Was ist ein Autor?

Versuch einer soziologischen Perspektivierung der Autorkategorie in Auseinandersetzung mit strukturalistischen Konzeptionen


Seminararbeit, 2008

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Autor als Strukturkategorie bei Roland Barthes und Michel Foucault
2.1. Die strukturalistische Dekonstruktion des Autors (Roland Barthes)
2.2. Der Autor als Diskursfunktion (Michel Foucault)

3. Der Autor als soziales Phänomen: Eine Annäherung
3.1. Der Autor als Naturverhältnis - Eine Abgrenzung
3.2. Die Konstitution des legitimen Sprechers ( Pierre Bourdieu )
3.3. Der Autor als Sonderfall des legitimen Sprechers

4. Abschließende Bemerkungen

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Autor begegnet uns im diskursiven Raum literaturtheoretischer Auseinandersetzungen als eine höchst zwielichtige Gestalt. Er scheint verdächtig, vermittelt der Beiklang seines Namens doch gemeinhin das Bild des sich autonom wähnenden schöpferischen Subjekts, ruft sein Auftreten Assoziationen bezüglich eines quasi von naturhaften Impulsen getriebenen Genies hervor- begriffliche Assoziationen, die nicht zuletzt ihre historische Wirkmächtigkeit einer mit religiöser Symbolik aufgeladenen Mystifizierung verdanken.

Und dennoch, trotz vermeintlich unzeitgemäßer Bedeutungszuschreibungen, hat der Autor bis heute all die Angriffe, Denunziationen und Todesdrohungen, die man ihm gegenüber zur Geltung brachte, nahezu schadlos überstanden. Er scheint in seiner schattenhaften Gestalt nicht greifbar zu sein, und dies möglicherweise gerade deshalb, weil der Autor an einer Schnittstelle sein Dasein fristet, an einem Grenzort existiert, an dem, so ließe sich paradox formulieren, keiner mehr redet, obwohl einer spricht.[1]

Sich innerhalb der Kämpfe, die sich um die Figur des Autors entzünden, klar zu positionieren, die scheinbar uneinnehmbare Festung der Autorschaft entweder zu verteidigen, oder sich aber an ihrer andauernden Belagerung zu beteiligen, ist aus meiner Perspektive eine uneinlösbare Forderung. In gewisser Weise ist man einerseits versucht innerhalb einer Welt, die sich in spezifischer Hinsicht radikaler denn je vom Individuum zu verabschieden droht und ganz im Sinne eines postmodernen Zeitgeistes das je Besondere dem Beliebigen unterordnet, emphatisch an der Figur des Autors festzuhalten – einer Figur, die sich jedoch im Akt jener Umklammerung nur allzu leicht als Zufluchtsort subjektiver Autonomie naiv romantisiert. Auf der anderen Seite scheint die Autorzuschreibung eine diskursive Verengung zu erzeugen, die in autoritärem Gestus das Feld möglicher Aussagen und Verständigungen weiträumig abriegelt und auf diese Weise gewissermaßen eine Logik installiert, derer sich mit Notwendigkeit unterzuordnen hat, was gesagt werden will. Hierbei übt die Kategorie des Autors die Funktion einer machtvollen Einhegung des Diskurses aus, in dem allein noch von Interesse ist wer spricht, das Gesagte jedoch, unter dieser Instanz erdrückt, zum bloßen Ornament des Sprechers zu werden droht.[2]

Es verlangt gewiss einiges an Gespür in jenen Irrgärten, die um die Figur des Autors herum sich aufbauen, Orientierung zu finden. Ein erster und unabdingbarer Grundsatz dieses Unterfangens besteht meiner Ansicht nach vor allem darin, jene Kategorie stets in ihrer Ambivalenz zu begreifen. Dies zu leisten wird sich die vorliegende Arbeit immer wieder selbst vergewissern müssen.

In einem ersten Teil werde ich eine Annäherung an den Autorbegriff unternehmen, die sich in der Perspektive zweier einflussreicher diskursiver Positionen entwickeln soll. Hier wird es mir nicht zuletzt darum gehen in der Auseinandersetzung mit den Texten Roland Barthes und Michel Foucaults, das Terrain für eine weiterführende Auseinandersetzung mit der Autorthematik vorzubereiten.

In einem zweiten Teil möchte ich eine spezifische Perspektive auf die Kategorie des Autors entwickeln, die jenen in seinen sozialen Vermittlungsverhältnissen begreift. Zu diesem Zweck sollen die Arbeiten des Soziologen Pierre Bourdieu herangezogen und im Bezug auf die hier behandelte Thematik spezifiziert werden.

2. Der Autor als Strukturkategorie bei Roland Barthes und Michel Foucault

„Könnte es sein, dass der Autor im modernen Sinne, nur eine episodenhafte Existenz in der Geschichte der Schriftlichkeit einnimmt?“[3]

Der Autorbegriff ist letztlich eine in hohem Maße umstrittene Kategorie, deren Bedeutungsgehalt keineswegs eindeutig bestimmbar ist und allein mit Blick auf diskursive Konjunkturen, historisch wandelbare Paradigmen und unter Berücksichtigung soziokultureller Konstellationen in seiner Ambivalenz erschlossen werden kann.[4] Die unterschiedlichen diskursiven Stränge, ihre historischen Verlaufsformen und spezifischen Implikationen innerhalb der literaturwissenschaftlichen Debatten können im begrenzten Rahmen der vorliegenden Arbeit natürlich nicht in ihrer Breite erörtert werden.[5] Wir sehen uns demzufolge an dieser Stelle mit der Notwendigkeit konfrontiert, eine Auswahl von Positionen zu treffen, die aufgrund von verschiedenen Kriterien, im weiteren Verlauf gewissermaßen als repräsentativ für eine bestimmte diskursive Formation angesehen werden sollen. Diese Fokussierung wird sich auf zwei programmatische Texte beziehen, die innerhalb der Auseinandersetzungen mit dem Autorbegriff einen großen Einfluss geltend machen konnten und zumindest auf theoretischer Ebene[6] die literaturwissenschaftlichen Debatten in dieser Hinsicht wesentlich geprägt haben.[7]

Beide Positionen können als aus strukturalistischen beziehungsweise poststrukturalistischen Motivlagen heraus vorgetragene Angriffe auf die Kategorie der Autorschaft bezeichnet werden und stellen in diesem Sinne entscheidende Koordinaten dar, die der folgenden Argumentation als Fixpunkte dienen und aus deren kritischer Reflexion weitere erkenntnisleitende Einsichten gewonnen werden sollen.

2.1. Die strukturalistische Dekonstruktion des Autors (Roland Barthes)

„Das Großgeglückte besteht sogar nur darin, dass es Person und Namen des Dichters verleugnen kann.“[8]

Eine erste Position, auf die ich mich an dieser Stelle beziehen möchte stammt von dem französischen Literaturkritiker und Philosophen Roland Barthes. Dessen 1969 veröffentlichter Text mit dem programmatischen Titel „Der Tod des Autors“ die literaturwissenschaftlichen Debatten der folgenden Jahre wesentlich mitgeprägt hat.[9] Durch den Einfluss der Argumentation Barthes’ und die vermeintliche Überzeugungskraft der daran anschließenden Fortführungen, konnte innerhalb der Literaturtheorie eine Situation geschaffen werden, in der „[...] die Verwendung des Autorbegriffs bei der Interpretation literarischer Texte heute dem Vorwurf theoretischer Naivität ausgesetzt.“[10] ist. Wenngleich auf der Ebene der Theorie somit von einer enormen Skepsis und einem tiefen Misstrauen gegenüber dem Autorbegriff gesprochen werden kann, so scheint jener doch innerhalb der literaturwissenschaftlichen Praxis, aber auch im alltäglichen Umgang mit spezifischen künstlerischen Ausdrucksformen weitestgehend unverzichtbar zu sein.[11]

Diesem Widerspruch und der Frage nach der Überlebensfähigkeit des Autors, werde ich mich jedoch in einem späteren Teil der vorliegenden Arbeit widmen. An dieser Stelle soll es primär darum gehen die Umstände zu klären, unter denen der Autor bei Roland Barthes zu Tode kommt.

Eine Auseinandersetzung mit dem Tod des Autors verlangt aus verschiedenen Gründen danach, sich gewissermaßen dem Text gegenüber auf eine Metaebene zu begeben, um von diesem Standpunkt aus die wesentlichen Argumentationen Barthes´ aufschlüsseln zu können. Der apodiktische Gestus des Aufsatzes, seine symbolhaft metaphorische Redeweise aber auch der teils im Modus der Verkündigung auftretende sprachliche Duktus, der dem Text einen nicht zu überhörenden religiösen, beinahe missionarischen Tonfall aufprägt, begründen wohl gleichzeitig die tendenzielle Unzugänglichkeit und Wirkmächtigkeit des Aufsatzes.[12]

Ein wesentlicher Bestandteil des Versuchs einer Erschließung des Textes, besteht in dem Verweis auf die impliziten Prämissen, die Roland Barthes´ Argumentationsführung grundlegend leiten. Hier ist an erster Stelle die Bedeutung des Strukturalismus, vor allem in seiner sprachwissenschaftlichen Ausdeutung, hervorzuheben. Eine sehr prägnante Formulierung, findet sich in diesem Zusammenhang bei ??? : „The author is constituted only in language and a language is by definition social, beyond any particular individuality and, as Saussure put in respect of natural language, to be accepted such as it is.”

Jenes Verständnis der Kategorie des Autors lässt sich somit auf eine an Saussure angelehnte strukturalistische Position zurückführen, in deren Interpretation sich das Subjekt nicht etwa als souveräner Akteur der Sprache bedient, sondern vielmehr im Raum der sprachlichen Zeichen verschwindet und letztendlich allein noch als Schnittstelle im assoziativen Netz der Bedeutungsproduktionen erscheint. Das Verhältnis des Individuums zur Sprache findet sich ähnlich bereits bei Heidegger thematisiert: „Der Mensch spricht nur, indem er der Sprache entspricht. Die Sprache spricht. Ihr Sprechen spricht für uns im Gesprochenen.“[13]

Im Bezug auf die Argumentation Roland Barthes ist man geneigt zu sagen, dass der Autor gerade im Raum der sprachlichen Zeichen sein Leben verliert:

[...]


[1] Den Versuch einer topographischen Bestimmung jenes Ortes zu wagen, ist eines der Vorhaben, dass

sich die vorliegende Arbeit zur Aufgabe gestellt hat.

[2] Es sollte an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass es sich bei diesen Ausführungen um stark verkürzte Beschreibungen handelt, die lediglich dazu dienen sollen das Feld möglicher Auseinandersetzungen mit dem Autorbegriff von den extremen Positionen her zu vermessen.

[3] Woodmansee, Martha: Der Autor-Effekt. Zur Wiederherstellung von Kollektivität. In: Jannidis, Fotis (Hg.) u.a.: Texte zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart: Reclam, 2000. S. 298.

[4] In einem Sammelband, der anlässlich des vierundzwanzigsten der Germanistischen Symposien der

deutschen Forschungsgemeinschaft erschien und sich mit der Kategorie der Autorschaft

auseinandersetzt, erklärt Heinrich Detering bezüglich des inhaltlichen Schwerpunktes jenes

Symposiums : „Es galt einem der umstrittensten Themen nicht nur der germanistischen, sondern

überhaupt der literaturwissenschaftlichen Debatten der vergangenen Jahre.“. Detering, Heinrich (

Hrsg, ): Autorschaft: Positionen und Revisionen. Stuttgart: Carl Ernst Poeschel Verlags GmbH,

2002, S. IX.

[5] Für einen Überblick zu dieser Thematik bietet sich beispielsweise folgende Aufsatzsammlung an:

In: Jannidis, Fotis (Hg.) u.a.: Rückkehr des Autors: Zur Erneuerung eines umstrittenen Begriffs.

Tübingen: Niemeyer Verlag, 1999. .

[6] Auf die frappierende Diskrepanz zwischen einer Anerkennung der teils vernichtenden Kritik am

Autorbegriff auf der Ebene theoretischer Auseinandersetzungen und der

[7] Willie Peer bemerkt in diesem Zusammenhang kritisch: „Ein Merkmal der heutigen

Literaturwissenschaft ist ihre Neigung zur schnellen und unreflektierten Übernahme neuer

Ansichten.“ In: Ebd.: Absicht und Abwehr. Intention und Interpretation. S. 107.

[8] Heidegger, Martin: Unterwegs zur Sprache. Pfullingen: Neske Verlag, 1959, S. 18.

[9] Natürlich sollte darauf hingewiesen, dass die Position Roland Barthes hier nicht für sich steht,

sondern als Teil einer bestimmten Traditionslinie betrachtet werden muss. Kritik an der Kategorie

des Autors finden sich bereits bei Beardsley/Wimsatt, Wayne Booth oder Julia Kristeva.

[10] Jannidis, Fotis u.a.: Rede über den Autor an die Gebildeten unter seinen Verächtern. In: Jannidis,

Fotis (Hg.) u.a.: Rückkehr des Autors: Zur Erneuerung eines umstrittenen Begriffs. Tübingen:

Niemeyer Verlag, 2000.

[11] „Literaturtheoretiker können zwar darauf verzichten, den Begriff des <Autor> zu definieren, nicht

aber darauf, ihn auf spezifische Weise zu verwenden.“ In: Ebd., S. 18.

[12] Die Wirkmächtigkeit der Position Roland Barthes kann natürlich allein mit Bezug auf den gesellschaftlichen Kontext sinnvoll beantwortet werden Ein wichtiger Hinweis hierzu findet sich bei Fotis Jannidis: „Erst das Zusammentreffen von theoretischer Kritik und gesellschaftlichem Umbruch hat die selbstverständliche Geltung dessen auflösen können, was bis dahin als disziplinär legitimer Umgang mit dem Wissen um den Autor gegolten hatte.“ In: Ebd., S. 16.

[13] Heidegger, Martin: Unterwegs zur Sprache. Pfullingen: Neske Verlag, 1959, S. 33.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Was ist ein Autor?
Untertitel
Versuch einer soziologischen Perspektivierung der Autorkategorie in Auseinandersetzung mit strukturalistischen Konzeptionen
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Institut für Medienwissenschaft)
Veranstaltung
Autorentheorie im Film
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
20
Katalognummer
V87869
ISBN (eBook)
9783638033954
ISBN (Buch)
9783638932066
Dateigröße
467 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar des Dozenten: Eine klar strukturierte und präzise argumentierende Arbeit, die sich in ihrer Durchführung und sprachlichen Form auf hohem Niveau bewegt.
Schlagworte
Autor, Autorentheorie, Film
Arbeit zitieren
Philipp Schmidt (Autor:in), 2008, Was ist ein Autor?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87869

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