Die materiellen Prüfungskriterien der Fusionskontrolle in Deutschland


Seminararbeit, 2006

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Die materiellen Eingreifkriterien des § 36 I GWB
2.1 Prognose und Kausalität
2.2 Marktabgrenzung
2.3 Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung
2.4 Verschiedene Zusammenschlussformen
2.5 Marktbeherrschung
2.5.1 Grundlagen
2.5.2 Die Prüfungskriterien des § 19 II GWB
2.5.2.1 Grundlagen
2.5.2.2 Marktanteil
2.5.2.3 Finanzkraft
2.5.2.4 Marktzutrittsschranken
2.5.2.6 Gesamtbetrachtung
2.6 Die Abwägungsklausel
2.6.1 Grundlagen
2.6.2 Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen
2.6.3 Kausalität
2.6.4 Abwägung i.e.S
2.7 Sonderregelungen

3. Ausblick

4. Literaturverzeichnis

1. Einführung

Die deutsche Fusionskontrolle[1] wurde durch die 2. GWB-Novelle von 1973 eingeführt. Sie verfolgt das Ziel, wettbewerbsschädliche Machtkonzentrationen präventiv zu verhindern.[2] Eine ausgewogene Marktstruktur soll erhalten bleiben, indem die Entstehung oder Ausweitung einseitiger, nicht mehr leistungsbedingter Verhaltensspielräume verhindert wird. Dies geschieht im Interesse des umfassenden Schutzes der Handlungsfreiheit anderer Unternehmen.[3]

Die zentrale Norm zur Bekämpfung marktschädigender Unternehmenszusammenschlüsse befindet sich nach mittlerweile sieben Gesetzesnovellierungen in § 36 I GWB. Die in ihr enthaltenen materiellen Prüfungspunkte kommen zur Anwendung, wenn die Aufgreifkriterien der Fusionskontrolle erfüllt sind, also ein Zusammenschluss i.S.d. § 37 GWB vorliegt, der weiterhin gem. § 35 GWB in den Geltungsbereich der deutschen Zusammenschlusskontrolle fällt.[4] Durch die Vorschrift wird das Bundeskartellamt ermächtigt und verpflichtet, Zusammenschlüsse dann zu untersagen, wenn von ihnen die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung zu erwarten ist. Ob dies der Fall ist, ergibt sich unter Einbeziehung einiger Besonderheiten aus § 19 II bzw. III GWB. Eine mit dem Zusammenschluss in kausaler Verbindung stehende, die Nachteile überwiegende Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen kann der Untersagung entgegenstehen (§ 36 I GWB).

Die vorliegende Arbeit macht es sich zum Ziel, einen Überblick über die materiellen Kriterien des § 36 I GWB zu geben. Dabei stehen vor allem die einzelnen Facetten der Marktbeherrschung, sowie die Anwendung der Abwägungsklausel im Mittelpunkt.

2. Die materiellen Eingreifkriterien des § 36 I GWB

2.1 Prognose und Kausalität

Die Zusammenschlusskontrolle ist von präventiver Art (vgl. § 39 I GWB). Vor diesem Hintergrund eröffnet § 36 I GWB schon dann eine Untersagungsverpflichtung, wenn eine Wettbewerbsverschlechterung auf Grund des Zusammenschlusses "zu erwarten ist". Die Wahrscheinlichkeit, dass durch den Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt wird, muss dabei hoch sein.[5] Vom Bundeskartellamt wird folglich eine Prognose gefordert.[6] Diese soll auf der Annahme basieren, der Zusammenschluss werde im Falle einer Zulassung wie angemeldet vollzogen.[7] Um eine Untersagung zu rechtfertigen, müssen die prognostizierten negativen Auswirkungen mit dem fraglichen Zusammenschluss in einem Kausalzusammenhang stehen.[8] Es genügt, wenn Mitursächlichkeit vorliegt.[9] Würde die Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen allerdings auch bei einer hypothetischen Fortentwicklung ohne den Zusammenschluss eintreten, ist eine Untersagung durch das Bundeskartellamt ausgeschlossen.[10] In diesem Licht ist ferner das erwartete Verhalten von Konkurrenten, wie etwa eine angekündigte Betriebsstilllegung, zu berücksichtigen.[11] Ebenfalls kann das aktuelle oder zukünftige Verhalten des anmeldenden Unternehmens selbst von Bedeutung sein.[12] Da in den meisten Fällen darüber aber kaum gesicherte Voraussagen möglich sind, müssen inhaltlich vor allem Veränderungen der Marktstruktur betrachtet werden.[13] Gleichfalls bedingt durch die Unmöglichkeit, gesicherte Voraussagen zu treffen, wird der Prognosezeitraum in Abhängigkeit von den Besonderheiten des betroffenen Marktes begrenzt.[14] Doch genügt es keinesfalls, allein auf die Folgen abzustellen, die unmittelbar mit dem Zusammenschluss entstehen. Die Gesetzesbegründung aus dem Jahre 1971 fordert viel mehr, dass bei der Prognose daneben Auswirkungen, die sich zu einem späteren Zeitpunkt entfalten, jedoch durch den Zusammenschluss ursächlich bedingt sind, mit einbezogen werden.[15] Dieser Forderung kommt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach.[16]

2.2 Marktabgrenzung

Entscheidend für die Analyse einer Wettbewerbsverschlechterung i.S.d. § 36 I GWB ist der vom Einzelfall abhängige, relevante Markt. Jener ist ausschlaggebend für den Rahmen, innerhalb dessen das Marktbeherrschungskriterium geprüft wird.[17] Mit zunehmender Marktgröße sinkt dabei die Wahrscheinlichkeit negativer Auswirkungen. Man unterscheidet im Grundsatz zwischen sachlicher und räumlicher Marktabgrenzung (vgl. § 19 II 1 GWB).[18]

Die sachliche Marktabgrenzung erfolgt nach dem sog. Bedarfsmarktkonzept. Grundlage ist, dass Verbraucher bestimmte Produkte miteinander abwiegen und als austauschbar ansehen.[19] Erzeugnisse, die auf Grund bestimmter Kriterien, wie etwa ihrem wirtschaftlichen Verwendungszweck oder ihrer Preislage, eine solche Austauschbarkeit aufweisen, gelten als marktgleichwertig.[20] Sie grenzen den relevanten sachlichen Markt ab. Das Bundeskartellamt verlässt sich bei seiner Bewertung auf Befragungen von Anbietern und Nachfragern. Eigene Feststellungen werden dabei genauso beachtet wie solche, die von Marktforschungsinstituten stammen.[21] Strittig ist, ob bei der Feststellung der auf dem relevanten Markt bestehenden Wettbewerbsverhältnisse eine dynamische Betrachtung geboten ist, ob also neben aktuellen Anbietern marktgleichwertiger Waren und Produkte auch die nur potenzielle Konkurrenz mit einzubeziehen ist.[22]

Die Abgrenzung des räumlich relevanten Marktes richtet sich nach den Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite, also der Abnehmer. Die Unternehmen, die am Zusammenschluss beteiligt sind, üben ihre Marktmacht im Regelfall nur auf einem flächenmäßig begrenzten Gebiet aus. Oftmals bestimmen sich diese Grenzen schon durch Transportkosten und Transportempfindlichkeit.[23] Der Bundesgerichtshof hat 1995 den Raum der Bundesrepublik Deutschland als Obergrenze des räumlich relevanten Marktes angesehen.[24] Damit hat er eine Anwendung von § 19 II 3 GWB im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle verneint. Vor dem Hintergrund einer zusammenwachsenden Europäischen Union und einer fortschreitenden Globalisierung ist diese Beurteilung jedoch nicht mehr als zeitgemäß zu betrachten.[25]

2.3 Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung

§ 36 I GWB trifft eine Unterscheidung zwischen der Begründung und der Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung. Unter dem Tatbestandsmerkmal der Begründung werden Fälle erfasst, in denen auf dem relevanten Markt zum ersten Mal eine marktbeherrschende Stellung entsteht und diese durch den Zusammenschluss verursacht wird.[26] Die Kontrolle, die Mitbewerber bisher auf den Verhaltensspielraum der beteiligten Unternehmen ausüben konnten, wird dabei beseitigt. Von dem Zusammenschluss wird eine Verschlechterung der Marktstrukturen erwartet.[27] Die Aufnahme des – in praxi weitaus häufigeren[28] - Merkmals der Verstärkung dient dazu, ohnehin schon eingeschränkten Wettbewerb vor zunehmender Bedeutungslosigkeit zu schützen.[29] Je ausgeprägter die marktbeherrschende Stellung dabei bereits vor dem Zusammenschluss war, desto geringer sind die Anforderungen an einen Nachweis der Verstärkung. Die Verstärkung, die durch den Zusammenschluss hervorgerufen wird, muss weder wesentlich[30], noch spürbar[31] sein. Aus einem Vergleich der Wettbewerbsverhältnisse vor und nach dem Zusammenschluss muss sich jedoch ergeben, dass der Wettbewerb eine weitere Beschränkung erfahren hat.

2.4 Verschiedene Zusammenschlussformen

In der zusammenschlussrechtlichen Praxis unterscheidet man zwischen horizontalen, vertikalen und konglomeraten Zusammenschlüssen.

[...]


[1] Mit dem Begriff „Fusionskontrolle“ werden teilweise in der Literatur auch heute noch die §§ 35 ff. GWB bezeichnet. Da die Fusion jedoch lediglich einen einzelnen Fall der Zusammenschlusstatbestände aus § 37 GWB darstellt, ist er zu eng gefasst und damit irreführend. Von einer Verwendung zur Bezeichnung der aktuellen Zusammenschlusskontrolle wird deshalb in der vorliegenden Arbeit abgesehen.

[2] BT-Drucksache VI/2520, S. 14 ff.; vgl. außerdem Haberstumpf, Wettbewerbs- und Kartellrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, S.41.

[3] BGH WuW/E 1501, 1506.

[4] Der Vollständigkeit halber ist auch das Aufgreifkriterium der Inlandsauswirkung (§ 130 II GWB) zu erwähnen. Da jenes jedoch schon der grundsätzlichen Anwendung des GWB vorangeht, wird es hier nicht gesondert problematisiert.

[5] BGH WuW/E 1501; Commichau / Schwartz, Grundzüge des Kartellrechts, S. 134; Langen / Ruppelt, § 36 Rdnr. 43.

[6] Emmerich, Kartellrecht, S. 284; Rittner, Wettbewerb- und Kartellrecht, S. 369.

[7] IM /Mestmäcker / Veelken, § 36 Rdnr. 127.

[8] Emmerich, Kartellrecht, S. 286; FK/ Rieger, § 36 Rdnr. 67.

[9] BGHZ 115, 354, 361 f.

[10] OLG WuW/E 4379; Bunte, Kartellrecht, S. 268.

[11] FK/ Rieger, § 36 Rdnr. 67.

[12] IM /Mestmäcker / Veelken, § 36 Rdnr. 120.

[13] BGHZ 71, 102, 116 ff.; vgl. auch BGHZ 88, 284, 289 f.. Eine Abweichung von dieser Regel ergibt sich lediglich bei der Anwendung von § 19 II 1 Nr. 1, Alt. 2 GWB; vgl. dazu 2.5.1.

[14] Bechtold, Kartellgesetz, § 36 Rdnr. 3.

[15] BT-Drucksache VI/2520, S. 29; vgl. auch FK/ Rieger, § 36 Rdnr. 67; Langen / Ruppelt, § 36 Rdnr. 43.

[16] BGH WuW/E 1501, 1507 f.; kritisch dazu Bechtold, Kartellgesetz, § 36 Rdnr. 2.

[17] Bundeskartellamt, Auslegungsgrundsätze, S. 1.

[18] Handbuch/ Rösler, S. 481.

[19] Bunte, Kartellrecht, S. 263; ausführlich zum Bedarfsmarktkonzept Bunte, Kartellrecht, S. 188 ff.; vgl. auch Wiedemann/Richter, § 20 Rdnr. 7 ff.

[20] BGH WuW/E 1435, 1440 f.

[21] Bunte, Kartellrecht, S. 263.

[22] Bejahend Langen/Ruppelt, § 36 Rdnr. 18 f.; FK/ Rieger, § 36 Rdnr. 40.; ablehnend Handbuch/ Rösler, S. 481.

[23] Handbuch/ Rösler, S. 481 f.

[24] BGH WuW/E 3026.

[25] Bunte, Kartellrecht, S. 263 f., Handbuch/ Rösler, S. 482 f., Langen / Ruppelt, § 36 Rdnr. 19; vgl. außerdem Lange, BB 1996, 1997 ff.

[26] Emmerich, Kartellrecht, S. 286; Wiedemann/Richter, § 20 Rdnr. 112.

[27] Bundeskartellamt, Auslegungsgrundsätze, S. 8.

[28] Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 372.

[29] BGH WuW/E 1685, 1691 f.

[30] BGH WuW/E 1501, 1512.

[31] BGH WuW/E 1685, 1691.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die materiellen Prüfungskriterien der Fusionskontrolle in Deutschland
Hochschule
Fachhochschule Trier - Hochschule für Wirtschaft, Technik und Gestaltung
Veranstaltung
Seminar Kartellrecht
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
17
Katalognummer
V87990
ISBN (eBook)
9783638034050
Dateigröße
422 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Prüfungskriterien, Fusionskontrolle, Deutschland, Seminar, Kartellrecht
Arbeit zitieren
Diplom-Wirtschaftsjurist (FH) Sebastian Blasius (Autor:in), 2006, Die materiellen Prüfungskriterien der Fusionskontrolle in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87990

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