Die Rolle der Gerechtigkeit im utilitaristischen Nutzenprinzip


Hausarbeit, 2005

19 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Der Status der Gerechtigkeit im Nutzenprinzip
2.1 Nutzen der Gerechtigkeit
2.2 Der abnehmende Grenznutzen

3 Kritik am Utilitarismus
3.1 Menschenrechte
3.2 Verteilungsgerechtigkeit
3.3 Folgen
3.4 Das Individuum

4 Der humane Utilitarismus
4.1 Einbezug externer Präferenzen
4.2 Rationalität
4.3 Das Erreichen einer idealen Präferenzlage
4.4 Sicherung gesamtgesellschaftlicher Interessen

5 Schluss

6 Zusammenfassung

7 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Diese Arbeit befasst sich mit der Bedeutung von Gerechtigkeit innerhalb des Nutzenprinzips. Es soll eine Antwort auf die Frage, welche Rolle Gerechtigkeit im Utilitarismus spielt, gegeben werden. Dem Utilitarismus werden schwerwiegende Vorwürfe bezüglich eines Gerechtigkeitsdefizites gemacht. Im Gegenzug versuchen auch heute noch Theoretiker, dieses Defizit zu beseitigen und den Utilitarismus zu verteidigen. Hier soll ein Teil des Verlaufs von Vorwurf und Verteidigung aufgegriffen und die Positionen für und wider den Utilitarismus dargestellt werden, um als Fazit eine Möglichkeit des Einbezugs moralischer Institutionen in das Nutzenprinzip zu erhalten.

Den generellen Status der Gerechtigkeit im Nutzenprinzip klärt Kapitel 2, wobei die ersten Probleme einer Vereinbarkeit der Prinzipien und der Hierarchisierung deutlich werden. Das Kapitel zeigt dennoch nicht minder Vorteile, da sich – wie sich zeigen wird – Gerechtigkeit und spezifische Verteilungsgerechtigkeit aus dem Nutzenprinzip ableiten und sogar erklären lassen. Als Basis für diese Einführung in die Problematik dient Otfried Höffes „Einführung in die utilitaristische Ethik“.

Im dritten Kapitel werden schwerwiegende Vorwürfe gegen den Utilitarismus mit Hilfe von Günter Ellscheids kritischem Text „Über das Gleichheitsprinzip des klassischen Utilitarismus“ gesammelt. Dabei wird hauptsächlich auf die Problematiken der Konzeption von Menschenrechten, der Verteilungsgerechtigkeit und der Rolle des Individuums im Utilitarismus eingegangen. Schließlich zeigt das Kapitel das Problem des mangelnden Minderheitenschutzes und wirft dem Utilitarismus einen Mangel an Menschlichkeit vor, weil er die Nutzenabwägungen zur Basis erklärt.

Das vierte Kapitel stellt eine Form der Verteidigung vor. Es bezieht sich auf Bernward Gesangs „Eine Verteidigung des Utilitarismus“. Gesang versucht, den Utilitarismus – ohne seine Grundlagen zu ändern – durch die Konzeption eines humanen Utilitarismus eine Brücke zwischen moralischen Institutionen und dem Utilitarismus zu schlagen. Dieses Kapitel stellt die Instrumente des humanen Utilitarismus vor und soll damit meine These stützen, dass das Nutzenprinzip ohne eine Erweiterung um gleichrangige Prinzipien fähig ist, Gerechtigkeit zu gewährleisten.

2 Der Status der Gerechtigkeit im Nutzenprinzip

Der Utilitarismus ist eine vor allem von J. Bentham und J. S. Mill begründete Ethik, die auf dem normativen Prinzip der Nutzenmaximierung beruht. Auf die Frage, welches Handeln moralisch richtig ist, antwortet er mit der Forderung an jeden Einzelnen, so zu handeln, dass die Folgen der Handlung für alle Betroffenen bestmöglich ausfallen1. Richtiges und falsches Handeln wird ausschließlich in Bezug auf die Folgen, die aus der Handlung entstehen, beurteilt: eine Handlung ist gut, wenn sie eine größtmögliche Interessen- bzw. Präferenzerfüllung erzielt, hingegen schlecht, wenn sie Unlust oder Frustration bereitet2, wobei Lust und Unlust gegeneinander aufgerechnet werden können3. Bentham beschreibt das Prinzip der Nützlichkeit wie folgt:

„Unter dem Prinzip der Nützlichkeit ist jenes Prinzip zu verstehen, das schlechthin jede Handlung in dem Maß billigt oder mißbilligt, wie ihr die Tendenz inne wohnen scheint, das Glück der Gruppe, deren Interesse in Frage steht, zu vermehren oder zu vermindern, oder - das gleiche mit anderen Worten gesagt – dieses Glück zu befördern oder zu verhindern. Ich sagte: schlechthin jede Handlung, also nicht nur jede Handlung einer Privatperson, sondern jede Maßnahme der Regierung. (Bantham, 2003: 56)

Ziel ist eine hinsichtlich gesamtgesellschaftlichen Interessen möglichst positive Bilanz. So ist es das Wohl der gesamten Gesellschaft und nicht das des Einzelnen, welches bei jeder Handlung zählt4. Einen kurzen utilitaristischen Imperativ formuliert Höffe wie folgt: „Handle so, dass die Folgen deiner Handlung bzw. Handlungsregel für das Wohlergehen aller Betroffenen optimal sind.“ (Höffe, 2003:11). Durch die auf diese Weise abgewogenen Handlungsoptionen soll eine für die Gesellschaft – auch im Konfliktfall – größtmögliche Nutzenmaximierung erzielt werden.

Der Utilitarismus steht durch seine Nutzenabwägung gegebenen Normen und Institutionen zu jeder Zeit kritisch, jedoch nicht unbedingt ablehnend gegenüber. Wenn das Nutzenprinzip zwar Gegebenheiten in Frage stellt, begründet es gleichsam unter Umständen auch moralische Vorstellungen der Gesellschaft.

Was ist nun aber Gerechtigkeit und welche Bedeutung besitzt sie innerhalb des Utilitarismus? Dem Wörterbuch zur Politik zufolge ist Gerechtigkeit „ein vieldimensionaler, zentraler moralischer Maßstab des gesellschaftlichen Lebens, dessen Kern das Bestreben ist, jedem dem ihm nach bestimmten übergeordneten Normen zustehenden Teil zukommen zu lassen.“ (Schmidt, 2004: 262) Dabei ist „Gleichheit [ein] elementarer Bestandteil aller Theorien über Form und Begründung gerechter Ordnungen und des Strebens nach Gerechtigkeit.“ (Schmidt, 2004: 282) Welche Rolle kann ein auf Moral basierendes Prinzip innerhalb des Nutzenprinzips spielen? Wie lässt sich Gleichheit und eine gerechte Ordnung mit dem utilitaristischen Prinzip vereinen? Mill beantwortet diese Fragen wie folgt:

Während ich jeder Theorie entgegentrete, die ein Prinzip der Gerechtigkeit aufstellt, das nicht auf Nützlichkeit gegründet ist, bin ich andererseits jedoch der Meinung, dass die Gerechtigkeit, die auf Nützlichkeit gegründet ist, denHauptteil und den unvergleichlich bedeutsamsten und verbindlichsten Teil der Moral ausmacht“ (Mill, 2000: 103)

Aus dem Prinzip der Nutzenmaximierung kann eine moralische Institution wie Gerechtigkeit abgeleitet werden. Solange Gerechtigkeit und alle darunter fallenden Normen (wie z.B. Gleichbehandlung) zum Kollektivwohl beitragen, widerspricht sie dem utilitaristischen Denken nicht. Im Gegenteil: ist diese Grundvoraussetzung gegeben, ist Gerechtigkeit sogar mittels utilitaristischer Argumentationslinien begründbar5.

Dennoch gibt es Fälle, in denen Konflikte nicht nach den für uns gängigen moralischen Vorstellungen gelöst werden können, was zu Meinungsverschiedenheiten über die Annehmbarkeit utilitaristischer Erklärungsmodelle geführt hat6.

2.1 Nutzen der Gerechtigkeit

Schließen sich Gerechtigkeit und das Nutzenprinzip jedoch von vornherein nicht aus, muss der Gerechtigkeit ein gewisser Nutzen für das Gemeinwohl zugeschrieben werden können. Welche Art Nutzen kann dies sein bzw. wann kann utilitaristisch begründbar Gerechtigkeit gesamtgesellschaftlich nützlich funktionieren? Drei Möglichkeiten scheinen sich dabei zu ergeben:

Zum einen bewirkt „Gerechtigkeit als Gleichverteilung von Mitteln an Gleichberechtigte […] somit eine bestimmte Art des Nutzens und ist daher utilitaristisch zu rechtfertigen.“ (Gesang, 1998: 7)

Zum anderen ist Gerechtigkeit solange utilitaristisch zu rechtfertigen wie in einem Staat lebende Bürger mehrheitlich Gerechtigkeit als eine erstrebenswerte moralische Institution wahrnehmen. Gerechtigkeit entspräche dabei dem Interesse der Mehrheit und wäre moralisch nicht mehr gefährdet, da eine solche Wahrnehmung unter utilitaristischen Gesichtspunkten als starke Präferenz gälte und auf diese Weise utilitaristisch erklärbar wäre. Bereits dieses Faktum macht Gerechtigkeit innerhalb des Utilitarismus unabdingbar. Verstärkt wird dieses Argument im humanen Utilitarismus deutlich, der in Kapitel vier zur Verteidigung des Utilitarismus herangezogen wird7.

Unter einem dritten Gesichtspunkt unterstützt Gerechtigkeit das Streben nach Wohlfahrt und Sicherheit in einem Staat und ist somit utilitaristisch gerechtfertigt. Jedes zugefügte Leid macht in dieser Hinsicht Abstriche und mindert das kollektive Wohl einer Gesellschaft. Das Leid jedes einzelnen findet somit Eingang in die Gesamtbilanz und muss vermieden werden8. Insofern Gerechtigkeit die Erhöhung des Gesamtnutzens bewirkt, muss das Ziel ein Maximum an Glückserfüllung jedes einzelnen sein.

2.2 Der abnehmende Grenznutzen

Für Gerechtigkeit bei der Verteilung sorgt unterdessen der abnehmende Grenznutzen, der folgendes Prinzip verfolgt: Die Präferenz, etwas Bestimmtes zu bekommen, wird von jemanden, der wenig hat, stärker empfunden als die Präferenz, die derjenige empfindet, der viel hat. Der abnehmende Grenznutzen misst folglich die Stärke der Präferenz des Einzelnen und verhindert eine ungerechte Verteilung bzw. erhöht die Verteilungsgerechtigkeit, um dadurch den gesamtgesellschaftlichen Nutzen zu erhöhen. Je mehr Menschen von einem Gut profitieren können, desto höher fällt die Nutzenbilanz aus. Gerechte Verteilung spielt zur Erhöhung der Nutzenbilanz im Utilitarismus keine geringe Rolle9.

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Rolle der Gerechtigkeit im utilitaristischen Nutzenprinzip
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Politik)
Veranstaltung
Utilitarismus
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
19
Katalognummer
V88549
ISBN (eBook)
9783638068598
ISBN (Buch)
9783638953917
Dateigröße
558 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rolle, Gerechtigkeit, Nutzenprinzip, Utilitarismus
Arbeit zitieren
Anna Fiege (Autor:in), 2005, Die Rolle der Gerechtigkeit im utilitaristischen Nutzenprinzip, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88549

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