Zwischen Gewöhnlichem und Zufälligem - Eine Untersuchung zu David Kaplans Analyse intensionaler Kontexte in Quantifying In.


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

26 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

0. Einleitung

1. Quines Ansatz für eine Interpretation intensionaler Kontexte
1.1. Undurchsichtigkeit der Bezugnahme
1.2. Zwei Lesarten - ein Dilemma

2. Kaplans Lösungsversuch des Quantifikationsproblems bei intensionalen Kontexten
2.1. Problemstellung und erste Schritte
2.1.1. Gewöhnliches, Zufälliges und das Dazwischen
2.1.2. Von Frege über Church zur Quantifikation In
2.2. Die Geschichte mit dem Spion - eine Fortsetzung
2.3 Ein Vorschlag zur Güte - Kaplans Theorie der Namen
2.3.1. Von normierten Namen
2.3.2. Von lebenden Namen

3. Resümee und Fazit

4. Erwähnte und verwendete Literatur

0. Einleitung

In dieser Arbeit widme ich mich einem Problem, das dann entsteht, wenn wir uns fragen, wie eigentlich nicht extensionale natürlichsprachliche Kontexte - nennen wir sie mit einer bestimmten Tradition zunächst einfach intensionale[1] Kontexte - zu verstehen sind und d. h. zunächst, wie sie logisch-semantisch analysiert werden sollten. Solche Kontexte begegnen uns ständig, wenn wir z. B. unsere Meinung sagen bzw. uns über Meinungen anderer äußern und damit eine (oder mehrere) bestimmte Überzeugung(en) über einen (oder mehrere) bestimmten Sachverhalt(e) ausdrücken bzw. zusprechen/zuschreiben. Oder wenn wir die gesagten/geschrieben Meinungen anderer Personen (beispielsweise in Zitaten) wiedergeben; wenn wir sagen, dass es morgen möglicherweise Schnee geben wird oder dass wir Beethoven besser als Mozart finden. Der nahe liegenden Frage, ob nicht etwa Fälle des ersten Typs grundlegend sind, da ja jeder uns bekannten sprachlichen Äußerung (sei sie (natur)wissenschaftlicher, umgangssprachlich-alltäglicher oder philosophischer Natur) - so sie aufrichtig, ernst und informativ ist - eine (oder mehrere) Überzeugung(en) in dem Sinne zugrunde liegt/liegen, dass, wenn jemand „Morgen wird es möglicherweise Schnee geben.“ sagt oder diesem Satz zustimmt, auch glauben muss, dass es morgen möglicherweise Schnee geben wird [2] ; diese und mit ihr einhergehende Fragen also werde ich im Folgenden nicht stellen oder zu beantworten versuche. Vielleicht gibt es aber dafür Anknüpfungspunkte.

Vielmehr möchte ich - duplexemplarisch sozusagen - zum einen anhand einer klassischen modernen Position und ihrem kritischen Impetus gegen eine andere klassische moderne Position eine bestimmte Behandlungsweise des eingangs genannten Problems und mit ihm verbundener resp. abgeleiteter Probleme und Fragen darstellen und (zumeist in den Fußnoten) kommentieren. Erstere Position ist die des frühen David Kaplan, wie er sie in seinem Essay Quantifying In aus den Jahren 1968-69 zur Sprache gebracht hat und letztere die Willard Van Orman Quines. Zum anderen werde ich nicht alle Arten solcher nicht extensionaler Kontexte, sondern nur drei sehr wichtige (Anführung, alethische Modalität und Zuschreibungen propositionaler Einstellungen) untersuchen, wie es mir in gewisser Weise von den Texten genannter Autoren vorgegeben ist. Neben vielen Fragen, die dann im Haupttext gestellt und teilweise beantwortet werden, ist eine der übergreifenden Fragen zu diesem Themenkomplex die, ob sich (einige) intensionale auf extensionale Kontexte reduzieren lassen, oder nicht. Diese Frage wird von den Autoren implizit oder explizit unterschiedlich beantwortet oder es wird wenigstens eine Antwortrichtung angedeutet. Um diesen Antworten oder ihren Tendenzen etwas näher zu kommen, werde ich in einem ersten Teil (1.) Quines Position skizzieren, um Kaplans Argumentationshintergrund etwas genauer kennen zu lernen. Unter 2. folgt dann die Auseinandersetzung mit Kaplans Text. Dabei werde ich Seitenblicke auf Kaplans Überlegungen zur Indexikalität und seiner dreistelligen Semantik gering halten. Abschließend (3.) wird dann, nach einer kurzen Zusammenfassung versucht, auf die genannte Leitfrage eine Antwort zu geben.

1. Quines Ansatz für eine Interpretation intensionaler Kontexte 1.1. Undurchsichtigkeit der Bezugnahme

In einer Reihe von Beiträgen zu sprachphilosophischen Problemen resp. philosophischen Grundla­gen und Interpretation der Modallogik hat Quine mit Hilfe diverser Beispiele versucht zu zeigen, dass intensionale Kontexte, in denen gewisse natürlichsprachliche Ausdrücke wie etwa intensional kontextualisierte singuläre Termini - also solche nicht wahrheitswertfähige Ausdrücke, mit denen ein Sprecher, Schreiber oder sonst irgendeine Art Sprachzeichenverwender auf (genau) eine Entität Bezug nehmen kann[3] und die in Verbindung mit Verben, die nicht extensional[4] sind, vorkommen, in Anführungskontexten enthalten sind oder von alethischen Modalausdrücken regiert werden[5] - vor­kommen, hinsichtlich ihrer Bezugnahmefunktion nicht transparent, sondern opak[6] sind. In einem seiner frühen Artikel resümiert er:

Wichtig ist es zu sehen, dass die Kontexte „Notwendigerweise ...“ und „Möglicherweise ...“ wie Zitate [Anführungskontexte] und „weiß nicht, dass ...“ und „ist davon überzeugt, dass ...“ bezugsundurchsichtig sind.[7]

Undurchsichtigkeit hinsichtlich des Bezugs an dieser Stelle darf nicht mit jenen Thesen Quines, die als Unerforschlichkeit der Referenz (inscrutability of reference) und als Unbestimmtheit der Über­setzung (indeterminacy of translation) Beachtung gefunden haben, verwechselt werden.[8] Mit diesen wird - grob gesagt - behauptet, dass sich auf der behavioral-beobachtungszentrierten Grundlage eines Szenarios der radikalen Übersetzung (oder Urübersetzung) hinsichtlich eines beliebigen vom Native Speaker geäußerten sprachlichen Ausdrucks weder eindeutig angeben lässt, welchen Referenten (Bezugsobjekt, Denotat, BedeutungF) dieser Ausdruck hat, noch welche von den verschiedenen, aus dieser Unerforschlichkeit des Bezuges resultierenden, Übersetzungshypothesen (analytischen Hypothesen) den je anderen als adäquate Übersetzung des fraglichen Ausdrucks vorzuziehen ist. Bezug und Übersetzung sind nicht übersetzungsmanualinvariant zu haben.[9] Was aber meint Quine, wenn er einem sprachlichen Ausdruck, z. B. dem singulären Termino „Cicero“ in [1] „Cicero“ enthält sechs Buchstaben[10] „is referentially opaque“ zuschreibt? Zunächst einmal negativ, dass solche Vorkommnisse nicht rein bezugnehmend (bezeichnend) [11] sind, dass heißt, dass die Aussage nicht nur vom Gegenstand, sondern auch von der Form des Namens abhängt.[12]

Testkriterium dafür, dass eine Aussage nicht allein vom Referenten des singulären Termini, sondern auch von dessen Form abhängt, ist für Quine das auf Leibniz' Identitätstheorie zurückgehende Sub­stitutionsprinzip[13] für koreferentielle Ausdrücke, welches ganz generell besagt: Wenn zwei beliebi-ge Ausdrücke dieselbe Entität, die je nach Ausdrucksart (singulärer/genereller Terminus/Aussagesatz) und akzeptierter Ontologie (i) ein individueller (spatio-temporaler) Gegen­stand, (ii) ein individuelles (spatio-temporales) Ereignis, (iii) eine Klasse (Menge) von Entitäten der Art (i), (ii) oder (iii), oder (iv) ein Wahrheitswert sein kann, bezeichnen, dann dürfen beide Ausdrücke in einem gegebenen Kontext salva veritate für einander ersetzt werden oder bescheidener gesagt: Wenn a dasselbe Objekt bezeichnet wie b und K[a] wahr ist, dann ist auch K[a/b] wahr.[14] [19] In extensionalen Kontexten gilt das Prinzip uneingeschränkt, da in ihnen nur Ausdruck-Entität-Zuordnungen eine Rolle spielen. So ist in

(2) Cicero wurde am 03. Januar 106 v. Chr. in Arpinum geboren „Cicero“ durch „Tullius“ ersetzbar, da beide Ausdrücke ein und dieselbe historische Person bezeichnen, nämlich Marcus Tullius Cicero und so

(3) Tullius wurde am 03. Januar 106 v. Chr. in Arpinum geboren ebenso wahr (bzw. - für eventuelle Skeptiker - falsch) ist wie (2).[15] Bei Anwendung dieses Prinzips auf einen Anführungskontext können Substitutionsfehler der Art entstehen, dass trotz der Korefe- renzialität der singulären Termini der Wahrheitswert des Aussagesatzes nicht invariant bleibt und man z. B. aus dem wahren Satz hinter [1] nach Substitution dann den falschen Satz

(4) „Tullius“ enthält sechs Buchstaben erhält.[16] Die Position innerhalb der Anführungszeichen in [1] ist somit nicht rein bezugnehmend. Solche Substitutionsfehler sind Quine zufolge kein allgemeines, aber ein häufiges Phänomen von Anführungskontexten à la.

Der Witz bei einem Zitat [Anführungskontext] ist nicht, dass es [er] bezugnehmende Vorkommen [eines Namens oder allgemein eines singulären Termini] zerstören muss, sondern dass es [er] bezugnehmende Vorkommen zerstören kann (und es für gewöhnlich tut).[17]

Für Quines „referentially opaque“ als terminus technicus heißt das dann, dass nicht nur solche Kon­texte dieses Prädikat verliehen bekommen, für die Substitution salva veritate faktisch in jedem Fall scheitert, sondern alle, bei denen sie häufig scheitert.[18] Für die Opakheit weiterer Arten von inten­sionalen Kontexten wie (a) versteckte Anführungen, (b) propositionale Einstellungen und (c) Aus­sagen über alethische Modalität argumentiert Quine weitgehend analog, erwägt aber darüber hinaus eine Reduktion solcher Ausdrücke auf korrespondierende Anführungskontexte als basale Art. So kann ein Satz der Art (a):

(5) Handys werden auf Grund ihrer Handlichkeit so genannt in einen expliziten Anführungskontext

(6) Handys werden „Handys“ genannt auf Grund ihrer Handlichkeit transformiert werden. Hier ist das erste Vorkommnis von „Handy“ Bezeichnungstransparent und somit Substitution salva veritate ohne Einschränkungen erlaubt, wärend das zweite nicht rein bezugnehmend ist, denn

(7) Handys werden „Mobilfunktelefone“ genannt auf Grund ihrer Handlichkeit ist im Gegensatz zu (6) falsch.[19] ] In Fällen vom Typ (b) wird z. B.:

(8) Ralf glaubt [ist davon überzeugt], dass jemand ein Spion ist[20] dann zu „Ralf ist von „Ortcutt ist ein Spion“ überzeugt“ und ein alethischer Modalkontext (c), wie etwa „Die philosophischen Probleme der Quantentheorie können mit den Mitteln der Kantischen Philosophie möglicherweise nicht vollständig gelöst werden.“ kann mit „„Die philosophischen Pro­bleme der Quantentheorie können mit den Mitteln der Kantischen Philosophie vollständig gelöst werden“ ist nicht anlytisch.“[21] paraphrasiert werden. Doch sind solche Rückführungen von anderen intensionalen Kontexten auf solche, die Anführungen enthalten, natürlich kein weiteres Kriterium für Bezugsundurchsichtigkeit, denn Anführung selbst ist- wie bereits erwähnt - auch kein solches, sondern einzig erfolgreiche oder erfolglose Substitution salva veritate. Auch gibt es nach Quine für uns keine guten Gründe anzunehmen, dass etwa (6) notwendigerweise grundlegender als (5) ist. Was allein zählt ist, wie eingangs zitiert, dass solche Kontexte bezugsundurchsichtig sind.

1.2. Zwei Lesarten - ein Dilemma

Nachdem ich als Merkmal intensionaler Kontexte allgemein Quines Undurchsichtigkeitsthese kurz vorgestellt habe, möchte ich im Folgenden seine Behandlung v. a. einer Teilklasse solcher Kontexte - nämlich der Ausdrücke für propositionale Einstellungen - an Hand von Beispiel [8] skizzieren, um den Gegenstand der Kritik an Quine durch Kaplan einzugrenzen.[22] Dazu unterscheide ich zunächst grundsätzlich zwischen a) propositionalen Einstellungen als intentionalen Phänomenen (als mentale Zustände oder Ereignisse) und b) den sprachlichen Ausdrücken für Zuschreibungen propositionaler Einstellungen als intensionalen Phänomenen.[23] a) ist Gegenstand der Philosophie des Geistes, b) Gegenstand der intensionalen Semantik und ich lese Kaplans Hauptbezugstext von Quine - Quantifiers and Propositional Attitudes - primär als Beitrag zu b).[24] Was ist nun das Problem mit Ausdrücken propositionaler Einstellungen wie [8]? Lt. Quine können solche Redeweisen auf zweierlei Art verstanden werden - Sätze wie [8] sind also prinzipiell ambig. [8] kann mit

(9) Ralph glaubt, dass (irgend)jemand ein Spion ist bzw. in Quines semiformaler Notation mit [9'] Ralph glaubt, dass (3x) (x ist ein Spion)[25] und

(10) Jemand ist derart, dass Ralph glaubt, dass er ein Spion ist resp.

[10] (3x) (Ralph glaubt, dass x ein Spion ist)[26]

disambiguiert werden. Lesarten vom Typ (9) bzw. [9'], bei denen der Existenzquantor vom intensio­nalen Verb beherrscht wird, nennt Quine notational und solche vom Typ (10) resp. [10'], bei denen das intensionale Verb im Skopus des Quantors steht, welcher dann über das Subjekt des - grammatisch vom Einstellungsverb abhängigen - Aussagesatzes (des „dass“-Satzes) 'läuft', sollen relational heißen.[27] Nun stellt ein mehrdeutiger Ausdruck, wenn er - wie hier - als solcher identifiziert und in eindeutige Ausdrücke überführt worden ist, kein Problem mehr dar. Die Proble­me mit den ambigen Ausdrücken für propositionale Einstellungen beginnen für Quine nach ihrer Vereindeutigung, wie folgendes Szenario zeigen soll.[28]

Man stelle sich vor: Ralph hat die Bekanntschaft mit einem gewissen Mann derart gemacht, dass er (Ralph) diesen Mann ein paar mal, bekleidet mit einem braunen Hut, unter solch dubiosen Umstän­den flüchtig sah, dass er (Ralph) ihn nun für einen Spion hält. Zum anderen kennt Ralph einen ge­wissen grauhaarigen Mann, den er einmal am Strand gesehen hat - allerdings kennt er ihn über diese kurze Wahrnehmungsepisode hinaus nur recht unvollständig als (wie Quine schreibt) pillar of the community (also irgendwie als jemanden, der nicht für einen Spion gehalten wird). Dass diese kann und muss ich hier nicht weiter verfolgen.

[...]


[1] Bemerkungen zu meiner Notations- und Zitationsweise: Kursive Schreibweise, wenn sie nicht in Zitaten enthalten ist, gebrauche ich aus Prägnanzgründen (Hervorhebung von Stellen, die mir besonderer Aufmerksamkeit würdig zu sein scheinen, u. dgl.). Die behandelten Beispielsätze werden durchgehend mit geklammerten arabischen Ordinalzahlen angeführt, wobei eckige Klammern den Nummernwechsel beim Zitieren solcher Beispiele andeuten sollen. Einfache Anführungszeichen verwende ich - mit Ausnahme besonderer Notationen in einigen Beispielsätzen - stets distanzierend, doppelte Anführungszeichen, um sprachliche Ausdrücke zu erwähnen oder um kurze Passagen direkt zu zitieren. Literaturverweise gebe ich in Kurzform an und mache die Literaturangabe unter 4. explizit. Längere direkte Zitate werden verkleinert eingeschoben und ohne Anführungszeichen notiert. Übersetzungen, die ich direkt aus dem englischen Original zitiere, stammen von mir. Letztlich schreibe ich, wenn ich mit „Bedeutung“ und „Sinn“ Gottlob Freges Verwendung meine an den entsprechenden Stellen „BedeutungF“ und „Sinm“.

[2] Ich verwende hier eine Variation des sog. Zitatentilgungsprinzips, wie es u. a. in Kripke (1979) 2004, S. 92-95 diskutiert wird.

[3] So weit ich die einschlägige Literatur zu „singuläre Termini“ überblicke, entspricht diese Formulierung in etwa dem Grundkonsens zur allgemeinen Verwendung dieses Ausdrucks. Traditionell unterscheidet man drei Arten solcher Ausdrü>Eigennamen, (definite) Kennzeichnungen sowie Indexikalia/deiktische Ausdrücke (Cf. e. c. TUGENDHAT/WOLF 1993, Kap. 9.) und man stellt sie den sog. generellen Termini gegenüber, die mehrere Gegenstände bezeichnen. Andere Autoren (Cf. e. c. WESSEL 1998, S. 315.) nennen neben singulären und generellen noch kategoriale (Subjekt-)termini, die die Funktion haben, alle Gegenstände zu bezeichnen. Wie singuläre Termini zu behandeln sind - ob sie etwa eliminierbar (so bei W. V. O. Quine) oder auf generelle Termini reduzierbar (z. B. G. Ryle) sind - bzw. welche Funktion sie über die genannte quantifizierend-denotative hinaus haben - etwa Identifizierung (P. F. Strawson) oder Spezifizierung (E. Tugendhat) von Objekten - ist hingegen nicht unumstritten.

[4] Ein Verb kann extensional genannt werden, wenn es als Prädikator interpretierbar ist und die Bedeutung dieses Prädikators allein durch die Klasse der Individuen bzw. Elemente, auf die der Prädikator zutrifft, festgelegt ist. Gemäß der klassischen Position Carnaps haben zwei Prädikatoren dann dieselbe Extension, wenn sie äquivalent sind, d. h. wenn beide dieselben Elemente haben. Cf. Carnap (1956) 1972, v. a. § 4.

[5] In den von mir primär zu untersuchenden Texten spielen diese drei Ausdrucks-/Kontextarten die exemplarische Rolle für Intensionalität. Der Blick in ein Standardwerk für intensionale Semantik genügt, um eine Reihe von weiteren Bereichen der (natürlichen) Sprache in Anschlag zu bringen. Kutschera beispielsweise nennt und analysiert neben den genannten auch konditionale-/kausale und normative (deontische/präferenzielle) Kontexte. Cf. Kutschera 1976.

[6] „transparent“ als Pendant zu „opak“ entnimmt Quine Whitehead/Russell 21927, p. 665.

[7] Quine (1980) 132001, p. 144.

[8] Diese Differenzierung soll einen möglichen sachlichen Zusammenhang nicht ausschließen. Immerhin sind neben den von Quine genannten Übersetzungshypothesen für „gavagai“ auch intensional kontextualisierende wie „Ich glaube, da drüben manifestiert sich schon wieder die Hasengottheit.“ oder dergleichen denkbar. Ob und inwiefern Bezugsunerforschlichkeit und Übersetzungsunbestimmtheit die allgemeineren, grundlegenderen oder weiterreichenden Thesen sind oder ob sie auf einer ganz anderen Argumentationsebene als die darzustellende Bezugsundurchsichtigkeit angesiedelt sind und was das dann für eine Analyse intensionaler Kontexte heißen könnte,kann und muss ich hier nicht weiter verfolgen.

[9] Cf. dazu Quine (1960) 1980, v.a Kapitel II.; Quine (1958) 2003 und Quine (1968) 2003.

[10] Quine (1980) 132001, p. 139.

[11] In Quine (1980) 132001, so wie etwa auch in Quine (1953) 1976, Quine (1955) 1976 und Quine (1958) 2003 verwendet der Autor sowohl die stärkeren Formulierungen „not referential“ oder „non-referential“ als auch (häufiger) die vorsichtigere Form „not purely referential“. In Word and Object begründet er dann, warum er letztere für angemessener hält. Demnach gibt es soetwas wie Bezugsgraduierungen innerhalb verscheidener Kontexte. So wird in „„Tullius schläft“ besteht aus zwei Worten.“ weniger stark auf Tullius bezug genommen als dies bei „Tullius sucht den Konsul.“ hinsichtlich des Konsuls der Fall ist, obwohl beide Kontexte bzw. gewisse Ausdrucksvorkommen in ihnen nicht rein bezeichnend sind. Cf. Quine (1960) 1980, S. 251.

[12] Quine (1980) 132001, p. 140. Der Autor verweist an dieser Stelle (cf. auch Quine (1953) 1976, p. 160; sowie Quine (1960) 1980, S. 250 f. und Quine (1958) 2003, S. 34) auf Gottlob Frege, der in Frege (1892) 2002, S. 25 f. mit „ungeradem“ und „geradem“ Vorkommen bzgl. sprachlicher Ausdrücke von dem gesprochen haben soll, was Quine „not purely referential“ und „purely referential“ nennt. Diese Gleichsetzung hat eine gewisse Plausibilität, wenn sie gemäß Freges Behauptung, dass „ein in Anführungszeichen stehendes Wortbild nicht in der gewöhnlichen Bedeutung genommen werden [darf]“ (Ebd., S. 25. Was Frege an dieser Stelle mit „Wortbild“ meint ist nicht ganz klar - ich folge der Einfachheit halber hier der Token-Lesart, wie sie etwa in Steinbrenner 2004, v. a. S. 135 f. vertreten und begründet wird. Zur Typ/Token-Unterscheidung siehe auch meine Fn. 16.) verstanden wird. Frege zufolge ist aber in ungerader Rede „[d]ie ungerade Bedeutung eines Wortes [...] sein gewöhnlicher Sinn“ (Ebd, S. 26). „„Cicero““ in Quines Beispiel bezöge sich, wenn [1] als ungerader Kontext verstanden wird, auf den Sinn (also im Falle von Eigennamen die Art(en) des Gegebenseins des Bezeichneten) von „Cicero“ oder - mit Frege formuliert

- „„Cicero““ bezeichnete den Sinm, der mit „Cicero“ ausgedrückt würde. Wenn Quine mit „not purely referential“ die von Frege so verstandene „ungerade Bedeutung“ meinte, dann müsste obiges Beispiel [1] modifiziert werden und man könnte fragen, unter welchen Bedingungen dann [1'] Der Sinnp von „Cicero“ enthält sechs Buchstaben wahr wäre. Nur wenn der Sinn von „Cicero“ Buchstaben haben sollte, dann ist [1'] wahrheitswertfähig und wenn er

- so wie „Cicero“ - zudem sechs Buchstaben haben sollte, sogar wahr. Es handelt sich also, da die Erfüllung der ersten Bedingung andernfalls eher absurd wäre, bei [1] - Frege folgend - nicht um einen ungeraden Redekontext mit ungerader BedeutungF der Worte, sondern darum, „die Worte eines anderen in gerader Rede an[zu]führ[en]“ (Ebd. S. 25. Kursiv von mir.). Frege unterscheidet an dieser Stelle m. E. klar zwischen (i) dem Reden über Worte (selbst), wobei die physisch-graphischen Zeichenvorkommen (Wortbilder) in Anführungszeichen gesetzt in die gerade Rede eingeführt werden, um sie als nicht ihre gewöhnliche BedeutungF bezeichnend anzuzeigen und (ii) dem Reden über den SinnF eines Ausdrucks in ungerader Rede. Quines „not purely referential“ müsste also - an Freges Formulierung orientiert - eher mit „nicht die gewöhnliche BedeutungF bezeichnend“ übersetzt werden, was zwar mit „ungerade Bedeutung“ impliziert ist, aber nicht unbedingt umgekehrt dieses mit jenem - jedenfalls verstehe ich Freges „ungerade Bedeutung“ als nur auf Fälle von (ii) bezogenen Terminus und „not purely referential“ im Folgenden als auf (i) und (ii) zutreffend.

[13] Diese Theorie mündet - historisch gesehen - in Leibniz' Prinzip der (numerischen) Identität des Ununterscheidbaren (principium identitatis indiscernibilium oder in der formalen Sprache der Quantorenlogik zweiter Ordnung: [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] und seiner Konverse, dem Leibnizschen Substitutionsgesetz [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Ich habe „das auf Leibniz' Identitätstheorie zurückgehende Substitutionsprinzip“ geschrieben, da ich keinesfalls behaupten will, dass Quine, indem er das Substitutionsprinzip als Kriterium in Anschlag bringt, auch Leibniz' Identitätstheorie vertritt. Eher das Gegenteil ist der Fall. Quine wirft Leibniz' dort, wo Identität als Relation zwischen Zeichen aufgefasst wird, eine Verwechslung von Zeichen und Bezeichnetem vor (Cf. Quine (1960) 1980, S. 209). Für weitere Kritik am principium identitatis indiscernibilium als problematische Erklärung numerischer Identität durch absolute qualitative Identität (Totalgleichheit) auf Grund der Leibnizschen Interpretation der Prädikatenvariable F als Platzhalter zur Einsetzung genereller Termini für interne Individueneigenschaften cf. Tugendhat/Wolf 1993, S. 170-172. Eine Kritik in dieselbe Richtung, wenn auch auf anderer Grundlage, hat bereits Kant im Amphibolienkapitel der Transzendentalen Analytik (Anhang) vorgetragen - cf. v. a. Kant (1781/1787) 1998, A 263 f./B 319 f.

[14] „a“ und „b“ sehen dabei je für einen beliebigen referentiellen Ausdruck, „K[a]“ für irgendeinen sprachlichen Kontext, der a enthält und „K[a/b]“ für denselben Kontext nach Ersetzung von a durch b.

[15] Ich folge hier der auf Extensionalität zielenden Standardinterpretation für Ausdrücke in natürlichen Sprachen. Allerdings ist die geforderte Koreferenzialität im Falle von natürlichen Sprachen nicht immer problemlos identifizierbar bzw. eindeutig an den sprachlichen Ausdrücken zu erkennen, da Personeneigennamen wie „Cicero“ durchaus mehrere Träger haben können. In formalen Sprachen kann hingegen Eineindeutigkeit der Ausdruck­Entität-Zuordnungen, z. B. durch Angabe eines geeigneten Modells oder einer semantischen Interpretation für die jeweilig betrachtete Objektsprache in der Metasprache, erreicht werden.

[16] In diesen Fällen Ersetzungen von gleichbezeichnenden Ausdrücken vorzunehmen käme für Quine einer Substitutionen des (orthographisch zufälligen) „cat“ in „cattle“ gleich, was meist zu Unsinn führt, wenn wir etwa „cat“ hier durch das gleichbezeichnende „felines“ ersetzten und „felinestle“ erhalten. Angerührte Ausdrücke sind also semantisch strukturlose elementare Ganzheiten oder wie er selbst in Quine (1964) 1974, S. 130, Fn. 3 in einem anderen Zusammenhang pointiert schreibt: Die Anführungsstriche bilden zusammen mit den Zeichen einen bedeutungsvollen Namen für das bedeutungslose Zeichen.

[17] Quine (1980) 132001, p. 141. Ein an Quine orientierter Beispielsatz für gelingende Substitution salva veritate trotz Anführung wäre etwa: „Cicero“ bezeichnet den Verfasser von De re publica.

[18] M. a. W.: „Cicero“ bezeichnet den Verfasser von De re publica ist als Anführungskontext bezugsundurchsichtig, wenngleich „„Cicero““ in diesem Fall rein bezugnehmend ist. Jeder intensionale Kontexttyp soll also „bezugsundurchsichtig“ genannt werden, auch wenn der eine oder andere Teilausdruck eines Tokens von diesem Typ rein referenziell ist. Nicht reine Bezugnahme eines Teilausdrucks von Tokens intensionaler Kontexte ist eine hinreichende (aber keine notwendige) Bedingung für dessen Bezugsundurchsichtigkeit. Ob diese Typ-Token-Interpretation Quines Intentionen adäquat ist, weiß ich nicht. Jedoch kann ich seine generelle Zuschreibung „referentially opaque“ zu intensionalen Kontexten einerseits und seine partielle Zuschreibung „not purely referential“ zu einer Teilklasse intensionaler Kontexte bzw. zu gewissen Ausdrucksvorkommen andererseits nicht anders als in Richtung einer solchen Differenzierung verstehen, wenn letztere (Zuschreibung) irgendwie für erstere kriteriell sein soll. Die Rede mit „Typ“ und „Token“ ist an Peirce 1965, CP: 2.244-2.246. angelehnt, wo auch von Sinsign und Legisign die Rede ist. „Typ“ bezeichnet demzufolge im Unterschied zu „Token“ kein spatio-temporal instantiiertes Zeichen, sondern dessen semantische Instantiierungsregel.

[19] Cf. Quine (1980) 132001, p. 140. Dort wird ein anderes aber strukturanaloges Beispiel behandelt.

[20] Zu diesem Beispiel mehr in 1.2 ff. Es ist ein Standardbeispiel für die Analyse von Zuschreibungen propositionaler Einstellungen aus Quine (1955) 1976, pp. 185-196., auf das sich Kaplan dann auch hauptsächlich bezieht.

[21] Ich habe hier das von Quine genannte Paraphrasierungsprinzip: Ein Aussagesatz, der von „notwendigerweise“ regiert wird, ist analytisch, und ein Aussagesatz mit der Form „Möglicherweise ...“ ist falsch, wenn und nur wenn die Negation jenes Bestandteiles des Aussagesatzes, der von „möglicherweise“ regiert wird, analytisch ist. aus Quine (1980) 132001, p. 143 verwendet.

[22] Quines Behandlung von Kontexte alethischer Modalität werde ich hier nur streifen.

[23] Bei der Fixierung dieser Unterscheidung (aber nicht in allen Formulierungen und Konsequenzen) folge ich SEARLE (1983) 1991. Dort heißt es auf S. 43: Intentionalität-mit-einem-t ist eine Eigenschaft des Geistes (Hirns), durch die er (es) andere Dinge zu repräsentieren vermag; Intesionalität-mit-einem-s ist die Eigenschaft gewisser Sätze, Feststellungen usw., gewisse logische Tests für Extensionalität nicht zu erfüllen.

[24] In Quine (1955) 1976, pp. 185-196 ist sowohl von „propositional attitudes“ als auch etwa von „ propositional attitudes idiom“ oder davon, dass solche Einstellungen in den analysierten Beispielsätzen ausgedrückt (expressive of) werden. Da aber im ganzen Text explizit keine Rede von mentalen Ereignissen oder Gehirnzuständen ist, meine ich Quine nicht nur wohlwollend, sondern auch korrekt zu interpretieren, wenn ich b) als primären Gegenstand der Auseinandersetzung zugrunde lege.

[25] Ebd. p. 186.

[26] A. a. O.

[27] Die relationale Lesart hat also den weiteren Skopus (wide scope) ähnlich Sätzen der Art „Es gibt eine (ganz bestimmte) Yacht, von der ich will, dass sie mir gehört.“ Die notationale Lesart demgegenüber den engeren Skopus (narrow scope) wie in: „Ich will eine (irgendeine) Yacht haben.“ (zu einem ähnlichen Beispiel cf. Quine (1955) 1976, p. 185 f.). Das Interpretationsdual notational/relational für Kontexte der Zuschreibung propositionaler Einstellungen entspricht strukturell dem de dicto/de re Dual im Bereich alethischer Modalitäten (und wird mitunter synonym verwendet), da notationale Lesarten für Quine opak sind (das intensionale Verb 'versiegelt' quasi den dass- Satz für Qualifikation und Substitution), wie die de dicto Lesarten, während relationale Lesarten rein bezeichnende (transparente) Positionen generieren, wie de re Lesarten auch. „9 ist notwendigerweise größer als 7.“ beispielsweise kann als [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] (de re) und [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] (de dicto) gelesen werden. Zu dieser Parallelität cf. Quine 1968-69, p. 314.

[28] Cf. Quine (1955) 1976, p. 187.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Zwischen Gewöhnlichem und Zufälligem - Eine Untersuchung zu David Kaplans Analyse intensionaler Kontexte in Quantifying In.
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Philosophie)
Veranstaltung
Frege's Semantik II
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
26
Katalognummer
V88268
ISBN (eBook)
9783638019446
Dateigröße
652 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Frege, Semantik, David Kaplan, Quantifying In, intensionale Kontexte, Quine
Arbeit zitieren
Sebastian Wengler (Autor:in), 2007, Zwischen Gewöhnlichem und Zufälligem - Eine Untersuchung zu David Kaplans Analyse intensionaler Kontexte in Quantifying In., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88268

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