Die Calque-Methode in der Bibelübersetzung am Beispiel der Biblia de Ferrara


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

20 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Bibelübersetzungen als Grundlage für empirische Sprachwandeluntersuchungen

3 Die Ferrara Bibel: Entstehung und geschichtlicher Kontext
3.1. Geschichtlicher Hintergrund
3.2. Die Rolle Ferraras
3.3. Zielgruppe der Biblia de Ferrara
3.4. Geschichte der Bibelübersetzung in spanischer Sprache

4 Zur Calque-Methode in der Bibelübersetzung
4.1. Methode
4.2. Beispiele
4.2.1. Syntax
4.2.2. Wortsemantik
4.2.3. Morphologie
4.2.4. Stil
4.3. Problematik

5 Schluss

6 Bibliographie

He aquí toda una teoría de la traducción y como fondo el fantasma aterrador de la inexactitud. Se está creando una lengua sacralizada, ajena a los usos cotidianos, aunque a veces revierta sobre ellos, pero es una lengua falsa, por erudita y desasida. En pleno siglo XVI [!], Yoseph Franco Serrano, profesor de lengua hebrea atacó abiertamente el proceder ferrarense: transcribir palabra por palabra es oscurecer los textos y hacerlos incomprensibles.

Manuel Alvar[1]

... y trabajé siempre seguir quasi en todo la phrasis hebrayco por no poder salir del senso [...] Aunque claro conosco parescera rudo cotejandolo con el moderno español. Mas quise antes tener respeto a la vera trasladación y origen de donde trasladaua, que a la vera trasladación y origen de donde trasladaua, que a la pulideza de la lengua español en que trasladaua.

Abraham Usque. „Prólogo“ des Psalterium[2]

1 Einleitung

Die 1553 von zwei sephardischen Juden im italienischen Exil veröffentlichte Ferrara-Bibel ist zwar nicht die erste Übersetzung des hebräischen Originals, aber eine der Bedeutendsten. Ihre Einzigartigkeit beruht auf der im höchsten Maße sorgfältigen Wort-für-Wort Übersetzung des massoretischen Textes, die sich darum bemüht „la verdad hebrayca“ so authentisch wie möglich in der spanischen Sprache zu erhalten. Das Ergebnis ist eine Sprache, die zwischen dem hebräischen Original und der Zielsprache liegt. Sie übernimmt größtenteils die Syntax und die Grammatik ersterer, füllt sie aber mit spanischer Lexik. Ziel dieser Calque-Übersetzung war es, den ehemals zwangsgetauften und später im Exil rekonvertierten Juden, die des Hebräischen nicht mehr oder kaum mächtig waren, die Auseinandersetzung mit dem biblischen Text zu ermöglichen und durch die enge Verbindung mit der Vorlage den Wiedererkennungseffekt zu fördern. Trotz ihrer Funktionalität hatte diese Übersetzungsmethode nicht nur Anhänger –wie die obigen Zitate verdeutlichen–, da sie die Grammatikregeln und Stilvorgaben der Zielsprache in vielen Fällen außer Acht lässt.

Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Besonderheiten der Calque –Übersetzung auf der Grundlage der Bücher Haggai und Deuteronomium der Biblia de Ferrara und erörtert die Problematik der Methode anhand der kontroversen Rezeption des gesamten Werkes. Zunächst soll jedoch geklärt werden, wie verlässlich und vor allem angemessen und glaubwürdig Bibeltexte, bzw. ihre Übersetzungen für linguistische Untersuchungen sind. Um die Bedeutung der Ferrara-Bibel für die sephardische Diaspora zu verdeutlichen, folgt ein kurzer historischer Einblick in die Umstände ihrer Entstehung, der durch einen Exkurs in die Geschichte der Bibelübersetzung aus dem massoretischen Text in das Spanische bis 1553 abgeschlossen wird. Daraufhin soll die Calque-Methode zunächst in Theorie und Praxis vorgestellt werden, bevor ihre Vor-und Nachteile für die zeitgenössischen und späteren Leser am Beispiel der Biblia de Ferrara erörtert werden.

2 Bibelübersetzungen als Grundlage für empirische Sprachwandeluntersuchungen

Obwohl zahlreiche Sprachwissenschaftler[3] Bibelübersetzungen als Grundlage für sowohl synchrone als auch diachrone Untersuchungen einer Sprache oder auch mehrerer Sprachen im Vergleich kritisieren, gibt es auch Befürworter dieser Vorgehensweise. Einer von ihnen ist Georg Kaiser, Professor der Romanistik in Konstanz, der in seinem Aufsatz „Bibelübersetzungen als Grundlage für empirische Sprachwandeluntersuchungen“ die Vor- und Nachteile eben dieser Methode erläutert.

Gegen die Benutzung von Bibelübersetzungen spricht zum einen die Tatsache, dass religiöse Texte bestimmten Stilvorgaben folgen und somit nicht die tatsächlich gesprochene Sprache widerspiegeln. Zum anderen beruhen Bibelübersetzungen fast ausschließlich auf anderen Übersetzungen, so dass „Einflüsse der Vorlage, Mißverständnisse von seiten des Übersetzers und andere, störende Faktoren nie völlig zu vermeiden [sind],“ wie Peter Stein in seinen Untersuchungen der Verbalsyntax der Liviusübersetzungen in die romanischen Sprachen zu bedenken gibt.[4] Daraus ergibt sich eine mangelnde Autenthizität der Texte, und somit auch die Frage, inwiefern sie für sprachwissenschaftliche Untersuchungen geeignet sind.

Trotz dieser Einwände werden Bibelübersetzungen bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts verwendet und dienen gerade in der Romanistik oft als Beispiele in der sprachwissenschaftlichen Einführungsliteratur. Ihr Vorteil bei der synchronen Betrachtung unterschiedlicher Sprachen liegt auf der Hand: es ist stets der gleiche Text, der außerdem in unzähligen Sprachen verfügbar ist. Unterschiede aufgrund unterschiedlichen Inhalts oder der Textsorte können somit ausgeschlossen werden. Genauso eignen sich Bibelübersetzungen für diachrone Untersuchungen einer oder mehrerer Sprachen im Vergleich, denn, wie Michèle Goyens und Willy van Hoecke in ihrem Aufsatz „La traduction comme témoin de l’évolution linguistique“ aufzeigen,

si un texte ancien est traduit dans un idiome issu de la langue dans laquelle ce texte a été composé, la traduction permet de saissir sur le vif des changements qui ont tran[s]formé la langue mère et provoqué l’émergence d’un système linguistique. [...] Les traductions successives forment autant de témoignages authentiques de locuteurs natifs sur l’expression la plus appropriée d’un message dans leur système linguistique.[5]

Dementsprechend sind Bibelübersetzungen eine ausgezeichnete Grundlage für sprachwissenschaftliche Untersuchungen, da sie mit jeder Neuübersetzung den Wandel und die Weiterentwicklung der Sprache dokumentieren. Interferenzen und Fehlübersetzungen sind zwar nicht auszuschließen und mögen den Inhalt verzerren, doch bei der sprachwissenschaftlichen Auseinandersetzung spielen sie eine geringfügige Rolle, da die Übersetzung in der Regel Muttersprachlern oder hoch qualifizierten Experten oblag, die die grammatischen Regeln der Zielsprache beherrschten.

Kaiser schließt aus diesen Faktoren, dass „kein Zweifel [besteht], dass Bibelübersetzungen eine hervorragende Grundlage für empirische Sprachwandeluntersuchungen bilden.“[6] Im Falle des Ladino[7] geht die Bedeutung der Bibelübersetzung über den bloßen Nutzen für die sprachwissenschaftliche Analyse hinaus: die Übersetzungen sind die Grundlage für die Entwicklung einer judenspanischen Schriftsprache,[8] die wegen ihrer häufigen Rezeption auch die gesprochene Sprache beeinflusste.[9]

3 Die Ferrara Bibel: Entstehung und geschichtlicher Kontext

3.1. Geschichtlicher Hintergrund

Biblia de Ferrara ist die Bezeichnung für die 1553 im italienischen Ferrara veröffentlichte Übersetzung der hebräischen Bibel in spanischer Sprache.[10] Ihre Übersetzer waren zwei sephardische Juden, der Spanier Jerónimo de Vargas (hebräisch Yom Tob Atías) und der Portugiese Duarte Pinel (hebräisch Abraham Usque),[11] Nachkommen in erster Generation der aus Spanien und Portugal geflüchteten Juden.[12] Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über Verlauf des jüdischen Exodus nach Ferrara gegeben werden.

Einige der 1492 aus Spanien vertriebenen Juden versuchten sich in Portugal eine neue Existenz aufzubauen, wurden aber auch dort ab 1497 zur Konversion gezwungen.[13] Diejenigen, die es nach Italien verschlug, fanden zunächst unter anderem in Neapel und Rom Zuflucht, wo sie jeweils von König Ferdinand I. von Neapel und Papst Alexander VI. mit Toleranz empfangen wurden.[14] 1541 wurden sie in Neapel jedoch der Verbreitung von Pest und Syphilis angeklagt[15] und flohen nach Rom, aber auch in die Toskana und den Osten Italiens.

[...]


[1] Alvar, Manuel. El ladino, judeo-español calco. Madrid: Real Academia de la Historia, 2000. 72.

[2] Zitiert in Alvar 2000: 48.

[3] Dieses Kapitel basiert auf dem gleichnamigen Aufsatz von Georg Kaiser.

Kaiser, Georg A. „Bibelübersetzungen als Grundlage für empirische Sprachwandeluntersuchungen.“Romanistische Korpuslinguistik. Korpora und Historische Sprachwissenschaft. Hgg. Johannes Kabatek, Claus D. Pusch und Wolfgang Raible. Tübingen: Narr, 2005. 71-83.

[4] Zitiert in Kaiser 2005: 77.

[5] Zitiert in Kaiser 2005: 78.

[6] Kaiser 2005: 80.

[7] Sabine Kowallik lehnt den Gebrauch von ‚Judenspanisch’ wegen seines verallgemeinernden Charakters ab und unterscheidet in Anlehnung an Sephiha deutlich zwischen der gesprochenen Sprache – djudezmo – und der Schriftsprache ladino. (Kowallik, Sabine. Beiträge zum Ladino und seiner Orthographiegeschichte. Hamburg: Buske, 1989. 50)

[8] Kowallik 1989: 50.

[9] Arnold, Rafael. Spracharkaden. Die Sprache der sephardischen Juden in Italien im 16. und 17. Jahrhundert. Heidelberg: Winter, 2006. 116.

[10] Iacob M. Hassán. „Dos introducciones de la Biblia de Ferrara.“Introducción a la Biblia de Ferrara: Actas del simposio internacional sobre la Biblia de Ferrara. Hg. Iacob M. Hassán. Madrid: Comisión Nacional Quinto Centenario, 1994. 13.

[11] Laut der Einführung der Herausgeber ist Jerónimo de Vargas lediglich für die Finanzierung zuständig: „... con yndusria y delingencia de Duarte Pinel portugués, estampada en Ferrara a costa y despesa de Jerónimo de Vargas español…“ bzw. „... con yndustria y deligencia de Abraha m Usque portugués, estampada en Ferrara a costa y despesa de Yom Tob Atías...“

Zitiert in Hassán „Dos introducciones de la Biblia de Ferrara“: 45.

[12] „Grandes traductores: Vargas – Pinel.“proel.org. Promotora Española de Lingüística. 5. Juni 2007 http://www.proel.org/traductores/duarte.html

[13] Bunis, David M. „Tres formas de ladinar la Biblia en Italia en los siglos XVI-XVII.“Introducción a la Biblia de Ferrara: Actas del simposio internacional sobre la Biblia de Ferrara. Hg. Iacob M. Hassán. Madrid: Comisión Nacional Quinto Centenario, 1994. 317.

[14] Toaff, Ariel. „Los sefardíes ibéricos en el reino de Nápoles y en el Estado Pontificio.“Introducción a la Biblia de Ferrara: Actas del simposio internacional sobre la Biblia de Ferrara. Hg. Iacob M. Hassán. Madrid: Comisión Nacional Quinto Centenario, 1994. 185-186.

[15] „Grandes traductores: Vargas – Pinel“

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Calque-Methode in der Bibelübersetzung am Beispiel der Biblia de Ferrara
Hochschule
Universität Paderborn
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
20
Katalognummer
V87444
ISBN (eBook)
9783638031516
ISBN (Buch)
9783638930505
Dateigröße
520 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Calque-Methode, Bibelübersetzung, Beispiel, Biblia, Ferrara
Arbeit zitieren
Ana Colton-Sonnenberg (Autor:in), 2007, Die Calque-Methode in der Bibelübersetzung am Beispiel der Biblia de Ferrara, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87444

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