Seeking-Aktivitäten und senken dadurch den Anteil der produktiv tätigen Unternehmer, was das Einkommen im Vergleich zur Situation ohne „Ressourcenboom“ verringert.[13] Darauf aufbauend entwickeln Mehlum, Moene und Torvik (2002) ihr Modell, in dem als zusätzlicher Bestimmungsfaktor für die Erträge des Rent Seeking das institutionelle Umfeld berücksichtigt wird. Erst dadurch ergeben sich unterschiedliche Reaktionen, die ein Ressourcenboom zur Folge haben kann. Die in der Einleitung angesprochene Frage, weshalb manche Länder mit Ressourcenreichtum besser umgehen können als andere, lässt sich so (im Gegensatz zu den bisher vorgestellten Modellen) erstmals beantworten. Daher dient dieses Modell auch als Grundlage der theoretischen Analyse in Kapitel 3 und wird dort ausführlich diskutiert werden.

2.2.2. Policy making

Die im vorhergehenden Kapitel vorgestellten Theorien stellen die Ressourcenrente und die davon abgeleiteten Anreize für „Unternehmer“ in den Vordergrund und zeigen, wie diese zu einem „Fluch der natürlichen Ressourcen“ führen können. Daneben gibt es eine Reihe von Ansätzen, die die Auswirkungen von Ressourceneinnahmen auf das Verhalten der politischen Akteure und die daraus entstehenden Konsequenzen für die Politik untersuchen. Auty (2001) unterscheidet zwischen „developmental states“, die eine positive Entwicklung voranbringen wollen, von solchen, die dies nicht als Ziel haben (sog. „predatory states“). Er benennt mehrere Gründe, weshalb ressourcenarme Länder eher ein entwicklungsorientiertes politisches System aufweisen: Zum einen zwingt Ressourcenarmut zu Marktdisziplin im Umgang mit den Ressourcen, außerdem sind aufgrund der Notwendigkeit von Importen sind geringe Handelsrestriktionen zu erwarten. Daneben wird die Notwendigkeit einer wettbewerbsfähigen industriellen Entwicklung eher eingesehen werden und somit auch politisch stärker forciert werden. Die Frage nach den genauen Beweggründen und Motivationen für die politischen Entscheidungsträger bleibt in der Analyse von Auty jedoch unbeachtet. In der Tat identifizieren Lal und Myint (1996) “...policy failure as the prime cause of the underperformance of the resource abundant countries (S. 132)”. Das erste theoretische politökonomische Modell, das in diese Richtung zielt, wurde erst von Robinson, Torvik und Verdier (2002) entwickelt. Darin analysieren sie das Verhalten von zwei Parteien im Wettbewerb um Wählerstimmen. Dabei werden Ressourceneinnahmen als Mittel zur Beeinflussung von Wahlergebnissen durch die jeweilige Regierung gesehen. Als Ergebnis wird der „Extraktionspfad“, d.h. die zeitliche Struktur des Abbaus von Ressourcenvorkommen derart von der Regierung geändert, dass der Abbau schneller erfolgen wird, als es gesellschaftlich optimal wäre. Der Grund liegt in der positiven Auswirkung der zusätzlich möglichen Staatsausgaben auf die Wahrscheinlichkeit, wieder gewählt zu werden. Als weiterer Effekt ergibt sich ein Anstieg der Beschäftigten im öffentlichen (als weniger produktiv angenommenen) Sektor, forciert durch die staatlichen Mehreinnahmen, während sie im privatwirtschaftlichen Sektor abnimmt. Daraus lässt sich wiederum ein Wohlfahrtsverlust ableiten. Interessanterweise hängt das Ergebnis – ähnlich dem in Kapitel 3 vorgestellten Modell – entscheidend vom institutionellen Umfeld ab. Als Schwachpunkt des Modells bleibt jedoch anzumerken, dass es für den allgemeinen Zusammenhang zwischen Ressourcen und Wachstum als zu speziell erscheint. So ist die staatliche Entscheidungsgewalt über die „Extraktionsgeschwindigkeit“ – die entscheidende Variable in diesem Modell – sowohl zwischen einzelnen Ländern als auch zwischen unterschiedlichen Ressourcen sehr unterschiedlich.

[...]


[1] Hirschman (1958), S.1

[2] Smith (1776), S.42

[3] Naturkapital ist ein Maß für den Reichtum an natürlichen Ressourcen, das versucht, diesen ähnlich wie physischem Kapital zu bewerten (vgl. World Bank 1998)

[4] Agrarprodukte generieren zwar keine Ressourcenrente in diesem Sinne. Man kann jedoch „Boden“ oder „fruchtbaren Boden“ oder auch klimatisch besonders günstige Gegebenheiten als Ressource für die Herstellung von Agrarprodukten und damit indirekt als natürliche Ressource ansehen.

[5] Der Begriff tauchte zum ersten Mal in einem Artikel des „Economist“ von 26. November 1977 (S.82-83) auf, der die Konsequenzen von bedeutenden Gasvorkommen im zu den Niederlanden gehörenden Teil der Ostsee behandelte.

[6] Die Gegenüberstellung von ökonomischen und politischen Erklärungsansätzen dient hier nur der besseren Unterscheidung. Im weiteren Sinne sind auch die politischen Erklärungsansätze, die das ökonomische Kalkül der Akteure als zentrales Element enthalten „ökonomische“ Ansätze.

[7] Die Unterscheidung von international handelbaren und nicht-handelbaren Gütern ist für die folgenden Ausführungen zentral. Handelbare Güter stellen dabei typischerweise Industrieprodukte da (weshalb beide Begriffe häufig synonym verwendet werden, siehe z.B. Van Wijnbergen (1984), S. 41), die exportiert werden können. Nicht-handelbare Güter dagegen umfassen vor allem Dienstleitungen und einfachere Konsumgüter, die lokal relativ leicht produzierbar sind (das klassische Beispiel hierfür ist der Friseursbesuch).

[8] Bei dauerhaften Ressourcenerträgen bleibt das inländische Preisniveau auf dem höheren Niveau und verstärkt den vorgestellten Effekt somit noch weiter.

[9] Matsuyama nimmt an, dass die Produktivität im Agrarsektor A konstant ist. Wenn im Rest der Welt sich A* bzw. MT* im Gleichgewicht einstellen, so besteht der komparative Vorteil, da MT’<MT und somit A’/MT’ = A*/MT’ > A*/MT* gilt, d.h. das Land einen relativen Produktivitätsvorteil im Agrarbereich hat und behalten wird.

[10] Beiden Klassen von Ansätzen liegt jedoch –anders als die Unterscheidung in politische und ökonomische Ansätze vermuten lässt- ökonomisches Kalkül zugrunde, so dass auch die hier beschriebenen Modelle letztlich ökonomische Modelle darstellen und die Unterscheidung nur der Verdeutlichung dient.

[11] So betrug der Anteil der Rente aus der Erdölproduktion, der durch Steuern, Förderzinsen, Dividenden und Staatsunternehmen an den Staat in Russland beispielsweise im Jahr 1998 insgesamt 67,2% (Auty 2001)

[12] Auty (2000), S. 844.

[13] Der Grund für den hier nur angedeuteten Effekt einer gesunkenen Zahl von produktiv tätigen Unternehmern auf das Volkseinkommen hängt mit den getroffenen Annahmen über die Produktion in den verschiedenen Sektor zusammen. Diese wird ausführlich in Kapitel 3 erörtert, da sie auch dem dort vorgestellten Modell zugrunde liegt.

Ende der Leseprobe aus 66 Seiten

Details

Titel
Der Fluch natürlicher Ressourcen. Eine wirtschaftspolitische und politökonomische Analyse
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Finanzwissenschaft)
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
66
Katalognummer
V88553
ISBN (eBook)
9783638029582
ISBN (Buch)
9783638927604
Dateigröße
2218 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fluch, Ressourcen
Arbeit zitieren
Johannes Emmerling (Autor:in), 2005, Der Fluch natürlicher Ressourcen. Eine wirtschaftspolitische und politökonomische Analyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88553

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