Das Selbstseinkönnen eingebettet in der Gattungsethik

Das postmetaphysische Moralverständnis in Bezug auf „Die Zukunft der menschlichen Natur“ von Jürgen Habermas


Zwischenprüfungsarbeit, 2003

30 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung
1.1 Die Zukunft der menschlichen Natur
1.2 Vorgehensweise

2 Differenzierung von Moral und Ethik
2.1 Moral aus anthropologischer Sicht
2.2 Wandel des metaphysischen Denkens
2.3 Postmetaphysisches Verständnis von Moral
2.4 Postmetaphysisches Verständnis von Ethik

3 Der Begriff des Selbstseinkönnens
3.1 Grundrisse Kierkegaards Ethik
3.1.1 Ästhetische und ethische Lebensanschauung
3.1.2 Selbstseinkönnen nach Kierkegaard
3.1.3 Verzweiflung
3.1.4 Gottes Existenz
3.2 Habermas’ Ergänzungen
3.3 Selbstseinkönnen und seine Folgen aus anthropologischer Sicht

4 Die Gattungsethik in Bezug auf das Selbstseinkönnen
4.1 Das Selbstverständnis als Gattungswesen
4.2 Das gattungsethische Selbstverständnis
4.3 Zusammenspiel von Selbstseinkönnen und Gattungsethik

5 Moral und Gattungsethik
5.1 Zusammenhang zwischen Moral und Gattungsethik
5.2 Gattungsethik als Grundlage moralischen Handelns
5.2.1 Kontingenz des Lebens
5.2.2 Das Leben als ebenbürtige Personen

6 Habermas’ Moralkonstrukt
6.1 Eugenik und die Gattungsethik
6.2 Veränderungen des Moralverständnisses
6.3 Folgen der Dynamik beim individuellen Moralverständnis
6.4 Zukunft der Identität des Menschen als Gattungswesen

Schluss

7 Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Selbstseinkönnen nach Kierkegaard mit der Instanz Gott

Abbildung 2: Selbstseinkönnen nach Habermas im transsubjektiven Kontext

Abbildung 3: Komponenten des Moralverständnisses nach Habermas

Abbildung 4: Einbettung der Komponenten

Abbildung 5: Abhängigkeiten als Basis für Veränderungen in Habermas Moralkonstrukt

Einleitung

1.1 Die Zukunft der menschlichen Natur

Der Eingriff in die Entstehung menschlichen Lebens hat nach Habermas entscheidenden Einfluss auf die Art des menschlichen Zusammenseins und somit auf das Moralverhalten des Menschen. Habermas stellt daher die Frage nach der Zukunft der menschlichen Natur: Wie wirkt sich Eugenik auf unser menschliches Dasein aus? Können wir, begründet auf die Zukunft der menschlichen Natur, ein moralisches Verständnis für Eugenik gewinnen?

In seinem Buch “Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik?“ diskutiert Jürgen Habermas diese Frage.

Auf der Suche nach der Antwort führt er eine klare Differenzierung der Begriffe Ethik und Moral ein. Mit einem postmetaphysischen und pluralistischen Weltbild lebt der Mensch als ein sich subjektiv denkendes Wesen. Mit dem Bewusstsein, sein Leben durch Selbstwahl und Selbstreflexion für sich steuern zu können, muss der Mensch eine klare Position gegenüber den Ethik und Moral beziehen . Habermas und führt dazu den Begriff der Gattungsethik ein.

Er erstellt in seinem Buch einen Argumentationsweg, mit dem er Stellung zur Entwicklung der liberalen Eugenik nimmt.

Im Fokus dieser Seminararbeit steht dieser philosophisch-anthropologische Argumentationsgang in Bezug auf das postmetaphysische Moralverständnis unter Beachtung des von Kierkegaard übernommenen Begriffes des Selbstseinkönnens und des Habermaschen Begriffes der Gattungsethik. Es wird die Frage gestellt, wie diese Begriffe in Zusammenhang mit dem Moralverständnis in der postmetaphysischen Zeit verstanden werden.

Dabei wird zunächst der Bezug zur Eugenik nur am Rande betrachtet. Hauptziel dieser Arbeit ist seine Moralargumentation unter philosophisch-anthropologischen Gesichtspunkten auf so aufzuarbeiten, dass anschließend ein Urteil möglich ist, ob man sie zur Befürwortung oder Verneinung der liberalen Eugenik oder sogar für weitere moralische Konflikte heranziehen kann.

Dies ist nicht immer sehr einfach, da Habermas Argumentationsgang nicht immer thematisch strukturiert erscheint. Seine Argumente greift er mehrmals auf und ergänzt oder modifiziert sie in den neuen Passagen. Somit gewinnt seine Argumentation einen diskursvergleichbaren Charakter, der sich aber auch als Grundlage für unterschiedliche Interpretationen anbietet. So ist es nicht verwunderlich, wenn zwei Diskurspartner gegensätzliche Meinungen vertreten, sich aber beide auf Habermas Argumentation beziehen, da diese von den Diskurspartnern unterschiedlich ausgelegt wurde.

1.2 Vorgehensweise

Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit wird Habermas Differenzierung von Ethik und Moral erläutert. Das anschließende Kapitel stellt den Begriff des Selbstseinkönnens dar. Es stellt sich nun die Frage, welchen Einfluss das subjektive Bewusstsein in Form des Selbstseinkönnens auf das moralische Handeln hat. Hier wird die Gattungsethik hervorgehoben, der Habermas eine zentrale Rolle zuspricht. Die Gattungsethik ist der Schlüssel zu unserem moralischen Verhältnis gegenüber moralischen Fragen, die den Menschen direkt betreffen. Somit existiert ein direkter Zusammenhang zwischen dem Selbstseinkönnen, der Gattungsethik und der Moral.

Erst nach der kompletten Darstellung Habermas Argumentationsganges wird dieser auf die liberale Eugenik angewandt, um dann den Schluss zu ziehen, inwieweit er Grundlage für die Frage der liberalen Eugenik ist.

2 Differenzierung von Moral und Ethik

2.1 Moral aus anthropologischer Sicht

Als moralisch denkendes Wesen kann der Mensch moralisch handeln. Er hat das Bewusstsein oder die Vorstellung von Gut und Böse und kann somit auch gut oder böse handeln. Um ein intersubjektives Zusammenleben zu ermöglichen, benötigt der Mensch somit eine Moral.

Diese Moralvorstellung hat grundlegenden Einfluss auf die Entwicklung des Wesens Mensch, denn moralisches Denken bestimmt oder verändert die biologische Natur. Daraus entsteht ein Menschenbild, welches die Moral impliziert. Somit hat das Moralverständnis einen entschiedenen Anteil am Wesen des Menschen an sich.

2.2 Wandel des metaphysischen Denkens

Zur Zeit der metaphysischen und religiös dominierten Weltbilder hatte der Mensch eindeutige moralische Modelle vor sich. Richtig war das, was das metaphysische Modell oder die Religion vorgab. Das Verständnis über ein gutes Leben und über moralische Gerechtigkeit waren gleichgestellt und wurden als eine Einheit gesehen. Diese Lebensmodelle waren eine Vorgabe, der jeder Mensch folgte. Menschsein bedeutete, diese Modelle als Mensch in sich zu verinnerlichen und im Sinne des Modells zu handeln und zu leben.

Schon Decartes’ Feststellung „Ich denke also bin ich“ legte den Grundstein für eine Ablösung dieser metaphysischen Weltbilder[1]. Der Mensch wurde sich seines eigenen Denkens bewusst. Das Menschsein rückte immer mehr in den Mittelpunkt des einzelnen Menschen und wandelte sich in ein Selbstsein. Es entstand ein Selbstverständnis, in dem sich der Mensch immer mehr als ein eigenes und als ein handelndes Subjekt verstand. Gegenüber der moralisch gerechten Gesellschaft entwickelte sich ein individuelles Selbstverständnis, aus denen sich individuelle Lebensentwürfe bildeten, die ein gutes Leben bewirkten.

Aus diesem postmetaphysischen Moralverständnis heraus differenziert nun Habermas die beiden Begriffe Moral und Ethik.

2.3 Postmetaphysisches Verständnis von Moral

Moral ist für Habermas die Theorie der Gerechtigkeit, die sich auf einer Metaebene begeben hat. Hier werden die Formeigenschaften des moralischen Gesichtspunktes untersucht, ohne dass auf die einzelne Situation oder deren Inhalte eingegangen wird. Es werden moralische Normen vorgegeben, nach denen aus Pflichtbewusstsein gehandelt wird.

Somit gilt für handelnde Personen, Konflikte aus der Wir-Perspektive zu betrachten und sie mit Hilfe normativer Regeln im gleichmäßigen Interesse aller rational zu lösen[2]. Es besteht eine rationale Akzeptabilität in Bezug auf die sozialen Interaktionen.

Die deontologischen Theorien geben den Hinweis, „was im gleichmäßigen Interesse eines jeden liegt und gleichermaßen gut für alle ist“[3].

Sie beantworten aber nicht die Frage, wie >ich< als subjektiver Mensch mit dem gewonnenen Bewusstsein des Selbstseins handeln soll. In dieser Ich-Perspektive kann der Mensch mit seinem Selbstsein nicht ableiten, was für ihn selbst das Beste ist.

2.4 Postmetaphysisches Verständnis von Ethik

Diese Aufgabe spricht Habermas dem Begriff der Ethik zu, und sieht sie als eine Lehre vom richtigen Leben. Die ethischen Fragen stehen in dem Kontext einer bestimmten Lebensgeschichte, in der ein eigenes Selbstverständnis vorhanden ist. Die Sorge um das eigene Wohl als das ethische Selbstverständnis bindet den Willen zum moralischen Handeln.

Während die Moraltheorie die Formeigenschaften des Selbstverständigungs-prozesses untersucht, spezialisiert sich die Ethik auf die konkrete Form der existentiellen Selbstverständigung. Es ist ein direkter Bezug auf den Inhalt der Handlung aus der Sicht des Einzelnen vorhanden. Lösungen von Konflikten und Handlungen in bestimmten Lebenssituationen hängen von dem existentiellen Selbstverständnis der individuellen Person ab. Existentielles Selbstverständnis beschreibt Habermas näher mit einem identitätstragenden Deutungssystem eines Einzelnen oder einer bestimmten Gruppe[4].

Dieses postmetaphysische Verständnis von Ethik, das die individuelle Person aus der Ich-Perspektive mit dem subjektiven Bewusstsein des Selbstseins das richtige Leben bestimmt, hat Kierkegaard aufgegriffen und den Begriff des Selbststeinkönnens geprägt, was im anschließenden Kapitel dargestellt wird.

[...]


[1] Vgl. J.Habermas, Nachmetaphysisches Denken. Frankfurt am Main: Suhrkamp,1992. S39.

[2] J.Habermas, Die Zukunft der menschlichen Natur. Frankfurt am Main: Suhrkamp,2002. S71.

[3] Ebenda, S14.

[4] J.Habermas, Die Zukunft der menschlichen Natur. Frankfurt am Main: Suhrkamp,2002. S71.

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Das Selbstseinkönnen eingebettet in der Gattungsethik
Untertitel
Das postmetaphysische Moralverständnis in Bezug auf „Die Zukunft der menschlichen Natur“ von Jürgen Habermas
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Pädagogisches Institut)
Veranstaltung
Pädagogische Anthropologie II
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
30
Katalognummer
V88000
ISBN (eBook)
9783638023375
ISBN (Buch)
9783638931724
Dateigröße
517 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Selbstseinkönnen, Gattungsethik, Pädagogische, Anthropologie
Arbeit zitieren
Gangolf Neubach (Autor:in), 2003, Das Selbstseinkönnen eingebettet in der Gattungsethik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88000

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