Die Illusion der Möglichkeit von Authentizität

Vom Streite zwischen Cinéma Vérité und Direct Cinema sowie seiner Auflösung im konstruktivistischen Kommunikationsmodell


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

28 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.0 Die Wirklichkeit wird populärer - Einleitung

2.0 Über was sprechen wir eigentlich – Ansätze und Probleme einer Definitionen des Dokumentarfilms

3.0 Produktionsanleitungen, Authentisierungsstrategien, Theorieansätze:
Die Schulen des Direct Cinema und Cinéma Vérité
3.1 Zwei Schulen
3.2 Direct Cinema
3.3 Cinéma Vérité
3.4 Zwischenstand

4.0 Neuordnung – das konstruktivistische Kommunikationsmodell

5.0 Inkonsistente Wirklichkeit und Film

6.0 Wirklichkeit: Fortsetzung folgt

7.0 Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1.0 Die Wirklichkeit wird populärer

Inwieweit kann der Dokumentarfilm Wirklichkeit repräsentieren? Diese Frage soll auf den folgenden 26 Seiten beantwortet werden, da sie der zentrale Ausgangspunkt ist, der allen Diskussionen um das soziale und politische Potential des Dokumentarfilms vorgeschaltet ist.

Der Dokumentarfilm ist im Kommen. Zum einen eroberten seit 2002 Filme wie Bowling for Columbine (Michael Moore, USA, 2002), Die Reise der Pinguine (Luc Jaquet, F, 2005) und Deutschland. Ein Sommermärchen (Sönke Wortmann, D, 2006) die Kinocharts. Auch jenseits der Doku-Blockbuster ziehen Dokumentationen mehr Zuschauer an: Der Intendant des Filmboards Berlin-Brandenburg beschreibt die Situation im Jahre 2004 so: „Galten vor zwei Jahren noch 10 000 Zuschauer als ,magische Grenze‘ beim Dokfilm, wird heute nicht selten doppelt so viel Publikum erreicht.“[1] Huber erklärt den Markterfolg mit wachsendem Bedürfnis nach Welterklärung und mit den durch die Digitaltechnologie stetig sinkenden Produktionskosten.[2]

Der Digitaltechnologie ist es auch zu verdanken, dass sich die Filmsprache weiterentwickelt: Wenn mehr Autoren mit mehr Werkzeugen die Möglichkeit haben, ihre Ideen umzusetzen, wird das Ergebnis umso farbenfroher. Für Paul Ward ist klar, dass der Dokumentarfilm als Kategorie jetzt lebhafter und dynamischer ist als jemals zuvor – sowohl auf der Kinoleinwand als auch auf dem TV-Bildschirm.[3] Gleichzeitig stellt er eine “enormous expansion in scholarship relating to documentary in recent years“ fest.[4] All diese Punkte führen ihn zu dem Schluss, dass die Marginalisierung des Dokumentarfilms als Objekt einer seriösen Untersuchung zu Ende ist. Dem Dokumentarfilm wird – nicht zuletzt auf Grund seines Markterfolges – mehr Beachtung geschenkt: von journalistischer, literarischer wie wissenschaftlicher Seite.[5]

Eine genaue Untersuchung bietet sich an, da der Dokumentarfilm enormes Potential wie enorme Risiken birgt. So nennt Rabiger an verschiedenen Stellen seines Einführungswerks Dokumentarfilme drehen[6] Funktionen, die der Dokumentarfilm, die „kreative Bearbeitung des Wirklichen“, wie der Dokumentarfilmpionier John Grierson sein Filmemachen nannte, dienen kann: Aufmerksamkeit erzeugen, Gewichten, Lektionen der Vergangenheit vorführen, Zeitzeuge sein, Sozialkritik üben, Vorgänge festhalten und bewahren, enthüllen, überzeugen, analysieren, erforschen, ausdrücken – in ihm könne man eine andere Erlebenswelt als unsere eigene nachempfinden und so neue Perspektiven und Sichtweisen eröffnen. Heller fügt dieser Aufzählung noch an, dass der Dokumentarfilm angesichts des schlechten Infotainments der Deformierung zur Phantomwelt entgegenwirken kann.[7] Doch wird diese Behauptung später zu überprüfen sein.

Als Beispiel für die Risiken schauen wir uns die Wochenschauen der NSDAP im Dritten Reich an: Auch diese wurden von den Zuschauern unter dem Rezeptionsmodus der Wirklichkeitsrepräsentation gesehen und haben so zu Rassismus und menschenverachtender Gesinnung und Verhalten beigetragen.[8] Indem die Regisseure Teile aus der Wirklichkeit auswählen und verdichtet vortragen, verfügen sie über sämtliche Mittel zur Manipulation. Wobei die Wirklichkeit selbst in einem späteren Kapitel noch zu definieren ist. Selbstverständlich wählen die Regisseure in der Regel nicht wie im obigen Beispiel aus politischer Absicht aus, sondern die Dokumentarfilmer lassen sich von innerer Überzeugung leiten.[9] Manche Theoretiker und Filmemacher wie Rabiger fordern sogar „aktives Engagement.“[10] Hierbei argumentieren sie, dass den Regisseuren aus menschlicher Sicht nichts vorzuwerfen sei, wenn sie nur die Position des armen Bauern, dem seine Wasserversorgung zu Gunsten eines großen Industriebetriebes abgedreht wird, portraitieren, die positiven Auswirkungen des Industrieansiedlung für die Landbevölkerung jedoch nicht zeigen. Für Rabiger ist es ein bloßes Vorurteil, dass der Dokumentarfilm in irgendeiner Weise objektiv sei: „Der Dokumentarfilm an und für sich ist nicht objektiv.“[11]

[...]


[1] Klaus Keil in einem Bericht des ddd, zitiert nach: Joachim Huber, „Dokumentafilm / Documentary / Dokumenta-

tion oder die Verwirrung der Begriffe“; www.medientage-muenchen.de/archiv/2001/huber_joachim.pdf [07.Jan]

[2] Joachim Huber, „Dokumentafilm / Documentary / Dokumentation oder die Verwirrung der Begriffe“;

www.medientage-muenchen.de/archiv/2001/huber_joachim.pdf [07. Jan.]

[3] Vgl. Paul Ward, Documentary – The Margins of Reality, London, 2005, 100.

[4] Vgl. ebd., 1.

[5] Vgl. ebd.

[6] Vgl. Michael Rabiger, Dokumentarfilme drehen, Frankfurt, 2000, 15.

[7] Vgl. Heinz B. Heller, Bilderwelten - Weltbilder, Marburg, 1990, 10.

[8] Vgl. Christa Blümlinger, “Blick auf das Bilder-Machen – Zur Reflexivität im dokumentarischen Film”,

in: Christa Blümlinger: Sprung im Spiegel, Wien, 1990, 157.

[9] Vgl. ebd., 15.

[10] Ebd., 29.

[11] Ebd., 20.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Die Illusion der Möglichkeit von Authentizität
Untertitel
Vom Streite zwischen Cinéma Vérité und Direct Cinema sowie seiner Auflösung im konstruktivistischen Kommunikationsmodell
Hochschule
Universität Siegen
Veranstaltung
Wirkung von Medien
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
28
Katalognummer
V87674
ISBN (eBook)
9783638040228
ISBN (Buch)
9783638936750
Dateigröße
490 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Illusion, Möglichkeit, Authentizität, Wirkung, Medien
Arbeit zitieren
Patrick Fink (Autor:in), 2007, Die Illusion der Möglichkeit von Authentizität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87674

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