Warum Gorbatschow? Ein Reformer wird Generalsekretär


Term Paper (Advanced seminar), 2006

21 Pages, Grade: 1


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Gorbatschows politischer Aufstieg nach Moskau
2.2. Die Ämterlaufbahn Gorbatschows
2.2. Der Andropow-Faktor

3. Der neue Pragmatismus in der sowjetischen Politik
3.1. Die problematischen Zustände in der Sowjetunion
3.2. Der neue Pragmatismus unter der Regierung Andropow
3.3. Die Stagnation unter der Regierung Tschernenko

4. Die Vorbereitungen auf die Macht
4.1. Die Sehnsucht des Westens nach einem Hoffnungsträger
4.2. Die Popularität Gorbatschows vor seinem Machtantritt
4.3. Der Gorbatschow-Effekt
4.4. Die Wahl zum Generalsekretär

5. Schlussbetrachtungen

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Am 3. Dezember 1989 sagte Gorbatschow auf einem Gipfeltreffen mit George H. W. Bush auf Malta: „Der Kalte Krieg ist zu Ende“[1]. Im Folgejahr 1990 erhält Gorbatschow die weltweit höchste politische Auszeichnung für seine Beiträge zur Beendigung des Kalten Krieges, den Friedensnobelpreis.

Über Michail Gorbatschow ist bemerkenswert viel geschrieben worden und die jeweils herrschende Meinung hatte sich in Ost und West schon dreimal geändert bevor er 1991 sein Amt an Boris Jelzin verlor. In den ersten zwei Jahren seiner Amtszeit von 1985 bis 1986 war im Westen die Ansicht weit verbreitet, Gorbatschow habe einen neuen Stil eingeführt, er sei, soweit er überhaupt ein Reformer sei, ein technokratischer von dem keine weit reichenden Veränderungen zu erwarten seien[2]. Bei der russischen Bevölkerung hingegen war Gorbatschow vor allem in seinen ersten zwei Amtsjahren besonders populär. Mit der Wahl Gorbatschows zum Generalsekretär 1985, dachten aber weder sowjetische Bürger noch ausländische Beobachter, dass die Sowjetunion dabei war reformiert zu werden[3].

Derart weit reichende und von so wenig Gewalt begleitete Veränderungen während der Regierung Gorbatschows wären ohne den Aufstieg eines ernsthaften Reformers zum Generalsekretär nicht möglich gewesen. In den späten achtziger Jahren waren all diejenigen, die das System offen von innen heraus angegriffen hatten gescheitert[4]. Die große Macht, die kollektiv in den Händen der Führung der kommunistischen Partei lag und im Besonderen in denen des Generalsekretärs als deren Oberhaupt, war Voraussetzung für politische Umwälzungen von Oben. Ohne den Aufstieg eines praktisch denkenden, reformbereiten und hochbegabten Politikers wie Gorbatschow ins höchste Parteiamt 1985 wären fundamentale Veränderungen wesentlich gewalttätiger und langsamer verlaufen. Von vielen westlichen Beobachtern und prominenten sowjetischen Emigranten wie Alexander Solschenizyn und Alexander Sinowjew wurde im Voraus die Aussicht ausgeschlossen, dass ein Reformer überhaupt Generalsekretär werden könne[5].

Diese Arbeit behandelt Gorbatschows Werdegang und berührt die wichtigsten Ereignisse und Veränderungen der Jahre vor Gorbatschows Machtantritt im Hinblick auf deren Bedeutung für Gorbatschow. Auf welche Weise nutzte Gorbatschow Ereignisse, Machtkonstellationen, Zustände und die Stimmung der Massen in Ost und West um letztendlich die Führung der Sowjetunion übernehmen zu können? Das Hauptanliegen dieser Arbeit ist es, den Anteil darzustellen und zu interpretieren, den Gorbatschows Persönlichkeit betrifft in seiner Politik hin zur Machtergreifung und damit zur Reform der Sowjetunion. Welches Image ging Gorbatschow bei seiner Wahl zum Generalsekretär voraus? Welche Erwartungen waren sowohl von Seiten des Westens als auch innerhalb der Sowjetunion mit seiner Person verbunden gewesen?

Der elfte März 1985 steht mit Gorbatschows Wahl für folgende pragmatische Politik, die durch Gorbatschows Eingreifen die Ost-West Beziehungen grundlegend veränderten und mit der die russische Herrschaft in Osteuropa zu Ende ging[6]. Seine wachsende Machtstellung, die in seiner Wahl zum Generalsekretär der Sowjetunion am elften März 1985 ihren Höhepunkt findet, wird im Blick auf seinen politischen Stil innerhalb der Führungsriege bis zu diesem historischen Datum näher untersucht.

Über Gorbatschow und dessen Ära ist eine sehr ausführliche Quellenlage zu verzeichnen. Vor allem aber zu Gorbatschows Person sind unter gut bearbeitetem Material viele populistische Publikationen in Form von zahlreichen Biographien aus Ost und West, die einem allgemeinen Interesse der Welt an seiner Person nachkamen. Die Biographien decken ein sehr breites Meinungsspektrum über Gorbatschow ab. Hinzu kommen zahlreiche politische Memoiren, die unterschiedlichste Beurteilung über Gorbatschow zum Ausdruck bringen. Von Gorbatschows Schriften wurden vor allem Gorbatschows ausführliche Memoiren herangezogen[7]. Handbücher der russischen Geschichte greifen die Ära Gorbatschow überwiegend ausführlich auf.

2. Gorbatschows politischer Aufstieg nach Moskau

2.2. Die Ämterlaufbahn Gorbatschows

Michail Gorbatschow wurde am 2. März 1931 als Sohn einer Familie der unteren Mittelschicht geboren. Sein Vater war Vorsteher einer Kolchose in der Region Stawropol[8]. Für Bestnoten in der Schule und herausragenden Arbeitseinsatz in der Kolchose erhielt Gorbatschow eine Silbermedaille, die ihm ein Studium in Moskau ermöglichte[9]. Kurz nach der studentischen Hochzeit mit Raissa Maximowna 1953, schloss er sein Jura-Studium zwei Jahre später in Moskau mit Auszeichnung ab[10].

Nach dem Tode Josef Stalins 1953 übernahm Nikita Sergejewitsch Chruschtschow die Parteiführung. In einer so genannten Geheimrede äußerte Chruschtschow Kritik am Personenkult um Stalin und an den stalinistischen Verbrechen. Er verkündetet den Kurs der „friedlichen Koexistenz“ in der sowjetischen Außenpolitik. In diese Periode der politischen Aufklärung fiel Gorbatschows Entscheidung nicht den abgesicherten und besser bezahlten Weg in der bürokratischen Verwaltung zu gehen, den ihm sein Abschluss ermöglicht hätte.

Hier begann der auch der langwierige Prozess [...] der Neuinterpretation der Geschichte unseres Landes, seiner Gegenwart und seiner Zukunft, und so kann ich mit Sicherheit behaupten: Ohne diese fünf Jahre hätte es Gorbatschow als Politiker nicht gegeben.[11]

Gorbatschow entschloss sich für die Ämterlaufbahn als Funktionär in seiner Heimatregion Stawropol. 1954 kehrte er in seine Heimat in Stawropol zurück wo er rasch vom Parteisekretär für Jugendpolitik und 1970 zum Bezirkssekretär befördert wurde[12].

1957 wurde seine Tochter Irina geboren[13]. Ein Jahr später hatte er, neben seiner Arbeit als Funktionär, sein Diplom an der Agrarhochschule für Wirtschaft über ein Fernstudium nachgeholt. Gorbatschow hatte in seinem Aufgabenbereich der Landwirtschaft, sowohl Chruschtschows phantastische Agro-Städte planend vorbereitet sowie Breschnews technokratische Experimente wie z.B. Mähdrescherbrigaden organisiert. Informationen über die Produktivität von Kolchosen und Lebensbedingungen der Bauern waren ihm über seine Familie, die in einer Kolchose lebte, als auch über seine Frau Raissa Maximowna, die die Kolchosen der Gegend um Stawropol soziologisch erforschte, zugänglich[14]. Sie schulten Gorbatschows realitätsnahen Blick für die Zustände der Landwirtschaft.

[...]


[1] Zit. n. Gail Sheehy, Gorbatschow, Der Mann, der die Welt verändert hat, S. 393.

[2] Sewerin Bialer, The Soviet Paradox: External Expansion, Internal Decline, S. 343. Ronald Amann, Soviet Politics in the Gorbachev Era: The End of Hesitant Modernisation, S. 289-310. Archie Brown, Der Gorbatschow-Faktor, Wandel einer Weltmacht, S. 28.

[3] Brown, S. 22.

[4] Ebd., S. 22.

[5] Ebd., S. 23.

[6] Maria Huber, Moskau, 11. März 1985, S. 8.

[7] Michail Gorbatschow, Erinnerungen, Berlin 1995.

[8] Christian Schmidt-Häuer, Michail Gorbatschow, Moskau im Aufbruch, S. 70 f.

[9] Brown, S. 63.

[10] Gerd Ruge, Michail Gorbatschow, S. 86.

[11] Gorbatschow, S. 82 f.

[12] Ruge, S. 27.

[13] Nikolai Poljanski, Alexander Rahr, Gorbatschow, Der neue Mann, S. 40.

[14] Brown, S. 83.

Excerpt out of 21 pages

Details

Title
Warum Gorbatschow? Ein Reformer wird Generalsekretär
College
University of Heidelberg  (Historisches Seminar)
Course
Die Mauer 1961-89. Repression, Umbruch, Untergang
Grade
1
Author
Year
2006
Pages
21
Catalog Number
V87652
ISBN (eBook)
9783638041164
ISBN (Book)
9783638939010
File size
453 KB
Language
German
Keywords
Warum, Gorbatschow, Reformer, Generalsekretär, Mauer, Repression, Umbruch, Untergang
Quote paper
Linda Raible (Author), 2006, Warum Gorbatschow? Ein Reformer wird Generalsekretär, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87652

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