Wie wird ein Song zum Hit?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

23 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1. Musik, Musik, Musik

2. Zum Begriff des Hits

3. Die Publikumsköder

4. Vom Musikvideo zum Image

5. Der Masse gerecht nach Schema X

6. Mythen in Musikwelten

7. Der Reiz des Neuen

8. Eckdaten eines Stars

9. Der Werdegang eines Hits exemplifiziert

10. Anhang: Der vollständige Text zum Song „Wir kiffen“

Literaturverzeichnis

1. Musik, Musik, Musik...

Musik ist heutzutage allgegenwärtig. Sie ist immer und überall zu hören, und es scheint das Selbstverständlichste der Welt zu sein. Im Durchschnitt rezipieren die Bürger in Deutschland seit Jahren gut drei Stunden pro Tag Musik über Radio, CD, Schallplatte, Kassette, Fernsehen, Walkman oder Computer. Dabei ist mit zunehmender Freizeit und größtem Wohlstand, der Zeitanteil für die musikbezogene Mediennutzung kontinuierlich angestiegen: Jeder zehnte hört täglich mindestens fünf Stunden Musik. Somit rangiert Musikhören in der Freizeitbeschäftigung der 14- bis 19jährigen mit über 95 Prozent auf dem ersten Platz.[1] Vor diesem Hintergrund derartiger Zahlen wird deutlich, dass die Produktion von Popmusik weit mehr, als das je zuvor der Fall sein konnte, den kommerziellen Interessen der weltweit agierenden Kulturindustrie unterliegt. Vor allem in den Mainstreambereichen des Pop, Rock und volkstümlicher Musik, werden die klingenden Produkte meist planvoll hergestellt und auf den Konsum durch Massen zugeschnitten. Musik und Massenmedien erscheinen daher in der modernen Welt fast wie Synonyme. Radio, Fernsehen und die modernen Tonträger erreichen somit Millionen von Zuhörern und Zuschauern, wodurch sich, in Zusammenarbeit mit den großen Medienfirmen, der Bekanntheitsgrad zahlreicher Sänger und Bands massiv erhöht hat. Die Produktion Compact Discs hat sich zu einer Industrie entwickelt, die von der großen Nachfrage der Musikfreunde profitiert. Denn der gesamte Musikbestand aus allen Zeiten ist praktisch für jedermann und jederzeit verfügbar geworden. Nirgendwo sonst ist die Symbiose zwischen Musik und Kommerz enger als im Mediengeschäft. Unter den zahlreichen Songs, die in diesem riesigen Gefüge der Medienlandschaft entstehen, zeigt sich überdies ein Phänomen, welches Songs in ihrem Erfolg würdigt. Es ist das Phänomen des Hits. Der Hit ist im subjektiven Sinne meist eine Art Ohrwurm, ein persönlicher Favorit in der Musikwelt. Darüber hinaus hören wir im Radio täglich eine Vielzahl von Musiktiteln, die als Hits bezeichnet werden, die wir jedoch keinesfalls alle als unsere Favoriten betiteln würden, und trotzdem wird dieser Begriff so zahlreich verwendet. Es muss also ein anderes Phänomen dahinter stecken, als dass des persönlichen Favoriten. Deshalb sollte die Frage gestellt werden, wie ein Song zum Hit wird, wann er also die Bezeichnung „Hit“[2] verdient. Zu diesem Zweck widmet sich diese Arbeit den Produktions- und Vermarktungsprozessen von Songs.

2. Zum Begriff des Hits

Der Begriff des Hits kommt aus dem Englischen to hit und bedeutet soviel wie schlagen bzw. treffen. Man kann also sagen, ein Hit ist ein Treffer im Sinne eines Erfolgs. Man verwendet diesen Begriff seit den 50ern, denn in dieser Zeit etablierte sich das Fernsehen als einschneidende, technologische Neuerung und zwang den Rundfunk zu einer grundlegenden Umorientierung seiner Programmstrategien. Somit kam es zu zielgruppenorientierten Programmkonzepten und zur ausschließlichen Nutzung von Tonkonserven aus Kostengründen. Etwa zur gleichen Zeit kam die Langspielplatte heraus und kurz darauf die preiswerte Single, welche sich in Verbindung mit populären Musikformen als unendlich expansionsfähig erwies. Die Folge davon war die Ausbreitung des Musikmarktes und „eine bis heute anhaltende Interessenallianz aus Tonträgerfirmen und Rundfunk.“[3] Demnach entstand erstmals ein Überschuss an Songs bzw. Platten, weshalb man begann die Musik nach „Hits“ zu kategorisieren, da nicht jede Platte absetzbar war. In den Jahren zuvor war nämlich die Nachfrage vom Angebot der wenigen Plattenhersteller die es bis dato gab, abhängig, d.h. Platten waren beinahe eine Rarität und eher als Verkaufshilfe für die Plattenabspielgeräte gedacht.

Der Begriff des Hits ist daher gebräuchlich, um Produkte auf dem Markt zu positionieren. Welche Position bzw. welchen Platz ein Song auf dem Markt einnimmt, kann an Ranglisten, den sogenannten Charts, die von Platz 1-100 gehen, abgelesen werden. Charts beschreiben relative Verkaufsverhältnisse, die wöchentlich neu bestimmt werden, d.h. wenn ein Hit auf Platz eins der Chartlist steht, hat er die meisten Abverkäufe dieser Woche zu verzeichnen.

Fazit: Man kann einen Song zwar zu Vermarktungszwecken als Hit deklarieren, doch ein „echter“ Hit ist er dann wenn seine Verkaufzahlen in Bezug zu anderen Songs relativ

hoch sind, und er deshalb gute Positionen in den Chartlisten erreicht.

Chartlisten geben somit auch Auskunft darüber, was angesagt ist, und was nicht. Sie bestimmen also den Tonträgerabsatz der Zukunft, indem sie der Musikindustrie die Möglichkeit bieten über das Kaufverhalten Rückschlüsse für zukünftige Musikproduktionen zu ziehen. Fragt sich nur noch, wie die Verkaufszahlen festgelegt werden. Diese Aufgabe übernehmen Marktforschungsunternehmen für nationale und internationale Charts, indem sie in bestimmten, großen Musikgeschäften, sogenannten Chart-Return-Shops, deren Standorte geheimgehalten werden, das Kaufverhalten beobachten und die Zahlen ermitteln. Doch nicht nur für Plattenfirmen und Musiker scheinen die Charts Bedeutung zu haben, sondern auch für die Hörer. Was zählt ist nämlich nicht nur der eigene Musikgeschmack, sondern auch das, was „In“ ist, und das ist bekanntlich das, was in den Hitparaden läuft. Man darf dies natürlich nicht pauschalisieren, denn neben denen, die wahllos dem Diktat der Charts folgen, gibt es auch jene die sich davon nicht beeinflussen lassen und ihren eigenen musikalischen Auswahlkriterien nachgehen. Doch da es uns um das Hitphänomen populärer Musik geht, welche Massenmusik ist, wollen wir uns auch dem Mainstream widmen.

3. Die Publikumsköder

Angesichts der ökonomischen und politischen Bedingungen, die der Bevölkerung eine ständig steigende und persönlich zu bewältigende Problem- und Krisenmasse aufbürdet, ist es den kommerziellen Veranstaltern aus Rundfunk (und Fernsehen) gelungen, mit Unterhaltungsprogrammen jene anzulocken, die sich statt dem Prinzip „Rundfunkfreiheit“ lieber dem Amüsement widmen, das ihnen über die gesellschaftlichen Beschränkungen und persönlichen Versagungen hinwegzuhelfen scheint. Somit geht die Tendenz dahin, sich in der arbeitsfreien und möglicherweise arbeitslosen Zeit vermehrt zu entlasten. Diese Bereitschaft zur Entlastung machen sich die kommerziellen Programmveranstalter zunutze, um Publikum zu gewinnen und Werbemärkte anbieten zu können. Zu diesem Zweck versuchen sie, gezielt Programme zusammenzustellen, dessen Richtschnur die Programminteressen bilden, die per Meinungs- und Marktforschung bei der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung erhoben worden sind. Das eingehen auf die Programminteressen dient allerdings nur dem Ziel, das Publikum zu ködern, um ihr Konsumverhalten voranzutreiben. Damit wird ein ertragreicher Boden für die Werbung von Musikprodukten geschaffen. Somit haben Radio- und Fernsehsender die Möglichkeit Werbemärkte an Plattenfirmen zu verkaufen, wobei dem Publikum nur noch eine Rolle zukommt: die des Adressaten für Warenwerbung. Dies wiederum bringt den kommerziellen Programmanbietern das Geld ein, mit dem sie ihre Sendungen weiterhin profitabel realisieren können. Beim Einfangen des Publikums wird daher mit einem Angebot gelockt, das angeblich nicht nur den populärsten Sendungen Paroli bieten kann, sondern deren Umfang und Massenattraktivität noch übertrifft. Dabei zielen sie besonders auf jene Gruppen ab, die immer wieder nach Unterhaltung verlangen. Dies sind zumeist die 14 – 40jährigen. Um also die Umsetzung des Prinzips „Unterhaltung“ zu realisieren, basiert das Angebot der Radio- und Fernseh(musik)sender fast ausschließlich auf populärer Musik in ihrer aktuell gängigen Form, aber auch auf „Oldies“.

Der Radiohörer und der Zuschauer von Fernseh(musik)sendern versteht das Hören und Sehen von Musik aber nicht unmittelbar als Werbung. Für ihn sind Radio und Fernseher Gebrauchsgegenstände, die er um seiner Unterhaltung willen benutzt, und dies mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre es das normalste von der Welt. Wenn man jedoch bedenkt, das der Bedarf an Musik erst durch die Verbreitung via Radio und Fernsehen entstand, Radio und Fernsehen also erst die Möglichkeit darstellten jenen Bedarf zu wecken, so scheint nichts mehr selbstverständlich zu sein. Diese Tatsache verstärkt die These, dass jeder über die Medien verbreitete Song ein Produkt der Musikindustrie ist, eigens für den Konsum gemacht. Beinahe unmerklich lässt sich das Publikum ködern, denn sie sehen meist nur den Unterhaltungswert der Sendungen, die sie sich anhören bzw. ansehen, und gerade dies ist der Punkt, den sich die Musikindustrie zunutze macht, indem sie für ihre Produkte übers Radio und über das Musikfernsehen also eine solche Art von Werbung macht, die selbst Produktwert hat und gekauft werden kann. Demnach fungieren Radio- und auch Fernsehsender, wie bereits festgestellt, als Werbeträger. Sie gehören daher unerlässlich zu jener Vermarktungsstrategie, die einen Song dermaßen anpreist, dass der Hörer sich zum Kauf desselben angespornt fühlt.

4. Vom Musikvideo zum Image

Gerade durch das Sichtbarmachen von Musik via TV war der Kultur- bzw. Musikindustrie die Möglichkeit gegeben in jedem Wohnzimmer, über Bilder und Klänge, eine Atmosphäre zu schaffen, die es dem Publikum ermöglichte in die Traumwelten der Stars einzutauchen. Somit wurde speziell das Musikvideo, mit der ersten MTV-Sendung 1981, zum Hauptwerbefaktor der Musikindustrie. Für den Erfolg der Musiker, ihrer Musik und dem daraus resultierenden Absatz, wurde die neue Sichtbarkeit somit zu einer Notwendigkeit. Fotografien, Artikel oder Interviews in Musikzeitschriften, die vorher eine Aussage über den Star in die Köpfe der Fans transportierten, waren von nun an zweitrangig, denn durch das Musikfernsehen war Präsentation gefragt, man verlangte also nach einem Image. Das Image eines Musikers ist eine Art Rolle, in die er schlüpft, welche sich aus verschiedenen Komponenten zusammensetzt; dazu zählt sein gesamter Habitus, also seine Verhaltensweisen, seine Art sich zu bewegen, seine Art sich sprachlich auszudrücken, seine Meinung, seine Kleidung, seine Frisur, und auch Informationen über seine Biografie und das aktuelle Geschehen seines Lebens. All diese Komponenten werden mit seinen Songs verknüpft und vorrangig über Videoclips und Fernsehinterviews suggeriert. Image und Werk müssen demnach ein stimmiges Bild abgeben, es muss authentisch wirken, so als würde durch Person und Song eine Botschaft übermittelt, die dem Hörer dazu verhilft, sich mit dem was er hört und sieht zu identifizieren. Ist dies gelungen, hat der Werbeeffekt zugeschlagen. Denn was sich daraus ergibt ist eine Fangemeinde, die garantiert für Absatz sorgt und hoher Absatz bedeutet Erfolg. Es ist somit Aufgabe des Produzenten aus dem Musiker und seiner Musik ein perfektes Paket zu schnüren und es als Hit zu präsentieren und zu verkaufen.

[...]


[1] P.M. Heyde (Hg.): Jugend-Marktreport. Die Jugend als Verbraucher in verschiedenen Märkten, Hamburg, 1992, S. 32

[2] Diese und alle Hervorhebungen im folgenden, die nicht durch Fußnoten gekennzeichnet sind, gehen auf die Autorin dieser Arbeit zurück.

[3] Peter Wicke, Artikel: Musikindustrie, in : Ludwig Finscher (Hrsg): Musik in Geschichte und Gegenwart: allgemeine Enzyklopädie der Musik; 20 Bände in zwei Teilen / begr. von Friedrich Blume, Kassel (u.a.), 1998, S. 1343 ff.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Wie wird ein Song zum Hit?
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Musikwissenschaftliches Insitut)
Veranstaltung
Seminar "Der Hit als kulturelles Phänomen"
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
23
Katalognummer
V87851
ISBN (eBook)
9783638027793
Dateigröße
470 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Song, Seminar, Phänomen
Arbeit zitieren
Nadine Müller (Autor:in), 2002, Wie wird ein Song zum Hit?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87851

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