Statistische Prozesslenkung zur Qualitätssicherung im Produktionsmanagement


Bachelorarbeit, 2007

32 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Grundlagen der Qualitätssicherung
1.2 Qualitätsregelkarten
1.3 Ursachen für Schwankungen
1.4 Hypothesen
1.5 Ablauf von SPC

2 Normalverteilte Qualitätsmerkmale
2.1 Einleitung
2.2 Bestimmung der Sollwerte
2.3 Bestimmung der Eingriffgrenzen
2.3.1 Die Shewhart-x-Karte
2.3.2 Die Shewhart-s-Karte
2.3.3 Die Shewhart-R-Karte
2.3.4 Die x-s- und die x-R-Karte
2.3.5 Die EWMA-x-Karte
2.3.6 Die x-Annahme-Karte
2.4 Multivariate Qualitätsregelkarten
2.4.1 Multivariate Shewhart-x-Qualitätsregelkarten
2.4.2 Multivariate Shewhart-s-Qualitätsregelkarten

3 Nicht-Normalverteilte Qualitätsmerkmale
3.1 Einleitung
3.2 Auswirkungen bei anderen Verteilungen
3.3 Modifizierte x- und s-Karte
3.4 Qualitätsregelkarten im verallgemeinerten Poisson-Modell

4 Beispiele und Resümee
4.1 W&H Dentalwerk Bürmoos
4.2 W.E.T. Pilisszentivan
4.3 ARCO Steel
4.4 Hilti AG
4.5 Resümee

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1.1 Schema einer Qualitätsregelkarte

Tabellenverzeichnis

1.1 Qualitätsverständnis im Wandel

1.2 Übersicht über verschiedene Pozesssituationen

1.3 Prozessbeurteilung mittels einer Qualitätsregelkarte

Kapitel 1 Einleitung

1.1 Grundlagen der Qualitätssicherung

Einer der wesentlichen Entscheidungsfaktoren beim Kauf von Konsum- und Investi- tionsgütern ist die Produktqualität. Aber auch aus Sicht des produzierenden Unter- nehmens ist die Produktqualität ein wichtiges Merkmal, denn nur durch eine nahezu fehlerlose Produktion ist ein Nachkommen der Verpflichtungen möglich. Um dem ge- recht zu werden, ist eine entsprechende Sicherung der Qualität notwendig, wobei unter Qualitätssicherung alle Maßnahmen verstanden werden, ”dieindeneinzelnenStufen der Wertschöpfungskette zur Erhaltung und Verbesserung der Produktqualität ergriffen werden können.“1 Dabei ist die Qualität einer Organisation, abhängig von Märkten, Strukturen und Kulturen, eine abstrakte Größe.2

Ursprünglich wurde Qualität als Einhaltung bestimmter Grenzwerte verstanden, was jedoch kaum Anreiz zur Verbesserung der Produktqualität geboten hat. Haben sich die Produkte innerhalb einer vorgegebenen Toleranzgrenze bewegt, so hat es kein Be- streben gegeben, über eine Verbesserung des Prozesses nachzudenken. Da jedoch die Kunden immer stärker qualitativ hochwertige Produkte nachfragen, wird es nunmehr als Ziel angesehen, Produkte mit möglichst geringer Streuung um den angestrebten Zielwert zu erzeugen.3

Heutzutage ist es immer wichtiger, die oben angesprochenen Qualitätsnachweise mittels eines Zertifikats von externen, unabhängigen Gutachtern nachzuweisen. In den letzten Jahren haben sich solche Überprüfungen immer weiter entwickelt, und so werden im gesamten Ablauf der Produktion, beginnend beim Materialeingang bis hin zur Lieferung oder zum Service, die Qualitätsanforderungen überprüft.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1.1: Qualitätsverständnis im Wandel6

Um dies zu vereinheitlichen, gibt es auch entsprechende Normen zum Qualitätsmanage- ment, die erstmals 1987 als DIN EN ISO 9000 ff. veröffentlicht und zuletzt durch die DIN EN ISO 9000:2000 ff. überarbeitet worden sind. Darin wird u.a. festgelegt, dass ein Unternehmen ”einQualitätsmanagement-Systementwickelnunddiesesineinem Qualitätsmanagement-Buch niederlegen“ muss.4

Daneben gibt es noch andere Normen, wobei ein Großteil der Betriebe die ISO-Normen verwendet. Dies ist darin begründet, dass die ISO-Normen die umfassendsten sind und auch in der Öffentlichkeit den größten Bekanntheitsgrad aufweisen.5

In Tabelle 1.1 ist zu sehen, wie sich das Qualitätsverständnis von der reinen Produktorientierung hin zum unternehmensübergreifenden Denken in Wertschöpfungssystemen entwickelt und erweitert hat. Nachdem ursprünglich die Sicherstellung der Qualität materieller und immaterieller Produkte als Ziel definiert waren, werden nunmehr die technologischen und ökonomischen Randbedingungen berücksichtigt.6

Um die Qualität nun sicher zu stellen, ist der Einsatz bestimmter Instrumente notwen- dig. Dazu muss ”dieOrganisationdieerforderlichenÜberwachungs-,Mess-,Analyse- und Verbesserungsprozesse planen und verwirklichen, um die Konformalität des Produktes und des Qualitätsmanagementsystems zu gewährleisten und dessen Wirksamkeit ständig verbessern.“7

Hiebei nehmen statistische Verfahren eine wesentliche Rolle ein. Dabei werden be- stimmte Merkmale produzierter Einheiten, die so genannten Qualitätsmerkmale, über- prüft. Diese sollen bestimmten Anforderungen entsprechen, um einerseits ein gleich bleibendes Qualitätsniveau der Fertigungsprodukte sicher zu stellen und um anderer- seits Potenziale der Qualitätsverbesserung zu erkennen und auszunutzen. Letzteres läuft auf einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess hinaus, was einen wesentlichen Faktor im Total Quality Management darstellt.

Diese qualitätssichernden Instrumente werden nun entweder zur Abnahmekontrolle oder zur Fertigungskontrolle eingesetzt, je nachdem, in welchem Stadium des Produktionsprozesses sie zur Anwendung gelangen. In den letzten Jahren hat sich dabei gezeigt, dass die Fertigungskontrolle eine immer wichtigere Rolle einnimt, während die Abnahmekontrolle an Bedeutung verliert, da die Sicherstellung einer einwandfreie Produktion sinnvoller erscheint als das Aussortieren nicht zufrieden stellender fertiger Produkte. In der Fertigungskontrolle, der so genannten statistischen Prozesskontrolle (engl.: statistical process control, SPC) werden Stichproben mit statistischen Verfahren ausgewertet, um den Fertigungsprozess zu überwachen.8

Dafür stehen verschiedene Verfahren zur Auswahl, wie beispielsweise Histogramme, Check sheets, Pareto charts, Scatter Diagramme oder Qualitätsregelkarten, wobei letz- tere am häufigsten eingesetzt werden9 und daher in Abschnitt 1.2 betrachtet werden.

Bevor man jedoch statistische Prozesskontrolle einsetzen kann, muss eine Prozessfähig- keitsuntersuchung durchgeführt werden, um festzustellen, ob der Prozess überhaupt regelbar ist.10

Eine Möglichkeit dazu besteht darin, einen so genannten Prozessfähigkeitsindex zu be- trachten. Dabei ist ein Prozessfähigkeitsindex die ”ToleranzfürdasbetrachteteMerk- mal des Prozessergebnisses dividiert durch die Prozessstreubreite dieses Merkmals“ . Mathematisch formuliert ergibt sich für den Prozessfähigkeitsindex

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dabei bezeichnen U bzw. L den oberen bzw. den unteren Grenzwert und X99.865% bzw. X0.135% die entsprechenden Quantile.11

Im Folgenden setzen wir voraus, dass der Prozess regelbar ist und daher statistische Prozesskontrolle eingesetzt werden kann.

1.2 Qualitätsregelkarten

Fertigungsprozesse können wie bereits erwähnt auf Basis der vorhandenen Daten ana- lysiert werden. Unter Verwendung von Qualitätsregelkarten wird das Verhalten der Prozesse visualisiert und überwacht, um zu erkennen, ob sich ein laufender Prozess sig- nifikant verändert. Um dies auswerten zu können, werden die Streuung und die Lage herangezogen, die wir im Folgenden kurz definieren.12

Betrachten wir dazu

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

wobei F0(x) eine Verteilungsfunktion ist, dann sind ϑ der Lageparameter und δ > 0 der Streuungsparameter dieser Verteilung. Für Mittelwert µ und Varianz σ2 ergibt sich

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

wobei µ0 bzw. [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Mittelwert bzw. Varianz der Verteilung F0 sind. Hier ist zu erken- nen, dass der Mittelwert durch den Streuungsparameter beeinflusst wird. Da es jedoch günstiger ist, wenn dies nicht der Fall ist, wird die Verteilung folgendermaßen modifi- ziert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Somit erhalten wir13

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nachdem wir nun Lage und Streuung hergeleitet haben, kommen wir zur Definition einer Qualitätsregelkarte (QRK). Hier ist anzumerken, dass wir im Folgenden anstatt Qualitätsregelkarte oft einfach nur Karte schreiben. Diese ist ”einFormblattzurgrafi- schen Darstellung von Messwerten und Zählergebnissen oder daraus berechneter, statistischer Kennwerte.“14

Walter Andrew Shewhart entwickelte 1924 die erste Qualitätsregelkarte, die als con- trol chart for fraction of non-conforming units bezeichnet wurde. Nach ihm sind die so genannten Shewhart-Qualitätsregelkarten benannt.15 Beim Einsatz dieser Karten soll ein beherrschter Zustand, der als befriedigend erkannt wird, beibehalten werden. Shewhart-Karten sollen nun zeigen, wenn sich an diesem Sollzustand etwas ändert. Shewhart-Karten können sowohl für diskrete als auch für kontinuierliche Merkmale eingesetzt werden.

Neben Shewhart-Karten spielen noch Annahme-Qualitätsregelkarten eine wichtige Rol- le. Diese werden eingesetzt, wenn bei einem Prozess vorgegebene Grenzwerte überwacht werden sollen, bspw. bei Fertigungen mit Trend oder bei Chargensprüngen. Beim Ein- satz von Annahme-Karten ist es möglich, in einen”Prozess erst dann einzugreifen,wenn

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1.1: Schema einer Qualitätsregelkarte17

die betrachteten Merkmalswerte nicht mehr mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb vorgegebener Grenzwerte liegen.“16

In Abbildung 1.1 ist nun eine Qualitätsregelkarte dargestellt. Dabei werden auf der x- Achse entweder die Nummer der Stichprobe, der Zeitpunkt der Stichprobenentnahme oder eine sonstige Kennzeichnung (bspw. die Chargennummer) aufgetragen und auf der y-Achse die Merkmalsausprägungen, bspw. Kennwerte der Stichprobe bei stetigen Merkmalen oder die Anzahl fehlerhafter Einheiten bei diskreten Merkmalen. Auf der Regelkarte dargestellt sind nun eine Mittellinie M , eine untere und obere Warngrenze (U W G, OW G) sowie eine untere und obere Eingriffsgrenze (U EG, OEG). Warngrenzen werden jedoch nur noch selten verwendet.17

In der laufenden Fertigung werden nun zu bestimmten Zeiten in möglichst gleichen Zeitabständen Stichproben der Größe m entnommen, aus denen jenes Merkmal zu prüfen ist, das in der Qualitätsregelkarte dargestellt werden soll. Bei diskreten Merk- malen kann der Umfang von Stichprobe zu Stichprobe variieren, währenddessen bei stetigen Merkmalen der Stichprobenumfang konstant bleiben muss. In der Praxis wer- den nach Dietrich und Schulze [DS05] zumeist Stichproben in der Größe von m = 5 gezogen, nach Lin [Li01] in der Größe von m = 4 bis 10. Nach dem Eintragen der Ur- oder Kennwerte in die Qualitätsregelkarte können folgende 3 Fälle auftreten:

(a) Die Ur- bzw. Kennwerte liegen innerhalb der Warngrenzen.
(b) Die Ur- bzw. Kennwerte liegen außerhalb der Warngrenzen aber innerhalb der Eingriffsgrenzen.
(c) Die Ur- bzw. Kennwerte liegen außerhalb der Eingriffsgrenzen.

Während in Fall (a) die Fertigung ohne weitere Maßnahmen weiterläuft, läuft sie in Fall (b) zwar auch weiter, sie ist jedoch häufiger zu prüfen, ggf. sollte sofort eine neue Stichprobe gezogen werden. In Fall (c) ist die Fertigung neu einzustellen und ggf. sind die seit der letzten Prüfung gefertigten Teile auszusortieren.18

Um die Qualitätssicherung über einen größeren Zeitraum dokumentieren zu können, wenn an Einheiten mehrere Fehlerarten qualitativ überwacht werden sollen, werden Fehlersammelkarten verwendet. Dabei erhält man bspw. Auswertungen über die Qua- litätsgeschichte von Zulieferungen oder den mittleren Fehleranteil von Zulieferungen.19

Für die Auswertung von Qualitätsregelkarten wird in der Praxis häufig die mittlere Lauflänge ARL (engl.: average run lengths) verwendet, welche die erwartete Anzahl der Stichprobenentnahmen bis zum ersten Alarm (also Überschreiten der OEG oder Unterschreiten der UEG) angibt.20

1.3 Ursachen für Schwankungen

Nachdem wir nun grundsätzlich wissen, wie man Schwankungen im Fertigungsprozess auf einer Qualitätsregelkarte erkennt, ist es natürlich interessant, die Ursachen dafür zu kennen.

Die Herstellung eines Produktes wird von vielen Faktoren beeinflusst, wodurch es in keinem Fertigungsprozess exakt identische Produkte gibt. Die auftretenden Ursachen für Fehler in der Fertigung können hinsichtlich Prozessbeherrschung in die Kategorien zufällig, systematisch und nachweisbar eingeteilt werden. ”ZufälligeUrsachenwerden durch den Fertigungsprozess selbst verursacht und können nicht vermieden werden.“ Ein Fertigungsprozess, bei dem nur die zufälligen Ursachen vorliegen, befindet sich unter statistischer Kontrolle. Solche Prozesse werden oft als beherrschte Prozesse be- zeichnet.

”SystematischeUrsachen,wiez.B.diegesamtenVerschleiß-undErmüdungserscheinun- gen bewirken eine systematische Veränderung.“ Wie die zufälligen Ursachen können systematische Ursachen nicht vermieden werden, können jedoch durch organisatorische Maßnahmen begrenzt werden.

”NachweisbareUrsachenentsprechenplötzlichenVeränderungenwährenddesFerti- gungsprozesses. Wenn die beiden letzten Ursachen bei einem Fertigungsprozess vorlie-

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1.2: Übersicht über verschiedene Pozesssituationen21

gen, befindet sich der Fertigungsprozess außer statistischer Kontrolle.“22

Die Fertigungskontrolle hat nun die Aufgabe, die nachweisbaren Ursachen möglichst schnell in einem laufenden Produktionsprozess zu entdecken und Methoden zu ent- wickeln, um deren Auftreten zukünftig zu verhindern. Zusätzlich sollen die systema- tischen Ursachen beobachtet werden, um gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen zu deren Begrenzung einleiten zu können. Außerdem soll das Ausmaß der zufälligen Ursachen erkannt werden, um, falls notwendig, d.h. falls die vorgesehene Toleranz überschritten wird, Änderungen zu entwerfen, die das Ausmaß reduzieren.

Grundsätzlich ist es beinahe unmöglich, alle systematischen und nachweisbaren Ursachen zur Gänze zu beseitigen, mit Hilfe von Qualitätsregelkarten können jedoch die Ursachen möglichst früh erkannt werden.23

Bisher haben wir die Prozessbeherrschung betrachtet, nun kommt noch die Qualitäts- fähigkeit dazu. ”EinqualitätsfähigerProzessistgeeignet,Einheitenzuerzeugen,diedie Qualitätsforderung erfüllen und deren Merkmalswerte innerhalb spezifizierter Grenzwerte liegen.“ Daraus ist ersichtlich, dass ein qualitätsfähiger Prozess praktisch keinen Ausschuss liefert.

In Tabelle1.2 sind die verschiedenen Prozesssituationen zusammengefasst. Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, dass Zustand A der beste Zustand ist, da der Prozess unter sta- tistischer Kontrolle und qualitätsfähig ist, wohingegen Zustand D genau das Gegenteil davon darstellt, jedoch praktisch keine Bedeutung hat. In Zustand B ist es notwendig, den Prozess derart zu verbessern, dass er in Zustand A kommt, oder eine Sortierprüfung einzuführen. Bleibt noch Zustand C, für dessen Beherrschung zunächst der Zusammen- hang zwischen den Einflüssen auf den Prozess und der Verteilung der Merkmalswerte zu untersuchen ist. Dafür eignen sich die oben definierten Qualitätsregelkarten.24

1.4 Hypothesen

Bevor wir im nächsten Kapitel zum Entwerfen von Qualitätsregelkarten kommen, müssen wir zuvor noch festlegen, welche Hypothesen getestet werden und welche Ent- scheidungen zu treffen sind. Dazu sei M jene Zufallsvariable, die die Ausprägung eines Qualitätsmerkmals beschreibt. Ausgehend von der Verteilungsfunktion (1.1) sei

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

die Verteilungsfunktion von M im Zeitraum T . Da wir annehmen, dass M stetig verteilt ist, ergibt sich die Dichtefunktion

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

wobei f0(x) die Dichtefunktion von M0 ist. Dabei bezeichnet M0 die Zufallsvariable unter der Bedingung, dass nur zufällige Ursachen beim Prozess vorliegen, der Prozess also einwandfrei ist.

Betrachten wir eine Stichprobe [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] im Zeitraum T , wobei die Länge des Zeitraums so gewählt wird, dass sich innerhalb des Zeitraums die Verteilung nicht ändert. Dann sind alle Komponenten von XT unabhängig identisch verteilt. Der Fer- tigungskontrolle fällt nun die Aufgabe zu, auf Basis einer Realisation der Stichprobe [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] zu beurteilen, ob die Verteilung des Merkmals M im Zeitraum T von F0(x) abweicht und wie diese Abweichung beschaffen ist. Im Folgenden betrachten wir eine Stichprobe immer im Zeitraum T , weshalb wir den Index T aus Übersichtsgründen weglassen.

Da bei einem Fertigungsprozess die Art der Fehlerursache untersucht werden soll, werden Lage und Streuung getrennt kontrolliert. Zur Überprüfung der Lage setzen wir den Streuungsparameter δ = 1 und es resultiert

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

wohingegen wir zur Überwachung der Streuung den Lageparamter ϑ = 0 setzen, und die Verteilungsfunktion F (x) = F0

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

erhalten. In beiden Fällen ist F0 die Verteilungsfunktion des Merkmals im einwandfreien Fertigungsprozess. Nun ist mit Hilfe einer Realisation [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] der Stichprobe aus dem laufenden Prozess zu überprüfen, ob dieselben Annahmen für die beiden Pa- rameter, d.h. ϑ = 0 bzw. δ = 1 gelten. Ist dies der Fall, dann ist der Fertigungsprozess im Zeitraum T unter statistischer Kontrolle, da es keine Veränderung der Lage und

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1.3: Prozessbeurteilung mittels einer Qualitätsregelkarte25

Streuung gibt, und es muss nicht eingegriffen werden. Ansonsten ist der Prozess außer statistischer Kontrolle mit einem Shift bei der Fertigungslage für ϑ = 1 bzw. einer Abweichung der Fertigungsstreuung bei δ = 1. In diesen Fällen sollte in den Prozess eingegriffen werden.26

Der Prozess kann nun anhand der Eingriffsgrenzen dermaßen beurteilt werden, dass der Hypothesentest

H0 : Der Fertigungsprozess ist ungestört.
H1 : Der Fertigungsprozess ist gestört.

wiederholt durchgeführt wird.

Nun stellt sich die Frage, wie die Eingriffsgrenzen festgelegt werden sollen, um die rich- tige Testentscheidung treffen zu können, denn es kann bei falscher Festlegung durchaus zu Fehlentscheidungen kommen. Wenn die Eingriffsgrenzen und der Sollwert zu nahe zusammen liegen, dann können bereits kleine natürliche Prozessschwankungen eine Grenzüberschreitung mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit anzeigen, d.h. der Feh- ler 1. Art, der die maximale Eintrittswahrscheinlichkeit α aufweist, ist zu groß. Wenn der Sollwert und die Eingriffsgrenzen hingegen zu weit auseinander liegen, dann ist es durchaus möglich, dass eingetretene Prozessstörungen zu spät erkannt werden, und man dadurch auch zu spät reagiert. Der Fehler 2. Art, der die Eintrittswahrscheinlich- keit β aufweist, ist also zu groß. Somit muss also ein Kompromiss zwischen α und β gefunden werden. In Tabelle 1.3 sind die Entscheidungsmöglichkeiten dargestellt.

Wir sehen also, dass ein Fehler 1. Art dann vorliegt, wenn in den Fertigungsprozess eingegriffen wird, obwohl dieser unter Kontrolle ist, d.h. die Wahrscheinlichkeit, dass die so genannte Nullhypothese H0 abgelehnt wird, obwohl sie richtig ist. Ein Fehler 2. Art liegt vor, wenn in den Fertigungsprozess nicht eingegriffen wird, obwohl dieser außer Kontrolle ist, d.h. die Wahrscheinlichkeit, eine Nullhypothese für wahr zu halten, obwohl tatsächlich die Alternativhypothese korrekt ist.

Diese beiden Fehler können nicht mit einer gemeinsamen Maßeinheit gemessen werden. Daher können wir nicht beurteilen, wie viele Fehler 2. Art denselben Verlust erzeugen wie ein Fehler 1. Art, der im Allgemeinen einen größeren Schaden anrichtet. Folglich wird normalerweise an den Fehler 1. Art eine Mindestanforderung gestellt. Schließlich läuft SPC darauf hinaus, dass unter allen Entscheidungsfunktionen, die die Mindestanforderung an den Fehler 1. Art erfüllen, diejenige ausgewählt wird, die sich bzgl. des Fehlers 2. Art am günstigsten verhält.27

1.5 Ablauf von SPC

Statistische Prozesskontrolle ist jedoch nicht nur das Einsetzen von Qualitätsregelkar- ten, sondern basiert auf einer Management-Philosophie, die Einfluss auf das gesamte Geschäftsverhalten eines Unternehmens hat. Um SPC erfolgreich einzusetzen, ist es notwendig, die statistischen Methoden zu verstehen und genug Datenmaterial zu ver- wenden.28

Führt ein Unternehmen nun SPC ein, so kann dies in den folgenden Schritten gesche- hen:29

Phase 1: Erkenntnis (engl.: Awareness)
Phase 2: Pilot-Projekte (engl.: Pilot Projects)
Phase 3: Gesamtheitliche Einführung (engl.: Integral Implementation)
Phase 4: Gesamtqualität im Sinne von SPC (engl.: Total Quality by Means of SPC)

In dieser Arbeit beschränken wir uns auf einzelne Teile aus diesem Prozess.

Kapitel 2 Normalverteilte Qualitätsmerkmale

2.1 Einleitung

Wir nehmen nun im Folgenden an, dass das zu betrachtende Qualitätsmerkmal im einwandfreien Fertigungsprozess der Normalverteilung unterliegt, wodurch optimale Entscheidungen auf Basis statistischer Tests getroffen werden können. Somit ist die Dichtefunktion von M0 gegeben durch30

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Da der Prozess unter Normalverteilungsannahme durch die beiden Parameter µ und σ2 eindeutig bestimmt ist, müssen zunächst die Sollwerte µ0 bzw. σ20 fürdiesebeiden Parameter ermittelt werden. Je nachdem, ob nun die Lage oder die Streuung der Ferti- gung überprüft werden sollen, bezeichnet man die entsprechenden Qualitätsregelkarten als Mittelwertkarte bzw. Streuungskarte.31 Sind die Sollwerte bekannt, so werden noch die Eingriffsgrenzen bestimmt, und die Qualitätsregelkarte kann zum Einsatz kommen.

In den folgenden Abschnitten werden wir nun die Sollwerte und Eingriffsgrenzen für Qualitätsregelkarten unter der Normalverteilungsannahme bestimmen.

2.2 Bestimmung der Sollwerte

Für die Festlegung der Sollwerte gibt es mehrere Möglichkeiten. Erfolgt die Festle- gung durch eine gesetzliche Vorgabe, eine Norm, eine Herstellungsvorschrift oder aus früheren umfangreichen Untersuchungen des Prozesses so sind die Sollwerte bekannt. Möchte man hingegen Lage und Streuung aus einem Vorlauf, der Pilotphase, beibehal- ten, so sind die Parameter aus den entsprechenden Daten zu schätzen. Dafür nimmt man in der Pilotphase zu unterschiedlichen Zeitpunkten jeweils n Stichproben zu m Werten [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten].

Aus diesen Daten ergibt sich

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

als Schätzwert für die Lage beim ungestörten Prozess und

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

als Schätzwert für die Streuung. Dabei bezeichnet Γ(x) die Gammafunktion32

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Mit Hilfe dieser Schätzwerte µ0 und σ0 kann nun überprüft werden, ob in der Pilotphase systematische oder nachweisbare Fehler aufgetreten sind, d.h. ob die Vermutung µ = µ0 und σ = σ0 für alle Stichproben gerechtfertigt ist.

Im Weiteren sind die folgenden beiden Tests durchzuführen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wird bei einer Stichprobe eine der Nullhypothesen abgelehnt, so ist diese Stichprobe zu streichen und die Schätzwerte sind neu zu berechnen. Ist eine zu große Anzahl von Stichproben zu streichen, so wird das Verfahren statistisch nicht beherrscht und muss verbessert oder neu überlegt werden.33

Nachdem nun die Sollwerte bekannt sind, werden als nächstes die Eingriffgrenzen berechnet. Dazu betrachten wir einige Qualitätsregelkarten.

2.3 Bestimmung der Eingriffgrenzen

2.3.1 Die Shewhart-x-Karte

Diese Karte dient dazu, die Fertigungslage zu überwachen. In der Qualitätsregelkarte wird das oben berechnete µ0 als Mittellinie eingesetzt und für die Eingriffsgrenzen ergibt sich

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dabei bezeichnen α die gewählte Irrtumswahrscheinlichkeit und [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] das entsprechende Quantil der standardisierten Normalverteilung.34

2.3.2 Die Shewhart-s-Karte

Mit dieser Karte wird die Streuung eines Fertigungsprozesses überwacht, wobei σ0 als Mittellinie eingesetzt wird. Für die Eingriffsgrenzen erhalten wir

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

wobei α wieder die gewählte Irrtumswahrscheinlichkeit und [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] die entsprechenden Quantile der χ2 -Verteilung mit m − 1 Freiheitsgraden bezeichnen.35

2.3.3 Die Shewhart-R-Karte

Als Maß für die Streuung des Prozesses kann auch die Spannweite (Range), d.h. der Abstand zwischen dem kleinsten und dem größten Messwert einer Stichprobe, herangezogen werden. Die R-Karte dient auch zur Überwachung der Streuung für einen kleinen Stichprobenumfang m, wird jedoch immer seltener eingesetzt, da mit den heutigen Computerleistungen Berechnungen der Streuung keine Probleme darstellen. Für die Eingriffsgrenzen resultiert

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


1 vgl. Günther & Tempelmeier [GT03], Seite 125

2 vgl. Schreiber [Sch01], Seite 11

3 vgl. Dietrich & Schulze [DS05], Seite 4

4 vgl. Schroeter et al. [SGK03], Seiten 39ff

5 vgl. Does et al. [DRT99], Seite 29

6 vgl. Kanitz [Ka02], Seite 37

7 vgl. Schroeter et al. [SGK03], Seite 48

8 vgl. Lin [Li01], Seite 1

9 vgl. Lin [Li01], Seite 6

10 vgl. Holzer [Ho00], Seite 52

11 vgl. Geiger & Kotte [GK05], Seiten 374ff

12 vgl. Dietrich & Schulze [DS05], Seite 187

13 vgl. Lin [Li01], Seiten 10f

14 vgl. Ehrhart [Eh95], Seite 8

15 vgl. Reinert et al. [RBB99], Seite 140

16 vgl. Ehrhart [Eh95], Seite 27

17 vgl. bspw. Timischl [Ti02], Seite 181

18 vgl. Dietrich & Schulze [DS05], Seiten 187ff

19 vgl. Bernecker [Be90], Seite 57

20 vgl. Collani [Co97], Seite 101

21 vgl. Ehrhart [Eh95], Seite 9

22 vgl. Lin [Li01], Seite 8

23 vgl. Lin [Li01], Seiten 8f

24 vgl. Ehrhart [Eh95], Seiten 9f

25 vgl. Raffetseder [Ra00], Seite 2

26 vgl. Lin [Li01], Seiten 9ff

27 vgl. Lin [Li01], Seite 12

28 vgl. Does et al [DRT99], Seiten 23ff

29 vgl. Does et al [DRT99], Seiten 38ff

30 vgl. Brannath & Futschik [BF01], Seite 107

31 vgl. Lin [Li01], Seite 18f

32 vgl. Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Gammafunktion; Zugriff am 24. September 2006

33 vgl. Lin [Li01], Seiten 19ff

34 vgl. Koczi [Ko98], Seiten 26f

35 vgl. Koczi [Ko98], Seiten 26f

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Statistische Prozesslenkung zur Qualitätssicherung im Produktionsmanagement
Hochschule
Universität Wien
Note
1
Autor
Jahr
2007
Seiten
32
Katalognummer
V88513
ISBN (eBook)
9783638028387
ISBN (Buch)
9783638926843
Dateigröße
547 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Statistische, Prozesslenkung, Qualitätssicherung, Produktionsmanagement
Arbeit zitieren
Dr. Martin Predota (Autor:in), 2007, Statistische Prozesslenkung zur Qualitätssicherung im Produktionsmanagement, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88513

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